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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Harlekin. Birkenspanner. Blatträuber. Kiefernspanner.
Birken, Ebereschen und anderen Laubhölzern, scheint aber die Eiche allen vorzuziehen. Jm September
oder Oktober hat sie ihre volle Größe erlangt und geht in den Boden, um in einer Höhlung noch
vor Winters zur Puppe zu werden. Jm Mai oder Juni schlüpft der Schmetterling aus, welchen
man nie bei Tage fliegen sieht. Einige Gattungsgenossen kommen sehr frühzeitig, schon im März,
zum Vorschein, wie der überall gemeine, schwach graubraun beschuppte Kirschenspanner oder
Rauhflügel (A. hirtaria).

Der Blatträuber, Entblätterer, große Frostspanner (Hibernia defoliaria). Spät
im Jahre, zu einer Zeit, wo die meisten anderen Jusekten ihre Winterquartiere aufgesucht haben
und zum Theil schon der Erstarrung anheimgefallen sind, weil die Sonne keine Wärme mehr
spendet und die Pflanzen aufgehört haben, die nöthige Nahrung zu liefern, erst im Oktober und
November erscheint dieser träge Spanner, welcher nicht einmal bei Tage die wenigen Sonnenblicke
benutzt, sondern in den kalten Nächten taumelnd umherfliegt, um an den Stämmen der Bäume
eine Lebensgefährtin zu suchen, welche ihm nicht auf halbem Wege

[Abbildung] Der große Frostspanner
(Hibernla defoliaria). b Weibchen
a Männchen. c Raupe.
entgegenkommt, weil ihr das Flugvermögen versagt wurde. Das
Männchen hat große, zarte und dünn beschuppte Flügel von hellocker-
gelber Grundfarbe; ein dunkler Mittelpunkt und feine Sprenkelung
zeichnet alle aus und breit rostbraune Umsäumung des Mittelfeldes
die vorderen noch insbesondere. Die Beine tragen anliegende Schuppen
und die Fühler zwei Reihen Kammzähne. Das flügellose, gelb und
schwarzgescheckte Weibchen kriecht gegen Abend an den Baumstämmen
in die Höhe, in der Erwartung, daß das Männchen seine Pflichten erfülle;
denn es will gesucht werden, und dieses weiß es zu finden. Nach der
Paarung legt es seine Eier einzeln oder in geringer Anzahl ver-
einigt oben an die Knospen der Bäume, welche es mit seinen langen
Beinen zu Fuße in der kürzesten Zeit erreicht. Schon vor Mitte April,
wenn es sonst die Witterung erlaubt, schlüpfen die Räupchen aus,
finden unter den Schuppen der Knospen Schutz und beginnen ihr
Zerstörungswerk, bevor die Entwickelung dieser möglich wird; an den
Obstbäumen machen sich dieselben am leichtesten kenntlich und mitunter
für den Besitzer empfindlich fühlbar, an den Waldbäumen weniger,
weil hier die Zerstörung der Fruchtknospen wenig schadet. Die
erwachsene Raupe ist auf dem Rücken braunroth, an der Bauch-
hälfte schwefelgelb und führt hier rothbraune Striche auf jedem Gliede. Zur Verpuppung sucht
sie die Erde auf, spinnt mit wenigen Fäden die kleine Höhle aus und verwandelt sich in
eine rothbraune Puppe, welche in eine Stachelspitze endet. Noch eine zweite gelbe Art desselben
Geschlechts fliegt gleichzeitig mit dem großen Frostspanner (H. aurantiaria), zwei andere, eine
gleichfalls gelbe (H. progemmaria) und eine weißgraue (H. leucophaearia) im ersten Frühjahre,
zu welcher Zeit man auch Männchen unserer Art gefunden haben will. Bei allen fehlen den
Weibchen die Flügel, das von progemmaria hat indessen statt ihrer merkliche Läppchen.

Einen wesentlichen Gegensatz bildet der Kiefern- oder Föhrenspanner (Fidonia piniaria)
in seiner Erscheinungsweise gegen den vorigen. Das Weibchen, nicht zurückgesetzt in seiner Ent-
wickelung, fliegt gemeinsam mit dem Männchen an den warmen Tagen des Juni in wankenden,
aber dabei wilden Bewegungen zwischen den Stämmen und Nadeln der Föhren umher. Jn kurzen
Umflügen von den Nadeln nach den Stämmen, hier oder da mit aufrechten und zusammengeklappten
Flügeln zeitweilig ausruhend, vertreiben sich diese Falter die Langeweile, bis sich die Pärchen
zusammengefunden haben. Als ich einst an einem recht schwülen Tage nach warmem Regen durch
einen Kiefernwald wanderte, welcher von ihnen gerade stark belebt war, umflatterten sie mich zu
Hunderten, saßen auf dem Boden umher, daß man sie fast zertrat und trieben sich an den Stämmen

Harlekin. Birkenſpanner. Blatträuber. Kiefernſpanner.
Birken, Ebereſchen und anderen Laubhölzern, ſcheint aber die Eiche allen vorzuziehen. Jm September
oder Oktober hat ſie ihre volle Größe erlangt und geht in den Boden, um in einer Höhlung noch
vor Winters zur Puppe zu werden. Jm Mai oder Juni ſchlüpft der Schmetterling aus, welchen
man nie bei Tage fliegen ſieht. Einige Gattungsgenoſſen kommen ſehr frühzeitig, ſchon im März,
zum Vorſchein, wie der überall gemeine, ſchwach graubraun beſchuppte Kirſchenſpanner oder
Rauhflügel (A. hirtaria).

