Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Schnecken. Elephantenzähne.
zurückgetreten, unter ihm aber ist der Fuß (p) hervorgesproßt. Jn dem letzten Stadium, welches
Lacaze-Duthiers verfolgen konnte (4), sehen wir die Mantelhöhle etwas über die Schale
hervorragen, aus ihr den dreitheiligen Fuß weit herausgestreckt, auch die inneren Organe sind
größtentheils angelegt, worunter wir das Fußganglion (g) und das Gehörbläschen (o) der einen
Seite hervorheben wollen.

Die Lebensweise und Sitten des Dentalium wollen wir durchaus mit den eigenen Worten
des französischen Beobachters mittheilen; es ist eine der besten Schilderungen des Treibens eines
niederen Thieres, die mir bekannt geworden.

"Dentalium bewohnt in Menge die Nordküsten der Bretagne; man muß jedoch nicht glauben,
man könne sich deßhalb seiner mit Leichtigkeit bemächtigen, sowie man an den Strand kommt.
Man muß wissen wie und wo es lebt; sonst sucht man vergeblich und findet höchstens vom Meere
ausgeworfene leere Schalen. Da ich das lebhafte Verlangen hatte, das Thier zu studiren, suchte
ich geduldig dort, wo ich die meisten ausgeworfenen Schalen gefunden hatte, denn es war das
sicherste Anzeichen, daß an diesen Uferstellen die Dentalien leben müßten. So naturgemäß, lang
und emsig aber auch mein Nachsuchen war, ich fand und entdeckte nichts. Ein etwas unruhiges
Meer verschaffte mir aber ein lebendes Thier, und nun konnte ich seine Sitten und alle seine
Lebensbedingungen beobachten. Als ich es aufhob, sah ich, daß es sich bemühte, in den Boden
meines Gefäßes einzudringen. Jch setzte es wieder in eine jener kleinen, bei der Ebbe zwischen
den Tangen und Seegras zurückbleibenden Wasserlachen, und sah nun, wie es sich nach und nach
in den Sand eingrub. Jch wußte nun, daß das Thier nicht für gewöhnlich in dem isolirten und
freien Zustand lebte, wie ich es gefunden, und daß ich es künftig im Boden des Strandes selbst
suchen müßte."

"Das Thier gräbt sich nicht senkrecht ein, sondern nimmt eine schräge Richtung mit ungefähr
45 Grad an. Doch hängt Richtung und Tiefe etwas von der Beschaffenheit des Sandes ab.
Es kann nicht in der schwärzlichen, oft stinkenden Schlammschicht leben, welche gewöhnlich unter
der oberen sandigen Schicht des Strandes liegt. Auch nimmt es eine mehr wagerechte Lage
an, wenn die Sandschicht dünner wird; dann ist es fast immer schwerer zu finden, indem es
vollkommen verborgen ist und nichts seine Anwesenheit verräth. Gewöhnlich ließ es in den mit
einem etwas groben Sande gefüllten Gefäßen, worin ich es hielt, 1 bis 2 Millimeter (1/2 bis
1 Linie) der Schale über die Oberfläche des Grundes hervorragen; häufig genug aber auch
erreichte die Spitze gerade die Oberfläche des Sandes. Daraus begreift sich leicht, daß das
Dentalium leicht vom Wellenschlag herausgeworfen wird, indem es auch bei geringer Bewegung
des Wassers schnell blosgelegt wird. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß es, vom Sand entblößt
und bei der Ebbe aufs Trockne gesetzt, sich nicht schnell wieder eingraben sollte. Jm Gegentheil,
das geschieht sogleich wieder; es streckt den Fuß hervor, gräbt ihn ein und in einigen Minuten
richtet es sich auf und erscheint wie in den Sand gepflanzt. Hält man die Thiere in der
Gefangenschaft, so unterscheidet man schwierig auf dem Grunde die abgestorbenen von den noch
lebenden Jndividuen, und ich benutzte diese Eigenthümlichkeit, um die Auswahl zu treffen. Jch
legte eine große Menge der Dentalien auf eine nasse Sandfläche und wußte schnell, daß diejenigen,
welche sich nicht eingruben, dem Tode nahe oder todt waren."

