Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Netzflügler. Köcherfliegen.
im Vorderflügel einfach beim Männchen, gegabelt beim Weibchen. Unsere Art ist am Körper
dunkel pechbraun, die braunen Fühler sind schwarz geringelt, die Hinterflügel einfarbig braun
oder schwarzgrau, die vordern hellzimmetbraun mit zwei weißen Punkten und beim Weibchen mit
kurzer und unterbrochener schwarzer Längsstrieme verziert. Der Verlauf des Flügelgeäders muß
bei allen diesen Thieren genauer untersucht werden, als hier darauf eingegangen werden kann.

Um einen Begriff von dem verschiedenartigen Material und dem Baustyle zu geben, welche
die Sprockwürmer anwenden, wurde eine Anzahl von Gehäusen zusammengestellt. Hier sind

[Abbildung] Verschiedene Phryganiden-Gehäuse.
es feine Sandkörn-
chen (a, i, k), welche
zur Verwendung
kommen, oder grö-
ßere Steinchen (f,
h
), dort Schnecken-
häuser (e), beson-
ders der Gattung
Planorbis ange-
hörig, die zum
Theil noch bewohnt
sein können, oder
die Schalen der
kleineren Muscheln,
in einem anderen
Falle wieder zurecht-
gebissene Pflanzen-
theile (b, c, d, g),
unter denen Gras-,
Schilf-, Zweig- und
Rindenstückchen,
Meerlinsen und
Baumsamen, je nach
den Oertlichkeiten eine Hauptrolle spielen. Mit Ausschluß von k haben wir Gelegenheit, in unsern
deutschen Bächen, Gräben und stehenden Gewässern, welche mit Pflanzen versehen sind, alle diese
Formen selbst im Freien zu beobachten. Man hat sich davon überzeugt, daß die Nahrung der
Wasserraupen in erster Linie aus Pflanzenstoffen und nur untergeordnet auch aus thierischen Ueber-
resten besteht. Daß ein und dieselbe Art nicht überall und immer genau dasselbe Material zu
ihrem Hause verwende, läßt sich wohl erwarten, aber entschieden baut jede in derselben Form
und weicht nur insofern unbedeutend davon ab, als das verschiedene Baumaterial dazu nöthigt.
Uebrigens sind die verschiedenen, sehr zahlreichen Arten noch lange nicht mit der Genauigkeit und
in hinreichender Vollständigkeit beobachtet worden, um aus dem Gehäuse die Fliege zu erkennen
oder gewisse allgemeine Gesetze über jenes aufstellen zu können. Mit dem zierlichen schnecken-
förmigen Gehäuse k hat es eine ganz besondere Vewandtniß. Dasselbe stammt aus Tennessee und
wurde von dem nordamerikanischen Schneckenkenner Lea für das Erzeugniß einer Schnecke (Valvata
arenifera
) gehalten, bis der schweizer Forscher Bremi es als das Kunstwerk einer Köcherfliege
erkannte, welcher er den Namen Helicopsyche Shutleworthi beilegte. Dergleichen Häuschen nun,
welche vorn und hinten offen bleiben, werden von einer Larve bewohnt, welche hinten mit ein
Paar Haken sich festhält und höchstens den hornigen Kopf und die drei vordersten Ringe mit den
einklanigen Brustfüßen hervorstreckt, wenn sie an Wasserpflanzen umherkriecht oder frei schwimmt
und dabei auch an die Oberfläche kommt. Einige lieben die Bewegung weniger und heften sich

Die Netzflügler. Köcherfliegen.
im Vorderflügel einfach beim Männchen, gegabelt beim Weibchen. Unſere Art iſt am Körper
dunkel pechbraun, die braunen Fühler ſind ſchwarz geringelt, die Hinterflügel einfarbig braun
oder ſchwarzgrau, die vordern hellzimmetbraun mit zwei weißen Punkten und beim Weibchen mit
kurzer und unterbrochener ſchwarzer Längsſtrieme verziert. Der Verlauf des Flügelgeäders muß
bei allen dieſen Thieren genauer unterſucht werden, als hier darauf eingegangen werden kann.

