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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflügler. Fliegen.
man bedenkt, daß sie in wenigen Wochen vom Ei an ihre volle Größe erlangt. Jst dies geschehen,
so verläßt sie die Stätte ihrer Thaten und kriecht an die Rückseite eines Blattes, an die Spitze
einer Kiefernadel, an einen Stengel oder Grashalm in der Nähe, meist zur Abendzeit. Bald
darauf findet man statt ihrer ein bräunlichgrünes Gehäuse von der Form eines fallenden Tropfens,
einer Thräne (d--f), mit der Jnnenseite an den früher gewählten Gegenstand angeleimt, und
man würde schwerlich geneigt sein, diesen Körper mit der Made von vorgestern in Verbindung
zu bringen, wenn nicht die gemachten Erfahrungen dazu nöthigten. Jn diesem Cocon, der
zusammengeschrumpften und erhärteten Larvenhaut, entsteht die gemeiselte Puppe. Allmälig färbt
er sich dunkler, und nach kaum vierzehn Tagen hebt sich vom dickeren Ende ein kleiner Deckel ab,
um dem neugebornen Wesen den Weg ins Freie zu bahnen. Die mondfleckige Schwebfliege
(Syrphus seleniticus), welche auf diese Weise das Licht der Welt erblickte, ist an Kopf und Thorax
metallisch blaugrün, am durchsichtigen Schildchen bräunlichgelb, fein behaart, die Augen nicht aus-
genommen, auf dem platten, glänzend schwarzen Hinterleibe stehen drei Paare weißer Mond-
fleckchen -- bei einer sehr ähnlichen, fast noch häufigeren Art, dem S. pyrastri, sehen sie licht gelb
aus und haben theilweise eine etwas veränderte Lage. -- Die dunkeln Fühler enden mit einem
ovalen Gliede, welches an der Wurzel eine nackte Borste trägt. Die glashellen, glitzernden Flügel
charakterisiren, wie bei allen Gattungsgenossen, eine fast gerade, dritte Längsader, eine in die
vordere Hälfte der Mittelzelle mündende kleine Querader und eine offene Randzelle. Die
Discoidalzelle hat fast die Länge der ersten Hinterrandzelle, deren oberer Vorderwinkel stets ein
spitzer ist. Jm Sonnenscheine fliegen diese Fliegen ungemein lebhaft, aber fast geräuschlos und in
einer Weise, welche alle Syrphiden charakterisirt. Sie stehen nämlich längere oder kürzere Zeit
auf einem Punkte in der Luft, unaufhörlich mit den herabhängenden Beinen quirlend und lassen
sich, aber nicht stoßweise, auf ein Blatt, eine Blume nieder, um flink, wie sie kamen, wieder
aufzufliegen und ihr altes Spiel zu erneuern. An trüben, rauhen Tagen zeigen sie sich, wie alle
Fliegen, in dem Maße faul und schwerfällig, wie vorher unermüdlich und gewandt. Das
Weibchen legt seine Eier einzeln an Blätter, auf denen Blattlänse wohnen. Daß bei der schnellen
Entwickelung mehrere Generationen im Jahre vorkommen, läßt sich erwarten und daher auch nicht
genau feststellen, auf welcher Entwickelungsstufe die Ueberwinterung erfolgt. Halb erwachsene
Larven habe ich schon bei den Frühjahrsüberschwemmungen aus dem Wasser gefischt, woraus deren
Ueberwinterung zweifellos hervorgeht. Am 4. Dezember (1865) fand ich ein noch sehr jungfräulich
aussehendes Weibchen, welches sich in eine seichte Vertiefung einer Lehmwand gedrückt hatte; ob
es den bösen Winter dort würde überlebt haben, wage ich nicht zu entscheiden, glaube eher, daß
dieß bei manchen Puppen der Fall ist, weil
man sehr früh im Jahre oft frisch aus-
gekrochenen Fliegen begegnet.

[Abbildung] [Spaltenumbruch] Durchscheinende Volucelle
(Volucella pollncans).
[Spaltenumbruch] Conopsartige Cerie
(Coria conopsoides).

Wird bei den, wie zum ewigen Umher-
irren zwischen Blumen und Gras wie ver-
urtheilten Melitreptus-Arten, besonders
M. scriptus, taeniatus u. a., der Körper schon
lineal und stiftförmig, wie sich am Gruppen-
bilde "Herrschaft der Fliegen" erkennen läßt,
welches an der Dolde noch mehrere Fami-
liengenossen vergegenwärtigt; so erreicht bei
Baccha die Verdünnung den höchsten Grad;
denn wir begegnen hier einem gestielten
Hinterleibe, gestielt in der Weise, wie bei Ammophila und Trypoxylon unter den Mordwespen.
Hierzu im geraden Gegensatze stehen durch ihren breiten Körperbau die robustesten unserer heimischen
Syrphiden, die Volucellen (Volucella), deren mehrere durch die starke Behaarung einer Hummel

