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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Zehnfüßige Krebse. Mittelkrebse. Eremitenkrebse.
(Pagurus Bernhardus), dieß gewönlich thut, setzen wir natürlich dasselbe von dem Pagurus Prideauxii
voraus. Dieß angenommen, was wird mit der Mantelactinie? Wenn die Krebse ihre Quartiere
wechseln und die Adamsien verlassen, wird die Verbindung aufgelöst; wir sollten also regelmäßig
die einen ohne die andern finden. Das geschieht aber nicht."

"Auf der andern Seite, wenn auch die Adamsie ihre Wohnung verändern kann, auf welche
Weise sucht sie ein neues Schneckengehäus? Wenn sie die alte Behausung zugleich mit dem Krebs
verläßt, und zugleich mit ihm eine neue in Besitz nimmt, wie kommt Einheit in ihren Willen
und Thun? Wie theilen sie sich einander ihre Gedanken mit? Da die Adamsie nicht am Krebs
fest hängt, sondern an dem Gehäus, da sie also in ihren gegenseitigen Bewegungen unabhängig
von einander sind, wer ergreift die Jnitiative? Wer macht sich auf, die neue Wohnung zu suchen
und zu welchem Zeitpunkt der Uebersiedlung begiebt sich auch das Andre daran? Ueber alle diese
Fragen hatte ich mit Jnteresse nachgedacht, bis ich endlich einigen Aufschluß bekam."

"Am 16. Januar 1859 fing ich mit dem Schleppnetz ein ungefähr halb ausgewachsenes Exemplar
der Adamsia palliata auf einem etwas kleinen Gehäus von Natica monilifera, bewohnt von einem
Pagurus Prideauxii, der für sein Logis schon etwas zu dick zu sein schien. Jch setzte sie in ein
wohl eingerichtetes weites Aquarium, dessen Jnhalt sich in vortrefflichem Zustande befand, und
hatte das Glück, was mir noch nie gelungen, beide, den Krebs und die Adamsie, im Aquarium
einzubürgern. Beide erfreuten sich einer vortrefflichen Gesundheit und fühlten sich ganz wie zu
Hause. Jedoch bemerkte ich nach drei Monaten, daß die Adamsie nicht mehr so wohl aussah.
Dazu gab auch der Krebs später Anzeichen, daß er unbehaglich beengt sei, indem er seine vorderen
Körpertheile weit herausstreckte. Jch konnte mich jedoch noch nicht entschließen, dem Krebs ein
weiteres Schneckengehäus anzubieten, indem ich fürchtete, er möchte, sich desselben bemächtigend,
seine zoophytische Freundin verlassen, diese würde dann sterben und ich sie verlieren."

"Endlich siegte das Verlangen, eine wissenschaftliche Aufgabe zu lösen über das Gefühl. Eine
Thatsache ist besser als ein Exemplar. Und so nahm ich aus meiner Sammlung ein ausge-
wachsenes Natica-Gehäus und legte es in den Wasserbehälter in die Nähe des in Uneinigkeit ge-
rathenen Trios. Der Einsiedler fand sogleich das neue Gehäus und begann unmittelbar, es zu
untersuchen. Er ging jedoch anders zu Werke, als sein Bruder Bernhard (d. i. Pagurus Bern-
hardus
) würde gethan haben. Der würde nämlich ohne Weiteres das neue Haus bezogen haben.
Jener wendete es mit der Mündung nach aufwärts, faßte sowohl die Außen- als Jnnenlippe mit
einer Klaue, und begann nun, es über den Boden des Gefäßes hinzuziehn. Gelegentlich ließ er
mit einer Klaue los, betastete das Jnnere und setzte dann seinen Marsch fort. Ein Geschäft rief
mich ab, und als ich nach ungefähr einer Stunde zurückkehrte fand ich den Einsiedler bequem in
seiner neuen Wohnung eingerichtet; die alte aber lag verlassen in einiger Entfernung. Schnell
kehrte ich sie um, zu sehen, was aus der Adamsie geworden. O weh! keine Adamsie war da.
Als aber nun gerade der Einsiedler an die Wand des Aquariums herankam, sah ich zu meiner
großen Genugthuung, daß die alte Vergesellschaftung ungebrochen fortdauerte. Die Adamsie hing
mit dem einen Fußlappen auf dem neuen Gehäus, offenbar auch mit dem andern. Aber
bei der Stellung der Gruppe konnte ich keine volle Gewißheit darüber erlangen. Die Stellung
des Zoophyten war ganz normal. Jndem ich mir nun den Zusammenhang der Dinge mit einer
Lupe genauer betrachtete, sah ich, daß die Adamsie mit einer kleinen Fläche des mittleren Theiles
ihrer Fußscheibe an der Unterseite des Kopfbruststückes des Krebses zwischen der Basis seiner
Beine anhaftete."

