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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeiner Vielfuß. Langarmiger Vielfuß. Moschuseledone.
gespannten Haut verbargen. Nach unbestimmter Zeit, längstens nach einer Stunde, warfen sie
die geöffneten und entleerten Muschelschalen wieder von sich. Die Schalen waren völlig unbeschädigt.
Da die Herzmuscheln nicht vollkommen schließen, so war die Möglichkeit, daß sie nach und nach
ausgesogen werden konnten. Um sich hierüber Gewißheit zu verschaffen, reichte Fischer den
Octopoden eine andere Muschel, einen großen Pectunculus, welcher äußerst fest und hermetisch
schließt. Die Octopoden benahmen sich damit wie mit den Herzmuscheln, und nach drei Viertel-
stunden waren auch die Pectunkeln entleert und die Schalen unbeschädigt. Da hiermit also nicht
zum Ziele zu kommen war, wurde nun den Octopoden ihre Lieblingsnahrung, Krabben, vorgelegt.
So bald der Octopus die Krabbe (den Carcinus maenas) sich seiner Höhle nähern sieht, stürzt
er sich über sie und bedeckt sie vollständig mit den ausgebreiteten Armen und der Armhaut. Die
Arme strecken sich um das Opfer, so daß es sich nicht vertheidigen kann. Etwa eine Minute lang
sucht der unglückliche Krebs seine eingebogenen Beine zu bewegen, dann wird er ganz ruhig und
der Octopus schleppt ihn in sein Versteck. Man sieht dann durch die Armhaut hindurch, daß die
Krabbe in verschiedene Lagen gebracht wird, und nach einer Stunde ist die Mahlzeit beendet. Der
Rückenpanzer ist leer und von den an dem Bruststück haftenden Eingeweiden getrennt; die Beine
sind fast alle am Grunde abgebrochen; die Beinmuskeln und ein Theil der Eingeweide sind verzehrt,
aber kein Theil des Hautskelets verletzt. Wie denn eigentlich der Octopus seine Beute tödtet,
wurde auch durch die Fütterung mit Krabben nicht klar. Nach der Mahlzeit wirst er, wie gesagt,
die Reste vor seine Wohnung und verdeckt zum Theil den Eingang damit, indem er sie mit den
Saugnäpfen heranzieht. Nur die Augen ragen über diesen Schutzwall hervor und spähen auf
neue Beute.

Die Heftigkeit und Geschwindigkeit, womit die Octopus ihre Opfer ergreifen und an sich
reißen, der Wechsel der Farbe während des Angriffs, die Warzen, welche auf der Haut erscheinen,
verleihen diesen Thieren ein wahrhaft wildes Aussehen. Wenn sie jedoch gesättigt, lassen sie die
Krabben neben sich herumgehen und sich sogar von ihnen berühren. Diese, im Gegentheil, sind
offenbar in Schrecken und haben ihre gewöhnliche Keckheit eingebüßt; es scheint, als ob sie sich in
ihr Schicksal ergeben und als ob sie unter jenem Zauberbann ständen, welcher kleinere Thiere ihren
Feinden gegenüber bestrickt.

Ein Octopus verzehrt täglich einige Muscheln und eine Krabbe, erträgt jedoch auch mehrere
Tage den Hunger. Noch leichter fasten die Sepien.

Von den übrigen Arten von Octopus wollen wir den durch seine sehr langen Arme aus-
gezeichneten O. macropus, den langarmigen Vielfuß, herausheben. Bei einer Körperlänge von
23/4 Zoll erreicht das erste Armpaar eine Länge von 3 Fuß. Jn seinem Vorkommen im Freien
und in seinem Verhalten in der Gefangenschaft weicht er beträchtlich von seinem oben beschriebenen
Verwandten ab. Außer in den Höhlungen tiefer liegender Felsen hält er sich auch auf schlammigem
Grunde auf. Jn einem größeren Gefäß voll Meerwasser lebt er mehrere Tage ohne Nahrung, ohne
jeden Versuch zu entrinnen. Eine der schönsten, aber sehr seltenen Arten ist Octopus catenulatus,
ausgezeichnet durch netzförmig sich kreuzende Hautleisten auf der Bauchseite. Man hat ihn nur
einige Male aus sehr großen Tiefen heraufgezogen, angeklammert an Fische, die man mit der Angel-
schnur gefangen.

