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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Kammkiemer.
Meere am häufigsten von Weymooth und Tenby aus einer Tiefe von 30 bis 50 Faden erhalten
habe. "Das lebende Thier", sagt er, "ist seines hübsch gemalten Hauses nicht unwerth. Seine
Farbe ist gewöhnlich blaßgelb, der Mantel rosenfarbig mit schöner orangefarbenen Franse. Der
dicke Kopf trägt zwei Fühler mit den Augen an deren Grunde. Jch hielt ein Exemplar eine
beträchtliche Zeit hindurch im Aquarium, meine Kenntniß vom Thiere wurde jedoch nur in sehr
bescheidenem Maße vermehrt. Es blieb fast die ganze Zeit auf der Kammmuschel sitzen, mit
welcher es gefunden war, und rückte nur gelegentlich ein Haar breit nach einer oder der anderen
Seite. Fast immer war der gefranste Rand der Schale so eng auf die Unterlage gedrückt, daß
man durchaus nicht zum Thiere gelangen konnte. Nur dann und wann lüftete es etwas den
Rand und vergönnte dem Beobachter einen möglichst engen Blick auf den fahlen Fuß." Verwandt
ist Calyptraea, eine derjenigen Sippen, deren Schale inwendig durch ein eigenthümliches Blatt
getheilt ist. Hier hängt vom Gewölbe des erhabenen centralen Wirbels innen ein Kalkblatt in
Gestalt einer der Länge nach in der Mitte durchgeschnittenen Düte herab und ist an der rechten
Seite festgewachsen. Auch dadurch ist die Gattung bemerkenswerth, daß das Thier mit der Sohle
des Fußes auf dem fremden Körper, auf welchem es aufsitzt (wie auch einige Capulus-Arten)
eine kalkige Platte absondert. Entgegen den meisten Weichthieren, welche sich um die gelegten
Eier nicht mehr kümmern, finden wir bei Calyptraea eine Brutpflege, welche an die Sorgfalt
erinnert, mit welcher die Rüsselegel sich ihrer Jungen annehmen. Die Calyptraea scheint buch-
stäblich auf ihren Eiern zu sitzen und zu brüten, wie vor langen Jahren schon Milne-Edwards
an mittelmeerischen Arten beobachtete. Die Mutter ordnet die Eier unter ihren Bauch und
bewahrt sie zwischen dem Fuße und dem fremden Körper, auf welchem sie ruht, so daß ihre Schale
nicht allein sie selbst, sondern auch ihre Nachkömmlinge bedeckt und beschützt. Die jungen Calyp-
treen entwickeln sich unter diesem mütterlichen Dache, welches sie nicht verlassen, bis sie Stärke
genug haben, um sich selbst an den Stein zu befestigen, und bis ihre eigne Schale hart genug
ist, um ihnen Schutz zu gewähren. Die Eier sind zu sechs bis zwölf an der Zahl in häutige
elliptische und abgeplattete Kapseln eingeschlossen, welche Kapseln verschiedener Gestalt man beson-
ders bei den fleischfressenden Schnecken trifft. Sechs bis zehn Kapseln machen einen Satz aus und
sind durch einen Stiel so mit einander verbunden, daß sie einer Art Federbusch gleichen.



