Das Register derjenigen Bandwürmer, deren Leben mit der Existenz unserer Hausthiere und unseres eignen Leibes verkettet ist, muß noch, mit Uebergehung einzelner minder wichtiger und weniger bekannter Formen, durch eine, einer anderen Gattung und Familie angehörige Art, den Grubenkopf (Bothriocephalus latus), vervollständigt werden. Die Grubenköpfe, insofern sie sich von den Tänien scheiden, haben einen abgeplatteten Kopf, der jederseits mit einer läng- lichen, tiefen Sanggrube versehen ist. Die meisten Arten leben geschlechtsreif in kaltblütigen Thieren, namentlich in Fischen, einzelne in Vögeln und Säugethieren und die wichtigste ist natürlich die den Menschen heimsuchende. Kein anderer menschlicher Bandwurm erreicht die Länge des Bothriocephalus latus, nämlich 15 bis 24 Fuß, mit 3000 bis 4000 kurzen und breiten Gliedern. Der Kopf ist keulenförmig, 1/2 Linie breit, 11/4 Linie lang. "Der Verbreitungsbezirk des Gruben- kopfes ist weit enger als der der Taenia solium. Außerhalb Europa ist unser Wurm mit Sicherheit noch niemals beobachtet worden, und auch in Europa sind es nur gewisse Länder und Gegenden, die von ihm heimgesucht werden. Obenan unter diesen Lokalitäten stehen die Kantone der west- lichen Schweiz mit den angrenzenden französischen Distrikten -- in Genf soll fast ein Viertheil aller Einwohner am Bothriocephalus leiden -- die nordwestlichen und nördlichen Provinzen Rußlands, Schweden und Polen. Jn Holland und Belgien wird der Bothriocephalus gleichfalls gefunden, aber im Ganzen, wie es scheint, seltner als in den ersterwähnten Ländern. Auch unser deutsches Vaterland beherbergt dieselben in einzelnen Distrikten, namentlich in Ostpreußen und Pommern."
"Schon seit lange hat man die Beobachtung gemacht, daß sich die Bothriocephalus-Gegenden und Orte durchweg durch Wasserreichthum auszeichnen. Es sind entweder Küstenstriche, die den
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a Kopf und reife Glieder des menschlichen Grubenkopfes in natürlicher Größe. b Kopf desselben vergrößert.
Bothriocephalus beherbergen, wie die Ostseeprovinzen und die Länder des botnischen und finnischen Meerbusens, oder es sind die Niederungen größerer Seen und Flüsse. Begreiflich, daß man diesen Umstand vielfach mit der Anwesenheit unseres Band- wurmes in Beziehung zu setzen versuchte. Es sollte die Fisch- nahrung sein, die als ursächliches oder doch wenigstens als begünstigendes Moment die Entwickelung des Bothriocephalus bedinge. Man trug nicht einmal Bedenken, die schuldigen Fische namhaft zu machen, und bezüchtigte geradezu die wohlschmeckend- sten, die Lachse und Forellen, des heimlichen Schmuggels mit Bothriocephaluskeimen. Doch ist es bis jetzt noch immer un- gewiß, ob man mit dieser Vermuthung das Richtige getroffen hat." (Leuckart.)
Leider kennt man von der Entwickelungsgeschichte des Grubenkopfes bis jetzt nur ein Bruchstück. Die Entwickelung der Eier geht erst vor sich, nachdem sie Monate lang im Wasser gelegen. Man sieht durch die Eischale hindurch den uns von den Tänien her bekannten sechshakigen Embryo. Allein beim Ausschlüpfen, das durch Abheben eines besonderen Deckelchens des Eies geschieht, schlüpft nicht, wie dort, eine nackte, sondern mit einem Kleide langer Flimmern bedeckte Larve hervor, welche 4 bis 6 Tage hindurch sich langsam im Wasser bewegt und dann ihren Flimmer- mantel abstreift. Da über die weiteren Schicksale der Larven die Gelehrten selbst noch sehr uneins sind, wollen wir ihre Vermuthungen und Ansichten hier unterdrücken. Jm Darmkanal des Menschen hält der Grubenkopf bis 20 Jahre aus, im Allgemeinen aber ist die Frist eine weit kürzere, auch kann er wegen seiner schwächeren Befestigung leichter abgetrieben werden.
Neben unserem gewöhnlichen Grubenkopf ist noch eine Art mit Sicherheit als Parasit des Menschen erkannt, der Bothriocephalus cordatus, welcher im nördlichen Grönland Hund und Menschen frequentirt. Ohne Zweifel wird im Laufe der Jahre noch dieses Register von den anderen Welttheilen aus eine erhebliche Verlängerung erfahren.
Bandwürmer.