Um einen Begriff von dem verſchiedenartigen Material und dem Bauſtyle zu geben, welche
die Sprockwürmer anwenden, wurde eine Anzahl von Gehäuſen zuſammengeſtellt. Hier ſind

[Abbildung] Verſchiedene Phryganiden-Gehäuſe.
es feine Sandkörn-
chen (a, i, k), welche
zur Verwendung
kommen, oder grö-
ßere Steinchen (f,
h
), dort Schnecken-
häuſer (e), beſon-
ders der Gattung
Planorbis ange-
hörig, die zum
Theil noch bewohnt
ſein können, oder
die Schalen der
kleineren Muſcheln,
in einem anderen
Falle wieder zurecht-
gebiſſene Pflanzen-
theile (b, c, d, g),
unter denen Gras-,
Schilf-, Zweig- und
Rindenſtückchen,
Meerlinſen und
Baumſamen, je nach
den Oertlichkeiten eine Hauptrolle ſpielen. Mit Ausſchluß von k haben wir Gelegenheit, in unſern
deutſchen Bächen, Gräben und ſtehenden Gewäſſern, welche mit Pflanzen verſehen ſind, alle dieſe
Formen ſelbſt im Freien zu beobachten. Man hat ſich davon überzeugt, daß die Nahrung der
Waſſerraupen in erſter Linie aus Pflanzenſtoffen und nur untergeordnet auch aus thieriſchen Ueber-
reſten beſteht. Daß ein und dieſelbe Art nicht überall und immer genau daſſelbe Material zu
ihrem Hauſe verwende, läßt ſich wohl erwarten, aber entſchieden baut jede in derſelben Form
und weicht nur inſofern unbedeutend davon ab, als das verſchiedene Baumaterial dazu nöthigt.
Uebrigens ſind die verſchiedenen, ſehr zahlreichen Arten noch lange nicht mit der Genauigkeit und
in hinreichender Vollſtändigkeit beobachtet worden, um aus dem Gehäuſe die Fliege zu erkennen
oder gewiſſe allgemeine Geſetze über jenes aufſtellen zu können. Mit dem zierlichen ſchnecken-
förmigen Gehäuſe k hat es eine ganz beſondere Vewandtniß. Daſſelbe ſtammt aus Tenneſſee und
wurde von dem nordamerikaniſchen Schneckenkenner Lea für das Erzeugniß einer Schnecke (Valvata
arenifera
) gehalten, bis der ſchweizer Forſcher Bremi es als das Kunſtwerk einer Köcherfliege
erkannte, welcher er den Namen Helicopsyche Shutleworthi beilegte. Dergleichen Häuschen nun,
welche vorn und hinten offen bleiben, werden von einer Larve bewohnt, welche hinten mit ein
Paar Haken ſich feſthält und höchſtens den hornigen Kopf und die drei vorderſten Ringe mit den
einklanigen Bruſtfüßen hervorſtreckt, wenn ſie an Waſſerpflanzen umherkriecht oder frei ſchwimmt
und dabei auch an die Oberfläche kommt. Einige lieben die Bewegung weniger und heften ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0462" n="434"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Netzflügler. Köcherfliegen.</hi></fw><lb/>
im Vorderflügel einfach beim Männchen, gegabelt beim Weibchen. Un&#x017F;ere Art i&#x017F;t am Körper<lb/>
dunkel pechbraun, die braunen Fühler &#x017F;ind &#x017F;chwarz geringelt, die Hinterflügel einfarbig braun<lb/>
oder &#x017F;chwarzgrau, die vordern hellzimmetbraun mit zwei weißen Punkten und beim Weibchen mit<lb/>
kurzer und unterbrochener &#x017F;chwarzer Längs&#x017F;trieme verziert. Der Verlauf des Flügelgeäders muß<lb/>
bei allen die&#x017F;en Thieren genauer unter&#x017F;ucht werden, als hier darauf eingegangen werden kann.</p><lb/>
              <p>Um einen Begriff von dem ver&#x017F;chiedenartigen Material und dem Bau&#x017F;tyle zu geben, welche<lb/>
