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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Bohrwurm.
kann. Eine Barke versank in Folge eines Unfalles im Frühjahr. Nach vier Monaten wurde sie
von den Fischern wieder gehoben, in der Hoffnung, Holzwerk davon gebrauchen zu können.
Aber in diesem kurzen Zeitraum hatten die Bohrwürmer sie so zerfressen, daß Planken und
Balken ganz durchlöchert waren."

"Bohrwürmer, welche man aus ihren Röhren und Gängen herausnimmt und nackt in ein
Gefäß legt, leben ganz gut fort, und ich habe deren über 14 Tage erhalten. Jch konnte deshalb
mit Bequemlichkeit einige Züge ihrer Lebensthätigkeiten sehen, welche man bei den gewöhnlichen
Muscheln ihrer Schalen wegen so schwer beobachtet. Von der Athmung ist nur zu sagen, daß
sie wie bei allen Zwischenschalern mit doppelten Mantelröhren von Statten geht. Das Wasser
dringt durch den unteren weiteren Sipho ein und durch die Afterröhre aus. Die kleinen Fransen
am Ende der unteren Röhre haben augenscheinlich den Zweck, gewisse fremde Körper zu erkennen,
welche dem Thiere schaden könnten. Man braucht sie nur ganz leise zu berühren, um sogleich
die Röhren sich schließen zu sehen. Wenn ich jedoch mit einem zugespitzten Glasrohr mit Jndigo
gefärbtes Meerwasser in die unmittelbare Nähe des einführenden Sipho brachte, verrieth nichts,
daß diese fremde Substanz das Thier störte und fast unmittelbar darauf sah ich den Farbestoff
wieder durch die Afterröhre austreten. Die von ihren Kalkröhren umschlossenen Bohrwürmer
lassen ihre Siphonen sehr oft heraustreten, und diese halten sich immer so, daß das ausgeathmete
Wasser sich nicht mit dem zu den Kiemen einströmenden vermischt. Auch die in ein Gefäß gesetzten
Exemplare geben ihren Siphonen eine solche Stellung und man sieht diese Theile bald eine längere
Zeit hindurch unbeweglich verharren, bald mit ziemlicher Geschwindigkeit nach allen Richtungen sich
biegen. -- Die Bewegungen, welche die in den Gefäßen befindlichen Thiere ausführen, beschränken
sich auf langsame Ausdehnungen und etwas schnellere Zusammenziehungen, durch welche sie
gelegentlich ihren Platz verändern können; ordentlich zu kriechen sind sie aber nicht im Stande.
Jn ihren Röhren müssen diese Bewegungen noch beschränkter sein. Da sie unveränderlich an den
beiden, den Paletten entsprechenden Stellen befestigt sind, können sie den vorderen und den hinteren
Körpertheil gegen diesen Punkt heranziehen; das ist aber auch Alles. Nichts in der Beschaffenheit
ihrer Muskeln zeigt an (-- im Widerspruch zu den oben mitgetheilten Beobachtungen Harting's --),
daß sie Drehungen um ihre Are ausführen könnten, und ich habe nichts desgleichen beobachtet."

"Legt man einen aus seiner Röhre herausgenommenen Bohrwurm auf den Boden eines
Gefäßes, so ist er sichtlich zusammengezogen. Bald entfaltet er sich und obwohl er sich um das
Dreifache seiner Länge ausdehnt, nimmt die Dicke doch sehr wenig ab. Diese auf den ersten
Anblick sehr eigenthümliche Erscheinung erklärt sich durch den Zufluß des Wassers unter den
Mantel und den des Blutes, welches aus den großen inneren Räumen sich in die äußeren
hineinzieht."