Der Blatträuber, Entblätterer, große Froſtſpanner (Hibernia defoliaria). Spät
im Jahre, zu einer Zeit, wo die meiſten anderen Juſekten ihre Winterquartiere aufgeſucht haben
und zum Theil ſchon der Erſtarrung anheimgefallen ſind, weil die Sonne keine Wärme mehr
ſpendet und die Pflanzen aufgehört haben, die nöthige Nahrung zu liefern, erſt im Oktober und
November erſcheint dieſer träge Spanner, welcher nicht einmal bei Tage die wenigen Sonnenblicke
benutzt, ſondern in den kalten Nächten taumelnd umherfliegt, um an den Stämmen der Bäume
eine Lebensgefährtin zu ſuchen, welche ihm nicht auf halbem Wege

[Abbildung] Der große Froſtſpanner
(Hibernla defoliaria). b Weibchen
a Männchen. c Raupe.
entgegenkommt, weil ihr das Flugvermögen verſagt wurde. Das
Männchen hat große, zarte und dünn beſchuppte Flügel von hellocker-
gelber Grundfarbe; ein dunkler Mittelpunkt und feine Sprenkelung
zeichnet alle aus und breit roſtbraune Umſäumung des Mittelfeldes
die vorderen noch insbeſondere. Die Beine tragen anliegende Schuppen
und die Fühler zwei Reihen Kammzähne. Das flügelloſe, gelb und
ſchwarzgeſcheckte Weibchen kriecht gegen Abend an den Baumſtämmen
in die Höhe, in der Erwartung, daß das Männchen ſeine Pflichten erfülle;
denn es will geſucht werden, und dieſes weiß es zu finden. Nach der
Paarung legt es ſeine Eier einzeln oder in geringer Anzahl ver-
einigt oben an die Knospen der Bäume, welche es mit ſeinen langen
Beinen zu Fuße in der kürzeſten Zeit erreicht. Schon vor Mitte April,
wenn es ſonſt die Witterung erlaubt, ſchlüpfen die Räupchen aus,
finden unter den Schuppen der Knospen Schutz und beginnen ihr
Zerſtörungswerk, bevor die Entwickelung dieſer möglich wird; an den
Obſtbäumen machen ſich dieſelben am leichteſten kenntlich und mitunter
für den Beſitzer empfindlich fühlbar, an den Waldbäumen weniger,
weil hier die Zerſtörung der Fruchtknospen wenig ſchadet. Die
erwachſene Raupe iſt auf dem Rücken braunroth, an der Bauch-
hälfte ſchwefelgelb und führt hier rothbraune Striche auf jedem Gliede. Zur Verpuppung ſucht
ſie die Erde auf, ſpinnt mit wenigen Fäden die kleine Höhle aus und verwandelt ſich in
eine rothbraune Puppe, welche in eine Stachelſpitze endet. Noch eine zweite gelbe Art deſſelben
Geſchlechts fliegt gleichzeitig mit dem großen Froſtſpanner (H. aurantiaria), zwei andere, eine
gleichfalls gelbe (H. progemmaria) und eine weißgraue (H. leucophaearia) im erſten Frühjahre,
zu welcher Zeit man auch Männchen unſerer Art gefunden haben will. Bei allen fehlen den
Weibchen die Flügel, das von progemmaria hat indeſſen ſtatt ihrer merkliche Läppchen.

Einen weſentlichen Gegenſatz bildet der Kiefern- oder Föhrenſpanner (Fidonia piniaria)
in ſeiner Erſcheinungsweiſe gegen den vorigen. Das Weibchen, nicht zurückgeſetzt in ſeiner Ent-
wickelung, fliegt gemeinſam mit dem Männchen an den warmen Tagen des Juni in wankenden,
aber dabei wilden Bewegungen zwiſchen den Stämmen und Nadeln der Föhren umher. Jn kurzen
Umflügen von den Nadeln nach den Stämmen, hier oder da mit aufrechten und zuſammengeklappten
Flügeln zeitweilig ausruhend, vertreiben ſich dieſe Falter die Langeweile, bis ſich die Pärchen
zuſammengefunden haben. Als ich einſt an einem recht ſchwülen Tage nach warmem Regen durch
einen Kiefernwald wanderte, welcher von ihnen gerade ſtark belebt war, umflatterten ſie mich zu
Hunderten, ſaßen auf dem Boden umher, daß man ſie faſt zertrat und trieben ſich an den Stämmen