"Nun ist dieses Anhaften an dem Krebse ein Umstand, welcher unter gewöhnlichen Ver-
hältnissen, so weit mir bekannt, nicht Platz greift. Deßhalb mußte ich ihn für ein außerordent-
liches und zeitweiliges Auskunftsmittel halten, die Adamsie von dem alten auf das neue Gehäus
zu schaffen und um sie in die richtige Stellung auf demselben zu bringen. Müssen wir daraus
nicht mit Nothwendigkeit schließen, daß, sobald der Krebs das neue Gehäus passend gefunden

Zehnfüßige Krebſe. Mittelkrebſe. Eremitenkrebſe.
(Pagurus Bernhardus), dieß gewönlich thut, ſetzen wir natürlich daſſelbe von dem Pagurus Prideauxii
voraus. Dieß angenommen, was wird mit der Mantelactinie? Wenn die Krebſe ihre Quartiere
wechſeln und die Adamſien verlaſſen, wird die Verbindung aufgelöſt; wir ſollten alſo regelmäßig
die einen ohne die andern finden. Das geſchieht aber nicht.“

„Auf der andern Seite, wenn auch die Adamſie ihre Wohnung verändern kann, auf welche
Weiſe ſucht ſie ein neues Schneckengehäus? Wenn ſie die alte Behauſung zugleich mit dem Krebs
verläßt, und zugleich mit ihm eine neue in Beſitz nimmt, wie kommt Einheit in ihren Willen
und Thun? Wie theilen ſie ſich einander ihre Gedanken mit? Da die Adamſie nicht am Krebs
feſt hängt, ſondern an dem Gehäus, da ſie alſo in ihren gegenſeitigen Bewegungen unabhängig
von einander ſind, wer ergreift die Jnitiative? Wer macht ſich auf, die neue Wohnung zu ſuchen
und zu welchem Zeitpunkt der Ueberſiedlung begiebt ſich auch das Andre daran? Ueber alle dieſe
Fragen hatte ich mit Jntereſſe nachgedacht, bis ich endlich einigen Aufſchluß bekam.“

„Am 16. Januar 1859 fing ich mit dem Schleppnetz ein ungefähr halb ausgewachſenes Exemplar
der Adamsia palliata auf einem etwas kleinen Gehäus von Natica monilifera, bewohnt von einem
Pagurus Prideauxii, der für ſein Logis ſchon etwas zu dick zu ſein ſchien. Jch ſetzte ſie in ein
wohl eingerichtetes weites Aquarium, deſſen Jnhalt ſich in vortrefflichem Zuſtande befand, und
hatte das Glück, was mir noch nie gelungen, beide, den Krebs und die Adamſie, im Aquarium
einzubürgern. Beide erfreuten ſich einer vortrefflichen Geſundheit und fühlten ſich ganz wie zu
Hauſe. Jedoch bemerkte ich nach drei Monaten, daß die Adamſie nicht mehr ſo wohl ausſah.
Dazu gab auch der Krebs ſpäter Anzeichen, daß er unbehaglich beengt ſei, indem er ſeine vorderen
Körpertheile weit herausſtreckte. Jch konnte mich jedoch noch nicht entſchließen, dem Krebs ein
weiteres Schneckengehäus anzubieten, indem ich fürchtete, er möchte, ſich deſſelben bemächtigend,
ſeine zoophytiſche Freundin verlaſſen, dieſe würde dann ſterben und ich ſie verlieren.“