"Wenn beim Zurückgehen der Fluth das Wasser nicht mehr die Sandoberfläche bedeckt, gräbt
sich das Dentalium ganz ein und verschwindet. Jch füge eine Bemerkung hinzu, welche sich auf
den größten Theil der sich im Sande verbergenden Thiere bezieht, für die naturgeschichtlichen
Untersuchungen wichtig und von praktischer Bedeutung ist. Der günstigste Angenblick, um bei der
Ebbe die im Strandboden wohnenden Thiere zu sammeln, ist der unmittelbar dem wieder
beginnenden Steigen des Wassers vorangehende. Warum? Wenn das Wasser fällt, bleibt noch
viel Wasser im Sande zurück, und einige Zeit hindurch befinden sich die Thiere noch in
ganz günstigen Verhältnissen. Bald aber, in dem Grade als die Ebbe weiter schreitet, fließt jenes

Schnecken. Elephantenzähne.
zurückgetreten, unter ihm aber iſt der Fuß (p) hervorgeſproßt. Jn dem letzten Stadium, welches
Lacaze-Duthiers verfolgen konnte (4), ſehen wir die Mantelhöhle etwas über die Schale
hervorragen, aus ihr den dreitheiligen Fuß weit herausgeſtreckt, auch die inneren Organe ſind
größtentheils angelegt, worunter wir das Fußganglion (g) und das Gehörbläschen (o) der einen
Seite hervorheben wollen.

Die Lebensweiſe und Sitten des Dentalium wollen wir durchaus mit den eigenen Worten
des franzöſiſchen Beobachters mittheilen; es iſt eine der beſten Schilderungen des Treibens eines
niederen Thieres, die mir bekannt geworden.

Dentalium bewohnt in Menge die Nordküſten der Bretagne; man muß jedoch nicht glauben,
man könne ſich deßhalb ſeiner mit Leichtigkeit bemächtigen, ſowie man an den Strand kommt.
Man muß wiſſen wie und wo es lebt; ſonſt ſucht man vergeblich und findet höchſtens vom Meere
ausgeworfene leere Schalen. Da ich das lebhafte Verlangen hatte, das Thier zu ſtudiren, ſuchte
ich geduldig dort, wo ich die meiſten ausgeworfenen Schalen gefunden hatte, denn es war das
ſicherſte Anzeichen, daß an dieſen Uferſtellen die Dentalien leben müßten. So naturgemäß, lang
und emſig aber auch mein Nachſuchen war, ich fand und entdeckte nichts. Ein etwas unruhiges
Meer verſchaffte mir aber ein lebendes Thier, und nun konnte ich ſeine Sitten und alle ſeine
Lebensbedingungen beobachten. Als ich es aufhob, ſah ich, daß es ſich bemühte, in den Boden
meines Gefäßes einzudringen. Jch ſetzte es wieder in eine jener kleinen, bei der Ebbe zwiſchen
den Tangen und Seegras zurückbleibenden Waſſerlachen, und ſah nun, wie es ſich nach und nach
in den Sand eingrub. Jch wußte nun, daß das Thier nicht für gewöhnlich in dem iſolirten und
freien Zuſtand lebte, wie ich es gefunden, und daß ich es künftig im Boden des Strandes ſelbſt
ſuchen müßte.“

„Das Thier gräbt ſich nicht ſenkrecht ein, ſondern nimmt eine ſchräge Richtung mit ungefähr