die Sprockwürmer anwenden, wurde eine Anzahl von Gehäu&#x017F;en zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellt. Hier &#x017F;ind<lb/><figure><head><hi rendition="#c">Ver&#x017F;chiedene Phryganiden-Gehäu&#x017F;e.</hi></head></figure><lb/>
es feine Sandkörn-<lb/>
chen (<hi rendition="#aq">a, i, k</hi>), welche<lb/>
zur Verwendung<lb/>
kommen, oder grö-<lb/>
ßere Steinchen (<hi rendition="#aq">f,<lb/>
h</hi>), dort Schnecken-<lb/>
häu&#x017F;er (<hi rendition="#aq">e</hi>), be&#x017F;on-<lb/>
ders der Gattung<lb/><hi rendition="#aq">Planorbis</hi> ange-<lb/>
hörig, die zum<lb/>
Theil noch bewohnt<lb/>
&#x017F;ein können, oder<lb/>
die Schalen der<lb/>
kleineren Mu&#x017F;cheln,<lb/>
in einem anderen<lb/>
Falle wieder zurecht-<lb/>
gebi&#x017F;&#x017F;ene Pflanzen-<lb/>
theile (<hi rendition="#aq">b, c, d, g</hi>),<lb/>
unter denen Gras-,<lb/>
Schilf-, Zweig- und<lb/>
Rinden&#x017F;tückchen,<lb/>
Meerlin&#x017F;en und<lb/>
Baum&#x017F;amen, je nach<lb/>
den Oertlichkeiten eine Hauptrolle &#x017F;pielen. Mit Aus&#x017F;chluß von <hi rendition="#aq">k</hi> haben wir Gelegenheit, in un&#x017F;ern<lb/>
deut&#x017F;chen Bächen, Gräben und &#x017F;tehenden Gewä&#x017F;&#x017F;ern, welche mit Pflanzen ver&#x017F;ehen &#x017F;ind, alle die&#x017F;e<lb/>
Formen &#x017F;elb&#x017F;t im Freien zu beobachten. Man hat &#x017F;ich davon überzeugt, daß die Nahrung der<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erraupen in er&#x017F;ter Linie aus Pflanzen&#x017F;toffen und nur untergeordnet auch aus thieri&#x017F;chen Ueber-<lb/>
re&#x017F;ten be&#x017F;teht. Daß ein und die&#x017F;elbe Art nicht überall und immer genau da&#x017F;&#x017F;elbe Material zu<lb/>
ihrem Hau&#x017F;e verwende, läßt &#x017F;ich wohl erwarten, aber ent&#x017F;chieden baut jede in der&#x017F;elben Form<lb/>
und weicht nur in&#x017F;ofern unbedeutend davon ab, als das ver&#x017F;chiedene Baumaterial dazu nöthigt.<lb/>
Uebrigens &#x017F;ind die ver&#x017F;chiedenen, &#x017F;ehr zahlreichen Arten noch lange nicht mit der Genauigkeit und<lb/>
in hinreichender Voll&#x017F;tändigkeit beobachtet worden, um aus dem Gehäu&#x017F;e die Fliege zu erkennen<lb/>
oder gewi&#x017F;&#x017F;e allgemeine Ge&#x017F;etze über jenes auf&#x017F;tellen zu können. Mit dem zierlichen &#x017F;chnecken-<lb/>
förmigen Gehäu&#x017F;e <hi rendition="#aq">k</hi> hat es eine ganz be&#x017F;ondere Vewandtniß. Da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;tammt aus Tenne&#x017F;&#x017F;ee und<lb/>
wurde von dem nordamerikani&#x017F;chen Schneckenkenner <hi rendition="#g">Lea</hi> für das Erzeugniß einer Schnecke (<hi rendition="#aq">Valvata<lb/>
arenifera</hi>) gehalten, bis der &#x017F;chweizer For&#x017F;cher <hi rendition="#g">Bremi</hi> es als das Kun&#x017F;twerk einer Köcherfliege<lb/>
erkannte, welcher er den Namen <hi rendition="#aq">Helicopsyche Shutleworthi</hi> beilegte. Dergleichen Häuschen nun,<lb/>
welche vorn und hinten offen bleiben, werden von einer Larve bewohnt, welche hinten mit ein<lb/>
Paar Haken &#x017F;ich fe&#x017F;thält und höch&#x017F;tens den hornigen Kopf und die drei vorder&#x017F;ten Ringe mit den<lb/>
einklanigen Bru&#x017F;tfüßen hervor&#x017F;treckt, wenn &#x017F;ie an Wa&#x017F;&#x017F;erpflanzen umherkriecht oder frei &#x017F;chwimmt<lb/>
