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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Muscheln. Dimyarier. Röhrenmuscheln.
auf und drücken den wirkenden Theil derselben gegen den Boden der Höhlung; einen Augenblick
nachher bringt die Thätigkeit des hinteren Zieh- (d. h. Schließ-) muskels die Rückenränder der
Schale mit einander in Berührung, so daß die starken feilenartigen Theile plötzlich getrennt
werden und rasch und kräftig über dem Körper hinkratzen, worauf sie drücken. Sobald
[Abbildung] Schale der Bohrmuschel. Nat. Größe.
dieß geschehen ist, sinkt
das Hinterende nieder,
und unmittelbar darauf
wird dieselbe Arbeit mit-
telst Zusammenziehung des
vorderen Schließ-, des
Seiten- und des hinteren
Schließmuskels der Reihe
nach wiederholt". Jn der
That kaun man sich an
allen Exemplaren mit dem
bloßen Auge und noch
besser mit der Loupe über-
zeugen, daß die Raspel-
zähne an dem ganzen
vorderen Theile der Schale
der Pholaden abgenutzt
und durch Reiben ab-
gerundet sind. Jhre Masse
ist von ziemlich fester Be-
schaffenheit und sicher wei-
cheren Substanzen gegen-
über wirksam. Der englische Naturforscher Hankok, um die Naturgeschichte der Weichthiere hoch
verdient, wollte bei mehreren bohrenden Muscheln, auch in Pholas, im vorderen Mantelrande und
Fuße kleine mikroskopische Kieselkörper gefunden haben, durch welche bei Bewegung jener Körper-
theile Holz und Stein abgescheuert und ausgehöhlt werden sollten. Es sind schon von anderer
Seite Zweifel gegen das Vorhandensein dieser Körperchen erhoben, die ich, soweit sie Pholas
betreffen, nach so eben wiederholter Untersuchung vollkommen bestätigen muß. Jch finde im Fuße
und Mantel von Pholas dactylus aus dem adriatischen Meere zwar einzelne scharfe Kieselsplitter
und kleine krystallinische Körperchen, aber so unregelmäßig, so wenig zahlreich und in so unbestimmter
Lage, daß es sicher fremde Eindringlinge sind. Auch ein anderer Beobachter tritt für das
Abraspeln durch die Schale ein.

"Jch hatte", sagt John Nobertson, "während meines Aufenthaltes zu Brighton Gelegenheit,
Pholas dactylus zu studiren; ich unterhielt wenigstens 3 Monate lang 20 bis 30 von diesen
Geschöpfen, die in Kreidestücken thätig waren, in einem Glase und einem Gefäße mit Seewasser
unter meinem Fenster; die Pholas macht ihre Höhle, indem sie die Kreide mit ihrer feilenartigen
Schale abreibt, sie gepulvert mit ihrem Fuße aufleckt, durch ihren Sipho treibt und in länglichen
Knötchen ausspritzt." Jn sehr weichen Substanzen scheint aber die Fußscheibe das Geschäft des
Aushöhlens ganz allein übernehmen zu können. Mettenheimer beobachtete eine Pholas, die
erst mit dem vorderen Ende einige Linien tief in einem Stück Meer-Torf steckte, aber nach drei
Tagen schon ganz im Jnneren des Torfes verschwunden war. Nur sehr selten machte sie eine
leichte, kaum wahrnehmbare Bewegung um ihre Achse, die aber durchaus nicht als Ursache des
Bohrens angesehen werden konnte. Dagegen zog sie die hinten vorragenden Siphonen von Zeit
zu Zeit kräftig zusammen, wobei sie sich ein wenig tiefer in die Höhle hineinschob. So lange

Muſcheln. Dimyarier. Röhrenmuſcheln.
auf und drücken den wirkenden Theil derſelben gegen den Boden der Höhlung; einen Augenblick
nachher bringt die Thätigkeit des hinteren Zieh- (d. h. Schließ-) muskels die Rückenränder der
Schale mit einander in Berührung, ſo daß die ſtarken feilenartigen Theile plötzlich getrennt
werden und raſch und kräftig über dem Körper hinkratzen, worauf ſie drücken. Sobald
[Abbildung] Schale der Bohrmuſchel. Nat. Größe.
dieß geſchehen iſt, ſinkt
das Hinterende nieder,
und unmittelbar darauf
wird dieſelbe Arbeit mit-
telſt Zuſammenziehung des
vorderen Schließ-, des
Seiten- und des hinteren
Schließmuskels der Reihe
nach wiederholt“. Jn der
That kaun man ſich an
allen Exemplaren mit dem
bloßen Auge und noch
beſſer mit der Loupe über-
zeugen, daß die Raspel-
zähne an dem ganzen
vorderen Theile der Schale
der Pholaden abgenutzt
und durch Reiben ab-
gerundet ſind. Jhre Maſſe
iſt von ziemlich feſter Be-
ſchaffenheit und ſicher wei-
cheren Subſtanzen gegen-
über wirkſam. Der engliſche Naturforſcher Hankok, um die Naturgeſchichte der Weichthiere hoch
verdient, wollte bei mehreren bohrenden Muſcheln, auch in Pholas, im vorderen Mantelrande und
Fuße kleine mikroſkopiſche Kieſelkörper gefunden haben, durch welche bei Bewegung jener Körper-
theile Holz und Stein abgeſcheuert und ausgehöhlt werden ſollten. Es ſind ſchon von anderer
Seite Zweifel gegen das Vorhandenſein dieſer Körperchen erhoben, die ich, ſoweit ſie Pholas
betreffen, nach ſo eben wiederholter Unterſuchung vollkommen beſtätigen muß. Jch finde im Fuße
und Mantel von Pholas dactylus aus dem adriatiſchen Meere zwar einzelne ſcharfe Kieſelſplitter
und kleine kryſtalliniſche Körperchen, aber ſo unregelmäßig, ſo wenig zahlreich und in ſo unbeſtimmter
Lage, daß es ſicher fremde Eindringlinge ſind. Auch ein anderer Beobachter tritt für das
Abraſpeln durch die Schale ein.