45 Grad an. Doch hängt Richtung und Tiefe etwas von der Beſchaffenheit des Sandes ab.
Es kann nicht in der ſchwärzlichen, oft ſtinkenden Schlammſchicht leben, welche gewöhnlich unter
der oberen ſandigen Schicht des Strandes liegt. Auch nimmt es eine mehr wagerechte Lage
an, wenn die Sandſchicht dünner wird; dann iſt es faſt immer ſchwerer zu finden, indem es
vollkommen verborgen iſt und nichts ſeine Anweſenheit verräth. Gewöhnlich ließ es in den mit
einem etwas groben Sande gefüllten Gefäßen, worin ich es hielt, 1 bis 2 Millimeter (½ bis
1 Linie) der Schale über die Oberfläche des Grundes hervorragen; häufig genug aber auch
erreichte die Spitze gerade die Oberfläche des Sandes. Daraus begreift ſich leicht, daß das
Dentalium leicht vom Wellenſchlag herausgeworfen wird, indem es auch bei geringer Bewegung
des Waſſers ſchnell blosgelegt wird. Damit iſt jedoch nicht geſagt, daß es, vom Sand entblößt
und bei der Ebbe aufs Trockne geſetzt, ſich nicht ſchnell wieder eingraben ſollte. Jm Gegentheil,
das geſchieht ſogleich wieder; es ſtreckt den Fuß hervor, gräbt ihn ein und in einigen Minuten
richtet es ſich auf und erſcheint wie in den Sand gepflanzt. Hält man die Thiere in der
Gefangenſchaft, ſo unterſcheidet man ſchwierig auf dem Grunde die abgeſtorbenen von den noch
lebenden Jndividuen, und ich benutzte dieſe Eigenthümlichkeit, um die Auswahl zu treffen. Jch
legte eine große Menge der Dentalien auf eine naſſe Sandfläche und wußte ſchnell, daß diejenigen,
welche ſich nicht eingruben, dem Tode nahe oder todt waren.“

„Wenn beim Zurückgehen der Fluth das Waſſer nicht mehr die Sandoberfläche bedeckt, gräbt
ſich das Dentalium ganz ein und verſchwindet. Jch füge eine Bemerkung hinzu, welche ſich auf
den größten Theil der ſich im Sande verbergenden Thiere bezieht, für die naturgeſchichtlichen
Unterſuchungen wichtig und von praktiſcher Bedeutung iſt. Der günſtigſte Angenblick, um bei der
Ebbe die im Strandboden wohnenden Thiere zu ſammeln, iſt der unmittelbar dem wieder
beginnenden Steigen des Waſſers vorangehende. Warum? Wenn das Waſſer fällt, bleibt noch
viel Waſſer im Sande zurück, und einige Zeit hindurch befinden ſich die Thiere noch in
ganz günſtigen Verhältniſſen. Bald aber, in dem Grade als die Ebbe weiter ſchreitet, fließt jenes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <div n="3">
                <p><pb facs="#f0936" n="888"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Schnecken. Elephantenzähne.</hi></fw><lb/>
zurückgetreten, unter ihm aber i&#x017F;t der Fuß (<hi rendition="#aq">p</hi>) hervorge&#x017F;proßt. Jn dem letzten Stadium, welches<lb/><hi rendition="#g">Lacaze-Duthiers</hi> verfolgen konnte (4), &#x017F;ehen wir die Mantelhöhle etwas über die Schale<lb/>
hervorragen, aus ihr den dreitheiligen Fuß weit herausge&#x017F;treckt, auch die inneren Organe &#x017F;ind<lb/>
größtentheils angelegt, worunter wir das Fußganglion (<hi rendition="#aq">g</hi>) und das Gehörbläschen (<hi rendition="#aq">o</hi>) der einen<lb/>
Seite hervorheben wollen.</p><lb/>
                <p>Die Lebenswei&#x017F;e und Sitten des <hi rendition="#aq">Dentalium</hi> wollen wir durchaus mit den eigenen Worten<lb/>
