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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Weideuspinner. Goldaster. Schwan.
Buche, Hainbuche, Rüster, Weide, Schwarzdorn), auch an den meisten Obstbäumen, an Rosen
und anderen Ziersträuchern der Gärten. Auf ihnen findet man Anfangs Juli das Weibchen
damit beschäftigt, seine Eier zu legen und zwar gewöhnlich an die Kehrseite der Blätter. Ver-
mittelst zweier Schuppen der Leibesspitze rupft es die rothbraunen Haare aus dem Polster und
bettet in diese die gleichzeitig gelegten Eier, welche in einen Haufen über einander gepackt werden.
Die hinteren Filzhaare des Polsters kommen zuerst an die Reihe, später die anderen, so daß zuletzt,
wenn nach einem bis zwei Tagen das Geschäft abgethan, ein sogenannter "kleiner Schwamm"
fertig, auch das Afterpolster fast gänzlich von der Leibesspitze verschwunden ist. Auf jenem
Schwamme, welcher länglich und dicker ist als der Hinterleib, bleibt das nun erschöpfte Weibchen
bisweilen todt hängen oder fällt herab. Nach 15 bis 20 Tagen, also Ende Juli, auch später,
kriechen die Räupchen aus und benagen die Blätter ihrer nächsten Umgebung. Sie sind schmuziggelb
und haben Kopf, Nacken und Reihen von Punkten auf dem Rücken schwarz. Allmälig
spinnen sie ein Nest, welches immer dichter gewebt wird, je näher die rauhe Jahreszeit kommt,
[Abbildung] a Männchen des Weidenspinners (Liparis salicis). b des Galdafters (L. chrysorrhoca). c Weibchen des Garten-
birnspinners
(L. auriflua).
und immer bemerkbarer, je mehr das Laub herabfällt; in ihm findet man meist den Eierschwamm.
Dies sind die sogenannten "großen Raupennester". Jm nächsten Jahre machen die Raupen
ihr Erwachen durch Ausfressen der Kuospen bemerklich, sonnen sich in den Astgabeln und gehen
in das alte Nest zurück oder spinnen ein neues, welches sie gleichfalls verlassen, sobald sie größer
geworden sind. Ende April erfolgt die zweite Häutung -- die erste war der Ueberwinterung vorausge-
gangen --, gegen Ende Mai die dritte. Die erwachsene Raupe ist stark behaart und dunkelbraun,
hat vom vierten Ringe an je einen weißen Seitenfleck, vom sechsteu bis zehnten zwei rothe, etwas
geschlängelte Rückenstreifen und eine ziegelrothe Warze mitten auf dem neunten und
zehnten Ringe.
Jn der ersten Hälfte des Juni erfolgt die Verpuppung in einem losen, durch-
scheinenden Gespinnste zwischen Blättern. -- Der Gartenbirnspinner oder Schwan (L. auriflua)
endlich ist dem vorigen zum Verwechseln ähnlich, nur sind die Afterbüschel lichter, mehr goldgelb,
und überdies hat der Junenrand der Vorderflügel einen ungewöhnlich langen Fransensaum. Seine
Lebens- und Entwickelungsgeschichte ist beinahe dieselbe; der goldgelbe Eierschwamm findet sich
weniger im Walde als in Gärten und Hecken, aber auch hier weit einzelner. Jn einem Punkte
gehen beide Spinner aber wesentlich aus einander. Nach der ersten Häutung vor Winters Anfang
zerstreuen sich die Räupchen; jede einzelne sucht an den gewöhnlichen Verstecken ein Unterkommen,
spinnt sich hier jedoch in ein weißes Futteral ein. Erwachsen ist sie schwarz, hat einen zinnober-
rothen Doppelstreifen längs des Rückens, einen einfachen über den Füßen, eine wellige, weiße
Seitenlinie und auf dem vierten, fünften und letzten Ringe einen schwarzen, weißbestäubten
Haarbüschel.

