äußerste Hinterrand dieser und der ganze Saum der Hinterflügel weiß. Die hellen Querzeichnungen in den Zellen der Flügel deuten die Fältchen der nicht straff gespannten Haut an. Dies ausge- zeichnete Kerf bewohnt die Sunda-Jnseln und verursacht, wenn viele beisammen sitzen, ein laut schnarrendes Geräusch, welches aus stundenweiter Ferne gehört wird, in der Nähe aber das Ohr betäubt.
Die Mannacikade, kleine Eschencikade(C. orni) veranschaulicht hier eine der euro- päischen Arten, welche bisher noch nicht in Deutschland beobachtet wurde, aber in den meisten südlicheren Länderstrecken vorherrschend an der Manna-Esche lebt. Aus den Wunden, welche sie den genannten Bäumen behufs der eignen Ernährung beibringt, fließt das Manna, ein Zuckerstoff, welcher möglichenfalls auch in andern Eschenarten enthalten ist, wie er sich im Saft der Rüben, Zwiebeln, des Spargels, Sellerie und anderwärts mehr oder weniger reichlich findet. Obschon das feinste Manna durch die Cikadenstiche erzeugt werden soll, so gewinnt man doch das meiste auf künstlichem Wege, indem man im Juli und August wagrechte Einschnitte in die Rinde macht, um diese zum Saftausflusse zu veranlassen, und nach den verschiedenen Gewinnungsarten unter- scheidet man verschiedene Mannasorten. Daß, beiläufig bemerkt, unser heutiges Manna nicht das- selbe war, mit welchem sich die Kinder Jsraels 40 Jahre in der Wüste ernährten, geht schon daraus hervor, daß nirgends von den abführenden Wirkungen desselben die Rede ist, welche nothwendig bei so reichlichem Genusse das modernde Manna hervorgebracht haben müßte. Die eigenthümliche Form des braunen, gelbgefleckten und weißbehaarten Körpers der Manna-Cicade, die schwach entwickelten, zweizähnigen Vorderschenkel und die elf braunen Punkte auf jedem der wasserhellen Vorderflügel charakterisiren sie. Das "singende" Männchen hebt den Hinterleib ein wenig, um ihn sogleich wieder sinken zu lassen, wiederholt rascher und rascher dieselben Bewegungen, bis der Ton in ein ununterbrochenes Schwirren übergeht, mit welchem der Gesang schließt. "His strident arbusta Cicadis", sagt Linne von dieser Art, wahrscheinlich derselben, welche auch dem Virgil keine Bewunderung abnöthigen konnte. Von andern, ihr in der Körpertracht ähnlichen und theilweise schwer unterscheidbaren Arten beanspruchen etwa vier das deutsche Bürgerrecht. C. haematodes hat sich bei Würzburg, plebeja bei Regensburg, atra (gleichbedeutend mit concinna) u. a. bei Heidelberg, Erlangen, in der fränkischen Schweiz gefunden, C. montana breitet sich über ganz Europa und den Norden Asiens aus; denn sie ward nicht nur in einigen nördlichen Punkten Deutschlands, wie Jena, Naumburg, Dresden, Breslau beobachtet, sondern auch vereinzelt bei Jnsterburg in Preußen, bei Petersburg und in Schweden gefangen. An ähnlichen, aber zum Theil größeren Arten hat Amerika, besonders das insektenreiche Brasilien, Ueberfluß.
Den eben besprochenen Kerbthieren, welche im Stande waren, die Dichter des Alterthums zu begeistern, schließen die Forscher diejenigen Schnabelkerfe an, welche durch ihr in Wasserlöchern und Pfützen verborgenes Schlammleben jedes poetische Gefühl fern halten. Die Wasserwanzen (Hydrocores), um die es sich hier handelt, kommen hinsichtlich der kurzen, drei- bis viergliedrigen, unter den Augen versteckten Fühler den Zirpen nahe, unterscheiden sich aber durch die ungleich- artigen, platt dem Körper aufliegenden Flügel und dadurch wesentlich von ihnen, daß der Schnabel nicht dem Grunde, sondern der Spitze des Kopfes entspringt, Scheitel und Stirn dieses sich nicht von einander absetzen und daß bei ihnen ein Räuberleben an Stelle des harmlosen Saugens süßer Pflanzensäfte tritt. Die in Farbe und Form ziemlich eintönigen Wasserwanzen bewohnen siehende Gewässer beider Erdhälften in ihren nördlichen und südlichen Theilen, und die unter einem glühenden Himmel gezeitigten haben weder Farbenpracht, noch Formenreich- thum, höchstens bedeutendere Größenverhältnisse vor den Bewohnern des gemäßigten Europas voraus. Die im Frühjahre den Eiern entschlüpften Larven erlangen unter mehrmaligen Häu-
Die Schnabelkerfe. Waſſerwanzen.
