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Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [107]–162. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dachte ich Allerlei, und besann mich, was ich der Alten sagen sollte, welche, über mein Zögern verwundert, mich anschaute und sprach:

Welch ein Handwerk Er treibt? frage ich. Warum will Er mir's nicht sagen? Treibt Er kein ehrlich Handwerk, so greif Er's noch an, es hat einen goldnen Boden. Er ist doch nicht etwa gar ein Henker oder Spion, der mich ausholen will? Meinethalben sei Er, wer Er will, sag' Er's, wer Er ist! Wenn Er bei Tag so hier säße, würde ich glauben, Er sei ein Lehnerich, so ein Tagedieb, der sich an die Häuser lehnt, damit er nicht umfällt vor Faulheit.

Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine Brücke zu ihrem Verständniß schlagen könnte: Liebe Mutter! sagte ich, ich bin ein Schreiber. -- Nun, sagte sie, das hätte er gleich sagen sollen. Er ist also ein Mann von der Feder, dazu gehören feine Köpfe und schnelle Finger und ein gutes Herz, sonst wird Einem drauf geklopft. Ein Schreiber ist Er: Kann Er mir dann wohl eine Bittschrift aufsetzen an den Herzog, die aber gewiß erhört wird und nicht bei den vielen anderen liegen bleibt?

Eine Bittschrift, liebe Mutter, sprach ich, kann ich Ihr wohl aufsetzen, und ich will mir alle Mühe geben, daß sie recht eindringlich abgefaßt sein soll.

Nun, das ist brav von Ihm, erwiderte sie. Gott lohn' es Ihm, und lasse Ihn älter werden, als mich, und gebe Ihm auch in seinem Alter einen so geruhigen Muth

dachte ich Allerlei, und besann mich, was ich der Alten sagen sollte, welche, über mein Zögern verwundert, mich anschaute und sprach:

Welch ein Handwerk Er treibt? frage ich. Warum will Er mir's nicht sagen? Treibt Er kein ehrlich Handwerk, so greif Er's noch an, es hat einen goldnen Boden. Er ist doch nicht etwa gar ein Henker oder Spion, der mich ausholen will? Meinethalben sei Er, wer Er will, sag' Er's, wer Er ist! Wenn Er bei Tag so hier säße, würde ich glauben, Er sei ein Lehnerich, so ein Tagedieb, der sich an die Häuser lehnt, damit er nicht umfällt vor Faulheit.

Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine Brücke zu ihrem Verständniß schlagen könnte: Liebe Mutter! sagte ich, ich bin ein Schreiber. — Nun, sagte sie, das hätte er gleich sagen sollen. Er ist also ein Mann von der Feder, dazu gehören feine Köpfe und schnelle Finger und ein gutes Herz, sonst wird Einem drauf geklopft. Ein Schreiber ist Er: Kann Er mir dann wohl eine Bittschrift aufsetzen an den Herzog, die aber gewiß erhört wird und nicht bei den vielen anderen liegen bleibt?

Eine Bittschrift, liebe Mutter, sprach ich, kann ich Ihr wohl aufsetzen, und ich will mir alle Mühe geben, daß sie recht eindringlich abgefaßt sein soll.

Nun, das ist brav von Ihm, erwiderte sie. Gott lohn' es Ihm, und lasse Ihn älter werden, als mich, und gebe Ihm auch in seinem Alter einen so geruhigen Muth

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[0022] dachte ich Allerlei, und besann mich, was ich der Alten sagen sollte, welche, über mein Zögern verwundert, mich anschaute und sprach: Welch ein Handwerk Er treibt? frage ich. Warum will Er mir's nicht sagen? Treibt Er kein ehrlich Handwerk, so greif Er's noch an, es hat einen goldnen Boden. Er ist doch nicht etwa gar ein Henker oder Spion, der mich ausholen will? Meinethalben sei Er, wer Er will, sag' Er's, wer Er ist! Wenn Er bei Tag so hier säße, würde ich glauben, Er sei ein Lehnerich, so ein Tagedieb, der sich an die Häuser lehnt, damit er nicht umfällt vor Faulheit. Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine Brücke zu ihrem Verständniß schlagen könnte: Liebe Mutter! sagte ich, ich bin ein Schreiber. — Nun, sagte sie, das hätte er gleich sagen sollen. Er ist also ein Mann von der Feder, dazu gehören feine Köpfe und schnelle Finger und ein gutes Herz, sonst wird Einem drauf geklopft. Ein Schreiber ist Er: Kann Er mir dann wohl eine Bittschrift aufsetzen an den Herzog, die aber gewiß erhört wird und nicht bei den vielen anderen liegen bleibt? Eine Bittschrift, liebe Mutter, sprach ich, kann ich Ihr wohl aufsetzen, und ich will mir alle Mühe geben, daß sie recht eindringlich abgefaßt sein soll. Nun, das ist brav von Ihm, erwiderte sie. Gott lohn' es Ihm, und lasse Ihn älter werden, als mich, und gebe Ihm auch in seinem Alter einen so geruhigen Muth

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:27:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:27:19Z)

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [107]–162. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_annerl_1910/22>, abgerufen am 23.11.2024.