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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflügler. Fliegen.
in verschiedener Weise vorherrschend die behuften Hausthiere und das Hochwild heim, einzelne
haben sich auch als Parasiten von Bentel- und Nagethieren erwiesen, und es dürsten gewiß noch
andere Säugethiere von ihnen geplagt werden, nur entzogen sich bisher die Fliegen der sehr
schwierigen näheren Beobachtung. Jn den heißen Ländern wird bisweilen auch der Mensch von
Oestriden heimgesucht, deren Larven in der Kopfhaut, der Nasenhöhle, dem äußern Gehör-
gange, ja auch im Magen gefunden worden sind, in Brasilien Ura, in Cayenne Ver macaque,
in Costarica Torcel, bei den Maynasindianern Suglacuru, in Neugranada Gusano peludo oder
nuche heißen und einem Menschenöstriden (Oestrus hominis) angehören sollen. Dem ist jedoch
nicht so, sondern eine und die andere Art, welche bei Rindern, Hunden, Pferden, Maulthieren etc.
schmarotzt, hat sich in den vorliegenden Fällen einmal zu einem Menschen verirrt. Die Larven
der in Rede stehenden Fliegen leben entweder unter der Haut und ernähren sich von dem Eiter
der Beulen (Dasselbeule), welche sie erzeugen -- dieß die Hautöstriden -- oder setzen sich an die
Jnnenwände des Magens, auch der Gedärme, Magenöstriden, noch andere endlich, die Nasen-
bremen,
kommen in der Nasen- oder Rachenhöhle vor. An vielen dieser Larven hat man mehr-
malige Häntungen und damit verbundene, unbedeutende Formveränderungen beobachtet. Sind
sie reif, so verlassen sie das Wohnthier, um sich auf oder flach unter der Erde in ein Tonnen-
püppchen zu verwandeln. Die Fliegen selbst haben eine kurze Lebensdauer, während welcher viele
von ihnen im Sonnenscheine auf kahlen Höhen unter starkem Gesumme umherfliegen. Die hölzernen
Gerüste in Gebirgsgegenden, welche z. B. im Harze an verschiedenen Punkten eine Weitsicht
ermöglichen sollen, gehören zu den besten Fangplätzen. Körperlich zeichnen sich die Dasselfliegen
aus durch warzenförmige in einer Stirngrube eingesenkte Fühler, welche mit einer Borste enden,
und durch den ungemein verkümmerten, zur Aufnahme von Nahrung kaum geeigneten Rüssel.
Nebenaugen sind vorhanden. Der sechsgliedrige Hinterleib endet beim Männchen stumpf, beim
Weibchen in eine lang ausstreckbare Legröhre. Das Flügelgeäder stimmt am meisten mit dem der
Familie der Musciden, welche wir folgen lassen, überein. Der Linne'sche Gattungsname Oestrus
blieb hentzutage nur noch wenigen Arten; denn je nach dem Aderverlaufe der Flügel, der
Beschaffenheit der Fühler, des Munds und Gesichts hat man noch 13 andere daneben aufgestellt.
Um einige gemeinere Arten näher vorzuführen, nennen wir zuvörderst die Magenbreme des
Pferdes
(Gastrophilus oder Gastrus equi) und führen ihre verschiedenen Stände vor. Die
Stirn, beim Weibchen breiter als beim Männchen, sowie der Thorarrücken ist mit einem
dichten, brännlichgelben Pelz bekleidet, welcher nur vor den Flügeln in eine schwarze Binde
[Abbildung] Magenbreme des Pferdes (Custrophilus equi).
a
Ei an einem Haare. b Larve auf der litzten, c auf der ersten Culwickelungsstuse.
d Tönnchen. e Fliege (alles stark vergrößert).
übergeht. Die übrigen Theile
sind lichter und spärlicher be-
haart, die Beine und der größte
Theil des Hinterleibes in der
Haut dunkel wachsgelb ge-
färbt. Die schwach getrübten,
mit einer verwischten, dunk-
leren Querbinde und einigen
Fleckchen gezeichneten Flügel
sind von einer ganz geraden
vierten Längsader durchzogen,
und haben weder eine Spitzen-
querader, noch eine verengte
oder geschlossene erste Hinterrandzelle. Das 6 bis 8 Linien lange Thier ruht mit eingekrümmter
Leibesspitze und halb klaffenden Flügeln. Hat es in den ersten Morgenstunden an einem schönen
Tage ein Deckelchen von der Tonnenpuppe abgestoßen, so fällt an ihm eine große, abwechselnd
anschwellende und zusammensinkende Stirnblase auf, welche die ganze Stirn bis zum Genick bedeckt

Die Zweiflügler. Fliegen.