Den Mittelpunkt einer anderen Familie bildet die artenreiche Sippe Natica. Jhr Gehäus
ist kugelig oder eiförmig, mit halbkreisförmiger Mündung; die Außenlippe schneidend, innen glatt,
die Jnnenlippe schwielig. Daß das Thier beim Ausstrecken des Fußes denselben durch Aufnahme
von Wasser zu unverhältnißmäßiger Größe anschwellen kann, haben wir schon oben erwähnt. Sie
bedienen sich desselben, um sich in den Sand einzubohren, dann aber auch, um damit ihre Beute
ganz zu bedecken. Es sind nämlich Fleischfresser, welche besonders andere Schnecken angehen und
mit Hülfe der Reibeplatte ihre Schalen vollkommen kreisrund durchbohren. Auch sagt ein englischer
Zoolog, daß sie sich vorzugsweise bei der Vertilgung todter Fische und anderer, von den Wellen
aus Ufer gespülter Thiere betheiligen. Sie gehören also unter diejenigen, nicht zahlreichen
Schnecken, welche man wegen des Mangels eines Kanals oder Ausschnittes an der Mündung eher
für Pflanzenfresser zu halten hätte. Sehr merkwürdig sind ihre Eierklumpen, welche man lange
Zeit für eine Gattung polypenartiger Thiere gehalten. Einen solchen Klumpen oder Eiernest
beschreibt Gould. "Es ist eine in breiter Schalenform zusammen gekittete Sandmasse, am Boden
offen und an einer Seite unterbrochen. Jhre Dicke ist wie die einer Orangenschale, leicht zu
biegen, ohne zu brechen, wenn sie feucht ist. Vor das Licht gehalten, scheint sie voll kleiner Zellen
in Wechselreihen. Jede dieser Zellen enthält ein gallertartiges Ei mit einem gelben Kern, welches
die Embryoschale ist. Man findet sie in der Mitte des Sommers häufig an jeder sandigen Fläche,
wo sich eine Natica-Art aufhält. Neben den vielen -- gegen 200 -- seebewohnenden Arten ist

Schnecken. Kammkiemer.
Meere am häufigſten von Weymooth und Tenby aus einer Tiefe von 30 bis 50 Faden erhalten
habe. „Das lebende Thier“, ſagt er, „iſt ſeines hübſch gemalten Hauſes nicht unwerth. Seine
Farbe iſt gewöhnlich blaßgelb, der Mantel roſenfarbig mit ſchöner orangefarbenen Franſe. Der
dicke Kopf trägt zwei Fühler mit den Augen an deren Grunde. Jch hielt ein Exemplar eine
beträchtliche Zeit hindurch im Aquarium, meine Kenntniß vom Thiere wurde jedoch nur in ſehr
beſcheidenem Maße vermehrt. Es blieb faſt die ganze Zeit auf der Kammmuſchel ſitzen, mit
welcher es gefunden war, und rückte nur gelegentlich ein Haar breit nach einer oder der anderen
Seite. Faſt immer war der gefranſte Rand der Schale ſo eng auf die Unterlage gedrückt, daß
man durchaus nicht zum Thiere gelangen konnte. Nur dann und wann lüftete es etwas den
Rand und vergönnte dem Beobachter einen möglichſt engen Blick auf den fahlen Fuß.“ Verwandt
iſt Calyptraea, eine derjenigen Sippen, deren Schale inwendig durch ein eigenthümliches Blatt
getheilt iſt. Hier hängt vom Gewölbe des erhabenen centralen Wirbels innen ein Kalkblatt in
Geſtalt einer der Länge nach in der Mitte durchgeſchnittenen Düte herab und iſt an der rechten
Seite feſtgewachſen. Auch dadurch iſt die Gattung bemerkenswerth, daß das Thier mit der Sohle
des Fußes auf dem fremden Körper, auf welchem es aufſitzt (wie auch einige Capulus-Arten)
eine kalkige Platte abſondert. Entgegen den meiſten Weichthieren, welche ſich um die gelegten
Eier nicht mehr kümmern, finden wir bei Calyptraea eine Brutpflege, welche an die Sorgfalt
erinnert, mit welcher die Rüſſelegel ſich ihrer Jungen annehmen. Die Calyptraea ſcheint buch-
ſtäblich auf ihren Eiern zu ſitzen und zu brüten, wie vor langen Jahren ſchon Milne-Edwards
an mittelmeeriſchen Arten beobachtete. Die Mutter ordnet die Eier unter ihren Bauch und
bewahrt ſie zwiſchen dem Fuße und dem fremden Körper, auf welchem ſie ruht, ſo daß ihre Schale
nicht allein ſie ſelbſt, ſondern auch ihre Nachkömmlinge bedeckt und beſchützt. Die jungen Calyp-
treen entwickeln ſich unter dieſem mütterlichen Dache, welches ſie nicht verlaſſen, bis ſie Stärke
genug haben, um ſich ſelbſt an den Stein zu befeſtigen, und bis ihre eigne Schale hart genug
iſt, um ihnen Schutz zu gewähren. Die Eier ſind zu ſechs bis zwölf an der Zahl in häutige
elliptiſche und abgeplattete Kapſeln eingeſchloſſen, welche Kapſeln verſchiedener Geſtalt man beſon-
ders bei den fleiſchfreſſenden Schnecken trifft. Sechs bis zehn Kapſeln machen einen Satz aus und
ſind durch einen Stiel ſo mit einander verbunden, daß ſie einer Art Federbuſch gleichen.