Die Gattung Eledone unterscheidet sich von Octopus hauptsächlich dadurch, daß ihre Arme
blos eine Reihe von Saugnäpfen tragen. Am häufigsten ist die Moschuseledone (Eledone
moschata
). Jhr Köper ist außerordentlich veränderlich, sackförmig, länglich, eiförmig, hinten
abgerundet oder spitz, glatt oder warzig, wie es dem Thiere gerade beliebt. Charakteristisch ist auch
die Größe der Mantelöffnung, welche bis auf den Rücken reicht. Die kleinen vorspringenden
Augen können ganz von den Lidern bedeckt werden und besitzen eine sehr veränderliche Jris. Die
gerade Grundfärbung geht nie in rosenrothe oder röthliche Tinten über. Symmetrische schwärzliche

Gemeiner Vielfuß. Langarmiger Vielfuß. Moſchuseledone.
geſpannten Haut verbargen. Nach unbeſtimmter Zeit, längſtens nach einer Stunde, warfen ſie
die geöffneten und entleerten Muſchelſchalen wieder von ſich. Die Schalen waren völlig unbeſchädigt.
Da die Herzmuſcheln nicht vollkommen ſchließen, ſo war die Möglichkeit, daß ſie nach und nach
ausgeſogen werden konnten. Um ſich hierüber Gewißheit zu verſchaffen, reichte Fiſcher den
Octopoden eine andere Muſchel, einen großen Pectunculus, welcher äußerſt feſt und hermetiſch
ſchließt. Die Octopoden benahmen ſich damit wie mit den Herzmuſcheln, und nach drei Viertel-
ſtunden waren auch die Pectunkeln entleert und die Schalen unbeſchädigt. Da hiermit alſo nicht
zum Ziele zu kommen war, wurde nun den Octopoden ihre Lieblingsnahrung, Krabben, vorgelegt.
So bald der Octopus die Krabbe (den Carcinus maenas) ſich ſeiner Höhle nähern ſieht, ſtürzt
er ſich über ſie und bedeckt ſie vollſtändig mit den ausgebreiteten Armen und der Armhaut. Die
Arme ſtrecken ſich um das Opfer, ſo daß es ſich nicht vertheidigen kann. Etwa eine Minute lang
ſucht der unglückliche Krebs ſeine eingebogenen Beine zu bewegen, dann wird er ganz ruhig und
der Octopus ſchleppt ihn in ſein Verſteck. Man ſieht dann durch die Armhaut hindurch, daß die
Krabbe in verſchiedene Lagen gebracht wird, und nach einer Stunde iſt die Mahlzeit beendet. Der
Rückenpanzer iſt leer und von den an dem Bruſtſtück haftenden Eingeweiden getrennt; die Beine
ſind faſt alle am Grunde abgebrochen; die Beinmuskeln und ein Theil der Eingeweide ſind verzehrt,
aber kein Theil des Hautſkelets verletzt. Wie denn eigentlich der Octopus ſeine Beute tödtet,
wurde auch durch die Fütterung mit Krabben nicht klar. Nach der Mahlzeit wirſt er, wie geſagt,
die Reſte vor ſeine Wohnung und verdeckt zum Theil den Eingang damit, indem er ſie mit den
Saugnäpfen heranzieht. Nur die Augen ragen über dieſen Schutzwall hervor und ſpähen auf
neue Beute.