Die Zweiflügler. Fliegen.
man bedenkt, daß ſie in wenigen Wochen vom Ei an ihre volle Größe erlangt. Jſt dies geſchehen,
ſo verläßt ſie die Stätte ihrer Thaten und kriecht an die Rückſeite eines Blattes, an die Spitze
einer Kiefernadel, an einen Stengel oder Grashalm in der Nähe, meiſt zur Abendzeit. Bald
darauf findet man ſtatt ihrer ein bräunlichgrünes Gehäuſe von der Form eines fallenden Tropfens,
einer Thräne (d—f), mit der Jnnenſeite an den früher gewählten Gegenſtand angeleimt, und
man würde ſchwerlich geneigt ſein, dieſen Körper mit der Made von vorgeſtern in Verbindung
zu bringen, wenn nicht die gemachten Erfahrungen dazu nöthigten. Jn dieſem Cocon, der
zuſammengeſchrumpften und erhärteten Larvenhaut, entſteht die gemeiſelte Puppe. Allmälig färbt
er ſich dunkler, und nach kaum vierzehn Tagen hebt ſich vom dickeren Ende ein kleiner Deckel ab,
um dem neugebornen Weſen den Weg ins Freie zu bahnen. Die mondfleckige Schwebfliege
(Syrphus seleniticus), welche auf dieſe Weiſe das Licht der Welt erblickte, iſt an Kopf und Thorax
metalliſch blaugrün, am durchſichtigen Schildchen bräunlichgelb, fein behaart, die Augen nicht aus-
genommen, auf dem platten, glänzend ſchwarzen Hinterleibe ſtehen drei Paare weißer Mond-
fleckchen — bei einer ſehr ähnlichen, faſt noch häufigeren Art, dem S. pyrastri, ſehen ſie licht gelb
aus und haben theilweiſe eine etwas veränderte Lage. — Die dunkeln Fühler enden mit einem
ovalen Gliede, welches an der Wurzel eine nackte Borſte trägt. Die glashellen, glitzernden Flügel
charakteriſiren, wie bei allen Gattungsgenoſſen, eine faſt gerade, dritte Längsader, eine in die
vordere Hälfte der Mittelzelle mündende kleine Querader und eine offene Randzelle. Die
Discoidalzelle hat faſt die Länge der erſten Hinterrandzelle, deren oberer Vorderwinkel ſtets ein
ſpitzer iſt. Jm Sonnenſcheine fliegen dieſe Fliegen ungemein lebhaft, aber faſt geräuſchlos und in
einer Weiſe, welche alle Syrphiden charakteriſirt. Sie ſtehen nämlich längere oder kürzere Zeit
auf einem Punkte in der Luft, unaufhörlich mit den herabhängenden Beinen quirlend und laſſen
ſich, aber nicht ſtoßweiſe, auf ein Blatt, eine Blume nieder, um flink, wie ſie kamen, wieder
aufzufliegen und ihr altes Spiel zu erneuern. An trüben, rauhen Tagen zeigen ſie ſich, wie alle
Fliegen, in dem Maße faul und ſchwerfällig, wie vorher unermüdlich und gewandt. Das
Weibchen legt ſeine Eier einzeln an Blätter, auf denen Blattlänſe wohnen. Daß bei der ſchnellen
Entwickelung mehrere Generationen im Jahre vorkommen, läßt ſich erwarten und daher auch nicht
genau feſtſtellen, auf welcher Entwickelungsſtufe die Ueberwinterung erfolgt. Halb erwachſene
Larven habe ich ſchon bei den Frühjahrsüberſchwemmungen aus dem Waſſer gefiſcht, woraus deren
Ueberwinterung zweifellos hervorgeht. Am 4. Dezember (1865) fand ich ein noch ſehr jungfräulich
ausſehendes Weibchen, welches ſich in eine ſeichte Vertiefung einer Lehmwand gedrückt hatte; ob
es den böſen Winter dort würde überlebt haben, wage ich nicht zu entſcheiden, glaube eher, daß
dieß bei manchen Puppen der Fall iſt, weil
man ſehr früh im Jahre oft friſch aus-
gekrochenen Fliegen begegnet.

[Abbildung] [Spaltenumbruch] Durchſcheinende Volucelle
(Volucella pollncans).
[Spaltenumbruch] Conopsartige Cerie
(Coria conopsoides).

Wird bei den, wie zum ewigen Umher-
irren zwiſchen Blumen und Gras wie ver-
urtheilten Melitreptus-Arten, beſonders
M. scriptus, taeniatus u. a., der Körper ſchon
lineal und ſtiftförmig, wie ſich am Gruppen-
bilde „Herrſchaft der Fliegen“ erkennen läßt,
welches an der Dolde noch mehrere Fami-
liengenoſſen vergegenwärtigt; ſo erreicht bei
Baccha die Verdünnung den höchſten Grad;
denn wir begegnen hier einem geſtielten
Hinterleibe, geſtielt in der Weiſe, wie bei Ammophila und Trypoxylon unter den Mordwespen.
Hierzu im geraden Gegenſatze ſtehen durch ihren breiten Körperbau die robuſteſten unſerer heimiſchen
Syrphiden, die Volucellen (Volucella), deren mehrere durch die ſtarke Behaarung einer Hummel

