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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Nematus. Cladius.
ausreichend, um das Ei zur Entwickelung zu bringen; dabei schwillt es etwas an und der Kitt
löst sich von felbst, so daß die junge Afterraupe ohne Mühe herauskriechen kann. Berechnen wir
die bei den verschiedenen Ständen bereits angeführten Zeiten ihrer Entwickelung, so ergibt sich im
günstigsten Falle eine Lebensdauer vom Ei bis zum Schwärmen der Wespe von etwa drei Mo-
naten. Findet letzteres nach normalen Witterungsverhältnissen zum ersten Male im April statt,
so wird im Juli die zweite, gewöhnlich immer zahlreichere Brut schwärmen, und der Fraß der
Raupen fällt somit in den Mai und Juni von der ersten, in den August und September von der zweiten
Generation, welche unter Moos ihre Cocons spinnt, darin überwintert und im nächsten Jahre
wieder den Anfang macht. Jndeß muß man nicht meinen, daß diese Regelmäßigkeit auch immer
Statt habe; nach sorgfältig angestellten Beobachtungen kann die erste Generation im nächsten Früh-
linge zur Entwickelung gelangen, oder im Nachsommer, ja selbst mit Ueberspringung eines ganzen
Jahres erst im dritten, ebenso wenig braucht die Brut des Spätsommers gerade den ersten Schwarm
im folgenden Frühjahre zu bilden. Merkwürdig bleibt hierbei der Umstand, daß die Larven
derselben Wespenart wenige Tage in ihrem Cocon ruhen und in einem allerdings selteneren Falle
mehrere Jahre. Jm Allgemeinen ist die Afterraupe gegen äußere Einflüsse ziemlich empfindlich,
besonders in der zarten Jugend und vor dem Verspinnen; es fehlt nicht an Beispielen, wo man
nach einer kühlen Nacht, einem heftigen Gewitterregen, nach Höhenrauch etc. ganze Familien in
den verschiedensten Stellungen und Färbungen todt, theils auf den Nadeln, theils unter den Bäumen
angetroffen hat. Daß sie außerdem von vielen Schmarotzern aufgesucht werden -- man hat bei-
nahe vierzig verschiedene Arten daraus erzogen -- geht aus dem Vorhergehenden zur Genüge
hervor. Jm Winter schleppen die Mäuse gern die Cocons zusammen und fressen sie aus.

Nematus ist eine sehr verbreitete Gattung, deren Arten wegen der großen Uebereinstimmung
in der unbestimmten oft matten Färbung unzureichende Unterschiede bieten; neungliederige, borstige
Fühler, welche in Vergleich zum kleinen Körper oft ziemlich lang erscheinen, eine Radialzelle und
vier in der Anlage verhandene Cubitalzellen, welche aber wegen Fehlschlagens der Ader zwischen
den beiden ersten nicht immer zu Stande kommen, und deren zweite beide rücklaufende Adern aufnimmt,
bilden den Gattungscharakter. Die Larven haben zwanzig Füße. Unter ihnen fällt die in der
Mitte des Körpers grünblaue, an beiden Enden gelb gefärbte, durchaus schwarz punktirte und
schwarzköpfige, eines jener oben erwähnten Fragezeichen, vom Juli bis Oktober an verschiedenen
Weidenarten in die Augen. Sie gehört dem Nematus salicis an, einer gelben, am Scheitel,
Flügelmale, den Fühlern und mitten auf dem Thoraxrücken fleckig schwarzen Wespe von vier
und einer halben Linie Länge. -- Der höchstens drei Linien lange, röthlich gelbe Nematus ventri-
cosus,
welcher noch eine Menge andere Namen erhielt, ist am Kopfe außer dem Munde und der
Unterseite der Fühler, an drei Flecken auf dem Brustrücken, an der Brust mehr oder weniger und
an der Wurzel des männlichen Hinterleibes schwarzen Schienenspitze und Tarsen der Hinterbeine braun.