äußerſte Hinterrand dieſer und der ganze Saum der Hinterflügel weiß. Die hellen Querzeichnungen in den Zellen der Flügel deuten die Fältchen der nicht ſtraff geſpannten Haut an. Dies ausge- zeichnete Kerf bewohnt die Sunda-Jnſeln und verurſacht, wenn viele beiſammen ſitzen, ein laut ſchnarrendes Geräuſch, welches aus ſtundenweiter Ferne gehört wird, in der Nähe aber das Ohr betäubt.
Die Mannacikade, kleine Eſchencikade(C. orni) veranſchaulicht hier eine der euro- päiſchen Arten, welche bisher noch nicht in Deutſchland beobachtet wurde, aber in den meiſten ſüdlicheren Länderſtrecken vorherrſchend an der Manna-Eſche lebt. Aus den Wunden, welche ſie den genannten Bäumen behufs der eignen Ernährung beibringt, fließt das Manna, ein Zuckerſtoff, welcher möglichenfalls auch in andern Eſchenarten enthalten iſt, wie er ſich im Saft der Rüben, Zwiebeln, des Spargels, Sellerie und anderwärts mehr oder weniger reichlich findet. Obſchon das feinſte Manna durch die Cikadenſtiche erzeugt werden ſoll, ſo gewinnt man doch das meiſte auf künſtlichem Wege, indem man im Juli und Auguſt wagrechte Einſchnitte in die Rinde macht, um dieſe zum Saftausfluſſe zu veranlaſſen, und nach den verſchiedenen Gewinnungsarten unter- ſcheidet man verſchiedene Mannaſorten. Daß, beiläufig bemerkt, unſer heutiges Manna nicht das- ſelbe war, mit welchem ſich die Kinder Jsraels 40 Jahre in der Wüſte ernährten, geht ſchon daraus hervor, daß nirgends von den abführenden Wirkungen deſſelben die Rede iſt, welche nothwendig bei ſo reichlichem Genuſſe das modernde Manna hervorgebracht haben müßte. Die eigenthümliche Form des braunen, gelbgefleckten und weißbehaarten Körpers der Manna-Cicade, die ſchwach entwickelten, zweizähnigen Vorderſchenkel und die elf braunen Punkte auf jedem der waſſerhellen Vorderflügel charakteriſiren ſie. Das „ſingende“ Männchen hebt den Hinterleib ein wenig, um ihn ſogleich wieder ſinken zu laſſen, wiederholt raſcher und raſcher dieſelben Bewegungen, bis der Ton in ein ununterbrochenes Schwirren übergeht, mit welchem der Geſang ſchließt. „His strident arbusta Cicadis“, ſagt Linné von dieſer Art, wahrſcheinlich derſelben, welche auch dem Virgil keine Bewunderung abnöthigen konnte. Von andern, ihr in der Körpertracht ähnlichen und theilweiſe ſchwer unterſcheidbaren Arten beanſpruchen etwa vier das deutſche Bürgerrecht. C. haematodes hat ſich bei Würzburg, plebeja bei Regensburg, atra (gleichbedeutend mit concinna) u. a. bei Heidelberg, Erlangen, in der fränkiſchen Schweiz gefunden, C. montana breitet ſich über ganz Europa und den Norden Aſiens aus; denn ſie ward nicht nur in einigen nördlichen Punkten Deutſchlands, wie Jena, Naumburg, Dresden, Breslau beobachtet, ſondern auch vereinzelt bei Jnſterburg in Preußen, bei Petersburg und in Schweden gefangen. An ähnlichen, aber zum Theil größeren Arten hat Amerika, beſonders das inſektenreiche Braſilien, Ueberfluß.
Den eben beſprochenen Kerbthieren, welche im Stande waren, die Dichter des Alterthums zu begeiſtern, ſchließen die Forſcher diejenigen Schnabelkerfe an, welche durch ihr in Waſſerlöchern und Pfützen verborgenes Schlammleben jedes poetiſche Gefühl fern halten. Die Waſſerwanzen (Hydrocores), um die es ſich hier handelt, kommen hinſichtlich der kurzen, drei- bis viergliedrigen, unter den Augen verſteckten Fühler den Zirpen nahe, unterſcheiden ſich aber durch die ungleich- artigen, platt dem Körper aufliegenden Flügel und dadurch weſentlich von ihnen, daß der Schnabel nicht dem Grunde, ſondern der Spitze des Kopfes entſpringt, Scheitel und Stirn dieſes ſich nicht von einander abſetzen und daß bei ihnen ein Räuberleben an Stelle des harmloſen Saugens ſüßer Pflanzenſäfte tritt. Die in Farbe und Form ziemlich eintönigen Waſſerwanzen bewohnen ſiehende Gewäſſer beider Erdhälften in ihren nördlichen und ſüdlichen Theilen, und die unter einem glühenden Himmel gezeitigten haben weder Farbenpracht, noch Formenreich- thum, höchſtens bedeutendere Größenverhältniſſe vor den Bewohnern des gemäßigten Europas voraus. Die im Frühjahre den Eiern entſchlüpften Larven erlangen unter mehrmaligen Häu-
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[524/0558]
Die Schnabelkerfe. Waſſerwanzen.
