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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Geradflügler. Termiten.
verletzt, dem Zutritt der freien Luft preisgegeben, so holen sie die verschiedensten Substanzen aus
der Nähe herbei, um den Schaden sogleich auszubessern; darum findet man auch selten ein
Nest, in welchem nicht wenigstens einige größere oder kleinere Räume mit den Excrementen zum
Bekleiden der Wände oder Verstopfen der Bresche angefüllt wären, welche die Arbeiter gleichfalls
zusammentragen. Das Ausbessern geschieht in der größten Ordnung und ohne die geringste Ein-
mischung der Soldaten; dieselben spielen niemals die Rolle der Aufseher. Eine ganz besondere
Aufmerksamkeit lassen die Arbeiter den Eiern zu Theil werden. Oeffnet man eine mit diesen
gefüllte Zelle, so kommen sie herbeigestürzt und schleppen fünf bis sechs auf einmal hinweg, ja
Lespes brachte einmal eine Partie, welche er im Freien gefunden, in eins seiner Gläser, und
in kürzester Zeit waren sie im Jnnern des Nestes geborgen. Einmal sah er auch eine Nymphe
einem Arbeiter gegenüber stehen und vom Futter fressen, welches jener hervorwürgte, doch hält
er diese Erscheinung für einen Ausnahmefall. Er konnte außer dem eben angeführten Falle keine
Fütterung wahrnehmen, auch keine Fürsorge für König und Königin, und doch muß wohl für
die jungen Larven wenigstens in Bezug hierauf etwas geschehen, wiewohl die Beobachtung freilich
ihre große Schwierigkeiten hat. Andrerseits erwähnt Lespes Beispiele, welche die Theilnahme
der Arbeiter an dem Gedeihen der Brut außer allen Zweifel setzen. Sie belecken die Nymphen,
und hatte sich eine verletzt, was öfter vorkam, so waren gleich zwei oder drei um diese beschäftigt.
Bei den letzten Häutungen von Arbeiter- und Soldatenlarven beobachtete er mehrmals Hilfs-
leistungen seitens erwachsener Arbeiter, um das alte Kleid zu beseitigen, niemals aber, wenn sich die
Nymphen zum Jmago verwandelten, obgleich auch dann allemal besonders reges Leben im ganzen
Stocke wahrgenommen ward. Eine noch nicht erklärte Gewohnheit haben die Arbeiter an sich.
Mitten in einer Beschäftigung oder auch müßig schlendernd, heben sie sich plötzlich auf den Beinen
hoch empor und schlagen ein Dutzend Mal, auch öfter, schnell hinter einander mit der Hinter-
leibsspitze auf den Boden. -- Die Soldaten, zum Schutz der andern bestimmt, erscheinen dem
Menschen gegenüber mehr drohend, oft lächerlich, aber niemals gefährlich. Lespes hielt seinen
Finger öfter hin, sie bissen aber nicht hinein, weil sie die Zangen gar nicht so weit auseinander
brachten, um die Haut zu fassen; das klingt etwas wunderbar, und kann nur heißen, sie haben
nicht gewollt. Trotz ihres Muthes und Eifers sind sie in Folge ihrer Blindheit ziemlich unbe-
holfen und gebärden sich grimmiger, als sie in Wirklichkeit zu sein vermögen. Meist halten sie sich
unbeweglich in den Gängen oder Zellen auf, wird aber das Nest geöffnet, so rennen sie aufs
Gerathewohl mit geöffneten Kinnbacken umher. Sind sie gereizt, so nehmen sie eine äußerst
possirliche Haltung an: ihr Kopf liegt auf dem Boden mit weit geöffneten Zangen, nach hinten
hebt sich der Leib hoch, jeden Augenblick stürzen sie vor, den Feind zu fassen, haben sie dies aber
mehrfach vergeblich gethan, so schlagen sie mit dem Kopf vier bis fünf Mal auf die Unterlage
und bringen dadurch einen scharfen Ton hervor, der früher als "zischend" bezeichnet wurde.
Wenn Lespes die Scheidewand zwischen dem benachbarten Ameisenneste öffnete, so entspann sich
ein wüthender Kampf. Die ergriffene Ameise war ein Kind des Todes, der Soldat mußte in
der Regel aber auch sterben; denn jene kamen ihren Kameraden zu Hilfe und fielen in Ueberzahl
über ihn her, bis er erlag. -- Die alten Larven halten sich gewöhnlich gedrängt bei einander in
den engen Gängen, die Soldaten meist an deren Enden; jene entfliehen, sobald man diese öffnet.