Seine schmuziggrüne, an den Seiten des ersten und der drei letzten Glieder gelbe, schwarzwarzige,
schwarzköpfige und kurzhaarige Raupe frißt im Mai manchmal die Stachelbeer- und Johannis-
beerbüsche ganz kahl und erscheint zum zweiten Male desselben Jahres im Juli und August. Von
Raupen, welche am 22. Mai eingetragen waren, erhielt ich schon am 3. Juni zwei weibliche
Wespen. Daraus, daß ein Weibchen bis 120 Eier absetzen kann, erklärt sich die starke Ver-
mehrung. -- Nur dadurch, daß die zweite und dritte Unterrandzelle je einen der rücklaufenden
Nerven aufnimmt und die Männchen bisweilen eigenthümliche Aeste an ihren Fühlern tragen,
unterscheidet sich die Gattung Cladius von der vorigen, und der Cladius viminalis Fallen's oder
C. encerus Klug's ist eine gleichfalls gelbe Wespe, welche nur am ganzen Kopfe, an dem Thorax-
rücken und einem Mittelflecke der Brust schwarz glänzt, und deren dottergelbe, schwarzköpfige, reihen-
weise schwarzgefleckte Larve zu dreien und vieren auf der Unterseite der Zitterpappelblätter neben
einander aufmarschirt und Löcher mitten in die Blattfläche frißt, oder im Herbst unruhig an den
Stämmen der Pappelbänme umherkriecht, um von da die Erde aufzusuchen.

Nematus. Cladius.
ausreichend, um das Ei zur Entwickelung zu bringen; dabei ſchwillt es etwas an und der Kitt
löſt ſich von felbſt, ſo daß die junge Afterraupe ohne Mühe herauskriechen kann. Berechnen wir
die bei den verſchiedenen Ständen bereits angeführten Zeiten ihrer Entwickelung, ſo ergibt ſich im
günſtigſten Falle eine Lebensdauer vom Ei bis zum Schwärmen der Wespe von etwa drei Mo-
naten. Findet letzteres nach normalen Witterungsverhältniſſen zum erſten Male im April ſtatt,
ſo wird im Juli die zweite, gewöhnlich immer zahlreichere Brut ſchwärmen, und der Fraß der
Raupen fällt ſomit in den Mai und Juni von der erſten, in den Auguſt und September von der zweiten
Generation, welche unter Moos ihre Cocons ſpinnt, darin überwintert und im nächſten Jahre
wieder den Anfang macht. Jndeß muß man nicht meinen, daß dieſe Regelmäßigkeit auch immer
Statt habe; nach ſorgfältig angeſtellten Beobachtungen kann die erſte Generation im nächſten Früh-
linge zur Entwickelung gelangen, oder im Nachſommer, ja ſelbſt mit Ueberſpringung eines ganzen
Jahres erſt im dritten, ebenſo wenig braucht die Brut des Spätſommers gerade den erſten Schwarm
im folgenden Frühjahre zu bilden. Merkwürdig bleibt hierbei der Umſtand, daß die Larven
derſelben Wespenart wenige Tage in ihrem Cocon ruhen und in einem allerdings ſelteneren Falle
mehrere Jahre. Jm Allgemeinen iſt die Afterraupe gegen äußere Einflüſſe ziemlich empfindlich,
beſonders in der zarten Jugend und vor dem Verſpinnen; es fehlt nicht an Beiſpielen, wo man
nach einer kühlen Nacht, einem heftigen Gewitterregen, nach Höhenrauch ꝛc. ganze Familien in
den verſchiedenſten Stellungen und Färbungen todt, theils auf den Nadeln, theils unter den Bäumen
angetroffen hat. Daß ſie außerdem von vielen Schmarotzern aufgeſucht werden — man hat bei-
nahe vierzig verſchiedene Arten daraus erzogen — geht aus dem Vorhergehenden zur Genüge
hervor. Jm Winter ſchleppen die Mäuſe gern die Cocons zuſammen und freſſen ſie aus.

