Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geradflügler. Gespenstheuschrecken.
schlafende Vögel zu überrumpeln und zu tödten, auf die Gefahr hin von, ihnen durch ein paar
Schnabelhiebe abgefertigt und für fernere Zeiten unschädlich gemacht zu werden. -- Zahlreiche
Arten, welche im Grunde ebenso gebildet sind, aber am Kopfe einen nach vorn gerichteten dolch-
artigen, auch zweispitzigen Fortsatz und am Ende der Schenkel einen nach hinten gerichteten Haut-
lappen führen, sind als Vates vereinigt, und wieder andere, bei denen unter sonst ganz ähnlicher
Bauart sich die männlichen Fühler durch eine Doppelreihe von Kammzähnen auszeichnen, bilden
die Gattung Empusa, welche mit einer Art (E. pauperata) auch im südlichen Europa vertreten ist.



Die Gespenstheuschrecken (Gespenstschrecken, Phasmodea), mit den vorigen innig ver-
brüdert in dem Gebundensein an wärmere Erdstriche und im sonderbaren Aussehen, waren im
Systeme auch lange Zeit mit ihnen vereinigt, enthalten aber der abweichenden Merkmale zu viele,
um nach dem heutigen Stande der Wissenschaft ferner mit ihnen verbunden bleiben zu können.
Jn der vorherrschenden Entwickelung des Mittelbrustringes auf Kosten des vorderen, in dem
Mangel der Raubfüße, meist auch der Flügel, und in der stabförmigen Gestalt der meisten oder
der blattförmigen einiger liegen die ohne weiteres in die Augen springenden Unterschiede. Der in
der Regel eiförmige Kopf steht hier allerdings auch schief, jedoch mit dem Munde nach vorn, trägt
nur, aber nicht immer bei den geflügelten Arten, Nebenaugen, mitten im Gesicht vor den vor-
quellenden Netzaugen die 9- bis 30 gliederigen Fühler, welche einen kurzen Faden darstellen, und
stark entwickelte Freßwerkzeuge; an diesen überwiegt die Unterlippe mit ihrem großen äußern
Lappen und den Tastern, welche die kleinen Kiefertaster vollständig zur Seite drängen. Der zweite
Brustring erlangt in der Regel den stärksten Umfang, bleibt aber dem Bildungsgesetze der übrigen
Körpertheile tren, drehrund oder platt, je nachdem das ganze Thier diese oder jene Gestalt hat;
Beine und Flügel, wo letztere vorhanden sind, stehen am hintersten Ende desselben. Nur bei einer
geringen Anzahl Gespenstheuschrecken (Phyllium) ist der letzte Brustring so groß, wie der mittlere,
bei den ungeflügelten kürzer und eben so gestaltet, wie der vorhergehende, bei den geflügelten
länger. Der Hinterleib pflegt drehrund zu sein, wie der Thorax, platt gedrückt, geradezu so dünn
wie ein Blatt, wenn dieser es ist, und läßt auf dem Rücken neun, am Bauche nur sieben oder
acht Ringe unterscheiden, was daher kommt, weil beim Weibchen die siebente große und schaufel-
förmige,
beim Männchen die achte Bauchplatte so lang werden, daß sie den letzten Ring bedecken
und wohl gar noch darüber hinausragen. Ein zweiter Geschlechtsunterschied besteht darin, daß
beim stets kleineren Männchen die Oeffnung für die Genitalien in der vorletzten, beim Weibchen
in der drittletzten Bauchplatte angebracht ist. Wie schon erwähnt, fehlen vielen Arten die Flügel
auf allen Altersstufen, und es treten daher dieselben Schwierigkeiten wie bei den Schaben ein,
wenn es sich um Unterscheidung von Larve und ungeflügeltem Jmago handelt, ja sie mehren sich
hier noch bedeutend darum, weil bei vielen Larven Stacheln und lappige Anhänge an verschiedenen
Stellen des Körpers oder an den Beinen auftreten, welche später wieder verschwinden und so die
Zusammengehörigkeit der unreifen und reifen Zustände verwischen. Die Vorderflügel pflegen kurz
zu sein und nur die Wurzel der hintern zu bedecken, diese dagegen reichen nicht selten bis fast
zur Leibesspitze, haben ein sehr schmales, pergamentartiges und gefärbtes Randfeld, dagegen ein
breites, häutiges Nahtfeld, in beiden aber ein fast quadratisches Adernetz. Große Manchfaltigkeit
herrscht hinsichtlich der Beine, indem sie entweder lang und dünn, oder an ihren verschiedenen
Theilen breit und durch Anhänge blattartig erscheinen; nur in den fünf Fußgliedern, deren erstes
das längste, und in einem großen, runden Haftlappen zwischen den Krallen stimmen alle
überein. Die dünnen Vorderbeine haben meist am Grunde ihrer Schenkel eine tiefe Ausbeugung
für den Kopf, damit sie in dichtem Anschlusse an einander steif vorgestreckt werden können, eine

Die Geradflügler. Geſpenſtheuſchrecken.