„Endlich ſiegte das Verlangen, eine wiſſenſchaftliche Aufgabe zu löſen über das Gefühl. Eine
Thatſache iſt beſſer als ein Exemplar. Und ſo nahm ich aus meiner Sammlung ein ausge-
wachſenes Natica-Gehäus und legte es in den Waſſerbehälter in die Nähe des in Uneinigkeit ge-
rathenen Trios. Der Einſiedler fand ſogleich das neue Gehäus und begann unmittelbar, es zu
unterſuchen. Er ging jedoch anders zu Werke, als ſein Bruder Bernhard (d. i. Pagurus Bern-
hardus
) würde gethan haben. Der würde nämlich ohne Weiteres das neue Haus bezogen haben.
Jener wendete es mit der Mündung nach aufwärts, faßte ſowohl die Außen- als Jnnenlippe mit
einer Klaue, und begann nun, es über den Boden des Gefäßes hinzuziehn. Gelegentlich ließ er
mit einer Klaue los, betaſtete das Jnnere und ſetzte dann ſeinen Marſch fort. Ein Geſchäft rief
mich ab, und als ich nach ungefähr einer Stunde zurückkehrte fand ich den Einſiedler bequem in
ſeiner neuen Wohnung eingerichtet; die alte aber lag verlaſſen in einiger Entfernung. Schnell
kehrte ich ſie um, zu ſehen, was aus der Adamſie geworden. O weh! keine Adamſie war da.
Als aber nun gerade der Einſiedler an die Wand des Aquariums herankam, ſah ich zu meiner
großen Genugthuung, daß die alte Vergeſellſchaftung ungebrochen fortdauerte. Die Adamſie hing
mit dem einen Fußlappen auf dem neuen Gehäus, offenbar auch mit dem andern. Aber
bei der Stellung der Gruppe konnte ich keine volle Gewißheit darüber erlangen. Die Stellung
des Zoophyten war ganz normal. Jndem ich mir nun den Zuſammenhang der Dinge mit einer
Lupe genauer betrachtete, ſah ich, daß die Adamſie mit einer kleinen Fläche des mittleren Theiles
ihrer Fußſcheibe an der Unterſeite des Kopfbruſtſtückes des Krebſes zwiſchen der Baſis ſeiner
Beine anhaftete.“

„Nun iſt dieſes Anhaften an dem Krebſe ein Umſtand, welcher unter gewöhnlichen Ver-
hältniſſen, ſo weit mir bekannt, nicht Platz greift. Deßhalb mußte ich ihn für ein außerordent-
liches und zeitweiliges Auskunftsmittel halten, die Adamſie von dem alten auf das neue Gehäus
zu ſchaffen und um ſie in die richtige Stellung auf demſelben zu bringen. Müſſen wir daraus
nicht mit Nothwendigkeit ſchließen, daß, ſobald der Krebs das neue Gehäus paſſend gefunden

