Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Trichterspinnen.
entdeckt hatte? Als der König alt und schwach geworden war und nichts mehr als den Tod
wünschte, behandelte man ihn schonender. Ost erzählte er dann mit Thränen der Rührung von
der Freundschaft seiner Spinne, von dem Troste, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer
Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiflungsvollen Schmerze, den der gefühllose Kerker-
meister durch ihre Tödtung über ihn gebracht habe.

Man hat die Gewebe und besonders die leicht zu habenden der Hausspinnen auch zu medici-
nischen Zwecken benutzt. Werden dieselben auf einem Rohrstuhle oder Drahtsiebe gründlich aus-
geklopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegemesser fein zerschnitten, mit Butter vermengt
auf Brot gestrichen und in bestimmten Zwischenzeiten genossen, so leisten sie treffliche Dienste gegen
Wechselfieber. Bekannter ist die blutstillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleich-
falls erst vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man versucht, sie gleich den Seiden-
fäden zu verarbeiten, jedoch wird dieses Rohmaterial, welches von einem Raubthiere stammt, nie
in solchen Mengen zu beschaffen sein, um Vortheil aus dem Jndustriezweige erzielen zu können.

Die gemeine Labyrinthspinne (Agelena labyrinthica) vertritt für offene Waldplätze,
Wiesen und sonnige Bergabhänge, die mit niedern Pflanzen und Gestrüpp bewachsen sind, in ihrer
Lebensweise die Hausspinne. Sie ist noch etwas kräftiger gebaut als diese, (6 bis 10 Linien
lang), von derselben Gestalt, am graugelben Vorderleibe mit zwei schwarzbraunen Längsstreifen
gezeichnet, die nach den Seitenaugen hin spitz auslaufen. Ueber den grau und schwarz gemischten
Hinterleib zieht ein Mittelstreifen grauröthlicher Haare, welcher in einen orangenen Fleck über
den heraustretenden Spinnwarzen endet und an welchen sich seitlich fünf bis sechs von Punkten
ausgehende, geschwungene, schräg nach vorn gerichtete Streifen von gleichfalls grauröthlicher
Behaarung auschließen. Die Hüften und Schenkel sind gelb, die übrigen Glieder der Beine roth-
gelb, an den Spitzen rothbraun, sonst ungefleckt. Die ziemlich gleich großen Augen ordnen sich
wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurück und näher an einander, fast
so nahe wie die Stirnaugen. Weil das Englied der obern Spinnwarzen fast doppelt so lang als
das voraufgehende Glied und emporgerichtet ist, so erscheint das Schwänzchen sehr entwickelt. Das
Endglied der männlichen Taster ist kurz und dick, nicht länger als das dritte Glied, während es
bei Tegenaria beinahe anderthalb Mal länger ist. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem
Buschwerk, an freien und sonnigen Stellen, wie bereits erwähnt, ein wagerechtes Gewebe als
Hangematte an und läßt es in eine cylindrische, beiderseits offene, mehrfach gekrümmte Röhre,
welche ihre Warte bildet, auslaufen. Dieselbe wird von oben her mit trocknen Blättern verwebt,
um einigen Schutz gegen Regen und die brennenden Sonnenstrahlen zu gewähren. Bei schönem
Wetter durchläuft die Labyrinthspinne öfter die Grenzen ihres Baues, dessen weiter Rand durch
oft fußlange Fäden mit der Umgebung verbunden ist. Sie zeigt sich in ihren Bewegungen ungemein
flink und gierig nach Beute. Jhr Nest verläßt sie so leicht nicht, sondern flickt es immer wieder
aus, sobald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und August erfolgt die Paarung
und zwar in derjenigen Röhre, in welcher sich das Weibchen aufhält. Dieses legt hierauf eine
verhältnißmäßig geringe Anzahl (60 bis 70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten
bestehenden Schlauch, dessen Außenseite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberresten aus der Umgebung
verwebt ist. Derselbe wird in der Nähe des Nestes aufgehängt und von der Mutter sorgsam
überwacht. -- Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet sie in England, Schweden,
Deutschland, Frankreich, Ungarn und sicher auch in Rußland. Jn ersterem Lande soll nach
Lister's Beobachtungen die Begattung schon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte
Fäden geschützt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in
Frankreich und Deutschland angestellten Beobachtungen sich die Eier in dieser Lage befinden.