Nematus iſt eine ſehr verbreitete Gattung, deren Arten wegen der großen Uebereinſtimmung
in der unbeſtimmten oft matten Färbung unzureichende Unterſchiede bieten; neungliederige, borſtige
Fühler, welche in Vergleich zum kleinen Körper oft ziemlich lang erſcheinen, eine Radialzelle und
vier in der Anlage verhandene Cubitalzellen, welche aber wegen Fehlſchlagens der Ader zwiſchen
den beiden erſten nicht immer zu Stande kommen, und deren zweite beide rücklaufende Adern aufnimmt,
bilden den Gattungscharakter. Die Larven haben zwanzig Füße. Unter ihnen fällt die in der
Mitte des Körpers grünblaue, an beiden Enden gelb gefärbte, durchaus ſchwarz punktirte und
ſchwarzköpfige, eines jener oben erwähnten Fragezeichen, vom Juli bis Oktober an verſchiedenen
Weidenarten in die Augen. Sie gehört dem Nematus salicis an, einer gelben, am Scheitel,
Flügelmale, den Fühlern und mitten auf dem Thoraxrücken fleckig ſchwarzen Wespe von vier
und einer halben Linie Länge. — Der höchſtens drei Linien lange, röthlich gelbe Nematus ventri-
cosus,
welcher noch eine Menge andere Namen erhielt, iſt am Kopfe außer dem Munde und der
Unterſeite der Fühler, an drei Flecken auf dem Bruſtrücken, an der Bruſt mehr oder weniger und
an der Wurzel des männlichen Hinterleibes ſchwarzen Schienenſpitze und Tarſen der Hinterbeine braun.
Seine ſchmuziggrüne, an den Seiten des erſten und der drei letzten Glieder gelbe, ſchwarzwarzige,
ſchwarzköpfige und kurzhaarige Raupe frißt im Mai manchmal die Stachelbeer- und Johannis-
beerbüſche ganz kahl und erſcheint zum zweiten Male deſſelben Jahres im Juli und Auguſt. Von
Raupen, welche am 22. Mai eingetragen waren, erhielt ich ſchon am 3. Juni zwei weibliche
Wespen. Daraus, daß ein Weibchen bis 120 Eier abſetzen kann, erklärt ſich die ſtarke Ver-
mehrung. — Nur dadurch, daß die zweite und dritte Unterrandzelle je einen der rücklaufenden
Nerven aufnimmt und die Männchen bisweilen eigenthümliche Aeſte an ihren Fühlern tragen,
unterſcheidet ſich die Gattung Cladius von der vorigen, und der Cladius viminalis Fallen’s oder
C. encerus Klug’s iſt eine gleichfalls gelbe Wespe, welche nur am ganzen Kopfe, an dem Thorax-
rücken und einem Mittelflecke der Bruſt ſchwarz glänzt, und deren dottergelbe, ſchwarzköpfige, reihen-
weiſe ſchwarzgefleckte Larve zu dreien und vieren auf der Unterſeite der Zitterpappelblätter neben
einander aufmarſchirt und Löcher mitten in die Blattfläche frißt, oder im Herbſt unruhig an den
Stämmen der Pappelbänme umherkriecht, um von da die Erde aufzuſuchen.

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[283/0305] Nematus. Cladius. ausreichend, um das Ei zur Entwickelung zu bringen; dabei ſchwillt es etwas an und der Kitt löſt ſich von felbſt, ſo daß die junge Afterraupe ohne Mühe herauskriechen kann. Berechnen wir die bei den verſchiedenen Ständen bereits angeführten Zeiten ihrer Entwickelung, ſo ergibt ſich im günſtigſten Falle eine Lebensdauer vom Ei bis zum Schwärmen der Wespe von etwa drei Mo- naten. Findet letzteres nach normalen Witterungsverhältniſſen zum erſten Male im April ſtatt, ſo wird im Juli die zweite, gewöhnlich immer zahlreichere Brut ſchwärmen, und der Fraß der Raupen fällt ſomit in den Mai und Juni von der erſten, in den Auguſt und September von der zweiten Generation, welche unter Moos ihre Cocons ſpinnt, darin überwintert und im nächſten Jahre wieder den Anfang macht. Jndeß muß man nicht meinen, daß dieſe Regelmäßigkeit auch immer Statt habe; nach ſorgfältig angeſtellten Beobachtungen kann die erſte Generation im nächſten Früh- linge zur Entwickelung gelangen, oder