ſchlafende Vögel zu überrumpeln und zu tödten, auf die Gefahr hin von, ihnen durch ein paar
Schnabelhiebe abgefertigt und für fernere Zeiten unſchädlich gemacht zu werden. — Zahlreiche
Arten, welche im Grunde ebenſo gebildet ſind, aber am Kopfe einen nach vorn gerichteten dolch-
artigen, auch zweiſpitzigen Fortſatz und am Ende der Schenkel einen nach hinten gerichteten Haut-
lappen führen, ſind als Vates vereinigt, und wieder andere, bei denen unter ſonſt ganz ähnlicher
Bauart ſich die männlichen Fühler durch eine Doppelreihe von Kammzähnen auszeichnen, bilden
die Gattung Empusa, welche mit einer Art (E. pauperata) auch im ſüdlichen Europa vertreten iſt.



Die Geſpenſtheuſchrecken (Geſpenſtſchrecken, Phasmodea), mit den vorigen innig ver-
brüdert in dem Gebundenſein an wärmere Erdſtriche und im ſonderbaren Ausſehen, waren im
Syſteme auch lange Zeit mit ihnen vereinigt, enthalten aber der abweichenden Merkmale zu viele,
um nach dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft ferner mit ihnen verbunden bleiben zu können.
Jn der vorherrſchenden Entwickelung des Mittelbruſtringes auf Koſten des vorderen, in dem
Mangel der Raubfüße, meiſt auch der Flügel, und in der ſtabförmigen Geſtalt der meiſten oder
der blattförmigen einiger liegen die ohne weiteres in die Augen ſpringenden Unterſchiede. Der in
der Regel eiförmige Kopf ſteht hier allerdings auch ſchief, jedoch mit dem Munde nach vorn, trägt
nur, aber nicht immer bei den geflügelten Arten, Nebenaugen, mitten im Geſicht vor den vor-
quellenden Netzaugen die 9- bis 30 gliederigen Fühler, welche einen kurzen Faden darſtellen, und
ſtark entwickelte Freßwerkzeuge; an dieſen überwiegt die Unterlippe mit ihrem großen äußern
Lappen und den Taſtern, welche die kleinen Kiefertaſter vollſtändig zur Seite drängen. Der zweite
Bruſtring erlangt in der Regel den ſtärkſten Umfang, bleibt aber dem Bildungsgeſetze der übrigen
Körpertheile tren, drehrund oder platt, je nachdem das ganze Thier dieſe oder jene Geſtalt hat;
Beine und Flügel, wo letztere vorhanden ſind, ſtehen am hinterſten Ende deſſelben. Nur bei einer
geringen Anzahl Geſpenſtheuſchrecken (Phyllium) iſt der letzte Bruſtring ſo groß, wie der mittlere,
bei den ungeflügelten kürzer und eben ſo geſtaltet, wie der vorhergehende, bei den geflügelten
länger. Der Hinterleib pflegt drehrund zu ſein, wie der Thorax, platt gedrückt, geradezu ſo dünn
wie ein Blatt, wenn dieſer es iſt, und läßt auf dem Rücken neun, am Bauche nur ſieben oder
acht Ringe unterſcheiden, was daher kommt, weil beim Weibchen die ſiebente große und ſchaufel-
förmige,
beim Männchen die achte Bauchplatte ſo lang werden, daß ſie den letzten Ring bedecken
und wohl gar noch darüber hinausragen. Ein zweiter Geſchlechtsunterſchied beſteht darin, daß
beim ſtets kleineren Männchen die Oeffnung für die Genitalien in der vorletzten, beim Weibchen
in der drittletzten Bauchplatte angebracht iſt. Wie ſchon erwähnt, fehlen vielen Arten die Flügel
auf allen Altersſtufen, und es treten daher dieſelben Schwierigkeiten wie bei den Schaben ein,
wenn es ſich um Unterſcheidung von Larve und ungeflügeltem Jmago handelt, ja ſie mehren ſich
hier noch bedeutend darum, weil bei vielen Larven Stacheln und lappige Anhänge an verſchiedenen
Stellen des Körpers oder an den Beinen auftreten, welche ſpäter wieder verſchwinden und ſo die
Zuſammengehörigkeit der unreifen und reifen Zuſtände verwiſchen. Die Vorderflügel pflegen kurz
zu ſein und nur die Wurzel der hintern zu bedecken, dieſe dagegen reichen nicht ſelten bis faſt
zur Leibesſpitze, haben ein ſehr ſchmales, pergamentartiges und gefärbtes Randfeld, dagegen ein