„Jch hatte“, ſagt John Nobertſon, „während meines Aufenthaltes zu Brighton Gelegenheit,
Pholas dactylus zu ſtudiren; ich unterhielt wenigſtens 3 Monate lang 20 bis 30 von dieſen
Geſchöpfen, die in Kreideſtücken thätig waren, in einem Glaſe und einem Gefäße mit Seewaſſer
unter meinem Fenſter; die Pholas macht ihre Höhle, indem ſie die Kreide mit ihrer feilenartigen
Schale abreibt, ſie gepulvert mit ihrem Fuße aufleckt, durch ihren Sipho treibt und in länglichen
Knötchen ausſpritzt.“ Jn ſehr weichen Subſtanzen ſcheint aber die Fußſcheibe das Geſchäft des
Aushöhlens ganz allein übernehmen zu können. Mettenheimer beobachtete eine Pholas, die
erſt mit dem vorderen Ende einige Linien tief in einem Stück Meer-Torf ſteckte, aber nach drei
Tagen ſchon ganz im Jnneren des Torfes verſchwunden war. Nur ſehr ſelten machte ſie eine
leichte, kaum wahrnehmbare Bewegung um ihre Achſe, die aber durchaus nicht als Urſache des
Bohrens angeſehen werden konnte. Dagegen zog ſie die hinten vorragenden Siphonen von Zeit
zu Zeit kräftig zuſammen, wobei ſie ſich ein wenig tiefer in die Höhle hineinſchob. So lange

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[924/0972] Muſcheln. Dimyarier. Röhrenmuſcheln. auf und drücken den wirkenden Theil derſelben gegen den Boden der Höhlung; einen Augenblick nachher bringt die Thätigkeit des hinteren Zieh- (d. h. Schließ-) muskels die Rückenränder der Schale mit einander in Berührung, ſo daß die ſtarken feilenartigen Theile plötzlich getrennt werden und raſch und kräftig über dem Körper hinkratzen, worauf ſie drücken. Sobald [Abbildung Schale der Bohrmuſchel. Nat. Größe.] dieß geſchehen iſt, ſinkt das Hinterende nieder, und unmittelbar darauf wird dieſelbe Arbeit mit- telſt Zuſammenziehung des vorderen Schließ-, des Seiten- und des hinteren Schließmuskels der Reihe nach wiederholt“. Jn der That kaun man ſich an allen Exemplaren mit dem bloßen Auge und noch beſſer mit der Loupe über- zeugen, daß die Raspel- zähne an dem ganzen vorderen Theile der Schale der Pholaden abgenutzt und durch Reiben ab- gerundet ſind. Jhre Maſſe iſt von ziemlich feſter Be- ſchaffenheit und ſicher wei- cheren Subſtanzen gegen- über wirkſam. Der engliſche Naturforſcher Hankok, um die Naturgeſchichte der Weichthiere hoch verdient, wollte bei mehreren bohrenden Muſcheln, auch in Pholas, im vorderen Mantelrande und Fuße kleine mikroſkopiſche Kieſelkörper gefunden haben, durch welche bei Bewegung jener Körper- theile Holz und Stein abgeſcheuert und ausgehöhlt werden ſollten. Es ſind ſchon von anderer Seite Zweifel gegen das Vorhandenſein dieſer Körperchen erhoben, die ich, ſoweit ſie Pholas betreffen, nach ſo eben wiederholter Unterſuchung vollkommen beſtätigen muß. Jch finde im Fuße und Mantel von Pholas dactylus aus dem adriatiſchen Meere zwar einzelne ſcharfe Kieſelſplitter und kleine kryſtalliniſche Körperchen, aber ſo unregelmäßig, ſo wenig zahlreich und in ſo unbeſtimmter Lage, daß es ſicher fremde Eindringlinge ſind. Auch ein anderer Beobachter tritt für das Abraſpeln durch die Schale ein. „Jch hatte“, ſagt John Nobertſon, „während meines Aufenthaltes zu Brighton Gelegenheit, Pholas dactylus zu ſtudiren; ich unterhielt wenigſtens 3 Monate lang 20 bis 30 von dieſen Geſchöpfen, die in Kreideſtücken thätig waren, in einem Glaſe und einem Gefäße mit Seewaſſer unter meinem Fenſter; die Pholas macht ihre Höhle, indem ſie die Kreide mit ihrer feilenartigen Schale abreibt, ſie gepulvert mit ihrem Fuße aufleckt, durch ihren Sipho treibt und in länglichen Knötchen ausſpritzt.“ Jn ſehr weichen Subſtanzen ſcheint aber die Fußſcheibe das Geſchäft des Aushöhlens ganz allein übernehmen zu können. Mettenheimer beobachtete eine Pholas, die erſt mit dem vorderen Ende einige Linien tief in einem Stück Meer-Torf ſteckte, aber nach drei Tagen ſchon ganz im Jnneren des Torfes verſchwunden war. Nur ſehr ſelten machte ſie eine leichte, kaum wahrnehmbare Bewegung um ihre Achſe, die aber durchaus nicht als Urſache des Bohrens angeſehen werden konnte. Dagegen zog ſie die hinten vorragenden Siphonen von Zeit zu Zeit kräftig zuſammen, wobei ſie ſich ein wenig tiefer in die Höhle hineinſchob. So lange

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 924. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/972>, abgerufen am 23.11.2024.