Die beiden genannten und noch einige verwandte Gattungen (Hahnia, Textrix u. a.) bilden
die Familie der Trichterspinnen (Tapitelae).



Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Trichterſpinnen.
entdeckt hatte? Als der König alt und ſchwach geworden war und nichts mehr als den Tod
wünſchte, behandelte man ihn ſchonender. Oſt erzählte er dann mit Thränen der Rührung von
der Freundſchaft ſeiner Spinne, von dem Troſte, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer
Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiflungsvollen Schmerze, den der gefühlloſe Kerker-
meiſter durch ihre Tödtung über ihn gebracht habe.

Man hat die Gewebe und beſonders die leicht zu habenden der Hausſpinnen auch zu medici-
niſchen Zwecken benutzt. Werden dieſelben auf einem Rohrſtuhle oder Drahtſiebe gründlich aus-
geklopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegemeſſer fein zerſchnitten, mit Butter vermengt
auf Brot geſtrichen und in beſtimmten Zwiſchenzeiten genoſſen, ſo leiſten ſie treffliche Dienſte gegen
Wechſelfieber. Bekannter iſt die blutſtillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleich-
falls erſt vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man verſucht, ſie gleich den Seiden-
fäden zu verarbeiten, jedoch wird dieſes Rohmaterial, welches von einem Raubthiere ſtammt, nie
in ſolchen Mengen zu beſchaffen ſein, um Vortheil aus dem Jnduſtriezweige erzielen zu können.

Die gemeine Labyrinthſpinne (Agelena labyrinthica) vertritt für offene Waldplätze,
Wieſen und ſonnige Bergabhänge, die mit niedern Pflanzen und Geſtrüpp bewachſen ſind, in ihrer
Lebensweiſe die Hausſpinne. Sie iſt noch etwas kräftiger gebaut als dieſe, (6 bis 10 Linien
lang), von derſelben Geſtalt, am graugelben Vorderleibe mit zwei ſchwarzbraunen Längsſtreifen
gezeichnet, die nach den Seitenaugen hin ſpitz auslaufen. Ueber den grau und ſchwarz gemiſchten
Hinterleib zieht ein Mittelſtreifen grauröthlicher Haare, welcher in einen orangenen Fleck über
den heraustretenden Spinnwarzen endet und an welchen ſich ſeitlich fünf bis ſechs von Punkten
ausgehende, geſchwungene, ſchräg nach vorn gerichtete Streifen von gleichfalls grauröthlicher
Behaarung auſchließen. Die Hüften und Schenkel ſind gelb, die übrigen Glieder der Beine roth-
gelb, an den Spitzen rothbraun, ſonſt ungefleckt. Die ziemlich gleich großen Augen ordnen ſich
wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurück und näher an einander, faſt
ſo nahe wie die Stirnaugen. Weil das Englied der obern Spinnwarzen faſt doppelt ſo lang als
das voraufgehende Glied und emporgerichtet iſt, ſo erſcheint das Schwänzchen ſehr entwickelt. Das
Endglied der männlichen Taſter iſt kurz und dick, nicht länger als das dritte Glied, während es
bei Tegenaria beinahe anderthalb Mal länger iſt. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem
Buſchwerk, an freien und ſonnigen Stellen, wie bereits erwähnt, ein wagerechtes Gewebe als
Hangematte an und läßt es in eine cylindriſche, beiderſeits offene, mehrfach gekrümmte Röhre,
welche ihre Warte bildet, auslaufen. Dieſelbe wird von oben her mit trocknen Blättern verwebt,
um einigen Schutz gegen Regen und die brennenden Sonnenſtrahlen zu gewähren. Bei ſchönem
Wetter durchläuft die Labyrinthſpinne öfter die Grenzen ihres Baues, deſſen weiter Rand durch
oft fußlange Fäden mit der Umgebung verbunden iſt. Sie zeigt ſich in ihren Bewegungen ungemein
flink und gierig nach Beute. Jhr Neſt verläßt ſie ſo leicht nicht, ſondern flickt es immer wieder
aus, ſobald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und Auguſt erfolgt die Paarung
und zwar in derjenigen Röhre, in welcher ſich das Weibchen aufhält. Dieſes legt hierauf eine
verhältnißmäßig geringe Anzahl (60 bis 70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten
beſtehenden Schlauch, deſſen Außenſeite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberreſten aus der Umgebung
verwebt iſt. Derſelbe wird in der Nähe des Neſtes aufgehängt und von der Mutter ſorgſam
überwacht. — Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet ſie in England, Schweden,
Deutſchland, Frankreich, Ungarn und ſicher auch in Rußland. Jn erſterem Lande ſoll nach
Liſter’s Beobachtungen die Begattung ſchon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte
Fäden geſchützt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in
Frankreich und Deutſchland angeſtellten Beobachtungen ſich die Eier in dieſer Lage befinden.