breites, häutiges Nahtfeld, in beiden aber ein faſt quadratiſches Adernetz. Große Manchfaltigkeit
herrſcht hinſichtlich der Beine, indem ſie entweder lang und dünn, oder an ihren verſchiedenen
Theilen breit und durch Anhänge blattartig erſcheinen; nur in den fünf Fußgliedern, deren erſtes
das längſte, und in einem großen, runden Haftlappen zwiſchen den Krallen ſtimmen alle
überein. Die dünnen Vorderbeine haben meiſt am Grunde ihrer Schenkel eine tiefe Ausbeugung
für den Kopf, damit ſie in dichtem Anſchluſſe an einander ſteif vorgeſtreckt werden können, eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0506" n="476"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Geradflügler. Ge&#x017F;pen&#x017F;theu&#x017F;chrecken.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chlafende Vögel zu überrumpeln und zu tödten, auf die Gefahr hin von, ihnen durch ein paar<lb/>
Schnabelhiebe abgefertigt und für fernere Zeiten un&#x017F;chädlich gemacht zu werden. &#x2014; Zahlreiche<lb/>
Arten, welche im Grunde eben&#x017F;o gebildet &#x017F;ind, aber am Kopfe einen nach vorn gerichteten dolch-<lb/>
artigen, auch zwei&#x017F;pitzigen Fort&#x017F;atz und am Ende der Schenkel einen nach hinten gerichteten Haut-<lb/>
lappen führen, &#x017F;ind als <hi rendition="#aq">Vates</hi> vereinigt, und wieder andere, bei denen unter &#x017F;on&#x017F;t ganz ähnlicher<lb/>
Bauart &#x017F;ich die <hi rendition="#g">männlichen</hi> Fühler durch eine Doppelreihe von Kammzähnen auszeichnen, bilden<lb/>
die Gattung <hi rendition="#aq">Empusa,</hi> welche mit einer Art <hi rendition="#aq">(E. pauperata)</hi> auch im &#x017F;üdlichen Europa vertreten i&#x017F;t.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Ge&#x017F;pen&#x017F;theu&#x017F;chrecken</hi> (Ge&#x017F;pen&#x017F;t&#x017F;chrecken, <hi rendition="#aq">Phasmodea</hi>), mit den vorigen innig ver-<lb/>
brüdert in dem Gebunden&#x017F;ein an wärmere Erd&#x017F;triche und im &#x017F;onderbaren Aus&#x017F;ehen, waren im<lb/>
Sy&#x017F;teme auch lange Zeit mit ihnen vereinigt, enthalten aber der abweichenden Merkmale zu viele,<lb/>
um nach dem heutigen Stande der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft ferner mit ihnen verbunden bleiben zu können.<lb/>
Jn der vorherr&#x017F;chenden Entwickelung des Mittelbru&#x017F;tringes auf Ko&#x017F;ten des vorderen, in dem<lb/>
Mangel der Raubfüße, mei&#x017F;t auch der Flügel, und in der &#x017F;tabförmigen Ge&#x017F;talt der mei&#x017F;ten oder<lb/>
der blattförmigen einiger liegen die ohne weiteres in die Augen &#x017F;pringenden Unter&#x017F;chiede. Der in<lb/>
der Regel eiförmige Kopf &#x017F;teht hier allerdings auch &#x017F;chief, jedoch mit dem Munde nach vorn, trägt<lb/>
nur, aber nicht immer bei den geflügelten Arten, Nebenaugen, mitten im Ge&#x017F;icht vor den vor-<lb/>
quellenden Netzaugen die 9- bis 30 gliederigen Fühler, welche einen kurzen Faden dar&#x017F;tellen, und<lb/>
&#x017F;tark entwickelte Freßwerkzeuge; an die&#x017F;en überwiegt die Unterlippe mit ihrem großen äußern<lb/>
Lappen und den Ta&#x017F;tern, welche die kleinen Kieferta&#x017F;ter voll&#x017F;tändig zur Seite drängen. Der zweite<lb/>
Bru&#x017F;tring erlangt in der Regel den &#x017F;tärk&#x017F;ten Umfang, bleibt aber dem Bildungsge&#x017F;etze der übrigen<lb/>
Körpertheile tren, drehrund oder platt, je nachdem das ganze Thier die&#x017F;e oder jene Ge&#x017F;talt hat;<lb/>
Beine und Flügel, wo letztere vorhanden &#x017F;ind, &#x017F;tehen am <hi rendition="#g">hinter&#x017F;ten</hi> Ende de&#x017F;&#x017F;elben. Nur bei einer<lb/>
