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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Pontonia. Typton. Palämon. Gemeiner Heuschreckenkrebs.

Jhr Kopfbruststück geht vorn in einen säbelförmigen Schnabel aus, dessen obere Kante
gezähnelt ist. Der Vergleich mit dem Ritter läßt sich nicht weiter führen, obgleich Gosse es
versucht, bei seiner Schilderung des in den nordischen Gewässern besonders gemeinen Palaemon
serratus.
Was hilft es, gerade von seinem Panzer hervorzuheben, daß die Platten so genau auf
und aneinander passen, daß das Thier wie ein wahrer Soldat und Waffenknecht immer in Waffen
geht, ißt und schläft? Hinter dem heldischen Aussehen steckt weder Kraft noch Muth, und trotz
vieljähriger Beobachtungen der im Aquarium gehaltenen Palämonen konnte nie wahrgenommen
werden, daß sich einer seines gefährlich aussehenden Spießes zum Angriff oder zur Abwehr
bedient hätte. Eine andere Frage, welche der englische Beobachter ebenfalls aufwirft, ist es aber,
ob nicht durch den bloßen Anblick der drohenden Wasse mancher Feind des Krebschens muthlos
gemacht wird. Auch dieser sägeförmige Palämon kommt so massenhaft besonders an der
französischen Nordküste -- als Crevette, Calicoque, Bou-
quet u. s. w. -- und weiter östlich gegen das deutsche
Meer zu vor, daß er zu einem ausgiebigen Nahrungs-
mittel wird. Er und die anderen Palämonen, von
denen Palaemon squilla im Mittelmeere der häufigste,
werden beim Kochen roth, während die meisten übrigen
Garneelen, wie auch der gemeine Crangon, durch die Zu-
bereitung farblos werden*)



An die eben abgehandelte große Ordnung der Zehn-
füßer reihen sich durch den Besitz gestielter, beweglicher
Augen, aber abweichend in der Gliederung des Körpers,
und der Stellung und Form der Kiemen, noch ein Paar
kleinere Sippen an; zunächst die Maulfüßer (Stomato-
poda
). Nachdem wir, ohne uns auf spezielle Be-
schreibung der Körperformen und systematisch wichtigen
Theile einlassen zu können, eine Reihe, wie ich hoffe,
lebendiger und anziehender Schilderungen der Lebens-
weise so mancher höheren Krebse haben an uns vorüber
gehen lassen, darf ich den Naturfreund, dem es um eine
Einsicht in das Wesen der Formenbildung und des unend-
lich manchfaltigen Formenwechsels bei höchst einfacher
Grundlage zu thun ist, wohl zumuthen, eine Art dieser
Maulfüßer, den gemeinen Heuschreckenkrebs
(Squilla mantis) des Mittelmeeres sich etwas näher
anzusehen und mit dem Flußkrebs zu vergleichen. Auch
wird nur auf diesem Wege eine allmälige Orientirung
und Vorbereitung für das Verständniß der schwierigen
Formen der niedern Krebse angebahnt werden können.
Ohne die Einsicht in die Hülfsmittel und Werkzeuge

[Abbildung] Der gemeine Heuschreckenkrebs
(Squilla mantis.) (Etwas verkleinert.)
zum Leben ist das Leben selbst unverständlich. Unter allen den höheren Krebsen mit gestielten
Augen ist der Heuschreckenkrebs derjenige, dessen Körperringe am meisten von einander unabhängig
bleiben, und durch deren verschiedene, namentlich in den Gliedmaßen sich ausprägende Entwicklung
eine höchst eigenthümliche und interessante Raubthier-Organisation hervorgebracht wird. Der

*) Diejenigen Leser, welche sich etwa mit dem Sammeln und mühsamen Bestimmen der zehnfüßigen
Krebse abgeben wollen, machen wir als auf ein vortreffliches Hülfswerk aufmerksam, auf: Heller, die
Crustaceen des südlichen Europa. Crustacea podophthalmia. Wien, 1863.
Pontonia. Typton. Palämon. Gemeiner Heuſchreckenkrebs.