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[400/0426] Die Zweiflügler. Fliegen. man bedenkt, daß ſie in wenigen Wochen vom Ei an ihre volle Größe erlangt. Jſt dies geſchehen, ſo verläßt ſie die Stätte ihrer Thaten und kriecht an die Rückſeite eines Blattes, an die Spitze einer Kiefernadel, an einen Stengel oder Grashalm in der Nähe, meiſt zur Abendzeit. Bald darauf findet man ſtatt ihrer ein bräunlichgrünes Gehäuſe von der Form eines fallenden Tropfens, einer Thräne (d—f), mit der Jnnenſeite an den früher gewählten Gegenſtand angeleimt, und man würde ſchwerlich geneigt ſein, dieſen Körper mit der Made von vorgeſtern in Verbindung zu bringen, wenn nicht die gemachten Erfahrungen dazu nöthigten. Jn dieſem Cocon, der zuſammengeſchrumpften und erhärteten Larvenhaut, entſteht die gemeiſelte Puppe. Allmälig färbt er ſich dunkler, und nach kaum vierzehn Tagen hebt ſich vom dickeren Ende ein kleiner Deckel ab, um dem neugebornen Weſen den Weg ins Freie zu bahnen. Die mondfleckige Schwebfliege (Syrphus seleniticus), welche auf dieſe Weiſe das Licht der Welt erblickte, iſt an Kopf und Thorax metalliſch blaugrün, am durchſichtigen Schildchen bräunlichgelb, fein behaart, die Augen nicht aus- genommen, auf dem platten, glänzend ſchwarzen Hinterleibe ſtehen drei Paare weißer Mond- fleckchen — bei einer ſehr ähnlichen, faſt noch häufigeren Art, dem S. pyrastri, ſehen ſie licht gelb aus und haben theilweiſe eine etwas veränderte Lage. — Die dunkeln Fühler enden mit einem ovalen Gliede, welches an der Wurzel eine nackte Borſte trägt. Die glashellen, glitzernden Flügel charakteriſiren, wie bei allen Gattungsgenoſſen, eine faſt gerade, dritte Längsader, eine in die vordere Hälfte der Mittelzelle mündende kleine Querader und eine offene Randzelle. Die Discoidalzelle hat faſt die Länge der erſten Hinterrandzelle, deren oberer Vorderwinkel ſtets ein ſpitzer iſt. Jm Sonnenſcheine fliegen dieſe Fliegen ungemein lebhaft, aber faſt geräuſchlos und in einer Weiſe, welche alle Syrphiden charakteriſirt. Sie ſtehen nämlich längere oder kürzere Zeit auf einem Punkte in der Luft, unaufhörlich mit den herabhängenden Beinen quirlend und laſſen ſich, aber nicht ſtoßweiſe, auf ein Blatt, eine Blume nieder, um flink, wie ſie kamen, wieder aufzufliegen und ihr altes Spiel zu erneuern. An trüben, rauhen Tagen zeigen ſie ſich, wie alle Fliegen, in dem Maße faul und ſchwerfällig, wie vorher unermüdlich und gewandt. Das Weibchen legt ſeine Eier einzeln an Blätter, auf denen Blattlänſe wohnen. Daß bei der ſchnellen Entwickelung mehrere Generationen im Jahre vorkommen, läßt ſich erwarten und daher auch nicht genau feſtſtellen, auf welcher Entwickelungsſtufe die Ueberwinterung erfolgt. Halb erwachſene Larven habe ich ſchon bei den Frühjahrsüberſchwemmungen aus dem Waſſer gefiſcht, woraus deren Ueberwinterung zweifellos hervorgeht. Am 4. Dezember (1865) fand ich ein noch ſehr jungfräulich ausſehendes Weibchen, welches ſich in eine ſeichte Vertiefung einer Lehmwand gedrückt hatte; ob es den böſen Winter dort würde überlebt haben, wage ich nicht zu entſcheiden, glaube eher, daß dieß bei manchen Puppen der Fall iſt, weil man ſehr früh im Jahre oft friſch aus- gekrochenen Fliegen begegnet. [Abbildung Durchſcheinende Volucelle (Volucella pollncans). Conopsartige Cerie (Coria conopsoides).] Wird bei den, wie zum ewigen Umher- irren zwiſchen Blumen und Gras wie ver- urtheilten Melitreptus-Arten, beſonders M. scriptus, taeniatus u. a., der Körper ſchon lineal und ſtiftförmig, wie ſich am Gruppen- bilde „Herrſchaft der Fliegen“ erkennen läßt, welches an der Dolde noch mehrere Fami- liengenoſſen vergegenwärtigt; ſo erreicht bei Baccha die Verdünnung den höchſten Grad; denn wir begegnen hier einem geſtielten Hinterleibe, geſtielt in der Weiſe, wie bei Ammophila und Trypoxylon unter den Mordwespen. Hierzu im geraden Gegenſatze ſtehen durch ihren breiten Körperbau die robuſteſten unſerer heimiſchen Syrphiden, die Volucellen (Volucella), deren mehrere durch die ſtarke Behaarung einer Hummel

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/426>, abgerufen am 27.11.2024.