Die beiden genannten und noch einige verwandte Gattungen (Hahnia, Textrix u. a.) bilden
die Familie der Trichterſpinnen (Tapitelae).



<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <div n="3">
                <p><pb facs="#f0624" n="586"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Trichter&#x017F;pinnen</hi>.</fw><lb/>
entdeckt hatte? Als der König alt und &#x017F;chwach geworden war und nichts mehr als den Tod<lb/>
wün&#x017F;chte, behandelte man ihn &#x017F;chonender. O&#x017F;t erzählte er dann mit Thränen der Rührung von<lb/>
der Freund&#x017F;chaft &#x017F;einer Spinne, von dem Tro&#x017F;te, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer<lb/>
Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiflungsvollen Schmerze, den der gefühllo&#x017F;e Kerker-<lb/>
mei&#x017F;ter durch ihre Tödtung über ihn gebracht habe.</p><lb/>
                <p>Man hat die Gewebe und be&#x017F;onders die leicht zu habenden der Haus&#x017F;pinnen auch zu medici-<lb/>
ni&#x017F;chen Zwecken benutzt. Werden die&#x017F;elben auf einem Rohr&#x017F;tuhle oder Draht&#x017F;iebe gründlich aus-<lb/>
geklopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegeme&#x017F;&#x017F;er fein zer&#x017F;chnitten, mit Butter vermengt<lb/>
auf Brot ge&#x017F;trichen und in be&#x017F;timmten Zwi&#x017F;chenzeiten geno&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o lei&#x017F;ten &#x017F;ie treffliche Dien&#x017F;te gegen<lb/>
Wech&#x017F;elfieber. Bekannter i&#x017F;t die blut&#x017F;tillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleich-<lb/>
falls er&#x017F;t vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man ver&#x017F;ucht, &#x017F;ie gleich den Seiden-<lb/>
fäden zu verarbeiten, jedoch wird die&#x017F;es Rohmaterial, welches von einem Raubthiere &#x017F;tammt, nie<lb/>
in &#x017F;olchen Mengen zu be&#x017F;chaffen &#x017F;ein, um Vortheil aus dem Jndu&#x017F;triezweige erzielen zu können.</p><lb/>
                <p>Die <hi rendition="#g">gemeine Labyrinth&#x017F;pinne</hi> (<hi rendition="#aq">Agelena labyrinthica</hi>) vertritt für offene Waldplätze,<lb/>
Wie&#x017F;en und &#x017F;onnige Bergabhänge, die mit niedern Pflanzen und Ge&#x017F;trüpp bewach&#x017F;en &#x017F;ind, in ihrer<lb/>
Lebenswei&#x017F;e die Haus&#x017F;pinne. Sie i&#x017F;t noch etwas kräftiger gebaut als die&#x017F;e, (6 bis 10 Linien<lb/>
lang), von der&#x017F;elben Ge&#x017F;talt, am graugelben Vorderleibe mit zwei &#x017F;chwarzbraunen Längs&#x017F;treifen<lb/>
gezeichnet, die nach den Seitenaugen hin &#x017F;pitz auslaufen. Ueber den grau und &#x017F;chwarz gemi&#x017F;chten<lb/>
Hinterleib zieht ein Mittel&#x017F;treifen grauröthlicher Haare, welcher in einen orangenen Fleck über<lb/>
den heraustretenden Spinnwarzen endet und an welchen &#x017F;ich &#x017F;eitlich fünf bis &#x017F;echs von Punkten<lb/>
ausgehende, ge&#x017F;chwungene, &#x017F;chräg nach vorn gerichtete Streifen von gleichfalls grauröthlicher<lb/>
Behaarung au&#x017F;chließen. Die Hüften und Schenkel &#x017F;ind gelb, die übrigen Glieder der Beine roth-<lb/>
gelb, an den Spitzen rothbraun, &#x017F;on&#x017F;t ungefleckt. Die ziemlich gleich großen Augen ordnen &#x017F;ich<lb/>
wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurück und näher an einander, fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o nahe wie die Stirnaugen. Weil das Englied der obern Spinnwarzen fa&#x017F;t doppelt &#x017F;o lang als<lb/>
das voraufgehende Glied und emporgerichtet i&#x017F;t, &#x017F;o er&#x017F;cheint das Schwänzchen &#x017F;ehr entwickelt. Das<lb/>