Jhr Kopfbruſtſtück geht vorn in einen ſäbelförmigen Schnabel aus, deſſen obere Kante
gezähnelt iſt. Der Vergleich mit dem Ritter läßt ſich nicht weiter führen, obgleich Goſſe es
verſucht, bei ſeiner Schilderung des in den nordiſchen Gewäſſern beſonders gemeinen Palaemon
serratus.
Was hilft es, gerade von ſeinem Panzer hervorzuheben, daß die Platten ſo genau auf
und aneinander paſſen, daß das Thier wie ein wahrer Soldat und Waffenknecht immer in Waffen
geht, ißt und ſchläft? Hinter dem heldiſchen Ausſehen ſteckt weder Kraft noch Muth, und trotz
vieljähriger Beobachtungen der im Aquarium gehaltenen Palämonen konnte nie wahrgenommen
werden, daß ſich einer ſeines gefährlich ausſehenden Spießes zum Angriff oder zur Abwehr
bedient hätte. Eine andere Frage, welche der engliſche Beobachter ebenfalls aufwirft, iſt es aber,
ob nicht durch den bloßen Anblick der drohenden Waſſe mancher Feind des Krebschens muthlos
gemacht wird. Auch dieſer ſägeförmige Palämon kommt ſo maſſenhaft beſonders an der
franzöſiſchen Nordküſte — als Crevette, Calicoque, Bou-
quet u. ſ. w. — und weiter öſtlich gegen das deutſche
Meer zu vor, daß er zu einem ausgiebigen Nahrungs-
mittel wird. Er und die anderen Palämonen, von
denen Palaemon squilla im Mittelmeere der häufigſte,
werden beim Kochen roth, während die meiſten übrigen
Garneelen, wie auch der gemeine Crangon, durch die Zu-
bereitung farblos werden*)



An die eben abgehandelte große Ordnung der Zehn-
füßer reihen ſich durch den Beſitz geſtielter, beweglicher
Augen, aber abweichend in der Gliederung des Körpers,
und der Stellung und Form der Kiemen, noch ein Paar
kleinere Sippen an; zunächſt die Maulfüßer (Stomato-
poda
). Nachdem wir, ohne uns auf ſpezielle Be-
ſchreibung der Körperformen und ſyſtematiſch wichtigen
Theile einlaſſen zu können, eine Reihe, wie ich hoffe,
lebendiger und anziehender Schilderungen der Lebens-
weiſe ſo mancher höheren Krebſe haben an uns vorüber
gehen laſſen, darf ich den Naturfreund, dem es um eine
Einſicht in das Weſen der Formenbildung und des unend-
lich manchfaltigen Formenwechſels bei höchſt einfacher
Grundlage zu thun iſt, wohl zumuthen, eine Art dieſer
Maulfüßer, den gemeinen Heuſchreckenkrebs
(Squilla mantis) des Mittelmeeres ſich etwas näher
anzuſehen und mit dem Flußkrebs zu vergleichen. Auch
wird nur auf dieſem Wege eine allmälige Orientirung
und Vorbereitung für das Verſtändniß der ſchwierigen
Formen der niedern Krebſe angebahnt werden können.
Ohne die Einſicht in die Hülfsmittel und Werkzeuge

[Abbildung] Der gemeine Heuſchreckenkrebs
(Squilla mantis.) (Etwas verkleinert.)
zum Leben iſt das Leben ſelbſt unverſtändlich. Unter allen den höheren Krebſen mit geſtielten
Augen iſt der Heuſchreckenkrebs derjenige, deſſen Körperringe am meiſten von einander unabhängig
bleiben, und durch deren verſchiedene, namentlich in den Gliedmaßen ſich ausprägende Entwicklung
eine höchſt eigenthümliche und intereſſante Raubthier-Organiſation hervorgebracht wird. Der