Die Heftigkeit und Geſchwindigkeit, womit die Octopus ihre Opfer ergreifen und an ſich
reißen, der Wechſel der Farbe während des Angriffs, die Warzen, welche auf der Haut erſcheinen,
verleihen dieſen Thieren ein wahrhaft wildes Ausſehen. Wenn ſie jedoch geſättigt, laſſen ſie die
Krabben neben ſich herumgehen und ſich ſogar von ihnen berühren. Dieſe, im Gegentheil, ſind
offenbar in Schrecken und haben ihre gewöhnliche Keckheit eingebüßt; es ſcheint, als ob ſie ſich in
ihr Schickſal ergeben und als ob ſie unter jenem Zauberbann ſtänden, welcher kleinere Thiere ihren
Feinden gegenüber beſtrickt.

Ein Octopus verzehrt täglich einige Muſcheln und eine Krabbe, erträgt jedoch auch mehrere
Tage den Hunger. Noch leichter faſten die Sepien.

Von den übrigen Arten von Octopus wollen wir den durch ſeine ſehr langen Arme aus-
gezeichneten O. macropus, den langarmigen Vielfuß, herausheben. Bei einer Körperlänge von
2¾ Zoll erreicht das erſte Armpaar eine Länge von 3 Fuß. Jn ſeinem Vorkommen im Freien
und in ſeinem Verhalten in der Gefangenſchaft weicht er beträchtlich von ſeinem oben beſchriebenen
Verwandten ab. Außer in den Höhlungen tiefer liegender Felſen hält er ſich auch auf ſchlammigem
Grunde auf. Jn einem größeren Gefäß voll Meerwaſſer lebt er mehrere Tage ohne Nahrung, ohne
jeden Verſuch zu entrinnen. Eine der ſchönſten, aber ſehr ſeltenen Arten iſt Octopus catenulatus,
ausgezeichnet durch netzförmig ſich kreuzende Hautleiſten auf der Bauchſeite. Man hat ihn nur
einige Male aus ſehr großen Tiefen heraufgezogen, angeklammert an Fiſche, die man mit der Angel-
ſchnur gefangen.

Die Gattung Eledone unterſcheidet ſich von Octopus hauptſächlich dadurch, daß ihre Arme
blos eine Reihe von Saugnäpfen tragen. Am häufigſten iſt die Moſchuseledone (Eledone
moschata
). Jhr Köper iſt außerordentlich veränderlich, ſackförmig, länglich, eiförmig, hinten
abgerundet oder ſpitz, glatt oder warzig, wie es dem Thiere gerade beliebt. Charakteriſtiſch iſt auch
die Größe der Mantelöffnung, welche bis auf den Rücken reicht. Die kleinen vorſpringenden
Augen können ganz von den Lidern bedeckt werden und beſitzen eine ſehr veränderliche Jris. Die
gerade Grundfärbung geht nie in roſenrothe oder röthliche Tinten über. Symmetriſche ſchwärzliche