Den Mittelpunkt einer anderen Familie bildet die artenreiche Sippe Natica. Jhr Gehäus
iſt kugelig oder eiförmig, mit halbkreisförmiger Mündung; die Außenlippe ſchneidend, innen glatt,
die Jnnenlippe ſchwielig. Daß das Thier beim Ausſtrecken des Fußes denſelben durch Aufnahme
von Waſſer zu unverhältnißmäßiger Größe anſchwellen kann, haben wir ſchon oben erwähnt. Sie
bedienen ſich deſſelben, um ſich in den Sand einzubohren, dann aber auch, um damit ihre Beute
ganz zu bedecken. Es ſind nämlich Fleiſchfreſſer, welche beſonders andere Schnecken angehen und
mit Hülfe der Reibeplatte ihre Schalen vollkommen kreisrund durchbohren. Auch ſagt ein engliſcher
Zoolog, daß ſie ſich vorzugsweiſe bei der Vertilgung todter Fiſche und anderer, von den Wellen
aus Ufer geſpülter Thiere betheiligen. Sie gehören alſo unter diejenigen, nicht zahlreichen
Schnecken, welche man wegen des Mangels eines Kanals oder Ausſchnittes an der Mündung eher
für Pflanzenfreſſer zu halten hätte. Sehr merkwürdig ſind ihre Eierklumpen, welche man lange
Zeit für eine Gattung polypenartiger Thiere gehalten. Einen ſolchen Klumpen oder Eierneſt
beſchreibt Gould. „Es iſt eine in breiter Schalenform zuſammen gekittete Sandmaſſe, am Boden
offen und an einer Seite unterbrochen. Jhre Dicke iſt wie die einer Orangenſchale, leicht zu
biegen, ohne zu brechen, wenn ſie feucht iſt. Vor das Licht gehalten, ſcheint ſie voll kleiner Zellen
in Wechſelreihen. Jede dieſer Zellen enthält ein gallertartiges Ei mit einem gelben Kern, welches
die Embryoſchale iſt. Man findet ſie in der Mitte des Sommers häufig an jeder ſandigen Fläche,
wo ſich eine Natica-Art aufhält. Neben den vielen — gegen 200 — ſeebewohnenden Arten iſt

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[820/0868] Schnecken. Kammkiemer. Meere am häufigſten von Weymooth und Tenby aus einer Tiefe von 30 bis 50 Faden erhalten habe. „Das lebende Thier“, ſagt er, „iſt ſeines hübſch gemalten Hauſes nicht unwerth. Seine Farbe iſt gewöhnlich blaßgelb, der Mantel roſenfarbig mit ſchöner orangefarbenen Franſe. Der dicke Kopf trägt zwei Fühler mit den Augen an deren Grunde. Jch hielt ein Exemplar eine beträchtliche Zeit hindurch im Aquarium, meine Kenntniß vom Thiere wurde jedoch nur in ſehr beſcheidenem Maße vermehrt. Es blieb faſt die ganze Zeit auf der Kammmuſchel ſitzen, mit welcher es gefunden war, und rückte nur gelegentlich ein Haar breit nach einer oder der anderen Seite. Faſt immer war der gefranſte Rand der Schale ſo eng auf die Unterlage gedrückt, daß man durchaus nicht zum Thiere gelangen konnte. Nur dann und wann lüftete es etwas den Rand und vergönnte dem Beobachter einen möglichſt engen Blick auf den fahlen Fuß.