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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer.
Lacaze-Duthiers entnommen und stellt zur Versinnlichung des Gefäßsystems einen senkrechten
Durchschnitt jenes Thieres dar, dessen nähere Bekanntschaft wir unten machen werden. Ohne
Weiteres ergibt sich p als die Sohle. Die Mundöffnung ist a, bedeckt von einem segelförmigen
Lappen c, über welchem der Fühler. Die lang gestrichelten Adern sind die Venen (v), welche
das Blut zur Kieme bringen; aus dieser fließt es in das Herz. Diese Lage nun ist die ent-
gegengesetzte von der, welche die Vorderkiemer charakterisirte, und folgt daraus die Bezeichnung
der neuen Abtheilung als Hinterkiemer von selbst. Wir können auch gleich hier noch einer
anatomischen Eigenthümlichkeit gedenken, welche unsere Ordnung mit den meisten anderen Weich-
thieren gemein hat und von welcher die an einem Jndividnum oft so sehr wechselnde äußere
Erscheinung abhängt: des direkten Zusammenhanges des Blutgefäßsystems mit der Außenwelt.
Auf der schematischen Abbildung des Pleuroblanchus ist mit g die Oeffnung eines Ganges
bezeichnet, welcher dem Blute direkt Wasser zuführt, und wodurch die gleich den Höhlungen eines
Schwammes den Rücken und Fuß durchziehenden Blutgefäße nach Belieben des Thieres gefüllt
und entleert werden können. Obwohl nun dieß das Grundschema des Kreislaufes der meisten Hinter-
kiemer ist, so entfernt sich doch ein Zweig der Ordnung gar sehr davon, indem er gar kein besonderes
Athmungswerkzeug mehr besitzt und die bloße nackte Rückenhaut dessen Stelle zu vertreten hat.

Das Nervensystem ist in der Regel wohl entwickelt. Der wichtigste Theil, der Schlund-
ring, besteht meist aus drei durch Nervenstränge verbundenen Ganglienpaaren, von denen die
Hauptnerven für die Sinneswerkzeuge, die Mantel- und Fußpartie abgehen und mit denen in
der Regel noch einige kleine Nervenknötchen in Verbindung stehen, von wo aus die inneren
Mundtheile und der Verdauungskanal mit den sie beeinflussenden feinen Nervenfädchen versorgt
werden. Jn der Entwicklung der Augen treten die Hinterkiemer sowohl gegen die Lungenschnecken
und die meisten Vorderkiemer als gegen die Kielfüßer zurück, wie es mit ihrer kriechenden und
auf die Pflanzennahrung gerichteten Lebensweise zusammenhängt. Nur bei wenigen Arten werden
wir die Befähigung zum Schwimmen mittelst flossenartiger Ausbreitungen des Fußes finden.

Die Fortpflanzungsorgane sind zwitterig. Die Eier werden zahlreich in einer schleimigen
Hüllmasse abgesetzt. Jn dieser durchlaufen die Eier ihre Furchung und bleibt der mit Hülfe von
Wimpern kreisende Embryo bis zur Larvenform. Diese ist durch das uns bekannte Wimpersegel,
eine das ganze Thierchen aufnehmende, auch bei den später nackten Schnecken vorhandene Spiral-
schale, und einen Deckel tragenden Fuß ausgezeichnet. So beschaffen tritt die Larve aus dem Laich
hervor, schwimmt frei herum, wirft dann Deckel und Schale ab und beginnt nun ihren Fuß zu
gebrauchen, der allmälig zur breiten Sohle wird und im Anfang gesondert ist, später mehr oder
weniger mit dem übrigen Körper verschmilzt.