Endglied der männlichen Ta&#x017F;ter i&#x017F;t kurz und dick, nicht länger als das dritte Glied, während es<lb/>
bei <hi rendition="#aq">Tegenaria</hi> beinahe anderthalb Mal länger i&#x017F;t. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem<lb/>
Bu&#x017F;chwerk, an freien und &#x017F;onnigen Stellen, wie bereits erwähnt, ein wagerechtes Gewebe als<lb/>
Hangematte an und läßt es in eine cylindri&#x017F;che, beider&#x017F;eits offene, mehrfach gekrümmte Röhre,<lb/>
welche ihre Warte bildet, auslaufen. Die&#x017F;elbe wird von oben her mit trocknen Blättern verwebt,<lb/>
um einigen Schutz gegen Regen und die brennenden Sonnen&#x017F;trahlen zu gewähren. Bei &#x017F;chönem<lb/>
Wetter durchläuft die Labyrinth&#x017F;pinne öfter die Grenzen ihres Baues, de&#x017F;&#x017F;en weiter Rand durch<lb/>
oft fußlange Fäden mit der Umgebung verbunden i&#x017F;t. Sie zeigt &#x017F;ich in ihren Bewegungen ungemein<lb/>
flink und gierig nach Beute. Jhr Ne&#x017F;t verläßt &#x017F;ie &#x017F;o leicht nicht, &#x017F;ondern flickt es immer wieder<lb/>
aus, &#x017F;obald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und Augu&#x017F;t erfolgt die Paarung<lb/>
und zwar in derjenigen Röhre, in welcher &#x017F;ich das Weibchen aufhält. Die&#x017F;es legt hierauf eine<lb/>
verhältnißmäßig geringe Anzahl (60 bis 70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten<lb/>
be&#x017F;tehenden Schlauch, de&#x017F;&#x017F;en Außen&#x017F;eite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberre&#x017F;ten aus der Umgebung<lb/>
verwebt i&#x017F;t. Der&#x017F;elbe wird in der Nähe des Ne&#x017F;tes aufgehängt und von der Mutter &#x017F;org&#x017F;am<lb/>
überwacht. &#x2014; Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet &#x017F;ie in England, Schweden,<lb/>
Deut&#x017F;chland, Frankreich, Ungarn und &#x017F;icher auch in Rußland. Jn er&#x017F;terem Lande &#x017F;oll nach<lb/><hi rendition="#g">Li&#x017F;ter</hi>&#x2019;s Beobachtungen die Begattung &#x017F;chon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte<lb/>
Fäden ge&#x017F;chützt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in<lb/>
Frankreich und Deut&#x017F;chland ange&#x017F;tellten Beobachtungen &#x017F;ich die <hi rendition="#g">Eier</hi> in die&#x017F;er Lage befinden.</p><lb/>
                <p>Die beiden genannten und noch einige verwandte Gattungen (<hi rendition="#aq">Hahnia, Textrix</hi> u. a.) bilden<lb/>
die Familie der <hi rendition="#g">Trichter&#x017F;pinnen</hi> (<hi rendition="#aq">Tapitelae</hi>).</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[586/0624] Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Trichterſpinnen. entdeckt hatte? Als der König alt und ſchwach geworden war und nichts mehr als den Tod wünſchte, behandelte man ihn ſchonender. Oſt erzählte er dann mit Thränen der Rührung von der Freundſchaft ſeiner Spinne, von dem Troſte, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiflungsvollen Schmerze, den der gefühlloſe Kerker- meiſter durch ihre Tödtung über ihn gebracht habe. Man hat die Gewebe und beſonders die leicht zu habenden der Hausſpinnen auch zu medici- niſchen Zwecken benutzt. Werden dieſelben auf einem Rohrſtuhle oder Drahtſiebe gründlich aus- geklopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegemeſſer fein zerſchnitten, mit Butter vermengt auf Brot geſtrichen und in beſtimmten Zwiſchenzeiten genoſſen, ſo leiſten ſie treffliche Dienſte gegen Wechſelfieber. Bekannter iſt die blutſtillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleich- falls