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in den Zellen der Flügel deuten die Fältchen der nicht ſtraff geſpannten Haut an. Dies ausge-
zeichnete Kerf bewohnt die Sunda-Jnſeln und verurſacht, wenn viele beiſammen ſitzen, ein laut
ſchnarrendes Geräuſch, welches aus ſtundenweiter Ferne gehört wird, in der Nähe aber das
Ohr betäubt.
Die Mannacikade, kleine Eſchencikade (C. orni) veranſchaulicht hier eine der euro-
päiſchen Arten, welche bisher noch nicht in Deutſchland beobachtet wurde, aber in den meiſten
ſüdlicheren Länderſtrecken vorherrſchend an der Manna-Eſche lebt. Aus den Wunden, welche ſie
den genannten Bäumen behufs der eignen Ernährung beibringt, fließt das Manna, ein Zuckerſtoff,
welcher möglichenfalls auch in andern Eſchenarten enthalten iſt, wie er ſich im Saft der Rüben,
Zwiebeln, des Spargels, Sellerie und anderwärts mehr oder weniger reichlich findet. Obſchon
das feinſte Manna durch die Cikadenſtiche erzeugt werden ſoll, ſo gewinnt man doch das meiſte
auf künſtlichem Wege, indem man im Juli und Auguſt wagrechte Einſchnitte in die Rinde macht,
um dieſe zum Saftausfluſſe zu veranlaſſen, und nach den verſchiedenen Gewinnungsarten unter-
ſcheidet man verſchiedene Mannaſorten. Daß, beiläufig bemerkt, unſer heutiges Manna nicht das-
ſelbe war, mit welchem ſich die Kinder Jsraels 40 Jahre in der Wüſte ernährten, geht ſchon daraus
hervor, daß nirgends von den abführenden Wirkungen deſſelben die Rede iſt, welche nothwendig
bei ſo reichlichem Genuſſe das modernde Manna hervorgebracht haben müßte. Die eigenthümliche
Form des braunen, gelbgefleckten und weißbehaarten Körpers der Manna-Cicade, die ſchwach
entwickelten, zweizähnigen Vorderſchenkel und die elf braunen Punkte auf jedem der waſſerhellen
Vorderflügel charakteriſiren ſie. Das „ſingende“ Männchen hebt den Hinterleib ein wenig, um
ihn ſogleich wieder ſinken zu laſſen, wiederholt raſcher und raſcher dieſelben Bewegungen, bis der
Ton in ein ununterbrochenes Schwirren übergeht, mit welchem der Geſang ſchließt. „His strident
arbusta Cicadis“, ſagt Linné von dieſer Art, wahrſcheinlich derſelben, welche auch dem Virgil
keine Bewunderung abnöthigen konnte. Von andern, ihr in der Körpertracht ähnlichen und
theilweiſe ſchwer unterſcheidbaren Arten beanſpruchen etwa vier das deutſche Bürgerrecht.
C. haematodes hat ſich bei Würzburg, plebeja bei Regensburg, atra (gleichbedeutend mit
concinna) u. a. bei Heidelberg, Erlangen, in der fränkiſchen Schweiz gefunden, C. montana breitet
ſich über ganz Europa und den Norden Aſiens aus; denn ſie ward nicht nur in einigen nördlichen
Punkten Deutſchlands, wie Jena, Naumburg, Dresden, Breslau beobachtet, ſondern auch vereinzelt
bei Jnſterburg in Preußen, bei Petersburg und in Schweden gefangen. An ähnlichen, aber
zum Theil größeren Arten hat Amerika, beſonders das inſektenreiche Braſilien, Ueberfluß.
Den eben beſprochenen Kerbthieren, welche im Stande waren, die Dichter des Alterthums
zu begeiſtern, ſchließen die Forſcher diejenigen Schnabelkerfe an, welche durch ihr in Waſſerlöchern
und Pfützen verborgenes Schlammleben jedes poetiſche Gefühl fern halten. Die Waſſerwanzen
(Hydrocores), um die es ſich hier handelt, kommen hinſichtlich der kurzen, drei- bis viergliedrigen,
unter den Augen verſteckten Fühler den Zirpen nahe, unterſcheiden ſich aber durch die ungleich-
artigen, platt dem Körper aufliegenden Flügel und dadurch weſentlich von ihnen, daß der Schnabel
nicht dem Grunde, ſondern der Spitze des Kopfes entſpringt, Scheitel und Stirn dieſes ſich
nicht von einander abſetzen und daß bei ihnen ein Räuberleben an Stelle des harmloſen
Saugens ſüßer Pflanzenſäfte tritt. Die in Farbe und Form ziemlich eintönigen Waſſerwanzen
bewohnen ſiehende Gewäſſer beider Erdhälften in ihren nördlichen und ſüdlichen Theilen, und
die unter einem glühenden Himmel gezeitigten haben weder Farbenpracht, noch Formenreich-
thum, höchſtens bedeutendere Größenverhältniſſe vor den Bewohnern des gemäßigten Europas
voraus. Die im Frühjahre den Eiern entſchlüpften Larven erlangen unter mehrmaligen Häu-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/558>, abgerufen am 24.11.2024.
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