Jn Bronn's Verzeichniß der Hinterkiemer sind nicht weniger als 122 Gattungen, auf
26 Familien vertheilt, aufgeführt, wobei natürlich das Bedürfniß nach Uebersicht auf eine
Theilung der Ordnung in Unterordnungen dringt. Es liegt auf der Hand, daß man bei der
Wichtigkeit der Athmungswerkzeuge und weil ihre Lage und Form leicht zu konstatiren ist, immer
und immer wieder behufs systematischer Verwerthung auf sie zurück kommt. "Diese Schnecken-
gruppe", sagt Bronn, "bietet in sich eins der schönsten Beispiele einer aufsteigenden Reihe durch
Trennung der Arbeit, Entwicklung selbstständiger Organe, Koncentrirung und Jnternirung ihrer
Stellung bei fortschreitender Vervollkommnung der Organisation, zumal in den Kiemen dar. Den
Anfang bildet die scheiben-, kiemen-, gefäß- und selbst herzlose Rhodope. Zuerst funktionirt die
Rückenhaut, dann vergrößert sie ihre Berührungsfläche mit der Luft durch Bildung verschieden-
artiger Anhänge; diese verästeln und verzweigen sich selbst noch weiter und werden zu wirklichen
Kiemen, indem sie im Jnnern regelmäßige Zuleitungs- und Ableitungs-Gefäße und Gefäß-Netze
aufnehmen; die über den ganzen Rücken vertheilten Kiemen koncentriren sich um den After, suchen
dann unter dem Mantelrande Schutz, zuerst längs beider Seiten des Körpers und beschränken sich

Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer.
Lacaze-Duthiers entnommen und ſtellt zur Verſinnlichung des Gefäßſyſtems einen ſenkrechten
Durchſchnitt jenes Thieres dar, deſſen nähere Bekanntſchaft wir unten machen werden. Ohne
Weiteres ergibt ſich p als die Sohle. Die Mundöffnung iſt a, bedeckt von einem ſegelförmigen
Lappen c, über welchem der Fühler. Die lang geſtrichelten Adern ſind die Venen (v), welche
das Blut zur Kieme bringen; aus dieſer fließt es in das Herz. Dieſe Lage nun iſt die ent-
gegengeſetzte von der, welche die Vorderkiemer charakteriſirte, und folgt daraus die Bezeichnung
der neuen Abtheilung als Hinterkiemer von ſelbſt. Wir können auch gleich hier noch einer
anatomiſchen Eigenthümlichkeit gedenken, welche unſere Ordnung mit den meiſten anderen Weich-
thieren gemein hat und von welcher die an einem Jndividnum oft ſo ſehr wechſelnde äußere
Erſcheinung abhängt: des direkten Zuſammenhanges des Blutgefäßſyſtems mit der Außenwelt.
Auf der ſchematiſchen Abbildung des Pleuroblanchus iſt mit g die Oeffnung eines Ganges
bezeichnet, welcher dem Blute direkt Waſſer zuführt, und wodurch die gleich den Höhlungen eines
Schwammes den Rücken und Fuß durchziehenden Blutgefäße nach Belieben des Thieres gefüllt
und entleert werden können. Obwohl nun dieß das Grundſchema des Kreislaufes der meiſten Hinter-
kiemer iſt, ſo entfernt ſich doch ein Zweig der Ordnung gar ſehr davon, indem er gar kein beſonderes
Athmungswerkzeug mehr beſitzt und die bloße nackte Rückenhaut deſſen Stelle zu vertreten hat.

Das Nervenſyſtem iſt in der Regel wohl entwickelt. Der wichtigſte Theil, der Schlund-
ring, beſteht meiſt aus drei durch Nervenſtränge verbundenen Ganglienpaaren, von denen die
Hauptnerven für die Sinneswerkzeuge, die Mantel- und Fußpartie abgehen und mit denen in
der Regel noch einige kleine Nervenknötchen in Verbindung ſtehen, von wo aus die inneren
Mundtheile und der Verdauungskanal mit den ſie beeinfluſſenden feinen Nervenfädchen verſorgt
werden. Jn der Entwicklung der Augen treten die Hinterkiemer ſowohl gegen die Lungenſchnecken
und die meiſten Vorderkiemer als gegen die Kielfüßer zurück, wie es mit ihrer kriechenden und
auf die Pflanzennahrung gerichteten Lebensweiſe zuſammenhängt. Nur bei wenigen Arten werden
wir die Befähigung zum Schwimmen mittelſt floſſenartiger Ausbreitungen des Fußes finden.