des franzö&#x017F;i&#x017F;chen Beobachters mittheilen; es i&#x017F;t eine der be&#x017F;ten Schilderungen des Treibens eines<lb/>
niederen Thieres, die mir bekannt geworden.</p><lb/>
                <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Dentalium</hi> bewohnt in Menge die Nordkü&#x017F;ten der Bretagne; man muß jedoch nicht glauben,<lb/>
man könne &#x017F;ich deßhalb &#x017F;einer mit Leichtigkeit bemächtigen, &#x017F;owie man an den Strand kommt.<lb/>
Man muß wi&#x017F;&#x017F;en wie und wo es lebt; &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ucht man vergeblich und findet höch&#x017F;tens vom Meere<lb/>
ausgeworfene leere Schalen. Da ich das lebhafte Verlangen hatte, das Thier zu &#x017F;tudiren, &#x017F;uchte<lb/>
ich geduldig dort, wo ich die mei&#x017F;ten ausgeworfenen Schalen gefunden hatte, denn es war das<lb/>
&#x017F;icher&#x017F;te Anzeichen, daß an die&#x017F;en Ufer&#x017F;tellen die Dentalien leben müßten. So naturgemäß, lang<lb/>
und em&#x017F;ig aber auch mein Nach&#x017F;uchen war, ich fand und entdeckte nichts. Ein etwas unruhiges<lb/>
Meer ver&#x017F;chaffte mir aber ein lebendes Thier, und nun konnte ich &#x017F;eine Sitten und alle &#x017F;eine<lb/>
Lebensbedingungen beobachten. Als ich es aufhob, &#x017F;ah ich, daß es &#x017F;ich bemühte, in den Boden<lb/>
meines Gefäßes einzudringen. Jch &#x017F;etzte es wieder in eine jener kleinen, bei der Ebbe zwi&#x017F;chen<lb/>
den Tangen und Seegras zurückbleibenden Wa&#x017F;&#x017F;erlachen, und &#x017F;ah nun, wie es &#x017F;ich nach und nach<lb/>
in den Sand eingrub. Jch wußte nun, daß das Thier nicht für gewöhnlich in dem i&#x017F;olirten und<lb/>
freien Zu&#x017F;tand lebte, wie ich es gefunden, und daß ich es künftig im Boden des Strandes &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;uchen müßte.&#x201C;</p><lb/>
                <p>&#x201E;Das Thier gräbt &#x017F;ich nicht &#x017F;enkrecht ein, &#x017F;ondern nimmt eine &#x017F;chräge Richtung mit ungefähr<lb/>
45 Grad an. Doch hängt Richtung und Tiefe etwas von der Be&#x017F;chaffenheit des Sandes ab.<lb/>
Es kann nicht in der &#x017F;chwärzlichen, oft &#x017F;tinkenden Schlamm&#x017F;chicht leben, welche gewöhnlich unter<lb/>
der oberen &#x017F;andigen Schicht des Strandes liegt. Auch nimmt es eine mehr wagerechte Lage<lb/>
an, wenn die Sand&#x017F;chicht dünner wird; dann i&#x017F;t es fa&#x017F;t immer &#x017F;chwerer zu finden, indem es<lb/>
vollkommen verborgen i&#x017F;t und nichts &#x017F;eine Anwe&#x017F;enheit verräth. Gewöhnlich ließ es in den mit<lb/>
einem etwas groben Sande gefüllten Gefäßen, worin ich es hielt, 1 bis 2 Millimeter (½ bis<lb/>
1 Linie) der Schale über die Oberfläche des Grundes hervorragen; häufig genug aber auch<lb/>
erreichte die Spitze gerade die Oberfläche des Sandes. Daraus begreift &#x017F;ich leicht, daß das<lb/>
Dentalium leicht vom Wellen&#x017F;chlag herausgeworfen wird, indem es auch bei geringer Bewegung<lb/>
des Wa&#x017F;&#x017F;ers &#x017F;chnell blosgelegt wird. Damit i&#x017F;t jedoch nicht ge&#x017F;agt, daß es, vom Sand entblößt<lb/>