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[767/0811] Gemeiner Vielfuß. Langarmiger Vielfuß. Moſchuseledone. geſpannten Haut verbargen. Nach unbeſtimmter Zeit, längſtens nach einer Stunde, warfen ſie die geöffneten und entleerten Muſchelſchalen wieder von ſich. Die Schalen waren völlig unbeſchädigt. Da die Herzmuſcheln nicht vollkommen ſchließen, ſo war die Möglichkeit, daß ſie nach und nach ausgeſogen werden konnten. Um ſich hierüber Gewißheit zu verſchaffen, reichte Fiſcher den Octopoden eine andere Muſchel, einen großen Pectunculus, welcher äußerſt feſt und hermetiſch ſchließt. Die Octopoden benahmen ſich damit wie mit den Herzmuſcheln, und nach drei Viertel- ſtunden waren auch die Pectunkeln entleert und die Schalen unbeſchädigt. Da hiermit alſo nicht zum Ziele zu kommen war, wurde nun den Octopoden ihre Lieblingsnahrung, Krabben, vorgelegt. So bald der Octopus die Krabbe (den Carcinus maenas) ſich ſeiner Höhle nähern ſieht, ſtürzt er ſich über ſie und bedeckt ſie vollſtändig mit den ausgebreiteten Armen und der Armhaut. Die Arme ſtrecken ſich um das Opfer, ſo daß es ſich nicht vertheidigen kann. Etwa eine Minute lang ſucht der unglückliche Krebs ſeine eingebogenen Beine zu bewegen, dann wird er ganz ruhig und der Octopus ſchleppt ihn in ſein Verſteck. Man ſieht dann durch die Armhaut hindurch, daß die Krabbe in verſchiedene Lagen gebracht wird, und nach einer Stunde iſt die Mahlzeit beendet. Der Rückenpanzer iſt leer und von den an dem Bruſtſtück haftenden Eingeweiden getrennt; die Beine ſind faſt alle am Grunde abgebrochen; die Beinmuskeln und ein Theil der Eingeweide ſind verzehrt, aber kein Theil des Hautſkelets verletzt. Wie denn eigentlich der Octopus ſeine Beute tödtet, wurde auch durch die Fütterung mit Krabben nicht klar. Nach der Mahlzeit wirſt er, wie geſagt, die Reſte vor ſeine Wohnung und verdeckt zum Theil den Eingang damit, indem er ſie mit den Saugnäpfen heranzieht. Nur die Augen ragen über dieſen Schutzwall hervor und ſpähen auf neue Beute. Die Heftigkeit und Geſchwindigkeit, womit die Octopus ihre Opfer ergreifen und an ſich reißen, der Wechſel der Farbe während des Angriffs, die Warzen, welche auf der Haut erſcheinen, verleihen dieſen Thieren ein wahrhaft wildes Ausſehen. Wenn ſie jedoch geſättigt, laſſen ſie die Krabben neben ſich herumgehen und ſich ſogar von ihnen berühren. Dieſe, im Gegentheil, ſind offenbar in Schrecken und haben ihre gewöhnliche Keckheit eingebüßt; es ſcheint, als ob ſie ſich in ihr Schickſal ergeben und als ob ſie unter jenem Zauberbann ſtänden, welcher kleinere Thiere ihren Feinden gegenüber beſtrickt. Ein Octopus verzehrt täglich einige Muſcheln und eine Krabbe, erträgt jedoch auch mehrere Tage den Hunger. Noch leichter faſten die Sepien. Von den übrigen Arten von Octopus wollen wir den durch ſeine ſehr langen Arme aus- gezeichneten O. macropus, den langarmigen Vielfuß, herausheben. Bei einer Körperlänge von 2¾ Zoll erreicht das erſte Armpaar eine Länge von 3 Fuß. Jn ſeinem Vorkommen im Freien und in ſeinem Verhalten in der Gefangenſchaft weicht er beträchtlich von ſeinem oben beſchriebenen Verwandten ab. Außer in den Höhlungen tiefer liegender Felſen hält er ſich auch auf ſchlammigem Grunde auf. Jn einem größeren Gefäß voll Meerwaſſer lebt er mehrere Tage ohne Nahrung, ohne jeden Verſuch zu entrinnen. Eine der ſchönſten, aber ſehr ſeltenen Arten iſt Octopus catenulatus, ausgezeichnet durch netzförmig ſich kreuzende Hautleiſten auf der Bauchſeite. Man hat ihn nur einige Male aus ſehr großen Tiefen heraufgezogen, angeklammert an Fiſche, die man mit der Angel- ſchnur gefangen. Die Gattung Eledone unterſcheidet ſich von Octopus hauptſächlich dadurch, daß ihre Arme blos eine Reihe von Saugnäpfen tragen. Am häufigſten iſt die Moſchuseledone (Eledone moschata). Jhr Köper iſt außerordentlich veränderlich, ſackförmig, länglich, eiförmig, hinten abgerundet oder ſpitz, glatt oder warzig, wie es dem Thiere gerade beliebt. Charakteriſtiſch iſt auch die Größe der Mantelöffnung, welche bis auf den Rücken reicht. Die kleinen vorſpringenden Augen können ganz von den Lidern bedeckt werden und beſitzen eine ſehr veränderliche Jris. Die gerade Grundfärbung geht nie in roſenrothe oder röthliche Tinten über. Symmetriſche ſchwärzliche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 767. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/811>, abgerufen am 24.11.2024.