im Nachſommer, ja ſelbſt mit Ueberſpringung eines ganzen Jahres erſt im dritten, ebenſo wenig braucht die Brut des Spätſommers gerade den erſten Schwarm im folgenden Frühjahre zu bilden. Merkwürdig bleibt hierbei der Umſtand, daß die Larven derſelben Wespenart wenige Tage in ihrem Cocon ruhen und in einem allerdings ſelteneren Falle mehrere Jahre. Jm Allgemeinen iſt die Afterraupe gegen äußere Einflüſſe ziemlich empfindlich, beſonders in der zarten Jugend und vor dem Verſpinnen; es fehlt nicht an Beiſpielen, wo man nach einer kühlen Nacht, einem heftigen Gewitterregen, nach Höhenrauch ꝛc. ganze Familien in den verſchiedenſten Stellungen und Färbungen todt, theils auf den Nadeln, theils unter den Bäumen angetroffen hat. Daß ſie außerdem von vielen Schmarotzern aufgeſucht werden — man hat bei- nahe vierzig verſchiedene Arten daraus erzogen — geht aus dem Vorhergehenden zur Genüge hervor. Jm Winter ſchleppen die Mäuſe gern die Cocons zuſammen und freſſen ſie aus. Nematus iſt eine ſehr verbreitete Gattung, deren Arten wegen der großen Uebereinſtimmung in der unbeſtimmten oft matten Färbung unzureichende Unterſchiede bieten; neungliederige, borſtige Fühler, welche in Vergleich zum kleinen Körper oft ziemlich lang erſcheinen, eine Radialzelle und vier in der Anlage verhandene Cubitalzellen, welche aber wegen Fehlſchlagens der Ader zwiſchen den beiden erſten nicht immer zu Stande kommen, und deren zweite beide rücklaufende Adern aufnimmt, bilden den Gattungscharakter. Die Larven haben zwanzig Füße. Unter ihnen fällt die in der Mitte des Körpers grünblaue, an beiden Enden gelb gefärbte, durchaus ſchwarz punktirte und ſchwarzköpfige, eines jener oben erwähnten Fragezeichen, vom Juli bis Oktober an verſchiedenen Weidenarten in die Augen. Sie gehört dem Nematus salicis an, einer gelben, am Scheitel, Flügelmale, den Fühlern und mitten auf dem Thoraxrücken fleckig ſchwarzen Wespe von vier und einer halben Linie Länge. — Der höchſtens drei Linien lange, röthlich gelbe Nematus ventri- cosus, welcher noch eine Menge andere Namen erhielt, iſt am Kopfe außer dem Munde und der Unterſeite der Fühler, an drei Flecken auf dem Bruſtrücken, an der Bruſt mehr oder weniger und an der Wurzel des männlichen Hinterleibes ſchwarzen Schienenſpitze und Tarſen der Hinterbeine braun. Seine ſchmuziggrüne, an den Seiten des erſten und der drei letzten Glieder gelbe, ſchwarzwarzige, ſchwarzköpfige und kurzhaarige Raupe frißt im Mai manchmal die Stachelbeer- und Johannis- beerbüſche ganz kahl und erſcheint zum zweiten Male deſſelben Jahres im Juli und Auguſt. Von Raupen, welche am 22. Mai eingetragen waren, erhielt ich ſchon am 3. Juni zwei weibliche Wespen. Daraus, daß ein Weibchen bis 120 Eier abſetzen kann, erklärt ſich die ſtarke Ver- mehrung. — Nur dadurch, daß die zweite und dritte Unterrandzelle je einen der rücklaufenden Nerven aufnimmt und die Männchen bisweilen eigenthümliche Aeſte an ihren Fühlern tragen, unterſcheidet ſich die Gattung Cladius von der vorigen, und der Cladius viminalis Fallen’s oder C. encerus Klug’s iſt eine gleichfalls gelbe Wespe, welche nur am ganzen Kopfe, an dem Thorax- rücken und einem Mittelflecke der Bruſt ſchwarz glänzt, und deren dottergelbe, ſchwarzköpfige, reihen- weiſe ſchwarzgefleckte Larve zu dreien und vieren auf der Unterſeite der Zitterpappelblätter neben einander aufmarſchirt und Löcher mitten in die Blattfläche frißt, oder im Herbſt unruhig an den Stämmen der Pappelbänme umherkriecht, um von da die Erde aufzuſuchen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/305>, abgerufen am 21.05.2024.