Dasselbe gilt genau auch von den Nymphen. Bei den jedesmaligen Häutungen zeigt sich ein
reges Leben, welches seinen Grund hauptsächlich darin zu haben scheint, daß die Neugebornen,
besonders die, welche nun keine Häutung weiter zu bestehen haben, ein einsames Plätzchen auf-
suchen, wo sie außer dem Gewühl der Masse ihren ungemein weichen Körper erhärten, die geflügelten
ihre Flügel ohne Störung auswachsen lassen können, was in Zeit von einer Stunde geschieht.
Die eben zur Vollendung gekommenen Arbeiter sind, wie Alles, was eben die Haut abstreift,
vollkommen weiß, und nehmen sich ein paar Tage Zeit, ehe sie sich arbeitsfähig fühlen. Die
Jmagos verlieren sehr bald die Flügel und halten sich ebenfalls dicht zusammen. Lespes sah sie

Die Geradflügler. Termiten.
verletzt, dem Zutritt der freien Luft preisgegeben, ſo holen ſie die verſchiedenſten Subſtanzen aus
der Nähe herbei, um den Schaden ſogleich auszubeſſern; darum findet man auch ſelten ein
Neſt, in welchem nicht wenigſtens einige größere oder kleinere Räume mit den Excrementen zum
Bekleiden der Wände oder Verſtopfen der Breſche angefüllt wären, welche die Arbeiter gleichfalls
zuſammentragen. Das Ausbeſſern geſchieht in der größten Ordnung und ohne die geringſte Ein-
miſchung der Soldaten; dieſelben ſpielen niemals die Rolle der Aufſeher. Eine ganz beſondere
Aufmerkſamkeit laſſen die Arbeiter den Eiern zu Theil werden. Oeffnet man eine mit dieſen
gefüllte Zelle, ſo kommen ſie herbeigeſtürzt und ſchleppen fünf bis ſechs auf einmal hinweg, ja
Lespès brachte einmal eine Partie, welche er im Freien gefunden, in eins ſeiner Gläſer, und
in kürzeſter Zeit waren ſie im Jnnern des Neſtes geborgen. Einmal ſah er auch eine Nymphe
einem Arbeiter gegenüber ſtehen und vom Futter freſſen, welches jener hervorwürgte, doch hält
er dieſe Erſcheinung für einen Ausnahmefall. Er konnte außer dem eben angeführten Falle keine
Fütterung wahrnehmen, auch keine Fürſorge für König und Königin, und doch muß wohl für
die jungen Larven wenigſtens in Bezug hierauf etwas geſchehen, wiewohl die Beobachtung freilich
ihre große Schwierigkeiten hat. Andrerſeits erwähnt Lespès Beiſpiele, welche die Theilnahme
der Arbeiter an dem Gedeihen der Brut außer allen Zweifel ſetzen. Sie belecken die Nymphen,
und hatte ſich eine verletzt, was öfter vorkam, ſo waren gleich zwei oder drei um dieſe beſchäftigt.
Bei den letzten Häutungen von Arbeiter- und Soldatenlarven beobachtete er mehrmals Hilfs-
leiſtungen ſeitens erwachſener Arbeiter, um das alte Kleid zu beſeitigen, niemals aber, wenn ſich die
Nymphen zum Jmago verwandelten, obgleich auch dann allemal beſonders reges Leben im ganzen
Stocke wahrgenommen ward. Eine noch nicht erklärte Gewohnheit haben die Arbeiter an ſich.
