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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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wirst, oder gebe dich der Katze, die soll dich besser tanzen
lehren." -- Vor dieser Drohung hatte ich einen solchen Re¬
spekt, daß ich mir vornahm, Alles zu thun, was der Alte
nur wollte. Er sprach aber noch allerlei wunderliche Worte
Abracadabra über ein Stückchen harten Kuchen, das er mich
zu essen zwang, es muß das ein Zauberwerk gewesen seyn;
denn nun mußte ich Alles thun, was er nur wollte, bald lau¬
fen, bald hüpfen, bald so, bald so, wie er verlangte, und
auf alle Namen, die er mir gab, hörte ich, wie ein gut
abgerichtetes Hündchen. -- "Nun", sagte er zu den Andern,
"reisen wir nach Gelnhausen, ich zeige die Puppe der kleinen
Gackeleia und schwätze ihr leicht den Ring Gockels dafür ab;
ich habe schon einen ähnlichen nachmachen lassen, und haben
wir den Ring, so haben wir für nichts mehr zu sorgen." --
Nach diesen Worten steckte er mich mit der Puppe in seinen
Gürtel, und sie zogen nach Gelnhausen. O ich war froh, zu
dir, Gackeleia, zu kommen, ich machte die artigsten Sprünge
vor dir, ich dachte, wenn du schlafen würdest, dir Alles zu
sagen, und durch die Großmuth deines Vaters nochmals ge¬
rettet zu werden; -- das Uebrige weißt du, liebste Herz¬
gackeleia! -- Jetzt aber werde ich dich bald aufwecken, wir
sind nicht weit von der Residenz meines Herrn Vaters, Al¬
les ist gewiß noch in großer Trauer um meinen Verlust,
du sollst die Freude sehen, wenn ich wieder komme. Ich muß
dir nur noch sagen, daß unsre Stadt nicht ist wie eure
Städte, Alles ist ländlich, sittlich; du könntest nicht bequem
bei uns wohnen, es ist alles zu eng. -- Sieh unsre Stadt
ist gegründet worden auf einem ehemaligen Schlachtfeld;
der Proviantwagen der Marketenderin und allerlei andere
Bagage wurden zerschlagen und geplündert, und das zwar
in einer einsamen unwegsamen Gegend. Meine Vorältern
waren als freiwillige Mäuse mit den Proviantwagen gezo¬
gen, und da nun alles zerstört und die Soldaten fort waren,
ließen sie sich dort nieder, sammelten noch andere edle Mäuse,

wirſt, oder gebe dich der Katze, die ſoll dich beſſer tanzen
lehren.“ — Vor dieſer Drohung hatte ich einen ſolchen Re¬
ſpekt, daß ich mir vornahm, Alles zu thun, was der Alte
nur wollte. Er ſprach aber noch allerlei wunderliche Worte
Abracadabra uͤber ein Stuͤckchen harten Kuchen, das er mich
zu eſſen zwang, es muß das ein Zauberwerk geweſen ſeyn;
denn nun mußte ich Alles thun, was er nur wollte, bald lau¬
fen, bald huͤpfen, bald ſo, bald ſo, wie er verlangte, und
auf alle Namen, die er mir gab, hoͤrte ich, wie ein gut
abgerichtetes Huͤndchen. — „Nun“, ſagte er zu den Andern,
„reiſen wir nach Gelnhauſen, ich zeige die Puppe der kleinen
Gackeleia und ſchwaͤtze ihr leicht den Ring Gockels dafuͤr ab;
ich habe ſchon einen aͤhnlichen nachmachen laſſen, und haben
wir den Ring, ſo haben wir fuͤr nichts mehr zu ſorgen.“ —
Nach dieſen Worten ſteckte er mich mit der Puppe in ſeinen
Guͤrtel, und ſie zogen nach Gelnhauſen. O ich war froh, zu