"Die Bohrwürmer legen Eier; die Geschlechter sind getrennt, und die Zahl der Männchen
viel geringer, als die der Weibchen. Unter den wenigstens hundert Stück, welche zu meinen
Untersuchungen gedient haben, fand ich nur 5 bis 6 Männchen. Das Verhältniß der Geschlechter
ist also ungefähr wie 1:20. Das Eierlegen muß nach und nach vor sich gehen und eine
beträchtliche Zeit hindurch dauern, nach den Exemplaren zu urtheilen, die ich in meinen Gefäßen
hielt. Sie gaben mir mehrere Tage hinter einander Eier, wodurch die Eierstöcke noch bei weitem
nicht entleert waren. Die von den Weibchen gelegten Eier häufen sich im Kiemenkanal an, wo
sie von dem mit Samenkörperchen vermischten und durch die Athmung eingeführten Wasser
befeuchtet werden. Wenigstens habe ich in diesem Kanal immer Mengen von Larven der ver-
schiedensten Größe gefunden. Man könnte sich ihre Anwesenheit an diesem Orte auch noch anders
erklären. Die Larven genießen Anfangs ein ausgezeichnetes Vermögen, sich fortzubewegen und
schwimmen sehr schnell. Die Eier könnten nun auch nach außen gebracht werden und sich dort
in Larven umwandeln; letztere könnten aber, durch die Athemströmung eingezogen, dorthin
gerathen, wo sie jene erste Lebensperiode zuzubringen haben."

Taschenberg und Schmidt, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 59

Bohrwurm.
kann. Eine Barke verſank in Folge eines Unfalles im Frühjahr. Nach vier Monaten wurde ſie
von den Fiſchern wieder gehoben, in der Hoffnung, Holzwerk davon gebrauchen zu können.
Aber in dieſem kurzen Zeitraum hatten die Bohrwürmer ſie ſo zerfreſſen, daß Planken und
Balken ganz durchlöchert waren.“

„Bohrwürmer, welche man aus ihren Röhren und Gängen herausnimmt und nackt in ein
Gefäß legt, leben ganz gut fort, und ich habe deren über 14 Tage erhalten. Jch konnte deshalb
mit Bequemlichkeit einige Züge ihrer Lebensthätigkeiten ſehen, welche man bei den gewöhnlichen
Muſcheln ihrer Schalen wegen ſo ſchwer beobachtet. Von der Athmung iſt nur zu ſagen, daß
ſie wie bei allen Zwiſchenſchalern mit doppelten Mantelröhren von Statten geht. Das Waſſer
dringt durch den unteren weiteren Sipho ein und durch die Afterröhre aus. Die kleinen Franſen
am Ende der unteren Röhre haben augenſcheinlich den Zweck, gewiſſe fremde Körper zu erkennen,
welche dem Thiere ſchaden könnten. Man braucht ſie nur ganz leiſe zu berühren, um ſogleich
die Röhren ſich ſchließen zu ſehen. Wenn ich jedoch mit einem zugeſpitzten Glasrohr mit Jndigo
gefärbtes Meerwaſſer in die unmittelbare Nähe des einführenden Sipho brachte, verrieth nichts,
daß dieſe fremde Subſtanz das Thier ſtörte und faſt unmittelbar darauf ſah ich den Farbeſtoff
wieder durch die Afterröhre austreten. Die von ihren Kalkröhren umſchloſſenen Bohrwürmer
laſſen ihre Siphonen ſehr oft heraustreten, und dieſe halten ſich immer ſo, daß das ausgeathmete
Waſſer ſich nicht mit dem zu den Kiemen einſtrömenden vermiſcht. Auch die in ein Gefäß geſetzten
Exemplare geben ihren Siphonen eine ſolche Stellung und man ſieht dieſe Theile bald eine längere
Zeit hindurch unbeweglich verharren, bald mit ziemlicher Geſchwindigkeit nach allen Richtungen ſich
biegen. — Die Bewegungen, welche die in den Gefäßen befindlichen Thiere ausführen, beſchränken
ſich auf langſame Ausdehnungen und etwas ſchnellere Zuſammenziehungen, durch welche ſie
gelegentlich ihren Platz verändern können; ordentlich zu kriechen ſind ſie aber nicht im Stande.
Jn ihren Röhren müſſen dieſe Bewegungen noch beſchränkter ſein. Da ſie unveränderlich an den
beiden, den Paletten entſprechenden Stellen befeſtigt ſind, können ſie den vorderen und den hinteren
Körpertheil gegen dieſen Punkt heranziehen; das iſt aber auch Alles. Nichts in der Beſchaffenheit
ihrer Muskeln zeigt an (— im Widerſpruch zu den oben mitgetheilten Beobachtungen Harting’s —),
daß ſie Drehungen um ihre Are ausführen könnten, und ich habe nichts desgleichen beobachtet.“