Mitten in einer Beſchäftigung oder auch müßig ſchlendernd, heben ſie ſich plötzlich auf den Beinen
hoch empor und ſchlagen ein Dutzend Mal, auch öfter, ſchnell hinter einander mit der Hinter-
leibsſpitze auf den Boden. — Die Soldaten, zum Schutz der andern beſtimmt, erſcheinen dem
Menſchen gegenüber mehr drohend, oft lächerlich, aber niemals gefährlich. Lespès hielt ſeinen
Finger öfter hin, ſie biſſen aber nicht hinein, weil ſie die Zangen gar nicht ſo weit auseinander
brachten, um die Haut zu faſſen; das klingt etwas wunderbar, und kann nur heißen, ſie haben
nicht gewollt. Trotz ihres Muthes und Eifers ſind ſie in Folge ihrer Blindheit ziemlich unbe-
holfen und gebärden ſich grimmiger, als ſie in Wirklichkeit zu ſein vermögen. Meiſt halten ſie ſich
unbeweglich in den Gängen oder Zellen auf, wird aber das Neſt geöffnet, ſo rennen ſie aufs
Gerathewohl mit geöffneten Kinnbacken umher. Sind ſie gereizt, ſo nehmen ſie eine äußerſt
poſſirliche Haltung an: ihr Kopf liegt auf dem Boden mit weit geöffneten Zangen, nach hinten
hebt ſich der Leib hoch, jeden Augenblick ſtürzen ſie vor, den Feind zu faſſen, haben ſie dies aber
mehrfach vergeblich gethan, ſo ſchlagen ſie mit dem Kopf vier bis fünf Mal auf die Unterlage
und bringen dadurch einen ſcharfen Ton hervor, der früher als „ziſchend“ bezeichnet wurde.
Wenn Lespès die Scheidewand zwiſchen dem benachbarten Ameiſenneſte öffnete, ſo entſpann ſich
ein wüthender Kampf. Die ergriffene Ameiſe war ein Kind des Todes, der Soldat mußte in
der Regel aber auch ſterben; denn jene kamen ihren Kameraden zu Hilfe und fielen in Ueberzahl
über ihn her, bis er erlag. — Die alten Larven halten ſich gewöhnlich gedrängt bei einander in
den engen Gängen, die Soldaten meiſt an deren Enden; jene entfliehen, ſobald man dieſe öffnet.
Daſſelbe gilt genau auch von den Nymphen. Bei den jedesmaligen Häutungen zeigt ſich ein
reges Leben, welches ſeinen Grund hauptſächlich darin zu haben ſcheint, daß die Neugebornen,
beſonders die, welche nun keine Häutung weiter zu beſtehen haben, ein einſames Plätzchen auf-
ſuchen, wo ſie außer dem Gewühl der Maſſe ihren ungemein weichen Körper erhärten, die geflügelten
ihre Flügel ohne Störung auswachſen laſſen können, was in Zeit von einer Stunde geſchieht.
Die eben zur Vollendung gekommenen Arbeiter ſind, wie Alles, was eben die Haut abſtreift,
vollkommen weiß, und nehmen ſich ein paar Tage Zeit, ehe ſie ſich arbeitsfähig fühlen. Die
Jmagos verlieren ſehr bald die Flügel und halten ſich ebenfalls dicht zuſammen. Lespès ſah ſie

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[466/0496] Die Geradflügler. Termiten. verletzt, dem Zutritt der freien Luft preisgegeben, ſo holen ſie die verſchiedenſten Subſtanzen aus der Nähe herbei, um den Schaden ſogleich auszubeſſern; darum findet man auch ſelten ein Neſt, in welchem nicht wenigſtens einige größere oder kleinere Räume mit den Excrementen zum Bekleiden der Wände oder Verſtopfen der Breſche angefüllt wären, welche die Arbeiter gleichfalls zuſammentragen. Das Ausbeſſern geſchieht in der größten Ordnung und ohne die geringſte Ein- miſchung der Soldaten; dieſelben ſpielen niemals die Rolle der Aufſeher. Eine ganz beſondere Aufmerkſamkeit laſſen die Arbeiter den Eiern zu Theil werden. Oeffnet man eine mit dieſen gefüllte Zelle, ſo kommen ſie herbeigeſtürzt und ſchleppen fünf bis ſechs auf einmal hinweg, ja Lespès brachte einmal eine Partie, welche er im Freien gefunden, in eins ſeiner Gläſer, und in kürzeſter Zeit waren ſie im Jnnern des Neſtes geborgen. Einmal ſah er auch eine Nymphe einem Arbeiter gegenüber ſtehen und vom Futter