in verſchiedener Weiſe vorherrſchend die behuften Hausthiere und das Hochwild heim, einzelne
haben ſich auch als Paraſiten von Bentel- und Nagethieren erwieſen, und es dürſten gewiß noch
andere Säugethiere von ihnen geplagt werden, nur entzogen ſich bisher die Fliegen der ſehr
ſchwierigen näheren Beobachtung. Jn den heißen Ländern wird bisweilen auch der Menſch von
Oeſtriden heimgeſucht, deren Larven in der Kopfhaut, der Naſenhöhle, dem äußern Gehör-
gange, ja auch im Magen gefunden worden ſind, in Braſilien Ura, in Cayenne Ver macaque,
in Coſtarica Torcel, bei den Maynasindianern Suglacuru, in Neugranada Gusano peludo oder
nuche heißen und einem Menſchenöſtriden (Oestrus hominis) angehören ſollen. Dem iſt jedoch
nicht ſo, ſondern eine und die andere Art, welche bei Rindern, Hunden, Pferden, Maulthieren ꝛc.
ſchmarotzt, hat ſich in den vorliegenden Fällen einmal zu einem Menſchen verirrt. Die Larven
der in Rede ſtehenden Fliegen leben entweder unter der Haut und ernähren ſich von dem Eiter
der Beulen (Daſſelbeule), welche ſie erzeugen — dieß die Hautöſtriden — oder ſetzen ſich an die
Jnnenwände des Magens, auch der Gedärme, Magenöſtriden, noch andere endlich, die Naſen-
bremen,
kommen in der Naſen- oder Rachenhöhle vor. An vielen dieſer Larven hat man mehr-
malige Häntungen und damit verbundene, unbedeutende Formveränderungen beobachtet. Sind
ſie reif, ſo verlaſſen ſie das Wohnthier, um ſich auf oder flach unter der Erde in ein Tonnen-
püppchen zu verwandeln. Die Fliegen ſelbſt haben eine kurze Lebensdauer, während welcher viele
von ihnen im Sonnenſcheine auf kahlen Höhen unter ſtarkem Geſumme umherfliegen. Die hölzernen
Gerüſte in Gebirgsgegenden, welche z. B. im Harze an verſchiedenen Punkten eine Weitſicht
ermöglichen ſollen, gehören zu den beſten Fangplätzen. Körperlich zeichnen ſich die Daſſelfliegen
aus durch warzenförmige in einer Stirngrube eingeſenkte Fühler, welche mit einer Borſte enden,
und durch den ungemein verkümmerten, zur Aufnahme von Nahrung kaum geeigneten Rüſſel.
Nebenaugen ſind vorhanden. Der ſechsgliedrige Hinterleib endet beim Männchen ſtumpf, beim
Weibchen in eine lang ausſtreckbare Legröhre. Das Flügelgeäder ſtimmt am meiſten mit dem der
Familie der Musciden, welche wir folgen laſſen, überein. Der Linné’ſche Gattungsname Oestrus
blieb hentzutage nur noch wenigen Arten; denn je nach dem Aderverlaufe der Flügel, der
Beſchaffenheit der Fühler, des Munds und Geſichts hat man noch 13 andere daneben aufgeſtellt.
Um einige gemeinere Arten näher vorzuführen, nennen wir zuvörderſt die Magenbreme des
Pferdes
(Gastrophilus oder Gastrus equi) und führen ihre verſchiedenen Stände vor. Die
Stirn, beim Weibchen breiter als beim Männchen, ſowie der Thorarrücken iſt mit einem
dichten, brännlichgelben Pelz bekleidet, welcher nur vor den Flügeln in eine ſchwarze Binde
[Abbildung] Magenbreme des Pferdes (Custrophilus equi).
a
Ei an einem Haare. b Larve auf der litzten, c auf der erſten Culwickelungsſtuſe.
d Tönnchen. e Fliege (alles ſtark vergrößert).