dir, Gackeleia, zu kommen, ich machte die artigſten Spruͤnge
vor dir, ich dachte, wenn du ſchlafen wuͤrdeſt, dir Alles zu
ſagen, und durch die Großmuth deines Vaters nochmals ge¬
rettet zu werden; — das Uebrige weißt du, liebſte Herz¬
gackeleia! — Jetzt aber werde ich dich bald aufwecken, wir
ſind nicht weit von der Reſidenz meines Herrn Vaters, Al¬
les iſt gewiß noch in großer Trauer um meinen Verluſt,
du ſollſt die Freude ſehen, wenn ich wieder komme. Ich muß
dir nur noch ſagen, daß unſre Stadt nicht iſt wie eure
Staͤdte, Alles iſt laͤndlich, ſittlich; du koͤnnteſt nicht bequem
bei uns wohnen, es iſt alles zu eng. — Sieh unſre Stadt
iſt gegruͤndet worden auf einem ehemaligen Schlachtfeld;
der Proviantwagen der Marketenderin und allerlei andere
Bagage wurden zerſchlagen und gepluͤndert, und das zwar
in einer einſamen unwegſamen Gegend. Meine Voraͤltern
waren als freiwillige Maͤuſe mit den Proviantwagen gezo¬
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[148/0194] wirſt, oder gebe dich der Katze, die ſoll dich beſſer tanzen lehren.“ — Vor dieſer Drohung hatte ich einen ſolchen Re¬ ſpekt, daß ich mir vornahm, Alles zu thun, was der Alte nur wollte. Er ſprach aber noch allerlei wunderliche Worte Abracadabra uͤber ein Stuͤckchen harten Kuchen, das er mich zu eſſen zwang, es muß das ein Zauberwerk geweſen ſeyn; denn nun mußte ich Alles thun, was er nur wollte, bald lau¬ fen, bald huͤpfen, bald ſo, bald ſo, wie er verlangte, und auf alle Namen, die er mir gab, hoͤrte ich, wie ein gut abgerichtetes Huͤndchen. — „Nun“, ſagte er zu den Andern, „reiſen wir nach Gelnhauſen, ich zeige die Puppe der kleinen Gackeleia und ſchwaͤtze ihr leicht den Ring Gockels dafuͤr ab; ich habe ſchon einen aͤhnlichen nachmachen laſſen, und haben wir den Ring, ſo haben wir fuͤr nichts mehr zu ſorgen.“ — Nach dieſen Worten ſteckte er mich mit der Puppe in ſeinen Guͤrtel, und ſie zogen nach Gelnhauſen. O ich war froh, zu dir, Gackeleia, zu kommen, ich machte die artigſten Spruͤnge vor dir, ich dachte, wenn du ſchlafen wuͤrdeſt, dir Alles zu ſagen, und durch die Großmuth deines Vaters nochmals ge¬ rettet zu werden; — das Uebrige weißt du, liebſte Herz¬ gackeleia! — Jetzt aber werde ich dich bald aufwecken, wir ſind nicht weit von der Reſidenz meines Herrn Vaters, Al¬ les iſt gewiß noch in großer Trauer um meinen Verluſt, du ſollſt die Freude ſehen, wenn ich wieder komme. Ich muß dir nur noch ſagen, daß unſre Stadt nicht iſt wie eure Staͤdte, Alles iſt laͤndlich, ſittlich; du koͤnnteſt nicht bequem bei uns wohnen, es iſt alles zu eng. — Sieh unſre Stadt iſt gegruͤndet worden auf einem ehemaligen Schlachtfeld; der Proviantwagen der Marketenderin und allerlei andere Bagage wurden zerſchlagen und gepluͤndert, und das zwar in einer einſamen unwegſamen Gegend. Meine Voraͤltern waren als freiwillige Maͤuſe mit den Proviantwagen gezo¬ gen, und da nun alles zerſtoͤrt und die Soldaten fort waren, ließen ſie ſich dort nieder, ſammelten noch andere edle Maͤuſe,

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/194>, abgerufen am 28.03.2024.