und dabei auch an die Oberfläche kommt. Einige lieben die Bewegung weniger und heften &#x017F;ich<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[434/0462] Die Netzflügler. Köcherfliegen. im Vorderflügel einfach beim Männchen, gegabelt beim Weibchen. Unſere Art iſt am Körper dunkel pechbraun, die braunen Fühler ſind ſchwarz geringelt, die Hinterflügel einfarbig braun oder ſchwarzgrau, die vordern hellzimmetbraun mit zwei weißen Punkten und beim Weibchen mit kurzer und unterbrochener ſchwarzer Längsſtrieme verziert. Der Verlauf des Flügelgeäders muß bei allen dieſen Thieren genauer unterſucht werden, als hier darauf eingegangen werden kann. Um einen Begriff von dem verſchiedenartigen Material und dem Bauſtyle zu geben, welche die Sprockwürmer anwenden, wurde eine Anzahl von Gehäuſen zuſammengeſtellt. Hier ſind [Abbildung Verſchiedene Phryganiden-Gehäuſe.] es feine Sandkörn- chen (a, i, k), welche zur Verwendung kommen, oder grö- ßere Steinchen (f, h), dort Schnecken- häuſer (e), beſon- ders der Gattung Planorbis ange- hörig, die zum Theil noch bewohnt ſein können, oder die Schalen der kleineren Muſcheln, in einem anderen Falle wieder zurecht- gebiſſene Pflanzen- theile (b, c, d, g), unter denen Gras-, Schilf-, Zweig- und Rindenſtückchen, Meerlinſen und Baumſamen, je nach den Oertlichkeiten eine Hauptrolle ſpielen. Mit Ausſchluß von k haben wir Gelegenheit, in unſern deutſchen Bächen, Gräben und ſtehenden Gewäſſern, welche mit Pflanzen verſehen ſind, alle dieſe Formen ſelbſt im Freien zu beobachten. Man hat ſich davon überzeugt, daß die Nahrung der Waſſerraupen in erſter Linie aus Pflanzenſtoffen und nur untergeordnet auch aus thieriſchen Ueber- reſten beſteht. Daß ein und dieſelbe Art nicht überall und immer genau daſſelbe Material zu ihrem Hauſe verwende, läßt ſich wohl erwarten, aber entſchieden baut jede in derſelben Form und weicht nur inſofern unbedeutend davon ab, als das verſchiedene Baumaterial dazu nöthigt. Uebrigens ſind die verſchiedenen, ſehr zahlreichen Arten noch lange nicht mit der Genauigkeit und in hinreichender Vollſtändigkeit beobachtet worden, um aus dem Gehäuſe die Fliege zu erkennen oder gewiſſe allgemeine Geſetze über jenes aufſtellen zu können. Mit dem zierlichen ſchnecken- förmigen Gehäuſe k hat es eine ganz beſondere Vewandtniß. Daſſelbe ſtammt aus Tenneſſee und wurde von dem nordamerikaniſchen Schneckenkenner Lea für das Erzeugniß einer Schnecke (Valvata arenifera) gehalten, bis der ſchweizer Forſcher Bremi es als das Kunſtwerk einer Köcherfliege erkannte, welcher er den Namen Helicopsyche Shutleworthi beilegte. Dergleichen Häuschen nun, welche vorn und hinten offen bleiben, werden von einer Larve bewohnt, welche hinten mit ein Paar Haken ſich feſthält und höchſtens den hornigen Kopf und die drei vorderſten Ringe mit den einklanigen Bruſtfüßen hervorſtreckt, wenn ſie an Waſſerpflanzen umherkriecht oder frei ſchwimmt und dabei auch an die Oberfläche kommt. Einige lieben die Bewegung weniger und heften ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/462
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/462>, abgerufen am 03.07.2024.