Der Schwammspinner, Dickkopf (L. dispar). Ein wunderbares Naturspiel kommt uns
zu statten, und erlaubt die beiden sehr verschiedenen Geschlechter dieses überall gemeinen Spinners
in einer Abbildung vorzusühren. Die rechte Seite des Zwitters (e) ist das graubraune, bedeutend

Weideuſpinner. Goldaſter. Schwan.
Buche, Hainbuche, Rüſter, Weide, Schwarzdorn), auch an den meiſten Obſtbäumen, an Roſen
und anderen Zierſträuchern der Gärten. Auf ihnen findet man Anfangs Juli das Weibchen
damit beſchäftigt, ſeine Eier zu legen und zwar gewöhnlich an die Kehrſeite der Blätter. Ver-
mittelſt zweier Schuppen der Leibesſpitze rupft es die rothbraunen Haare aus dem Polſter und
bettet in dieſe die gleichzeitig gelegten Eier, welche in einen Haufen über einander gepackt werden.
Die hinteren Filzhaare des Polſters kommen zuerſt an die Reihe, ſpäter die anderen, ſo daß zuletzt,
wenn nach einem bis zwei Tagen das Geſchäft abgethan, ein ſogenannter „kleiner Schwamm“
fertig, auch das Afterpolſter faſt gänzlich von der Leibesſpitze verſchwunden iſt. Auf jenem
Schwamme, welcher länglich und dicker iſt als der Hinterleib, bleibt das nun erſchöpfte Weibchen
bisweilen todt hängen oder fällt herab. Nach 15 bis 20 Tagen, alſo Ende Juli, auch ſpäter,
kriechen die Räupchen aus und benagen die Blätter ihrer nächſten Umgebung. Sie ſind ſchmuziggelb
und haben Kopf, Nacken und Reihen von Punkten auf dem Rücken ſchwarz. Allmälig
ſpinnen ſie ein Neſt, welches immer dichter gewebt wird, je näher die rauhe Jahreszeit kommt,
[Abbildung] a Männchen des Weidenſpinners (Liparis salicis). b des Galdafters (L. chrysorrhoca). c Weibchen des Garten-
birnſpinners
(L. auriflua).
und immer bemerkbarer, je mehr das Laub herabfällt; in ihm findet man meiſt den Eierſchwamm.
Dies ſind die ſogenannten „großen Raupenneſter“. Jm nächſten Jahre machen die Raupen
ihr Erwachen durch Ausfreſſen der Kuospen bemerklich, ſonnen ſich in den Aſtgabeln und gehen
in das alte Neſt zurück oder ſpinnen ein neues, welches ſie gleichfalls verlaſſen, ſobald ſie größer
geworden ſind. Ende April erfolgt die zweite Häutung — die erſte war der Ueberwinterung vorausge-
gangen —, gegen Ende Mai die dritte. Die erwachſene Raupe iſt ſtark behaart und dunkelbraun,
hat vom vierten Ringe an je einen weißen Seitenfleck, vom ſechsteu bis zehnten zwei rothe, etwas
geſchlängelte Rückenſtreifen und eine ziegelrothe Warze mitten auf dem neunten und
zehnten Ringe.
Jn der erſten Hälfte des Juni erfolgt die Verpuppung in einem loſen, durch-
ſcheinenden Geſpinnſte zwiſchen Blättern. — Der Gartenbirnſpinner oder Schwan (L. auriflua)
endlich iſt dem vorigen zum Verwechſeln ähnlich, nur ſind die Afterbüſchel lichter, mehr goldgelb,
und überdies hat der Junenrand der Vorderflügel einen ungewöhnlich langen Franſenſaum. Seine
Lebens- und Entwickelungsgeſchichte iſt beinahe dieſelbe; der goldgelbe Eierſchwamm findet ſich
weniger im Walde als in Gärten und Hecken, aber auch hier weit einzelner. Jn einem Punkte
gehen beide Spinner aber weſentlich aus einander. Nach der erſten Häutung vor Winters Anfang
zerſtreuen ſich die Räupchen; jede einzelne ſucht an den gewöhnlichen Verſtecken ein Unterkommen,
ſpinnt ſich hier jedoch in ein weißes Futteral ein. Erwachſen iſt ſie ſchwarz, hat einen zinnober-
rothen Doppelſtreifen längs des Rückens, einen einfachen über den Füßen, eine wellige, weiße
Seitenlinie und auf dem vierten, fünften und letzten Ringe einen ſchwarzen, weißbeſtäubten
Haarbüſchel.

