Wir vervollständigen unsere Kenntniß der dem Generationswechsel unterworfenen Saugwürmer, indem wir noch einen Blick auf ein Paar dem Distomum sehr nahe stehende Gattungen werfen. Monostomum nennt man diejenigen, welche nur einen den Mund umgebenden Saugnapf am Kopf besitzen. Davon bewohnt das einige Linien lange Monostomum mutabile eine Anzahl Wasser- vögel. Jhre Entwickelung aus dem Ei schließt sich genau an diejenige der Distomen der Frösche an und sie scheinen als Cercarien jenen Vögeln (Reiher, Wasserhuhn, Ente u. a.) in die Nasen- höhlen und von da in andre Höhlen zu kriechen. -- Die andere Gattung, mit welcher wir den Saugwürmern Lebewohl sagen wollen, Amphistomum, hat einen großen Saugnapf am Hinter- ende. Das im Dickdarm der Frösche, besonders im grünen Wasserfrosch lebende Amphistomum subclavatum verbringt seine erste Generation und den Cercarienzustand frei im Wasser und bei verschiedenen Wasserinsekten und Weichthieren, auch in den Cyclas-Muscheln. Zwei andere Arten, deren Lebensgeschichte noch nicht verfolgt wurde, wohnen in unseren Wiederkäuern.
Dritte Ordnung. Bandwürmer (Cestodes).
Mit den Trichinen sind die Bandwürmer so populär, daß man auch in guter, nicht gerade medicinischer Gesellschaft wagen darf, von ihnen und ihren Lebensschicksalen eingehender zu sprechen. Sich mit ihnen, ihren Verwandlungen und unfreiwilligen Wanderungen bekannt zu machen, ist nicht bloß Pflicht einer jeden Hausfrau, welche in ihrer Küche eine vernünftige Sanitätspolizei üben will, auch das Jnteresse an der Zusammensetzung des merkwürdigen Vielwesens, das man Bandwurm -- als ob es nur ein Thier wäre -- zu nennen gewohnt ist, und an den Jrrfahrten seiner Jugendzustände ist in den Vordergrund zu stellen. Schließlich ist ein in einem weißen Glase in reinem Spiritus mit Hülfe einer Glaskugel museummäßig aufbewahrter Bandwurm nichts weniger als unappetitlich. Auch braucht man ja nicht gerade an die menschlichen Band- würmer zu denken. Hunde, Katzen, Frösche, Fische liefern deren zu beliebiger Auswahl. Am allervertrautesten machen wir uns aber ohne jeden ästhetischen Skrupel mit jenen Gästen der Schnepfe, wenn wir sie, mit gewissen Bestandtheilen des Vogels zubereitet, als Delikatesse genießen.
Wir gehen also frisch daran und verständigen uns zuerst über die Bestandtheile, die Zusammen- setzung und die Bedeutung des sogenannten "Bandwurmes", einer Kolonie oder eines Thier- stockes, wie wir sehen werden, dessen Bedeutung freilich auch erst wieder durch die Entwickelungs- geschichte ins rechte Licht gesetzt wird. Wir halten uns dabei zunächst an die Gruppe der eigentlichen Bandwürmer (Taeniadea), zu welcher auch wenige den Menschen bewohnende Arten gehören, da ihre Naturgeschichte in allen Einzelheiten bekannt ist, während für die übrigen Gruppen vollen Aufschluß zu geben der Zukunft vorbehalten ist.
Es ist jedermann geläufig, an dem Bandwurme, wie er im Menschen und vielen Thieren sich aufhält, den "Kopf" mit einem kurzen, fadenförmigen "Hals" und die "Glieder" zu unter- unterscheiden, wobei man sich keine Rechenschaft gibt, was man denn eigentlich mit dem Ausdruck "Glied" bezeichnet. Der Kopf des Bandwurmes trägt bei einer Abtheilung von Arten einen Kranz von Haken auf einem kleinen rüsselartigen Vorsprunge, die ihm natürlich zur größeren Sicherung und Befestigung im Darme seines unfreiwilligen Gastgebers dienen. Man würde jedoch sehr irren, zu meinen, daß die nicht mit dem Hakenkranze versehenen Arten darum weniger hartnäckig sind. Den besten Beleg dazu gibt der hakenlose Bandwurm des Menschen, die Taenia mediocanellata, der man im Allgemeinen stärker zusetzen muß, um sie "abzutreiben", als der
Saugwürmer. Bandwürmer.