geringen Anzahl Ge&#x017F;pen&#x017F;theu&#x017F;chrecken <hi rendition="#aq">(Phyllium)</hi> i&#x017F;t der letzte Bru&#x017F;tring &#x017F;o groß, wie der mittlere,<lb/>
bei den ungeflügelten kürzer und eben &#x017F;o ge&#x017F;taltet, wie der vorhergehende, bei den geflügelten<lb/>
länger. Der Hinterleib pflegt drehrund zu &#x017F;ein, wie der Thorax, platt gedrückt, geradezu &#x017F;o dünn<lb/>
wie ein Blatt, wenn die&#x017F;er es i&#x017F;t, und läßt auf dem Rücken neun, am Bauche nur &#x017F;ieben oder<lb/>
acht Ringe unter&#x017F;cheiden, was daher kommt, weil beim Weibchen die &#x017F;iebente große und <hi rendition="#g">&#x017F;chaufel-<lb/>
förmige,</hi> beim Männchen die achte Bauchplatte &#x017F;o lang werden, daß &#x017F;ie den letzten Ring bedecken<lb/>
und wohl gar noch darüber hinausragen. Ein zweiter Ge&#x017F;chlechtsunter&#x017F;chied be&#x017F;teht darin, daß<lb/>
beim &#x017F;tets kleineren Männchen die Oeffnung für die Genitalien in der vorletzten, beim Weibchen<lb/>
in der drittletzten Bauchplatte angebracht i&#x017F;t. Wie &#x017F;chon erwähnt, fehlen vielen Arten die Flügel<lb/>
auf allen Alters&#x017F;tufen, und es treten daher die&#x017F;elben Schwierigkeiten wie bei den Schaben ein,<lb/>
wenn es &#x017F;ich um Unter&#x017F;cheidung von Larve und ungeflügeltem Jmago handelt, ja &#x017F;ie mehren &#x017F;ich<lb/>
hier noch bedeutend darum, weil bei vielen Larven Stacheln und lappige Anhänge an ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Stellen des Körpers oder an den Beinen auftreten, welche &#x017F;päter wieder ver&#x017F;chwinden und &#x017F;o die<lb/>
Zu&#x017F;ammengehörigkeit der unreifen und reifen Zu&#x017F;tände verwi&#x017F;chen. Die Vorderflügel pflegen kurz<lb/>
zu &#x017F;ein und nur die Wurzel der hintern zu bedecken, die&#x017F;e dagegen reichen nicht &#x017F;elten bis fa&#x017F;t<lb/>
zur Leibes&#x017F;pitze, haben ein &#x017F;ehr &#x017F;chmales, pergamentartiges und gefärbtes Randfeld, dagegen ein<lb/>
breites, häutiges Nahtfeld, in beiden aber ein fa&#x017F;t quadrati&#x017F;ches Adernetz. Große Manchfaltigkeit<lb/>
herr&#x017F;cht hin&#x017F;ichtlich der Beine, indem &#x017F;ie entweder lang und dünn, oder an ihren ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Theilen breit und durch Anhänge blattartig er&#x017F;cheinen; nur in den fünf Fußgliedern, deren er&#x017F;tes<lb/>
das läng&#x017F;te, und in einem <hi rendition="#g">großen, runden Haftlappen</hi> zwi&#x017F;chen den Krallen &#x017F;timmen alle<lb/>
überein. Die dünnen Vorderbeine haben mei&#x017F;t am Grunde ihrer Schenkel eine tiefe Ausbeugung<lb/>
für den Kopf, damit &#x017F;ie in dichtem An&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e an einander &#x017F;teif vorge&#x017F;treckt werden können, eine<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[476/0506] Die Geradflügler. Geſpenſtheuſchrecken. ſchlafende Vögel zu überrumpeln und zu tödten, auf die Gefahr hin von, ihnen durch ein paar Schnabelhiebe abgefertigt und für fernere Zeiten unſchädlich gemacht zu werden. — Zahlreiche Arten, welche im Grunde ebenſo gebildet ſind, aber am Kopfe einen nach vorn gerichteten dolch- artigen, auch zweiſpitzigen Fortſatz und am Ende der Schenkel einen nach hinten gerichteten Haut- lappen führen, ſind als Vates vereinigt, und wieder andere, bei denen unter ſonſt ganz ähnlicher Bauart ſich die männlichen Fühler durch eine Doppelreihe von Kammzähnen auszeichnen, bilden die Gattung Empusa, welche mit einer Art (E. pauperata) auch im ſüdlichen Europa vertreten iſt. Die Geſpenſtheuſchrecken (Geſpenſtſchrecken, Phasmodea), mit