*) Diejenigen Leſer, welche ſich etwa mit dem Sammeln und mühſamen Beſtimmen der zehnfüßigen
Krebſe abgeben wollen, machen wir als auf ein vortreffliches Hülfswerk aufmerkſam, auf: Heller, die
Cruſtaceen des ſüdlichen Europa. Crustacea podophthalmia. Wien, 1863.
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[647/0691] Pontonia. Typton. Palämon. Gemeiner Heuſchreckenkrebs. Jhr Kopfbruſtſtück geht vorn in einen ſäbelförmigen Schnabel aus, deſſen obere Kante gezähnelt iſt. Der Vergleich mit dem Ritter läßt ſich nicht weiter führen, obgleich Goſſe es verſucht, bei ſeiner Schilderung des in den nordiſchen Gewäſſern beſonders gemeinen Palaemon serratus. Was hilft es, gerade von ſeinem Panzer hervorzuheben, daß die Platten ſo genau auf und aneinander paſſen, daß das Thier wie ein wahrer Soldat und Waffenknecht immer in Waffen geht, ißt und ſchläft? Hinter dem heldiſchen Ausſehen ſteckt weder Kraft noch Muth, und trotz vieljähriger Beobachtungen der im Aquarium gehaltenen Palämonen konnte nie wahrgenommen werden, daß ſich einer ſeines gefährlich ausſehenden Spießes zum Angriff oder zur Abwehr bedient hätte. Eine andere Frage, welche der engliſche Beobachter ebenfalls aufwirft, iſt es aber, ob nicht durch den bloßen Anblick der drohenden Waſſe mancher Feind des Krebschens muthlos gemacht wird. Auch dieſer ſägeförmige Palämon kommt ſo maſſenhaft beſonders an der franzöſiſchen Nordküſte — als Crevette, Calicoque, Bou- quet u. ſ. w. — und weiter öſtlich gegen das deutſche Meer zu vor, daß er zu einem ausgiebigen Nahrungs- mittel wird. Er und die anderen Palämonen, von denen Palaemon squilla im Mittelmeere der häufigſte, werden beim Kochen roth, während die meiſten übrigen Garneelen, wie auch der gemeine Crangon, durch die Zu- bereitung farblos werden *) An die eben abgehandelte große Ordnung der Zehn- füßer reihen ſich durch den Beſitz geſtielter, beweglicher Augen, aber abweichend in der Gliederung des Körpers, und der Stellung und Form der Kiemen, noch ein Paar kleinere Sippen an; zunächſt die Maulfüßer (Stomato- poda). Nachdem wir, ohne uns auf ſpezielle Be- ſchreibung der Körperformen und ſyſtematiſch wichtigen Theile einlaſſen zu können, eine Reihe, wie ich hoffe, lebendiger und anziehender Schilderungen der Lebens- weiſe ſo mancher höheren Krebſe haben an uns vorüber gehen laſſen, darf ich den Naturfreund, dem es um eine Einſicht in das Weſen der Formenbildung und des unend- lich manchfaltigen Formenwechſels bei höchſt einfacher Grundlage zu thun iſt, wohl zumuthen, eine Art dieſer Maulfüßer, den gemeinen Heuſchreckenkrebs (Squilla mantis) des Mittelmeeres ſich etwas näher anzuſehen und mit dem Flußkrebs zu vergleichen. Auch wird nur auf dieſem Wege eine allmälige Orientirung und Vorbereitung für das Verſtändniß der ſchwierigen Formen der niedern Krebſe angebahnt werden können. Ohne die Einſicht in die Hülfsmittel und Werkzeuge [Abbildung Der gemeine Heuſchreckenkrebs (Squilla mantis.) (Etwas verkleinert.)] zum Leben iſt das Leben ſelbſt unverſtändlich. Unter allen den höheren Krebſen mit geſtielten Augen iſt der Heuſchreckenkrebs derjenige, deſſen Körperringe am meiſten von einander unabhängig bleiben, und durch deren verſchiedene, namentlich in den Gliedmaßen ſich ausprägende Entwicklung eine höchſt eigenthümliche und intereſſante Raubthier-Organiſation hervorgebracht wird. Der *) Diejenigen Leſer, welche ſich etwa mit dem Sammeln und mühſamen Beſtimmen der zehnfüßigen Krebſe abgeben wollen, machen wir als auf ein vortreffliches Hülfswerk aufmerkſam, auf: Heller, die Cruſtaceen des ſüdlichen Europa. Crustacea podophthalmia. Wien, 1863.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 647. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/691>, abgerufen am 24.11.2024.