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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Käderthiere.


Schon die Krebse haben uns in solche Regionen der niederen Thierwelt geführt, wo das
unbewaffnete Auge nicht mehr ausreicht, auch nur den äußeren Umriß der betreffenden Geschöpfe
mit einiger Deutlichkeit zu erkennen. Jn demselben Falle befinden wir uns einer großen Klasse
von Thieren gegenüber, deren Entdeckungsgeschichte eben wegen ihrer Kleinheit und ihres Vor-
kommens aufs Jnnigste mit derjenigen der Jnfusorien verbunden war, und welche in der heutigen
Lebewelt eine sehr eigenthümliche Stellung einnehmen. Der berühmte Verfasser einer Urkunde
deutschen Fleißes, Christian Gottfried Ehrenberg in seinem Werke "Die Jnfusionsthierchen
als vollkommene Organismen", hat gezeigt, wie man seit der Erfindung der Mikroskope theils
aus bloßer Curiosität, zur Ergötzung des Auges und Gemüthes, theils im wissenschaftlichen
Drange allmälig sich mit dem "Leben im kleinsten Raume" vertraut machte, bis ihm selbst, dem
großen Naturforscher, es vergönnt war, ein neues, nun erst klares Licht über diese mikroskopische
Welt zu verbreiten, zu lichten, zu ordnen und die Räderthiere als eine in sich geschlossene Thier-
klasse von den eigentlichen Jufusorien zu trennen. Nicht hier, sondern bei Gelegenheit der Jnfusorien,
haben wir einige Punkte aus jener Entdeckungsgeschichte mitzutheilen, aus welcher hervorgeht, daß
schon 1680 Leeuwenhoek, der "Brillenmacher von Delft", einige Formen der Räderthiere sah
und gut beschrieb.

Die Räderthiere, deren größere Arten eine Länge von 1/3 Linie und etwas darüber erreichen,
haben fast ausnahmslos einen durchsichtigen Körper, dem man, so lange er lebt, bis in die
innersten Theile der Organe schauen kann. Dabei sind die Hautbedeckungen von solcher Festigkeit
und Prallheit, daß die Behandlung unter dem Mikroskop bei einigem Geschick mit keiner Schwierig-
keit verbunden ist. Jch führte oben an, wie die Betrachtung mancher kleinen Krebse, z. B. der
Wasserflöhe, uns die anziehendsten Schauspiele gewährt. Die meisten Räderthiere fesseln unter dem
Mikroskop in gleichem Grade das Auge. Form und Bau zeigen aber ein so apartes Gepräge,
daß unsre, an den Holzschnitt anknüpfende Beschreibung dem Leser, der hierbei an Bekanntes kaum
anknüpfen kann, so lange kalt und unbefriedigt lassen muß, bis nicht ein befreundeter Naturforscher
eins der überall zu habenden lieblichen und munteren Wesen bei 200 bis 300maliger Größe wird
in natura vorgestellt haben. Die Räderthiere sind bei vielfach wechselnder äußerer Form von
großer Uebereinstimmung im Bau, daß, eins genau studirt zu haben, so viel heißt, als
alle kennen.

Wir betrachten eins der Schildräderthiere, den Noteus quadricornis, bei welchem die den
Rumpftheil umgebenden Körperbedeckungen die Gestalt eines flachen, schildförmigen Panzers
angenommen haben. Die vielen feinen Buckelchen auf der Oberfläche des Panzers sind im Holz-
schnitt fortgeblieben, um die inneren Organe nicht unklar zu machen. Man hat allen Grund

Die Käderthiere.


Schon die Krebſe haben uns in ſolche Regionen der niederen Thierwelt geführt, wo das
unbewaffnete Auge nicht mehr ausreicht, auch nur den äußeren Umriß der betreffenden Geſchöpfe
mit einiger Deutlichkeit zu erkennen. Jn demſelben Falle befinden wir uns einer großen Klaſſe
von Thieren gegenüber, deren Entdeckungsgeſchichte eben wegen ihrer Kleinheit und ihres Vor-
kommens aufs Jnnigſte mit derjenigen der Jnfuſorien verbunden war, und welche in der heutigen
Lebewelt eine ſehr eigenthümliche Stellung einnehmen. Der berühmte Verfaſſer einer Urkunde
deutſchen Fleißes, Chriſtian Gottfried Ehrenberg in ſeinem Werke „Die Jnfuſionsthierchen
als vollkommene Organismen“, hat gezeigt, wie man ſeit der Erfindung der Mikroſkope theils
aus bloßer Curioſität, zur Ergötzung des Auges und Gemüthes, theils im wiſſenſchaftlichen
Drange allmälig ſich mit dem „Leben im kleinſten Raume“ vertraut machte, bis ihm ſelbſt, dem
großen Naturforſcher, es vergönnt war, ein neues, nun erſt klares Licht über dieſe mikroſkopiſche
Welt zu verbreiten, zu lichten, zu ordnen und die Räderthiere als eine in ſich geſchloſſene Thier-
klaſſe von den eigentlichen Jufuſorien zu trennen. Nicht hier, ſondern bei Gelegenheit der Jnfuſorien,
haben wir einige Punkte aus jener Entdeckungsgeſchichte mitzutheilen, aus welcher hervorgeht, daß
ſchon 1680 Leeuwenhoek, der „Brillenmacher von Delft“, einige Formen der Räderthiere ſah
und gut beſchrieb.