den vorigen innig ver- brüdert in dem Gebundenſein an wärmere Erdſtriche und im ſonderbaren Ausſehen, waren im Syſteme auch lange Zeit mit ihnen vereinigt, enthalten aber der abweichenden Merkmale zu viele, um nach dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft ferner mit ihnen verbunden bleiben zu können. Jn der vorherrſchenden Entwickelung des Mittelbruſtringes auf Koſten des vorderen, in dem Mangel der Raubfüße, meiſt auch der Flügel, und in der ſtabförmigen Geſtalt der meiſten oder der blattförmigen einiger liegen die ohne weiteres in die Augen ſpringenden Unterſchiede. Der in der Regel eiförmige Kopf ſteht hier allerdings auch ſchief, jedoch mit dem Munde nach vorn, trägt nur, aber nicht immer bei den geflügelten Arten, Nebenaugen, mitten im Geſicht vor den vor- quellenden Netzaugen die 9- bis 30 gliederigen Fühler, welche einen kurzen Faden darſtellen, und ſtark entwickelte Freßwerkzeuge; an dieſen überwiegt die Unterlippe mit ihrem großen äußern Lappen und den Taſtern, welche die kleinen Kiefertaſter vollſtändig zur Seite drängen. Der zweite Bruſtring erlangt in der Regel den ſtärkſten Umfang, bleibt aber dem Bildungsgeſetze der übrigen Körpertheile tren, drehrund oder platt, je nachdem das ganze Thier dieſe oder jene Geſtalt hat; Beine und Flügel, wo letztere vorhanden ſind, ſtehen am hinterſten Ende deſſelben. Nur bei einer geringen Anzahl Geſpenſtheuſchrecken (Phyllium) iſt der letzte Bruſtring ſo groß, wie der mittlere, bei den ungeflügelten kürzer und eben ſo geſtaltet, wie der vorhergehende, bei den geflügelten länger. Der Hinterleib pflegt drehrund zu ſein, wie der Thorax, platt gedrückt, geradezu ſo dünn wie ein Blatt, wenn dieſer es iſt, und läßt auf dem Rücken neun, am Bauche nur ſieben oder acht Ringe unterſcheiden, was daher kommt, weil beim Weibchen die ſiebente große und ſchaufel- förmige, beim Männchen die achte Bauchplatte ſo lang werden, daß ſie den letzten Ring bedecken und wohl gar noch darüber hinausragen. Ein zweiter Geſchlechtsunterſchied beſteht darin, daß beim ſtets kleineren Männchen die Oeffnung für die Genitalien in der vorletzten, beim Weibchen in der drittletzten Bauchplatte angebracht iſt. Wie ſchon erwähnt, fehlen vielen Arten die Flügel auf allen Altersſtufen, und es treten daher dieſelben Schwierigkeiten wie bei den Schaben ein, wenn es ſich um Unterſcheidung von Larve und ungeflügeltem Jmago handelt, ja ſie mehren ſich hier noch bedeutend darum, weil bei vielen Larven Stacheln und lappige Anhänge an verſchiedenen Stellen des Körpers oder an den Beinen auftreten, welche ſpäter wieder verſchwinden und ſo die Zuſammengehörigkeit der unreifen und reifen Zuſtände verwiſchen. Die Vorderflügel pflegen kurz zu ſein und nur die Wurzel der hintern zu bedecken, dieſe dagegen reichen nicht ſelten bis faſt zur Leibesſpitze, haben ein ſehr ſchmales, pergamentartiges und gefärbtes Randfeld, dagegen ein breites, häutiges Nahtfeld, in beiden aber ein faſt quadratiſches Adernetz. Große Manchfaltigkeit herrſcht hinſichtlich der Beine, indem ſie entweder lang und dünn, oder an ihren verſchiedenen Theilen breit und durch Anhänge blattartig erſcheinen; nur in den fünf Fußgliedern, deren erſtes das längſte, und in einem großen, runden Haftlappen zwiſchen den Krallen ſtimmen alle überein. Die dünnen Vorderbeine haben meiſt am Grunde ihrer Schenkel eine tiefe Ausbeugung für den Kopf, damit ſie in dichtem Anſchluſſe an einander ſteif vorgeſtreckt werden können, eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/506
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/506>, abgerufen am 24.11.2024.