übergeht. Die übrigen Theile
ſind lichter und ſpärlicher be-
haart, die Beine und der größte
Theil des Hinterleibes in der
Haut dunkel wachsgelb ge-
färbt. Die ſchwach getrübten,
mit einer verwiſchten, dunk-
leren Querbinde und einigen
Fleckchen gezeichneten Flügel
ſind von einer ganz geraden
vierten Längsader durchzogen,
und haben weder eine Spitzen-
querader, noch eine verengte
oder geſchloſſene erſte Hinterrandzelle. Das 6 bis 8 Linien lange Thier ruht mit eingekrümmter
Leibesſpitze und halb klaffenden Flügeln. Hat es in den erſten Morgenſtunden an einem ſchönen
Tage ein Deckelchen von der Tonnenpuppe abgeſtoßen, ſo fällt an ihm eine große, abwechſelnd
anſchwellende und zuſammenſinkende Stirnblaſe auf, welche die ganze Stirn bis zum Genick bedeckt

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[404/0430] Die Zweiflügler. Fliegen. in verſchiedener Weiſe vorherrſchend die behuften Hausthiere und das Hochwild heim, einzelne haben ſich auch als Paraſiten von Bentel- und Nagethieren erwieſen, und es dürſten gewiß noch andere Säugethiere von ihnen geplagt werden, nur entzogen ſich bisher die Fliegen der ſehr ſchwierigen näheren Beobachtung. Jn den heißen Ländern wird bisweilen auch der Menſch von Oeſtriden heimgeſucht, deren Larven in der Kopfhaut, der Naſenhöhle, dem äußern Gehör- gange, ja auch im Magen gefunden worden ſind, in Braſilien Ura, in Cayenne Ver macaque, in Coſtarica Torcel, bei den Maynasindianern Suglacuru, in Neugranada Gusano peludo oder nuche heißen und einem Menſchenöſtriden (Oestrus hominis) angehören ſollen. Dem iſt jedoch nicht ſo, ſondern eine und die andere Art, welche bei Rindern, Hunden, Pferden, Maulthieren ꝛc. ſchmarotzt, hat ſich in den vorliegenden Fällen einmal zu einem Menſchen verirrt. Die Larven der in Rede ſtehenden Fliegen leben entweder unter der Haut und ernähren ſich von dem Eiter der Beulen (Daſſelbeule), welche ſie erzeugen — dieß die Hautöſtriden — oder ſetzen ſich an die Jnnenwände des Magens, auch der Gedärme, Magenöſtriden, noch andere endlich, die Naſen- bremen, kommen in der Naſen- oder Rachenhöhle vor. An vielen dieſer Larven hat man mehr- malige Häntungen und damit verbundene, unbedeutende Formveränderungen beobachtet. Sind ſie reif, ſo verlaſſen ſie das Wohnthier, um ſich auf oder flach unter der Erde in ein Tonnen- püppchen zu verwandeln. Die Fliegen ſelbſt haben eine kurze Lebensdauer, während welcher viele von ihnen im Sonnenſcheine auf kahlen Höhen unter ſtarkem Geſumme umherfliegen. Die hölzernen Gerüſte in Gebirgsgegenden, welche z. B. im Harze an verſchiedenen Punkten eine Weitſicht ermöglichen ſollen, gehören zu den beſten Fangplätzen. Körperlich zeichnen ſich die Daſſelfliegen aus durch warzenförmige in einer Stirngrube eingeſenkte Fühler, welche mit einer Borſte enden, und durch den ungemein verkümmerten, zur Aufnahme von Nahrung kaum geeigneten Rüſſel. Nebenaugen ſind vorhanden. Der ſechsgliedrige Hinterleib endet beim Männchen ſtumpf, beim Weibchen in eine lang ausſtreckbare Legröhre. Das Flügelgeäder ſtimmt am meiſten mit dem der Familie der Musciden, welche wir folgen laſſen, überein. Der Linné’ſche Gattungsname Oestrus blieb hentzutage nur noch wenigen Arten; denn je nach dem Aderverlaufe der Flügel, der Beſchaffenheit der Fühler, des Munds und Geſichts hat man noch 13 andere daneben aufgeſtellt. Um einige gemeinere Arten näher vorzuführen, nennen wir zuvörderſt die Magenbreme des Pferdes (Gastrophilus oder Gastrus equi) und führen ihre verſchiedenen Stände vor. Die Stirn, beim Weibchen breiter als beim Männchen, ſowie der Thorarrücken iſt mit einem dichten, brännlichgelben Pelz bekleidet, welcher nur vor den Flügeln in eine ſchwarze Binde [Abbildung Magenbreme des Pferdes (Custrophilus equi). a Ei an einem Haare. b Larve auf der litzten, c auf der erſten Culwickelungsſtuſe. d Tönnchen. e Fliege (alles ſtark vergrößert).] übergeht. Die übrigen Theile ſind lichter und ſpärlicher be- haart, die Beine und der größte Theil des Hinterleibes in der Haut dunkel wachsgelb ge- färbt. Die ſchwach getrübten, mit einer verwiſchten, dunk- leren Querbinde und einigen Fleckchen gezeichneten Flügel ſind von einer ganz geraden vierten Längsader durchzogen, und haben weder eine Spitzen- querader, noch eine verengte oder geſchloſſene erſte Hinterrandzelle. Das 6 bis 8 Linien lange Thier ruht mit eingekrümmter Leibesſpitze und halb klaffenden Flügeln. Hat es in den erſten Morgenſtunden an einem ſchönen Tage ein Deckelchen von der Tonnenpuppe abgeſtoßen, ſo fällt an ihm eine große, abwechſelnd anſchwellende und zuſammenſinkende Stirnblaſe auf, welche die ganze Stirn bis zum Genick bedeckt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/430>, abgerufen am 24.11.2024.