und bei der Ebbe aufs Trockne ge&#x017F;etzt, &#x017F;ich nicht &#x017F;chnell wieder eingraben &#x017F;ollte. Jm Gegentheil,<lb/>
das ge&#x017F;chieht &#x017F;ogleich wieder; es &#x017F;treckt den Fuß hervor, gräbt ihn ein und in einigen Minuten<lb/>
richtet es &#x017F;ich auf und er&#x017F;cheint wie in den Sand gepflanzt. Hält man die Thiere in der<lb/>
Gefangen&#x017F;chaft, &#x017F;o unter&#x017F;cheidet man &#x017F;chwierig auf dem Grunde die abge&#x017F;torbenen von den noch<lb/>
lebenden Jndividuen, und ich benutzte die&#x017F;e Eigenthümlichkeit, um die Auswahl zu treffen. Jch<lb/>
legte eine große Menge der Dentalien auf eine na&#x017F;&#x017F;e Sandfläche und wußte &#x017F;chnell, daß diejenigen,<lb/>
welche &#x017F;ich nicht eingruben, dem Tode nahe oder todt waren.&#x201C;</p><lb/>
                <p>&#x201E;Wenn beim Zurückgehen der Fluth das Wa&#x017F;&#x017F;er nicht mehr die Sandoberfläche bedeckt, gräbt<lb/>
&#x017F;ich das Dentalium ganz ein und ver&#x017F;chwindet. Jch füge eine Bemerkung hinzu, welche &#x017F;ich auf<lb/>
den größten Theil der &#x017F;ich im Sande verbergenden Thiere bezieht, für die naturge&#x017F;chichtlichen<lb/>
Unter&#x017F;uchungen wichtig und von prakti&#x017F;cher Bedeutung i&#x017F;t. Der gün&#x017F;tig&#x017F;te Angenblick, um bei der<lb/>
Ebbe die im Strandboden wohnenden Thiere zu &#x017F;ammeln, i&#x017F;t der unmittelbar dem wieder<lb/>
beginnenden Steigen des Wa&#x017F;&#x017F;ers vorangehende. Warum? Wenn das Wa&#x017F;&#x017F;er fällt, bleibt noch<lb/>
viel Wa&#x017F;&#x017F;er im Sande zurück, und einige Zeit hindurch befinden &#x017F;ich die Thiere noch in<lb/>
ganz gün&#x017F;tigen Verhältni&#x017F;&#x017F;en. Bald aber, in dem Grade als die Ebbe weiter &#x017F;chreitet, fließt jenes<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[888/0936] Schnecken. Elephantenzähne. zurückgetreten, unter ihm aber iſt der Fuß (p) hervorgeſproßt. Jn dem letzten Stadium, welches Lacaze-Duthiers verfolgen konnte (4), ſehen wir die Mantelhöhle etwas über die Schale hervorragen, aus ihr den dreitheiligen Fuß weit herausgeſtreckt, auch die inneren Organe ſind größtentheils angelegt, worunter wir das Fußganglion (g) und das Gehörbläschen (o) der einen Seite hervorheben wollen. Die Lebensweiſe und Sitten des Dentalium wollen wir durchaus mit den eigenen Worten des franzöſiſchen Beobachters mittheilen; es iſt eine der beſten Schilderungen des Treibens eines niederen Thieres, die mir bekannt geworden. „Dentalium bewohnt in Menge die Nordküſten der Bretagne; man muß jedoch nicht glauben, man könne ſich deßhalb ſeiner mit Leichtigkeit bemächtigen, ſowie man an den Strand kommt. Man muß wiſſen wie und wo es lebt; ſonſt ſucht man vergeblich und findet höchſtens vom Meere ausgeworfene leere Schalen. Da ich das lebhafte Verlangen hatte, das Thier zu ſtudiren, ſuchte ich geduldig dort, wo ich die meiſten ausgeworfenen Schalen gefunden hatte, denn es war das ſicherſte Anzeichen, daß an dieſen Uferſtellen die Dentalien leben müßten. So naturgemäß, lang und emſig aber auch mein Nachſuchen war, ich fand und entdeckte nichts. Ein etwas unruhiges