auch für den inneren Bau und die Lebenserscheinungen sich interessiren, ist das Studium dieser Geschöpfe ein höchst anziehendes. Kann man doch bei vielen, begünstigt durch die große Durch- sichtigkeit der Hautbedeckungen, den ganzen Organencompler am lebenden unverletzten Thiere durch- schauen, ähnlich fast, wie an jenen Maschinenmodellen, welche unter durchsichtiger, glänzender Umhüllung die Zusammensetzung und das Spiel der einzelnen Theile dem Blicke des Beschauers nicht vorenthalten. Und auch der Nicht-Zoologe ist angenehm überrascht, wenn er an einem unter dem Mikroskop ihm vorliegenden Thier die Bewegungen des Auges, des Nahrungskanales, das pulsirende Herz, die den Körper durchperlenden Blutkügelchen und so vieles Andere Lebende und Bebende gewahr wird."
[Abbildung]
Wasserfloh (Acanthocercus). Stark vergrößert.
"Jndessen nicht Jeder fühlt die Neigung oder um nicht gar zu sagen, hat die Herablassung, die organischen Körper um ihrer selbst willen zu studiren, und insbesondere in den thierischen Geschöpfen, mit dem Dichter zu reden, "den höchsten Gedanken, zu dem die Natur schaffend sich aufschwang, nachzudenken"; vielmehr bestimmt sich das Jnteresse für die Thierwelt bei den Meisten doch eigentlich nur darnach, ob die Thiere dem Menschen auch wahre Dienste leisten. Um so mehr macht es mir daher Vergnügen, auch solchen Naturfreunden eine Mittheilung über die Daphniden geben zu können, welche ihnen diese kleinen, unsichtbaren Existenzen der Beachtung werther erscheinen lassen dürften, als sie vielleicht es vorher waren. Während eines längeren Aufenthaltes an den bairischen Gebirgsseen und am Bodensee habe ich nämlich gefunden, daß die Cladoceren und Cycylopiden (folgende Ordnung), die fast ausschließliche Nahrung der geschätztesten Fische dieser Seen ausmachen. Die Saiblinge und die Renken (Blaufellchen am Bodensee) leben von solchen kleinen Krebsen. Jch öffnete eine große Anzahl von genannten Fischen mit Rücksicht auf diesen Punkt, und immer bestand der Jnhalt des Magens ohne andere Beimischung aus dergleichen mikroskopischen Krustenthieren. Letztere müssen somit, was die Zahl der Jndividuen betrifft, als die Hauptbevölkerung der bezeichneten Gewässer angesehen werden. Bedenkt man nun, welche Bedeutung z. B. das Blaufellchen (Coregonus Wartmanni), von dem jährlich über hunderttausend im Bodensee gefangen werden, für die Anwohner dieses Sees hat, so wird man zugestehen müssen, daß die kaum gewürdigten, kleinen Muschelkrebse, insofern sie die Masse von Fischen ernähren, dem Menschen, wenn gleich indirekt, von großem Nutzen sind."
Kiemenfüßer. Waſſerflöhe.
auch für den inneren Bau und die Lebenserſcheinungen ſich intereſſiren, iſt das Studium dieſer Geſchöpfe ein höchſt anziehendes. Kann man doch bei vielen, begünſtigt durch die große Durch- ſichtigkeit der Hautbedeckungen, den ganzen Organencompler am lebenden unverletzten Thiere durch- ſchauen, ähnlich faſt, wie an jenen Maſchinenmodellen, welche unter durchſichtiger, glänzender Umhüllung die Zuſammenſetzung und das Spiel der einzelnen Theile dem Blicke des Beſchauers nicht vorenthalten. Und auch der Nicht-Zoologe iſt angenehm überraſcht, wenn er an einem unter dem Mikroſkop ihm vorliegenden Thier die Bewegungen des Auges, des Nahrungskanales, das pulſirende Herz, die den Körper durchperlenden Blutkügelchen und ſo vieles Andere Lebende und Bebende gewahr wird.“
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Waſſerfloh (Acanthocercus). Stark vergrößert.