Der Schwammſpinner, Dickkopf (L. dispar). Ein wunderbares Naturſpiel kommt uns
zu ſtatten, und erlaubt die beiden ſehr verſchiedenen Geſchlechter dieſes überall gemeinen Spinners
in einer Abbildung vorzuſühren. Die rechte Seite des Zwitters (e) iſt das graubraune, bedeutend

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[335/0359] Weideuſpinner. Goldaſter. Schwan. Buche, Hainbuche, Rüſter, Weide, Schwarzdorn), auch an den meiſten Obſtbäumen, an Roſen und anderen Zierſträuchern der Gärten. Auf ihnen findet man Anfangs Juli das Weibchen damit beſchäftigt, ſeine Eier zu legen und zwar gewöhnlich an die Kehrſeite der Blätter. Ver- mittelſt zweier Schuppen der Leibesſpitze rupft es die rothbraunen Haare aus dem Polſter und bettet in dieſe die gleichzeitig gelegten Eier, welche in einen Haufen über einander gepackt werden. Die hinteren Filzhaare des Polſters kommen zuerſt an die Reihe, ſpäter die anderen, ſo daß zuletzt, wenn nach einem bis zwei Tagen das Geſchäft abgethan, ein ſogenannter „kleiner Schwamm“ fertig, auch das Afterpolſter faſt gänzlich von der Leibesſpitze verſchwunden iſt. Auf jenem Schwamme, welcher länglich und dicker iſt als der Hinterleib, bleibt das nun erſchöpfte Weibchen bisweilen todt hängen oder fällt herab. Nach 15 bis 20 Tagen, alſo Ende Juli, auch ſpäter, kriechen die Räupchen aus und benagen die Blätter ihrer nächſten Umgebung. Sie ſind ſchmuziggelb und haben Kopf, Nacken und Reihen von Punkten auf dem Rücken ſchwarz. Allmälig ſpinnen ſie ein Neſt, welches immer dichter gewebt wird, je näher die rauhe Jahreszeit kommt, [Abbildung a Männchen des Weidenſpinners (Liparis salicis). b des Galdafters (L. chrysorrhoca). c Weibchen des Garten- birnſpinners (L. auriflua).] und immer bemerkbarer, je mehr das Laub herabfällt; in ihm findet man meiſt den Eierſchwamm. Dies ſind die ſogenannten „großen Raupenneſter“. Jm nächſten Jahre machen die Raupen ihr Erwachen durch Ausfreſſen der Kuospen bemerklich, ſonnen ſich in den Aſtgabeln und gehen in das alte Neſt zurück oder ſpinnen ein neues, welches ſie gleichfalls verlaſſen, ſobald ſie größer geworden ſind. Ende April erfolgt die zweite Häutung — die erſte war der Ueberwinterung vorausge- gangen —, gegen Ende Mai die dritte. Die erwachſene Raupe iſt ſtark behaart und dunkelbraun, hat vom vierten Ringe an je einen weißen Seitenfleck, vom ſechsteu bis zehnten zwei rothe, etwas geſchlängelte Rückenſtreifen und eine ziegelrothe Warze mitten auf dem neunten und zehnten Ringe. Jn der erſten Hälfte des Juni erfolgt die Verpuppung in einem loſen, durch- ſcheinenden Geſpinnſte zwiſchen Blättern. — Der Gartenbirnſpinner oder Schwan (L. auriflua) endlich iſt dem vorigen zum Verwechſeln ähnlich, nur ſind die Afterbüſchel lichter, mehr goldgelb, und überdies hat der Junenrand der Vorderflügel einen ungewöhnlich langen Franſenſaum. Seine Lebens- und Entwickelungsgeſchichte iſt beinahe dieſelbe; der goldgelbe Eierſchwamm findet ſich weniger im Walde als in Gärten und Hecken, aber auch hier weit einzelner. Jn einem Punkte gehen beide Spinner aber weſentlich aus einander. Nach der erſten Häutung vor Winters Anfang zerſtreuen ſich die Räupchen; jede einzelne ſucht an den gewöhnlichen Verſtecken ein Unterkommen, ſpinnt ſich hier jedoch in ein weißes Futteral ein. Erwachſen iſt ſie ſchwarz, hat einen zinnober- rothen Doppelſtreifen längs des Rückens, einen einfachen über den Füßen, eine wellige, weiße Seitenlinie und auf dem vierten, fünften und letzten Ringe einen ſchwarzen, weißbeſtäubten Haarbüſchel. Der Schwammſpinner, Dickkopf (L. dispar). Ein wunderbares Naturſpiel kommt uns zu ſtatten, und erlaubt die beiden ſehr verſchiedenen Geſchlechter dieſes überall gemeinen Spinners in einer Abbildung vorzuſühren. Die rechte Seite des Zwitters (e) iſt das graubraune, bedeutend

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/359>, abgerufen am 23.11.2024.