Wir vervollſtändigen unſere Kenntniß der dem Generationswechſel unterworfenen Saugwürmer, indem wir noch einen Blick auf ein Paar dem Distomum ſehr nahe ſtehende Gattungen werfen. Monostomum nennt man diejenigen, welche nur einen den Mund umgebenden Saugnapf am Kopf beſitzen. Davon bewohnt das einige Linien lange Monostomum mutabile eine Anzahl Waſſer- vögel. Jhre Entwickelung aus dem Ei ſchließt ſich genau an diejenige der Diſtomen der Fröſche an und ſie ſcheinen als Cercarien jenen Vögeln (Reiher, Waſſerhuhn, Ente u. a.) in die Naſen- höhlen und von da in andre Höhlen zu kriechen. — Die andere Gattung, mit welcher wir den Saugwürmern Lebewohl ſagen wollen, Amphistomum, hat einen großen Saugnapf am Hinter- ende. Das im Dickdarm der Fröſche, beſonders im grünen Waſſerfroſch lebende Amphistomum subclavatum verbringt ſeine erſte Generation und den Cercarienzuſtand frei im Waſſer und bei verſchiedenen Waſſerinſekten und Weichthieren, auch in den Cyclas-Muſcheln. Zwei andere Arten, deren Lebensgeſchichte noch nicht verfolgt wurde, wohnen in unſeren Wiederkäuern.
Dritte Ordnung. Bandwürmer (Cestodes).
Mit den Trichinen ſind die Bandwürmer ſo populär, daß man auch in guter, nicht gerade mediciniſcher Geſellſchaft wagen darf, von ihnen und ihren Lebensſchickſalen eingehender zu ſprechen. Sich mit ihnen, ihren Verwandlungen und unfreiwilligen Wanderungen bekannt zu machen, iſt nicht bloß Pflicht einer jeden Hausfrau, welche in ihrer Küche eine vernünftige Sanitätspolizei üben will, auch das Jntereſſe an der Zuſammenſetzung des merkwürdigen Vielweſens, das man Bandwurm — als ob es nur ein Thier wäre — zu nennen gewohnt iſt, und an den Jrrfahrten ſeiner Jugendzuſtände iſt in den Vordergrund zu ſtellen. Schließlich iſt ein in einem weißen Glaſe in reinem Spiritus mit Hülfe einer Glaskugel muſeummäßig aufbewahrter Bandwurm nichts weniger als unappetitlich. Auch braucht man ja nicht gerade an die menſchlichen Band- würmer zu denken. Hunde, Katzen, Fröſche, Fiſche liefern deren zu beliebiger Auswahl. Am allervertrauteſten machen wir uns aber ohne jeden äſthetiſchen Skrupel mit jenen Gäſten der Schnepfe, wenn wir ſie, mit gewiſſen Beſtandtheilen des Vogels zubereitet, als Delikateſſe genießen.
Wir gehen alſo friſch daran und verſtändigen uns zuerſt über die Beſtandtheile, die Zuſammen- ſetzung und die Bedeutung des ſogenannten „Bandwurmes“, einer Kolonie oder eines Thier- ſtockes, wie wir ſehen werden, deſſen Bedeutung freilich auch erſt wieder durch die Entwickelungs- geſchichte ins rechte Licht geſetzt wird. Wir halten uns dabei zunächſt an die Gruppe der eigentlichen Bandwürmer (Taeniadea), zu welcher auch wenige den Menſchen bewohnende Arten gehören, da ihre Naturgeſchichte in allen Einzelheiten bekannt iſt, während für die übrigen Gruppen vollen Aufſchluß zu geben der Zukunft vorbehalten iſt.
Es iſt jedermann geläufig, an dem Bandwurme, wie er im Menſchen und vielen Thieren ſich aufhält, den „Kopf“ mit einem kurzen, fadenförmigen „Hals“ und die „Glieder“ zu unter- unterſcheiden, wobei man ſich keine Rechenſchaft gibt, was man denn eigentlich mit dem Ausdruck „Glied“ bezeichnet. Der Kopf des Bandwurmes trägt bei einer Abtheilung von Arten einen Kranz von Haken auf einem kleinen rüſſelartigen Vorſprunge, die ihm natürlich zur größeren Sicherung und Befeſtigung im Darme ſeines unfreiwilligen Gaſtgebers dienen. Man würde jedoch ſehr irren, zu meinen, daß die nicht mit dem Hakenkranze verſehenen Arten darum weniger hartnäckig ſind. Den beſten Beleg dazu gibt der hakenloſe Bandwurm des Menſchen, die Taenia mediocanellata, der man im Allgemeinen ſtärker zuſetzen muß, um ſie „abzutreiben“, als der
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Saugwürmer. Bandwürmer.