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[638/0680] Zehnfüßige Krebſe. Mittelkrebſe. Eremitenkrebſe. (Pagurus Bernhardus), dieß gewönlich thut, ſetzen wir natürlich daſſelbe von dem Pagurus Prideauxii voraus. Dieß angenommen, was wird mit der Mantelactinie? Wenn die Krebſe ihre Quartiere wechſeln und die Adamſien verlaſſen, wird die Verbindung aufgelöſt; wir ſollten alſo regelmäßig die einen ohne die andern finden. Das geſchieht aber nicht.“ „Auf der andern Seite, wenn auch die Adamſie ihre Wohnung verändern kann, auf welche Weiſe ſucht ſie ein neues Schneckengehäus? Wenn ſie die alte Behauſung zugleich mit dem Krebs verläßt, und zugleich mit ihm eine neue in Beſitz nimmt, wie kommt Einheit in ihren Willen und Thun? Wie theilen ſie ſich einander ihre Gedanken mit? Da die Adamſie nicht am Krebs feſt hängt, ſondern an dem Gehäus, da ſie alſo in ihren gegenſeitigen Bewegungen unabhängig von einander ſind, wer ergreift die Jnitiative? Wer macht ſich auf, die neue Wohnung zu ſuchen und zu welchem Zeitpunkt der Ueberſiedlung begiebt ſich auch das Andre daran? Ueber alle dieſe Fragen hatte ich mit Jntereſſe nachgedacht, bis ich endlich einigen Aufſchluß bekam.“ „Am 16. Januar 1859 fing ich mit dem Schleppnetz ein ungefähr halb ausgewachſenes Exemplar der Adamsia palliata auf einem etwas kleinen Gehäus von Natica monilifera, bewohnt von einem Pagurus Prideauxii, der für ſein Logis ſchon etwas zu dick zu ſein ſchien. Jch ſetzte ſie in ein wohl eingerichtetes weites Aquarium, deſſen Jnhalt ſich in vortrefflichem Zuſtande befand, und hatte das Glück, was mir noch nie gelungen, beide, den Krebs und die Adamſie, im Aquarium einzubürgern. Beide erfreuten ſich einer vortrefflichen Geſundheit und fühlten ſich ganz wie zu Hauſe. Jedoch bemerkte ich nach drei Monaten, daß die Adamſie nicht mehr ſo wohl ausſah. Dazu gab auch der Krebs ſpäter Anzeichen, daß er unbehaglich beengt ſei, indem er ſeine vorderen Körpertheile weit herausſtreckte. Jch konnte mich jedoch noch nicht entſchließen, dem Krebs ein weiteres Schneckengehäus anzubieten, indem ich fürchtete, er möchte, ſich deſſelben bemächtigend, ſeine zoophytiſche Freundin verlaſſen, dieſe würde dann ſterben und ich ſie verlieren.“ „Endlich ſiegte das Verlangen, eine wiſſenſchaftliche Aufgabe zu löſen über das Gefühl. Eine Thatſache iſt beſſer als ein Exemplar. Und ſo nahm ich aus meiner Sammlung ein ausge- wachſenes Natica-Gehäus und legte es in den Waſſerbehälter in die Nähe des in Uneinigkeit ge- rathenen Trios. Der Einſiedler fand ſogleich das neue Gehäus und begann unmittelbar, es zu unterſuchen. Er ging jedoch anders zu Werke, als ſein Bruder Bernhard (d. i. Pagurus Bern- hardus) würde gethan haben. Der würde nämlich ohne Weiteres das neue Haus bezogen haben. Jener wendete es mit der Mündung nach aufwärts, faßte ſowohl die Außen- als Jnnenlippe mit einer Klaue, und begann nun, es über den Boden des Gefäßes hinzuziehn. Gelegentlich ließ er mit einer Klaue los, betaſtete das Jnnere und ſetzte dann ſeinen Marſch fort. Ein Geſchäft rief mich ab, und als ich nach ungefähr einer Stunde zurückkehrte fand ich den Einſiedler bequem in ſeiner neuen Wohnung eingerichtet; die alte aber lag verlaſſen in einiger Entfernung. Schnell kehrte ich ſie um, zu ſehen, was aus der Adamſie geworden. O weh! keine Adamſie war da. Als aber nun gerade der Einſiedler an die Wand des Aquariums herankam, ſah ich zu meiner großen Genugthuung, daß die alte Vergeſellſchaftung ungebrochen fortdauerte. Die Adamſie hing mit dem einen Fußlappen auf dem neuen Gehäus, offenbar auch mit dem andern. Aber bei der Stellung der Gruppe konnte ich keine volle Gewißheit darüber erlangen. Die Stellung des Zoophyten war ganz normal. Jndem ich mir nun den Zuſammenhang der Dinge mit einer Lupe genauer betrachtete, ſah ich, daß die Adamſie mit einer kleinen Fläche des mittleren Theiles ihrer Fußſcheibe an der Unterſeite des Kopfbruſtſtückes des Krebſes zwiſchen der Baſis ſeiner Beine anhaftete.“ „Nun iſt dieſes Anhaften an dem Krebſe ein Umſtand, welcher unter gewöhnlichen Ver- hältniſſen, ſo weit mir bekannt, nicht Platz greift. Deßhalb mußte ich ihn für ein außerordent- liches und zeitweiliges Auskunftsmittel halten, die Adamſie von dem alten auf das neue Gehäus zu ſchaffen und um ſie in die richtige Stellung auf demſelben zu bringen. Müſſen wir daraus nicht mit Nothwendigkeit ſchließen, daß, ſobald der Krebs das neue Gehäus paſſend gefunden

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/680>, abgerufen am 24.11.2024.