Das Regiſter derjenigen Bandwürmer, deren Leben mit der Exiſtenz unſerer Hausthiere und unſeres eignen Leibes verkettet iſt, muß noch, mit Uebergehung einzelner minder wichtiger und weniger bekannter Formen, durch eine, einer anderen Gattung und Familie angehörige Art, den Grubenkopf (Bothriocephalus latus), vervollſtändigt werden. Die Grubenköpfe, inſofern ſie ſich von den Tänien ſcheiden, haben einen abgeplatteten Kopf, der jederſeits mit einer läng- lichen, tiefen Sanggrube verſehen iſt. Die meiſten Arten leben geſchlechtsreif in kaltblütigen Thieren, namentlich in Fiſchen, einzelne in Vögeln und Säugethieren und die wichtigſte iſt natürlich die den Menſchen heimſuchende. Kein anderer menſchlicher Bandwurm erreicht die Länge des Bothriocephalus latus, nämlich 15 bis 24 Fuß, mit 3000 bis 4000 kurzen und breiten Gliedern. Der Kopf iſt keulenförmig, ½ Linie breit, 1¼ Linie lang. „Der Verbreitungsbezirk des Gruben- kopfes iſt weit enger als der der Taenia solium. Außerhalb Europa iſt unſer Wurm mit Sicherheit noch niemals beobachtet worden, und auch in Europa ſind es nur gewiſſe Länder und Gegenden, die von ihm heimgeſucht werden. Obenan unter dieſen Lokalitäten ſtehen die Kantone der weſt- lichen Schweiz mit den angrenzenden franzöſiſchen Diſtrikten — in Genf ſoll faſt ein Viertheil aller Einwohner am Bothriocephalus leiden — die nordweſtlichen und nördlichen Provinzen Rußlands, Schweden und Polen. Jn Holland und Belgien wird der Bothriocephalus gleichfalls gefunden, aber im Ganzen, wie es ſcheint, ſeltner als in den erſterwähnten Ländern. Auch unſer deutſches Vaterland beherbergt dieſelben in einzelnen Diſtrikten, namentlich in Oſtpreußen und Pommern.“
„Schon ſeit lange hat man die Beobachtung gemacht, daß ſich die Bothriocephalus-Gegenden und Orte durchweg durch Waſſerreichthum auszeichnen. Es ſind entweder Küſtenſtriche, die den
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a Kopf und reife Glieder des menſchlichen Grubenkopfes in natürlicher Größe. b Kopf deſſelben vergrößert.
Bothriocephalus beherbergen, wie die Oſtſeeprovinzen und die Länder des botniſchen und finniſchen Meerbuſens, oder es ſind die Niederungen größerer Seen und Flüſſe. Begreiflich, daß man dieſen Umſtand vielfach mit der Anweſenheit unſeres Band- wurmes in Beziehung zu ſetzen verſuchte. Es ſollte die Fiſch- nahrung ſein, die als urſächliches oder doch wenigſtens als begünſtigendes Moment die Entwickelung des Bothriocephalus bedinge. Man trug nicht einmal Bedenken, die ſchuldigen Fiſche namhaft zu machen, und bezüchtigte geradezu die wohlſchmeckend- ſten, die Lachſe und Forellen, des heimlichen Schmuggels mit Bothriocephaluskeimen. Doch iſt es bis jetzt noch immer un- gewiß, ob man mit dieſer Vermuthung das Richtige getroffen hat.“ (Leuckart.)
Leider kennt man von der Entwickelungsgeſchichte des Grubenkopfes bis jetzt nur ein Bruchſtück. Die Entwickelung der Eier geht erſt vor ſich, nachdem ſie Monate lang im Waſſer gelegen. Man ſieht durch die Eiſchale hindurch den uns von den Tänien her bekannten ſechshakigen Embryo. Allein beim Ausſchlüpfen, das durch Abheben eines beſonderen Deckelchens des Eies geſchieht, ſchlüpft nicht, wie dort, eine nackte, ſondern mit einem Kleide langer Flimmern bedeckte Larve hervor, welche 4 bis 6 Tage hindurch ſich langſam im Waſſer bewegt und dann ihren Flimmer- mantel abſtreift. Da über die weiteren Schickſale der Larven die Gelehrten ſelbſt noch ſehr uneins ſind, wollen wir ihre Vermuthungen und Anſichten hier unterdrücken. Jm Darmkanal des Menſchen hält der Grubenkopf bis 20 Jahre aus, im Allgemeinen aber iſt die Friſt eine weit kürzere, auch kann er wegen ſeiner ſchwächeren Befeſtigung leichter abgetrieben werden.
Neben unſerem gewöhnlichen Grubenkopf iſt noch eine Art mit Sicherheit als Paraſit des Menſchen erkannt, der Bothriocephalus cordatus, welcher im nördlichen Grönland Hund und Menſchen frequentirt. Ohne Zweifel wird im Laufe der Jahre noch dieſes Regiſter von den anderen Welttheilen aus eine erhebliche Verlängerung erfahren.
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Bandwürmer.