Die Fortpflanzungsorgane ſind zwitterig. Die Eier werden zahlreich in einer ſchleimigen
Hüllmaſſe abgeſetzt. Jn dieſer durchlaufen die Eier ihre Furchung und bleibt der mit Hülfe von
Wimpern kreiſende Embryo bis zur Larvenform. Dieſe iſt durch das uns bekannte Wimperſegel,
eine das ganze Thierchen aufnehmende, auch bei den ſpäter nackten Schnecken vorhandene Spiral-
ſchale, und einen Deckel tragenden Fuß ausgezeichnet. So beſchaffen tritt die Larve aus dem Laich
hervor, ſchwimmt frei herum, wirft dann Deckel und Schale ab und beginnt nun ihren Fuß zu
gebrauchen, der allmälig zur breiten Sohle wird und im Anfang geſondert iſt, ſpäter mehr oder
weniger mit dem übrigen Körper verſchmilzt.

Jn Bronn’s Verzeichniß der Hinterkiemer ſind nicht weniger als 122 Gattungen, auf
26 Familien vertheilt, aufgeführt, wobei natürlich das Bedürfniß nach Ueberſicht auf eine
Theilung der Ordnung in Unterordnungen dringt. Es liegt auf der Hand, daß man bei der
Wichtigkeit der Athmungswerkzeuge und weil ihre Lage und Form leicht zu konſtatiren iſt, immer
und immer wieder behufs ſyſtematiſcher Verwerthung auf ſie zurück kommt. „Dieſe Schnecken-
gruppe“, ſagt Bronn, „bietet in ſich eins der ſchönſten Beiſpiele einer aufſteigenden Reihe durch
Trennung der Arbeit, Entwicklung ſelbſtſtändiger Organe, Koncentrirung und Jnternirung ihrer
Stellung bei fortſchreitender Vervollkommnung der Organiſation, zumal in den Kiemen dar. Den
Anfang bildet die ſcheiben-, kiemen-, gefäß- und ſelbſt herzloſe Rhodope. Zuerſt funktionirt die
Rückenhaut, dann vergrößert ſie ihre Berührungsfläche mit der Luft durch Bildung verſchieden-
artiger Anhänge; dieſe veräſteln und verzweigen ſich ſelbſt noch weiter und werden zu wirklichen
Kiemen, indem ſie im Jnnern regelmäßige Zuleitungs- und Ableitungs-Gefäße und Gefäß-Netze
aufnehmen; die über den ganzen Rücken vertheilten Kiemen koncentriren ſich um den After, ſuchen
dann unter dem Mantelrande Schutz, zuerſt längs beider Seiten des Körpers und beſchränken ſich