„Jndeſſen nicht Jeder fühlt die Neigung oder um nicht gar zu ſagen, hat die Herablaſſung, die organiſchen Körper um ihrer ſelbſt willen zu ſtudiren, und insbeſondere in den thieriſchen Geſchöpfen, mit dem Dichter zu reden, „den höchſten Gedanken, zu dem die Natur ſchaffend ſich aufſchwang, nachzudenken“; vielmehr beſtimmt ſich das Jntereſſe für die Thierwelt bei den Meiſten doch eigentlich nur darnach, ob die Thiere dem Menſchen auch wahre Dienſte leiſten. Um ſo mehr macht es mir daher Vergnügen, auch ſolchen Naturfreunden eine Mittheilung über die Daphniden geben zu können, welche ihnen dieſe kleinen, unſichtbaren Exiſtenzen der Beachtung werther erſcheinen laſſen dürften, als ſie vielleicht es vorher waren. Während eines längeren Aufenthaltes an den bairiſchen Gebirgsſeen und am Bodenſee habe ich nämlich gefunden, daß die Cladoceren und Cycylopiden (folgende Ordnung), die faſt ausſchließliche Nahrung der geſchätzteſten Fiſche dieſer Seen ausmachen. Die Saiblinge und die Renken (Blaufellchen am Bodenſee) leben von ſolchen kleinen Krebſen. Jch öffnete eine große Anzahl von genannten Fiſchen mit Rückſicht auf dieſen Punkt, und immer beſtand der Jnhalt des Magens ohne andere Beimiſchung aus dergleichen mikroſkopiſchen Kruſtenthieren. Letztere müſſen ſomit, was die Zahl der Jndividuen betrifft, als die Hauptbevölkerung der bezeichneten Gewäſſer angeſehen werden. Bedenkt man nun, welche Bedeutung z. B. das Blaufellchen (Coregonus Wartmanni), von dem jährlich über hunderttauſend im Bodenſee gefangen werden, für die Anwohner dieſes Sees hat, ſo wird man zugeſtehen müſſen, daß die kaum gewürdigten, kleinen Muſchelkrebſe, inſofern ſie die Maſſe von Fiſchen ernähren, dem Menſchen, wenn gleich indirekt, von großem Nutzen ſind.“
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Kiemenfüßer. Waſſerflöhe.
auch für den inneren Bau und die Lebenserſcheinungen ſich intereſſiren, iſt das Studium dieſer
Geſchöpfe ein höchſt anziehendes. Kann man doch bei vielen, begünſtigt durch die große Durch-
ſichtigkeit der Hautbedeckungen, den ganzen Organencompler am lebenden unverletzten Thiere durch-
ſchauen, ähnlich faſt, wie an jenen Maſchinenmodellen, welche unter durchſichtiger, glänzender
Umhüllung die Zuſammenſetzung und das Spiel der einzelnen Theile dem Blicke des Beſchauers
nicht vorenthalten. Und auch der Nicht-Zoologe iſt angenehm überraſcht, wenn er an einem
unter dem Mikroſkop ihm vorliegenden Thier die Bewegungen des Auges, des Nahrungskanales,
das pulſirende Herz, die den Körper durchperlenden Blutkügelchen und ſo vieles Andere Lebende
und Bebende gewahr wird.“
[Abbildung Waſſerfloh (Acanthocercus). Stark vergrößert.]
„Jndeſſen nicht Jeder
fühlt die Neigung oder um
nicht gar zu ſagen, hat die
Herablaſſung, die organiſchen
Körper um ihrer ſelbſt willen
zu ſtudiren, und insbeſondere
in den thieriſchen Geſchöpfen,
mit dem Dichter zu reden,
„den höchſten Gedanken, zu
dem die Natur ſchaffend ſich
aufſchwang, nachzudenken“;
vielmehr beſtimmt ſich das
Jntereſſe für die Thierwelt
bei den Meiſten doch eigentlich
nur darnach, ob die Thiere
dem Menſchen auch wahre
Dienſte leiſten. Um ſo mehr
macht es mir daher Vergnügen,
auch ſolchen Naturfreunden
eine Mittheilung über die
Daphniden geben zu können,
welche ihnen dieſe kleinen,
unſichtbaren Exiſtenzen der
Beachtung werther erſcheinen
laſſen dürften, als ſie vielleicht
es vorher waren. Während
eines längeren Aufenthaltes
an den bairiſchen Gebirgsſeen
und am Bodenſee habe ich nämlich gefunden, daß die Cladoceren und Cycylopiden (folgende
Ordnung), die faſt ausſchließliche Nahrung der geſchätzteſten Fiſche dieſer Seen ausmachen. Die
Saiblinge und die Renken (Blaufellchen am Bodenſee) leben von ſolchen kleinen Krebſen. Jch öffnete
eine große Anzahl von genannten Fiſchen mit Rückſicht auf dieſen Punkt, und immer beſtand der
Jnhalt des Magens ohne andere Beimiſchung aus dergleichen mikroſkopiſchen Kruſtenthieren. Letztere
müſſen ſomit, was die Zahl der Jndividuen betrifft, als die Hauptbevölkerung der bezeichneten
Gewäſſer angeſehen werden. Bedenkt man nun, welche Bedeutung z. B. das Blaufellchen (Coregonus
Wartmanni), von dem jährlich über hunderttauſend im Bodenſee gefangen werden, für die
Anwohner dieſes Sees hat, ſo wird man zugeſtehen müſſen, daß die kaum gewürdigten, kleinen
Muſchelkrebſe, inſofern ſie die Maſſe von Fiſchen ernähren, dem Menſchen, wenn gleich indirekt,
von großem Nutzen ſind.“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/704>, abgerufen am 24.11.2024.
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