Das Regiſter derjenigen Bandwürmer, deren Leben mit der Exiſtenz unſerer Hausthiere
und unſeres eignen Leibes verkettet iſt, muß noch, mit Uebergehung einzelner minder wichtiger
und weniger bekannter Formen, durch eine, einer anderen Gattung und Familie angehörige Art,
den Grubenkopf (Bothriocephalus latus), vervollſtändigt werden. Die Grubenköpfe, inſofern
ſie ſich von den Tänien ſcheiden, haben einen abgeplatteten Kopf, der jederſeits mit einer läng-
lichen, tiefen Sanggrube verſehen iſt. Die meiſten Arten leben geſchlechtsreif in kaltblütigen
Thieren, namentlich in Fiſchen, einzelne in Vögeln und Säugethieren und die wichtigſte iſt natürlich
die den Menſchen heimſuchende. Kein anderer menſchlicher Bandwurm erreicht die Länge des
Bothriocephalus latus, nämlich 15 bis 24 Fuß, mit 3000 bis 4000 kurzen und breiten Gliedern.
Der Kopf iſt keulenförmig, ½ Linie breit, 1¼ Linie lang. „Der Verbreitungsbezirk des Gruben-
kopfes iſt weit enger als der der Taenia solium. Außerhalb Europa iſt unſer Wurm mit Sicherheit
noch niemals beobachtet worden, und auch in Europa ſind es nur gewiſſe Länder und Gegenden,
die von ihm heimgeſucht werden. Obenan unter dieſen Lokalitäten ſtehen die Kantone der weſt-
lichen Schweiz mit den angrenzenden franzöſiſchen Diſtrikten — in Genf ſoll faſt ein Viertheil aller
Einwohner am Bothriocephalus leiden — die nordweſtlichen und nördlichen Provinzen Rußlands,
Schweden und Polen. Jn Holland und Belgien wird der Bothriocephalus gleichfalls gefunden,
aber im Ganzen, wie es ſcheint, ſeltner als in den erſterwähnten Ländern. Auch unſer deutſches
Vaterland beherbergt dieſelben in einzelnen Diſtrikten, namentlich in Oſtpreußen und Pommern.“
„Schon ſeit lange hat man die Beobachtung gemacht, daß ſich die Bothriocephalus-Gegenden
und Orte durchweg durch Waſſerreichthum auszeichnen. Es ſind entweder Küſtenſtriche, die den
[Abbildung a Kopf und reife Glieder des menſchlichen
Grubenkopfes in natürlicher Größe.
b Kopf deſſelben vergrößert.]
Bothriocephalus beherbergen, wie die Oſtſeeprovinzen und die
Länder des botniſchen und finniſchen Meerbuſens, oder es ſind
die Niederungen größerer Seen und Flüſſe. Begreiflich, daß man
dieſen Umſtand vielfach mit der Anweſenheit unſeres Band-
wurmes in Beziehung zu ſetzen verſuchte. Es ſollte die Fiſch-
nahrung ſein, die als urſächliches oder doch wenigſtens als
begünſtigendes Moment die Entwickelung des Bothriocephalus
bedinge. Man trug nicht einmal Bedenken, die ſchuldigen Fiſche
namhaft zu machen, und bezüchtigte geradezu die wohlſchmeckend-
ſten, die Lachſe und Forellen, des heimlichen Schmuggels mit
Bothriocephaluskeimen. Doch iſt es bis jetzt noch immer un-
gewiß, ob man mit dieſer Vermuthung das Richtige getroffen
hat.“ (Leuckart.)
Leider kennt man von der Entwickelungsgeſchichte des
Grubenkopfes bis jetzt nur ein Bruchſtück. Die Entwickelung
der Eier geht erſt vor ſich, nachdem ſie Monate lang im Waſſer
gelegen. Man ſieht durch die Eiſchale hindurch den uns von den Tänien her bekannten ſechshakigen
Embryo. Allein beim Ausſchlüpfen, das durch Abheben eines beſonderen Deckelchens des Eies
geſchieht, ſchlüpft nicht, wie dort, eine nackte, ſondern mit einem Kleide langer Flimmern bedeckte
Larve hervor, welche 4 bis 6 Tage hindurch ſich langſam im Waſſer bewegt und dann ihren Flimmer-
mantel abſtreift. Da über die weiteren Schickſale der Larven die Gelehrten ſelbſt noch ſehr uneins
ſind, wollen wir ihre Vermuthungen und Anſichten hier unterdrücken. Jm Darmkanal des
Menſchen hält der Grubenkopf bis 20 Jahre aus, im Allgemeinen aber iſt die Friſt eine weit
kürzere, auch kann er wegen ſeiner ſchwächeren Befeſtigung leichter abgetrieben werden.
Neben unſerem gewöhnlichen Grubenkopf iſt noch eine Art mit Sicherheit als Paraſit des
Menſchen erkannt, der Bothriocephalus cordatus, welcher im nördlichen Grönland Hund und
Menſchen frequentirt. Ohne Zweifel wird im Laufe der Jahre noch dieſes Regiſter von den
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/798>, abgerufen am 24.11.2024.
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