Die Räderthiere, deren größere Arten eine Länge von ⅓ Linie und etwas darüber erreichen,
haben faſt ausnahmslos einen durchſichtigen Körper, dem man, ſo lange er lebt, bis in die
innerſten Theile der Organe ſchauen kann. Dabei ſind die Hautbedeckungen von ſolcher Feſtigkeit
und Prallheit, daß die Behandlung unter dem Mikroſkop bei einigem Geſchick mit keiner Schwierig-
keit verbunden iſt. Jch führte oben an, wie die Betrachtung mancher kleinen Krebſe, z. B. der
Waſſerflöhe, uns die anziehendſten Schauſpiele gewährt. Die meiſten Räderthiere feſſeln unter dem
Mikroſkop in gleichem Grade das Auge. Form und Bau zeigen aber ein ſo apartes Gepräge,
daß unſre, an den Holzſchnitt anknüpfende Beſchreibung dem Leſer, der hierbei an Bekanntes kaum
anknüpfen kann, ſo lange kalt und unbefriedigt laſſen muß, bis nicht ein befreundeter Naturforſcher
eins der überall zu habenden lieblichen und munteren Weſen bei 200 bis 300maliger Größe wird
in natura vorgeſtellt haben. Die Räderthiere ſind bei vielfach wechſelnder äußerer Form von
großer Uebereinſtimmung im Bau, daß, eins genau ſtudirt zu haben, ſo viel heißt, als
alle kennen.

Wir betrachten eins der Schildräderthiere, den Noteus quadricornis, bei welchem die den
Rumpftheil umgebenden Körperbedeckungen die Geſtalt eines flachen, ſchildförmigen Panzers
angenommen haben. Die vielen feinen Buckelchen auf der Oberfläche des Panzers ſind im Holz-
ſchnitt fortgeblieben, um die inneren Organe nicht unklar zu machen. Man hat allen Grund

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[[672]/0716] Die Käderthiere. Schon die Krebſe haben uns in ſolche Regionen der niederen Thierwelt geführt, wo das unbewaffnete Auge nicht mehr ausreicht, auch nur den äußeren Umriß der betreffenden Geſchöpfe mit einiger Deutlichkeit zu erkennen. Jn demſelben Falle befinden wir uns einer großen Klaſſe von Thieren gegenüber, deren Entdeckungsgeſchichte eben wegen ihrer Kleinheit und ihres Vor- kommens aufs Jnnigſte mit derjenigen der Jnfuſorien verbunden war, und welche in der heutigen Lebewelt eine ſehr eigenthümliche Stellung einnehmen. Der berühmte Verfaſſer einer Urkunde deutſchen Fleißes, Chriſtian Gottfried Ehrenberg in ſeinem Werke „Die Jnfuſionsthierchen als vollkommene Organismen“, hat gezeigt, wie man ſeit der Erfindung der Mikroſkope theils aus bloßer Curioſität, zur Ergötzung des Auges und Gemüthes, theils im wiſſenſchaftlichen Drange allmälig ſich mit dem „Leben im kleinſten Raume“ vertraut machte, bis ihm ſelbſt, dem großen Naturforſcher, es vergönnt war, ein neues, nun erſt klares Licht über dieſe mikroſkopiſche Welt zu verbreiten, zu lichten, zu ordnen und die Räderthiere als eine in ſich geſchloſſene Thier- klaſſe von den eigentlichen Jufuſorien zu trennen. Nicht hier, ſondern bei Gelegenheit der Jnfuſorien, haben wir einige Punkte aus jener Entdeckungsgeſchichte mitzutheilen, aus welcher hervorgeht, daß ſchon 1680 Leeuwenhoek, der „Brillenmacher von Delft“, einige Formen der Räderthiere ſah und gut beſchrieb. Die Räderthiere, deren größere Arten eine Länge von ⅓ Linie und etwas darüber erreichen, haben faſt ausnahmslos einen durchſichtigen Körper, dem man, ſo lange er lebt, bis in die innerſten Theile der Organe ſchauen kann. Dabei ſind die Hautbedeckungen von ſolcher Feſtigkeit und Prallheit, daß die Behandlung unter dem Mikroſkop bei einigem Geſchick mit keiner Schwierig- keit verbunden iſt. Jch führte oben an, wie die Betrachtung mancher kleinen Krebſe, z. B. der Waſſerflöhe, uns die anziehendſten Schauſpiele gewährt. Die meiſten Räderthiere feſſeln unter dem Mikroſkop in gleichem Grade das Auge. Form und Bau zeigen aber ein ſo apartes Gepräge, daß unſre, an den Holzſchnitt anknüpfende Beſchreibung dem Leſer, der hierbei an Bekanntes kaum anknüpfen kann, ſo lange kalt und unbefriedigt laſſen muß, bis nicht ein befreundeter Naturforſcher eins der überall zu habenden lieblichen und munteren Weſen bei 200 bis 300maliger Größe wird in natura vorgeſtellt haben. Die Räderthiere ſind bei vielfach wechſelnder äußerer Form von großer Uebereinſtimmung im Bau, daß, eins genau ſtudirt zu haben, ſo viel heißt, als alle kennen. Wir betrachten eins der Schildräderthiere, den Noteus quadricornis, bei welchem die den Rumpftheil umgebenden Körperbedeckungen die Geſtalt eines flachen, ſchildförmigen Panzers angenommen haben. Die vielen feinen Buckelchen auf der Oberfläche des Panzers ſind im Holz- ſchnitt fortgeblieben, um die inneren Organe nicht unklar zu machen. Man hat allen Grund

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. [672]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/716>, abgerufen am 24.11.2024.