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Monostomum nennt man diejenigen, welche nur einen den Mund umgebenden Saugnapf am Kopf
beſitzen. Davon bewohnt das einige Linien lange Monostomum mutabile eine Anzahl Waſſer-
vögel. Jhre Entwickelung aus dem Ei ſchließt ſich genau an diejenige der Diſtomen der Fröſche
an und ſie ſcheinen als Cercarien jenen Vögeln (Reiher, Waſſerhuhn, Ente u. a.) in die Naſen-
höhlen und von da in andre Höhlen zu kriechen. — Die andere Gattung, mit welcher wir den
Saugwürmern Lebewohl ſagen wollen, Amphistomum, hat einen großen Saugnapf am Hinter-
ende. Das im Dickdarm der Fröſche, beſonders im grünen Waſſerfroſch lebende Amphistomum
subclavatum verbringt ſeine erſte Generation und den Cercarienzuſtand frei im Waſſer und bei
verſchiedenen Waſſerinſekten und Weichthieren, auch in den Cyclas-Muſcheln. Zwei andere Arten,
deren Lebensgeſchichte noch nicht verfolgt wurde, wohnen in unſeren Wiederkäuern.
Dritte Ordnung.
Bandwürmer (Cestodes).
Mit den Trichinen ſind die Bandwürmer ſo populär, daß man auch in guter, nicht gerade
mediciniſcher Geſellſchaft wagen darf, von ihnen und ihren Lebensſchickſalen eingehender zu ſprechen.
Sich mit ihnen, ihren Verwandlungen und unfreiwilligen Wanderungen bekannt zu machen, iſt
nicht bloß Pflicht einer jeden Hausfrau, welche in ihrer Küche eine vernünftige Sanitätspolizei
üben will, auch das Jntereſſe an der Zuſammenſetzung des merkwürdigen Vielweſens, das man
Bandwurm — als ob es nur ein Thier wäre — zu nennen gewohnt iſt, und an den Jrrfahrten
ſeiner Jugendzuſtände iſt in den Vordergrund zu ſtellen. Schließlich iſt ein in einem weißen
Glaſe in reinem Spiritus mit Hülfe einer Glaskugel muſeummäßig aufbewahrter Bandwurm
nichts weniger als unappetitlich. Auch braucht man ja nicht gerade an die menſchlichen Band-
würmer zu denken. Hunde, Katzen, Fröſche, Fiſche liefern deren zu beliebiger Auswahl. Am
allervertrauteſten machen wir uns aber ohne jeden äſthetiſchen Skrupel mit jenen Gäſten der
Schnepfe, wenn wir ſie, mit gewiſſen Beſtandtheilen des Vogels zubereitet, als Delikateſſe genießen.
Wir gehen alſo friſch daran und verſtändigen uns zuerſt über die Beſtandtheile, die Zuſammen-
ſetzung und die Bedeutung des ſogenannten „Bandwurmes“, einer Kolonie oder eines Thier-
ſtockes, wie wir ſehen werden, deſſen Bedeutung freilich auch erſt wieder durch die Entwickelungs-
geſchichte ins rechte Licht geſetzt wird. Wir halten uns dabei zunächſt an die Gruppe der eigentlichen
Bandwürmer (Taeniadea), zu welcher auch wenige den Menſchen bewohnende Arten gehören, da
ihre Naturgeſchichte in allen Einzelheiten bekannt iſt, während für die übrigen Gruppen vollen
Aufſchluß zu geben der Zukunft vorbehalten iſt.
Es iſt jedermann geläufig, an dem Bandwurme, wie er im Menſchen und vielen Thieren
ſich aufhält, den „Kopf“ mit einem kurzen, fadenförmigen „Hals“ und die „Glieder“ zu unter-
unterſcheiden, wobei man ſich keine Rechenſchaft gibt, was man denn eigentlich mit dem Ausdruck
„Glied“ bezeichnet. Der Kopf des Bandwurmes trägt bei einer Abtheilung von Arten einen
Kranz von Haken auf einem kleinen rüſſelartigen Vorſprunge, die ihm natürlich zur größeren
Sicherung und Befeſtigung im Darme ſeines unfreiwilligen Gaſtgebers dienen. Man würde jedoch
ſehr irren, zu meinen, daß die nicht mit dem Hakenkranze verſehenen Arten darum weniger
hartnäckig ſind. Den beſten Beleg dazu gibt der hakenloſe Bandwurm des Menſchen, die Taenia
mediocanellata, der man im Allgemeinen ſtärker zuſetzen muß, um ſie „abzutreiben“, als der
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/790>, abgerufen am 27.11.2024.
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