freſſen, welches jener hervorwürgte, doch hält er dieſe Erſcheinung für einen Ausnahmefall. Er konnte außer dem eben angeführten Falle keine Fütterung wahrnehmen, auch keine Fürſorge für König und Königin, und doch muß wohl für die jungen Larven wenigſtens in Bezug hierauf etwas geſchehen, wiewohl die Beobachtung freilich ihre große Schwierigkeiten hat. Andrerſeits erwähnt Lespès Beiſpiele, welche die Theilnahme der Arbeiter an dem Gedeihen der Brut außer allen Zweifel ſetzen. Sie belecken die Nymphen, und hatte ſich eine verletzt, was öfter vorkam, ſo waren gleich zwei oder drei um dieſe beſchäftigt. Bei den letzten Häutungen von Arbeiter- und Soldatenlarven beobachtete er mehrmals Hilfs- leiſtungen ſeitens erwachſener Arbeiter, um das alte Kleid zu beſeitigen, niemals aber, wenn ſich die Nymphen zum Jmago verwandelten, obgleich auch dann allemal beſonders reges Leben im ganzen Stocke wahrgenommen ward. Eine noch nicht erklärte Gewohnheit haben die Arbeiter an ſich. Mitten in einer Beſchäftigung oder auch müßig ſchlendernd, heben ſie ſich plötzlich auf den Beinen hoch empor und ſchlagen ein Dutzend Mal, auch öfter, ſchnell hinter einander mit der Hinter- leibsſpitze auf den Boden. — Die Soldaten, zum Schutz der andern beſtimmt, erſcheinen dem Menſchen gegenüber mehr drohend, oft lächerlich, aber niemals gefährlich. Lespès hielt ſeinen Finger öfter hin, ſie biſſen aber nicht hinein, weil ſie die Zangen gar nicht ſo weit auseinander brachten, um die Haut zu faſſen; das klingt etwas wunderbar, und kann nur heißen, ſie haben nicht gewollt. Trotz ihres Muthes und Eifers ſind ſie in Folge ihrer Blindheit ziemlich unbe- holfen und gebärden ſich grimmiger, als ſie in Wirklichkeit zu ſein vermögen. Meiſt halten ſie ſich unbeweglich in den Gängen oder Zellen auf, wird aber das Neſt geöffnet, ſo rennen ſie aufs Gerathewohl mit geöffneten Kinnbacken umher. Sind ſie gereizt, ſo nehmen ſie eine äußerſt poſſirliche Haltung an: ihr Kopf liegt auf dem Boden mit weit geöffneten Zangen, nach hinten hebt ſich der Leib hoch, jeden Augenblick ſtürzen ſie vor, den Feind zu faſſen, haben ſie dies aber mehrfach vergeblich gethan, ſo ſchlagen ſie mit dem Kopf vier bis fünf Mal auf die Unterlage und bringen dadurch einen ſcharfen Ton hervor, der früher als „ziſchend“ bezeichnet wurde. Wenn Lespès die Scheidewand zwiſchen dem benachbarten Ameiſenneſte öffnete, ſo entſpann ſich ein wüthender Kampf. Die ergriffene Ameiſe war ein Kind des Todes, der Soldat mußte in der Regel aber auch ſterben; denn jene kamen ihren Kameraden zu Hilfe und fielen in Ueberzahl über ihn her, bis er erlag. — Die alten Larven halten ſich gewöhnlich gedrängt bei einander in den engen Gängen, die Soldaten meiſt an deren Enden; jene entfliehen, ſobald man dieſe öffnet. Daſſelbe gilt genau auch von den Nymphen. Bei den jedesmaligen Häutungen zeigt ſich ein reges Leben, welches ſeinen Grund hauptſächlich darin zu haben ſcheint, daß die Neugebornen, beſonders die, welche nun keine Häutung weiter zu beſtehen haben, ein einſames Plätzchen auf- ſuchen, wo ſie außer dem Gewühl der Maſſe ihren ungemein weichen Körper erhärten, die geflügelten ihre Flügel ohne Störung auswachſen laſſen können, was in Zeit von einer Stunde geſchieht. Die eben zur Vollendung gekommenen Arbeiter ſind, wie Alles, was eben die Haut abſtreift, vollkommen weiß, und nehmen ſich ein paar Tage Zeit, ehe ſie ſich arbeitsfähig fühlen. Die Jmagos verlieren ſehr bald die Flügel und halten ſich ebenfalls dicht zuſammen. Lespès ſah ſie

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/496>, abgerufen am 24.11.2024.