erſt vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man verſucht, ſie gleich den Seiden- fäden zu verarbeiten, jedoch wird dieſes Rohmaterial, welches von einem Raubthiere ſtammt, nie in ſolchen Mengen zu beſchaffen ſein, um Vortheil aus dem Jnduſtriezweige erzielen zu können. Die gemeine Labyrinthſpinne (Agelena labyrinthica) vertritt für offene Waldplätze, Wieſen und ſonnige Bergabhänge, die mit niedern Pflanzen und Geſtrüpp bewachſen ſind, in ihrer Lebensweiſe die Hausſpinne. Sie iſt noch etwas kräftiger gebaut als dieſe, (6 bis 10 Linien lang), von derſelben Geſtalt, am graugelben Vorderleibe mit zwei ſchwarzbraunen Längsſtreifen gezeichnet, die nach den Seitenaugen hin ſpitz auslaufen. Ueber den grau und ſchwarz gemiſchten Hinterleib zieht ein Mittelſtreifen grauröthlicher Haare, welcher in einen orangenen Fleck über den heraustretenden Spinnwarzen endet und an welchen ſich ſeitlich fünf bis ſechs von Punkten ausgehende, geſchwungene, ſchräg nach vorn gerichtete Streifen von gleichfalls grauröthlicher Behaarung auſchließen. Die Hüften und Schenkel ſind gelb, die übrigen Glieder der Beine roth- gelb, an den Spitzen rothbraun, ſonſt ungefleckt. Die ziemlich gleich großen Augen ordnen ſich wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurück und näher an einander, faſt ſo nahe wie die Stirnaugen. Weil das Englied der obern Spinnwarzen faſt doppelt ſo lang als das voraufgehende Glied und emporgerichtet iſt, ſo erſcheint das Schwänzchen ſehr entwickelt. Das Endglied der männlichen Taſter iſt kurz und dick, nicht länger als das dritte Glied, während es bei Tegenaria beinahe anderthalb Mal länger iſt. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem Buſchwerk, an freien und ſonnigen Stellen, wie bereits erwähnt, ein wagerechtes Gewebe als Hangematte an und läßt es in eine cylindriſche, beiderſeits offene, mehrfach gekrümmte Röhre, welche ihre Warte bildet, auslaufen. Dieſelbe wird von oben her mit trocknen Blättern verwebt, um einigen Schutz gegen Regen und die brennenden Sonnenſtrahlen zu gewähren. Bei ſchönem Wetter durchläuft die Labyrinthſpinne öfter die Grenzen ihres Baues, deſſen weiter Rand durch oft fußlange Fäden mit der Umgebung verbunden iſt. Sie zeigt ſich in ihren Bewegungen ungemein flink und gierig nach Beute. Jhr Neſt verläßt ſie ſo leicht nicht, ſondern flickt es immer wieder aus, ſobald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und Auguſt erfolgt die Paarung und zwar in derjenigen Röhre, in welcher ſich das Weibchen aufhält. Dieſes legt hierauf eine verhältnißmäßig geringe Anzahl (60 bis 70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten beſtehenden Schlauch, deſſen Außenſeite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberreſten aus der Umgebung verwebt iſt. Derſelbe wird in der Nähe des Neſtes aufgehängt und von der Mutter ſorgſam überwacht. — Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet ſie in England, Schweden, Deutſchland, Frankreich, Ungarn und ſicher auch in Rußland. Jn erſterem Lande ſoll nach Liſter’s Beobachtungen die Begattung ſchon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte Fäden geſchützt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in Frankreich und Deutſchland angeſtellten Beobachtungen ſich die Eier in dieſer Lage befinden. Die beiden genannten und noch einige verwandte Gattungen (Hahnia, Textrix u. a.) bilden die Familie der Trichterſpinnen (Tapitelae).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/624
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/624>, abgerufen am 24.11.2024.