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[359/0383] Harlekin. Birkenſpanner. Blatträuber. Kiefernſpanner. Birken, Ebereſchen und anderen Laubhölzern, ſcheint aber die Eiche allen vorzuziehen. Jm September oder Oktober hat ſie ihre volle Größe erlangt und geht in den Boden, um in einer Höhlung noch vor Winters zur Puppe zu werden. Jm Mai oder Juni ſchlüpft der Schmetterling aus, welchen man nie bei Tage fliegen ſieht. Einige Gattungsgenoſſen kommen ſehr frühzeitig, ſchon im März, zum Vorſchein, wie der überall gemeine, ſchwach graubraun beſchuppte Kirſchenſpanner oder Rauhflügel (A. hirtaria). Der Blatträuber, Entblätterer, große Froſtſpanner (Hibernia defoliaria). Spät im Jahre, zu einer Zeit, wo die meiſten anderen Juſekten ihre Winterquartiere aufgeſucht haben und zum Theil ſchon der Erſtarrung anheimgefallen ſind, weil die Sonne keine Wärme mehr ſpendet und die Pflanzen aufgehört haben, die nöthige Nahrung zu liefern, erſt im Oktober und November erſcheint dieſer träge Spanner, welcher nicht einmal bei Tage die wenigen Sonnenblicke benutzt, ſondern in den kalten Nächten taumelnd umherfliegt, um an den Stämmen der Bäume eine Lebensgefährtin zu ſuchen, welche ihm nicht auf halbem Wege [Abbildung Der große Froſtſpanner (Hibernla defoliaria). b Weibchen a Männchen. c Raupe.] entgegenkommt, weil ihr das Flugvermögen verſagt wurde. Das Männchen hat große, zarte und dünn beſchuppte Flügel von hellocker- gelber Grundfarbe; ein dunkler Mittelpunkt und feine Sprenkelung zeichnet alle aus und breit roſtbraune Umſäumung des Mittelfeldes die vorderen noch insbeſondere. Die Beine tragen anliegende Schuppen und die Fühler zwei Reihen Kammzähne. Das flügelloſe, gelb und ſchwarzgeſcheckte Weibchen kriecht gegen Abend an den Baumſtämmen in die Höhe, in der Erwartung, daß das Männchen ſeine Pflichten erfülle; denn es will geſucht werden, und dieſes weiß es zu finden. Nach der Paarung legt es ſeine Eier einzeln oder in geringer Anzahl ver- einigt oben an die Knospen der Bäume, welche es mit ſeinen langen Beinen zu Fuße in der kürzeſten Zeit erreicht. Schon vor Mitte April, wenn es ſonſt die Witterung erlaubt, ſchlüpfen die Räupchen aus, finden unter den Schuppen der Knospen Schutz und beginnen ihr Zerſtörungswerk, bevor die Entwickelung dieſer möglich wird; an den Obſtbäumen machen ſich dieſelben am leichteſten kenntlich und mitunter für den Beſitzer empfindlich fühlbar, an den Waldbäumen weniger, weil hier die Zerſtörung der Fruchtknospen wenig ſchadet. Die erwachſene Raupe iſt auf dem Rücken braunroth, an der Bauch- hälfte ſchwefelgelb und führt hier rothbraune Striche auf jedem Gliede. Zur Verpuppung ſucht ſie die Erde auf, ſpinnt mit wenigen Fäden die kleine Höhle aus und verwandelt ſich in eine rothbraune Puppe, welche in eine Stachelſpitze endet. Noch eine zweite gelbe Art deſſelben Geſchlechts fliegt gleichzeitig mit dem großen Froſtſpanner (H. aurantiaria), zwei andere, eine gleichfalls gelbe (H. progemmaria) und eine weißgraue (H. leucophaearia) im erſten Frühjahre, zu welcher Zeit man auch Männchen unſerer Art gefunden haben will. Bei allen fehlen den Weibchen die Flügel, das von progemmaria hat indeſſen ſtatt ihrer merkliche Läppchen. Einen weſentlichen Gegenſatz bildet der Kiefern- oder Föhrenſpanner (Fidonia piniaria) in ſeiner Erſcheinungsweiſe gegen den vorigen. Das Weibchen, nicht zurückgeſetzt in ſeiner Ent- wickelung, fliegt gemeinſam mit dem Männchen an den warmen Tagen des Juni in wankenden, aber dabei wilden Bewegungen zwiſchen den Stämmen und Nadeln der Föhren umher. Jn kurzen Umflügen von den Nadeln nach den Stämmen, hier oder da mit aufrechten und zuſammengeklappten Flügeln zeitweilig ausruhend, vertreiben ſich dieſe Falter die Langeweile, bis ſich die Pärchen zuſammengefunden haben. Als ich einſt an einem recht ſchwülen Tage nach warmem Regen durch einen Kiefernwald wanderte, welcher von ihnen gerade ſtark belebt war, umflatterten ſie mich zu Hunderten, ſaßen auf dem Boden umher, daß man ſie faſt zertrat und trieben ſich an den Stämmen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/383>, abgerufen am 27.11.2024.