“ Verwandt iſt Calyptraea, eine derjenigen Sippen, deren Schale inwendig durch ein eigenthümliches Blatt getheilt iſt. Hier hängt vom Gewölbe des erhabenen centralen Wirbels innen ein Kalkblatt in Geſtalt einer der Länge nach in der Mitte durchgeſchnittenen Düte herab und iſt an der rechten Seite feſtgewachſen. Auch dadurch iſt die Gattung bemerkenswerth, daß das Thier mit der Sohle des Fußes auf dem fremden Körper, auf welchem es aufſitzt (wie auch einige Capulus-Arten) eine kalkige Platte abſondert. Entgegen den meiſten Weichthieren, welche ſich um die gelegten Eier nicht mehr kümmern, finden wir bei Calyptraea eine Brutpflege, welche an die Sorgfalt erinnert, mit welcher die Rüſſelegel ſich ihrer Jungen annehmen. Die Calyptraea ſcheint buch- ſtäblich auf ihren Eiern zu ſitzen und zu brüten, wie vor langen Jahren ſchon Milne-Edwards an mittelmeeriſchen Arten beobachtete. Die Mutter ordnet die Eier unter ihren Bauch und bewahrt ſie zwiſchen dem Fuße und dem fremden Körper, auf welchem ſie ruht, ſo daß ihre Schale nicht allein ſie ſelbſt, ſondern auch ihre Nachkömmlinge bedeckt und beſchützt. Die jungen Calyp- treen entwickeln ſich unter dieſem mütterlichen Dache, welches ſie nicht verlaſſen, bis ſie Stärke genug haben, um ſich ſelbſt an den Stein zu befeſtigen, und bis ihre eigne Schale hart genug iſt, um ihnen Schutz zu gewähren. Die Eier ſind zu ſechs bis zwölf an der Zahl in häutige elliptiſche und abgeplattete Kapſeln eingeſchloſſen, welche Kapſeln verſchiedener Geſtalt man beſon- ders bei den fleiſchfreſſenden Schnecken trifft. Sechs bis zehn Kapſeln machen einen Satz aus und ſind durch einen Stiel ſo mit einander verbunden, daß ſie einer Art Federbuſch gleichen. Den Mittelpunkt einer anderen Familie bildet die artenreiche Sippe Natica. Jhr Gehäus iſt kugelig oder eiförmig, mit halbkreisförmiger Mündung; die Außenlippe ſchneidend, innen glatt, die Jnnenlippe ſchwielig. Daß das Thier beim Ausſtrecken des Fußes denſelben durch Aufnahme von Waſſer zu unverhältnißmäßiger Größe anſchwellen kann, haben wir ſchon oben erwähnt. Sie bedienen ſich deſſelben, um ſich in den Sand einzubohren, dann aber auch, um damit ihre Beute ganz zu bedecken. Es ſind nämlich Fleiſchfreſſer, welche beſonders andere Schnecken angehen und mit Hülfe der Reibeplatte ihre Schalen vollkommen kreisrund durchbohren. Auch ſagt ein engliſcher Zoolog, daß ſie ſich vorzugsweiſe bei der Vertilgung todter Fiſche und anderer, von den Wellen aus Ufer geſpülter Thiere betheiligen. Sie gehören alſo unter diejenigen, nicht zahlreichen Schnecken, welche man wegen des Mangels eines Kanals oder Ausſchnittes an der Mündung eher für Pflanzenfreſſer zu halten hätte. Sehr merkwürdig ſind ihre Eierklumpen, welche man lange Zeit für eine Gattung polypenartiger Thiere gehalten. Einen ſolchen Klumpen oder Eierneſt beſchreibt Gould. „Es iſt eine in breiter Schalenform zuſammen gekittete Sandmaſſe, am Boden offen und an einer Seite unterbrochen. Jhre Dicke iſt wie die einer Orangenſchale, leicht zu biegen, ohne zu brechen, wenn ſie feucht iſt. Vor das Licht gehalten, ſcheint ſie voll kleiner Zellen in Wechſelreihen. Jede dieſer Zellen enthält ein gallertartiges Ei mit einem gelben Kern, welches die Embryoſchale iſt. Man findet ſie in der Mitte des Sommers häufig an jeder ſandigen Fläche, wo ſich eine Natica-Art aufhält. Neben den vielen — gegen 200 — ſeebewohnenden Arten iſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/868>, abgerufen am 27.11.2024.