„Legt man einen aus ſeiner Röhre herausgenommenen Bohrwurm auf den Boden eines
Gefäßes, ſo iſt er ſichtlich zuſammengezogen. Bald entfaltet er ſich und obwohl er ſich um das
Dreifache ſeiner Länge ausdehnt, nimmt die Dicke doch ſehr wenig ab. Dieſe auf den erſten
Anblick ſehr eigenthümliche Erſcheinung erklärt ſich durch den Zufluß des Waſſers unter den
Mantel und den des Blutes, welches aus den großen inneren Räumen ſich in die äußeren
hineinzieht.“

„Die Bohrwürmer legen Eier; die Geſchlechter ſind getrennt, und die Zahl der Männchen
viel geringer, als die der Weibchen. Unter den wenigſtens hundert Stück, welche zu meinen
Unterſuchungen gedient haben, fand ich nur 5 bis 6 Männchen. Das Verhältniß der Geſchlechter
iſt alſo ungefähr wie 1:20. Das Eierlegen muß nach und nach vor ſich gehen und eine
beträchtliche Zeit hindurch dauern, nach den Exemplaren zu urtheilen, die ich in meinen Gefäßen
hielt. Sie gaben mir mehrere Tage hinter einander Eier, wodurch die Eierſtöcke noch bei weitem
nicht entleert waren. Die von den Weibchen gelegten Eier häufen ſich im Kiemenkanal an, wo
ſie von dem mit Samenkörperchen vermiſchten und durch die Athmung eingeführten Waſſer
befeuchtet werden. Wenigſtens habe ich in dieſem Kanal immer Mengen von Larven der ver-
ſchiedenſten Größe gefunden. Man könnte ſich ihre Anweſenheit an dieſem Orte auch noch anders
erklären. Die Larven genießen Anfangs ein ausgezeichnetes Vermögen, ſich fortzubewegen und
ſchwimmen ſehr ſchnell. Die Eier könnten nun auch nach außen gebracht werden und ſich dort
in Larven umwandeln; letztere könnten aber, durch die Athemſtrömung eingezogen, dorthin
gerathen, wo ſie jene erſte Lebensperiode zuzubringen haben.“

Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 59
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[929/0977] Bohrwurm. kann. Eine Barke verſank in Folge eines Unfalles im Frühjahr. Nach vier Monaten wurde ſie von den Fiſchern wieder gehoben, in der Hoffnung, Holzwerk davon gebrauchen zu können. Aber in dieſem kurzen Zeitraum hatten die Bohrwürmer ſie ſo zerfreſſen, daß Planken und Balken ganz durchlöchert waren.“ „Bohrwürmer, welche man aus ihren Röhren und Gängen herausnimmt und nackt in ein Gefäß legt, leben ganz gut fort, und ich habe deren über 14 Tage erhalten. Jch konnte deshalb mit Bequemlichkeit einige Züge ihrer Lebensthätigkeiten ſehen, welche man bei den gewöhnlichen Muſcheln ihrer Schalen wegen ſo ſchwer beobachtet. Von der Athmung iſt nur zu ſagen, daß ſie wie bei allen Zwiſchenſchalern mit doppelten Mantelröhren von Statten geht. Das Waſſer dringt durch den unteren weiteren Sipho ein und durch die Afterröhre aus. Die kleinen Franſen am Ende der unteren Röhre haben augenſcheinlich den Zweck, gewiſſe fremde Körper zu erkennen, welche dem Thiere ſchaden könnten. Man braucht ſie nur ganz leiſe zu berühren, um ſogleich die Röhren ſich ſchließen zu ſehen. Wenn ich jedoch mit einem zugeſpitzten Glasrohr mit Jndigo gefärbtes Meerwaſſer in die unmittelbare Nähe des einführenden Sipho brachte, verrieth nichts, daß dieſe fremde Subſtanz das Thier ſtörte und faſt unmittelbar darauf ſah ich den Farbeſtoff wieder durch die Afterröhre austreten. Die von ihren Kalkröhren umſchloſſenen Bohrwürmer laſſen ihre Siphonen ſehr oft heraustreten, und dieſe halten ſich immer ſo, daß das ausgeathmete Waſſer ſich nicht mit dem zu den Kiemen einſtrömenden vermiſcht. Auch die in ein Gefäß geſetzten Exemplare geben ihren Siphonen eine ſolche Stellung und man ſieht dieſe Theile bald eine längere Zeit hindurch unbeweglich verharren, bald mit ziemlicher Geſchwindigkeit nach allen Richtungen ſich biegen. — Die Bewegungen, welche die in den Gefäßen befindlichen Thiere ausführen, beſchränken ſich auf langſame Ausdehnungen und etwas ſchnellere Zuſammenziehungen, durch welche ſie gelegentlich ihren Platz verändern können; ordentlich zu kriechen ſind ſie aber nicht im Stande. Jn ihren Röhren müſſen dieſe Bewegungen noch beſchränkter ſein. Da ſie unveränderlich an den beiden, den Paletten entſprechenden Stellen befeſtigt ſind, können ſie den vorderen und den hinteren Körpertheil gegen dieſen Punkt heranziehen; das iſt aber auch Alles. Nichts in der Beſchaffenheit ihrer Muskeln zeigt an (— im Widerſpruch zu den oben mitgetheilten Beobachtungen Harting’s —), daß ſie Drehungen um ihre Are ausführen könnten, und ich habe nichts desgleichen beobachtet.“ „Legt man einen aus ſeiner Röhre herausgenommenen Bohrwurm auf den Boden eines Gefäßes, ſo iſt er ſichtlich zuſammengezogen. Bald entfaltet er ſich und obwohl er ſich um das Dreifache ſeiner Länge ausdehnt, nimmt die Dicke doch ſehr wenig ab. Dieſe auf den erſten Anblick ſehr eigenthümliche Erſcheinung erklärt ſich durch den Zufluß des Waſſers unter den Mantel und den des Blutes, welches aus den großen inneren Räumen ſich in die äußeren hineinzieht.“ „Die Bohrwürmer legen Eier; die Geſchlechter ſind getrennt, und die Zahl der Männchen viel geringer, als die der Weibchen. Unter den wenigſtens hundert Stück, welche zu meinen Unterſuchungen gedient haben, fand ich nur 5 bis 6 Männchen. Das Verhältniß der Geſchlechter iſt alſo ungefähr wie 1:20. Das Eierlegen muß nach und nach vor ſich gehen und eine beträchtliche Zeit hindurch dauern, nach den Exemplaren zu urtheilen, die ich in meinen Gefäßen hielt. Sie gaben mir mehrere Tage hinter einander Eier, wodurch die Eierſtöcke noch bei weitem nicht entleert waren. Die von den Weibchen gelegten Eier häufen ſich im Kiemenkanal an, wo ſie von dem mit Samenkörperchen vermiſchten und durch die Athmung eingeführten Waſſer befeuchtet werden. Wenigſtens habe ich in dieſem Kanal immer Mengen von Larven der ver- ſchiedenſten Größe gefunden. Man könnte ſich ihre Anweſenheit an dieſem Orte auch noch anders erklären. Die Larven genießen Anfangs ein ausgezeichnetes Vermögen, ſich fortzubewegen und ſchwimmen ſehr ſchnell. Die Eier könnten nun auch nach außen gebracht werden und ſich dort in Larven umwandeln; letztere könnten aber, durch die Athemſtrömung eingezogen, dorthin gerathen, wo ſie jene erſte Lebensperiode zuzubringen haben.“ Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 59

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 929. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/977>, abgerufen am 23.11.2024.