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[858/0906] Schnecken. Hinterkiemer. Deckkiemer. Lacaze-Duthiers entnommen und ſtellt zur Verſinnlichung des Gefäßſyſtems einen ſenkrechten Durchſchnitt jenes Thieres dar, deſſen nähere Bekanntſchaft wir unten machen werden. Ohne Weiteres ergibt ſich p als die Sohle. Die Mundöffnung iſt a, bedeckt von einem ſegelförmigen Lappen c, über welchem der Fühler. Die lang geſtrichelten Adern ſind die Venen (v), welche das Blut zur Kieme bringen; aus dieſer fließt es in das Herz. Dieſe Lage nun iſt die ent- gegengeſetzte von der, welche die Vorderkiemer charakteriſirte, und folgt daraus die Bezeichnung der neuen Abtheilung als Hinterkiemer von ſelbſt. Wir können auch gleich hier noch einer anatomiſchen Eigenthümlichkeit gedenken, welche unſere Ordnung mit den meiſten anderen Weich- thieren gemein hat und von welcher die an einem Jndividnum oft ſo ſehr wechſelnde äußere Erſcheinung abhängt: des direkten Zuſammenhanges des Blutgefäßſyſtems mit der Außenwelt. Auf der ſchematiſchen Abbildung des Pleuroblanchus iſt mit g die Oeffnung eines Ganges bezeichnet, welcher dem Blute direkt Waſſer zuführt, und wodurch die gleich den Höhlungen eines Schwammes den Rücken und Fuß durchziehenden Blutgefäße nach Belieben des Thieres gefüllt und entleert werden können. Obwohl nun dieß das Grundſchema des Kreislaufes der meiſten Hinter- kiemer iſt, ſo entfernt ſich doch ein Zweig der Ordnung gar ſehr davon, indem er gar kein beſonderes Athmungswerkzeug mehr beſitzt und die bloße nackte Rückenhaut deſſen Stelle zu vertreten hat. Das Nervenſyſtem iſt in der Regel wohl entwickelt. Der wichtigſte Theil, der Schlund- ring, beſteht meiſt aus drei durch Nervenſtränge verbundenen Ganglienpaaren, von denen die Hauptnerven für die Sinneswerkzeuge, die Mantel- und Fußpartie abgehen und mit denen in der Regel noch einige kleine Nervenknötchen in Verbindung ſtehen, von wo aus die inneren Mundtheile und der Verdauungskanal mit den ſie beeinfluſſenden feinen Nervenfädchen verſorgt werden. Jn der Entwicklung der Augen treten die Hinterkiemer ſowohl gegen die Lungenſchnecken und die meiſten Vorderkiemer als gegen die Kielfüßer zurück, wie es mit ihrer kriechenden und auf die Pflanzennahrung gerichteten Lebensweiſe zuſammenhängt. Nur bei wenigen Arten werden wir die Befähigung zum Schwimmen mittelſt floſſenartiger Ausbreitungen des Fußes finden. Die Fortpflanzungsorgane ſind zwitterig. Die Eier werden zahlreich in einer ſchleimigen Hüllmaſſe abgeſetzt. Jn dieſer durchlaufen die Eier ihre Furchung und bleibt der mit Hülfe von Wimpern kreiſende Embryo bis zur Larvenform. Dieſe iſt durch das uns bekannte Wimperſegel, eine das ganze Thierchen aufnehmende, auch bei den ſpäter nackten Schnecken vorhandene Spiral- ſchale, und einen Deckel tragenden Fuß ausgezeichnet. So beſchaffen tritt die Larve aus dem Laich hervor, ſchwimmt frei herum, wirft dann Deckel und Schale ab und beginnt nun ihren Fuß zu gebrauchen, der allmälig zur breiten Sohle wird und im Anfang geſondert iſt, ſpäter mehr oder weniger mit dem übrigen Körper verſchmilzt. Jn Bronn’s Verzeichniß der Hinterkiemer ſind nicht weniger als 122 Gattungen, auf 26 Familien vertheilt, aufgeführt, wobei natürlich das Bedürfniß nach Ueberſicht auf eine Theilung der Ordnung in Unterordnungen dringt. Es liegt auf der Hand, daß man bei der Wichtigkeit der Athmungswerkzeuge und weil ihre Lage und Form leicht zu konſtatiren iſt, immer und immer wieder behufs ſyſtematiſcher Verwerthung auf ſie zurück kommt. „Dieſe Schnecken- gruppe“, ſagt Bronn, „bietet in ſich eins der ſchönſten Beiſpiele einer aufſteigenden Reihe durch Trennung der Arbeit, Entwicklung ſelbſtſtändiger Organe, Koncentrirung und Jnternirung ihrer Stellung bei fortſchreitender Vervollkommnung der Organiſation, zumal in den Kiemen dar. Den Anfang bildet die ſcheiben-, kiemen-, gefäß- und ſelbſt herzloſe Rhodope. Zuerſt funktionirt die Rückenhaut, dann vergrößert ſie ihre Berührungsfläche mit der Luft durch Bildung verſchieden- artiger Anhänge; dieſe veräſteln und verzweigen ſich ſelbſt noch weiter und werden zu wirklichen Kiemen, indem ſie im Jnnern regelmäßige Zuleitungs- und Ableitungs-Gefäße und Gefäß-Netze aufnehmen; die über den ganzen Rücken vertheilten Kiemen koncentriren ſich um den After, ſuchen dann unter dem Mantelrande Schutz, zuerſt längs beider Seiten des Körpers und beſchränken ſich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 858. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/906>, abgerufen am 24.11.2024.