Meer verſchaffte mir aber ein lebendes Thier, und nun konnte ich ſeine Sitten und alle ſeine Lebensbedingungen beobachten. Als ich es aufhob, ſah ich, daß es ſich bemühte, in den Boden meines Gefäßes einzudringen. Jch ſetzte es wieder in eine jener kleinen, bei der Ebbe zwiſchen den Tangen und Seegras zurückbleibenden Waſſerlachen, und ſah nun, wie es ſich nach und nach in den Sand eingrub. Jch wußte nun, daß das Thier nicht für gewöhnlich in dem iſolirten und freien Zuſtand lebte, wie ich es gefunden, und daß ich es künftig im Boden des Strandes ſelbſt ſuchen müßte.“ „Das Thier gräbt ſich nicht ſenkrecht ein, ſondern nimmt eine ſchräge Richtung mit ungefähr 45 Grad an. Doch hängt Richtung und Tiefe etwas von der Beſchaffenheit des Sandes ab. Es kann nicht in der ſchwärzlichen, oft ſtinkenden Schlammſchicht leben, welche gewöhnlich unter der oberen ſandigen Schicht des Strandes liegt. Auch nimmt es eine mehr wagerechte Lage an, wenn die Sandſchicht dünner wird; dann iſt es faſt immer ſchwerer zu finden, indem es vollkommen verborgen iſt und nichts ſeine Anweſenheit verräth. Gewöhnlich ließ es in den mit einem etwas groben Sande gefüllten Gefäßen, worin ich es hielt, 1 bis 2 Millimeter (½ bis 1 Linie) der Schale über die Oberfläche des Grundes hervorragen; häufig genug aber auch erreichte die Spitze gerade die Oberfläche des Sandes. Daraus begreift ſich leicht, daß das Dentalium leicht vom Wellenſchlag herausgeworfen wird, indem es auch bei geringer Bewegung des Waſſers ſchnell blosgelegt wird. Damit iſt jedoch nicht geſagt, daß es, vom Sand entblößt und bei der Ebbe aufs Trockne geſetzt, ſich nicht ſchnell wieder eingraben ſollte. Jm Gegentheil, das geſchieht ſogleich wieder; es ſtreckt den Fuß hervor, gräbt ihn ein und in einigen Minuten richtet es ſich auf und erſcheint wie in den Sand gepflanzt. Hält man die Thiere in der Gefangenſchaft, ſo unterſcheidet man ſchwierig auf dem Grunde die abgeſtorbenen von den noch lebenden Jndividuen, und ich benutzte dieſe Eigenthümlichkeit, um die Auswahl zu treffen. Jch legte eine große Menge der Dentalien auf eine naſſe Sandfläche und wußte ſchnell, daß diejenigen, welche ſich nicht eingruben, dem Tode nahe oder todt waren.“ „Wenn beim Zurückgehen der Fluth das Waſſer nicht mehr die Sandoberfläche bedeckt, gräbt ſich das Dentalium ganz ein und verſchwindet. Jch füge eine Bemerkung hinzu, welche ſich auf den größten Theil der ſich im Sande verbergenden Thiere bezieht, für die naturgeſchichtlichen Unterſuchungen wichtig und von praktiſcher Bedeutung iſt. Der günſtigſte Angenblick, um bei der Ebbe die im Strandboden wohnenden Thiere zu ſammeln, iſt der unmittelbar dem wieder beginnenden Steigen des Waſſers vorangehende. Warum? Wenn das Waſſer fällt, bleibt noch viel Waſſer im Sande zurück, und einige Zeit hindurch befinden ſich die Thiere noch in ganz günſtigen Verhältniſſen. Bald aber, in dem Grade als die Ebbe weiter ſchreitet, fließt jenes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/936
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 888. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/936>, abgerufen am 24.11.2024.