sich eine größere Menge am künstigen Kopfende ansammeln. Hiermit hat sich die Keimhaut in den einfachen, zungenförmigen "Keimstreifen" umgewandelt, durch weitere Anziehung theilt sich der Keimstreifen nach beiden Seiten in zwei strangförmige, neben einander verlaufende, auf der Jnnenseite durch eine mehr oder weniger deutliche Furche getrennte Körper, die beiden "Keimwülste", welche den symmetrischen Bau der Gliederthiere bedingen -- nicht nur bei den Jnsekten, sondern bei allen Gliederthieren ist die Entwickelung aus dem Eie im Wesentlichen dieselbe. -- Gleichzeitig trennt sich nach außen das sogenannte "äußere Blatt" ab, welches zuletzt die Haut des Embryo bildet, während aus den Keimwülsten, die man im Gegensatze dazu das "innere Blatt" nennt, alles Uebrige entsteht. Durch fortgesetztes Zusammenziehen der Länge nach treten nun die einzelnen Körpertheile auf, zuerst in kleinen Abschnitten um einzelne, hinter einander liegende Mittelpunkte die Andeutungen der Segmente. Gleichzeitig entstehen auch Verkürzungen in größeren Abschnitten und endlich in der ganzen Ausdehnung der Keimwülste, sodaß die drei Hauptabschnitte des Körpers unterscheidbar werden. Die Entwickelung, die wir in das Einzelne nicht weiter verfolgen können, hat nun gelehrt, daß ursprünglich auch der Kopf aus mehreren Ursegmenten besteht, sie hat ferner Fingerzeige an die Hand gegeben für die Deutung besonders der Kiefern und vordersten Beine, deren Verrichtungen, wie wir später bei den Spinnen und Krebsen sehen werden, nicht in der Weise angeordnet zu sein brauchen, wie wir es weiter oben bei den Jnsekten gefunden haben, wo die beiden Kiefern als Mundtheile, die Vorderbeine zum Gehen dienen. Die ersten Anfänge beginnen in der Entwickelung von der Bauchseite des künftigen Embryo, und am Rücken schließen sich zuletzt die seitlich sich mehr und mehr ausdehnenden Keimwülste. Auf Kosten des Dotters, der mehr und mehr schwindet, sprossen die Gliedmaßen aus besonderen Keimanlagen hervor und in verhältnißmäßig kurzer Zeit ist das Junge soweit fertig, um die Eischale zu sprengen und ein selbstständiges Leben zu beginnen.
Das Junge ist eine Larve; denn es hat in den meisten Fällen nicht die mindeste Aehnlichkeit mit dem vollkommen entwickelten Jnsekt, vermummt vielmehr dessen wahre Gestalt, kriecht wie ein Wurm an oder in der Erde umher und stillt seinen stets regen Appetit mit Blättern, Thieren, oder der Verwesung anheimgefallenen Stoffen, während dieses in ganz anderer Gestalt auf leichten Schwingen durch die Lüfte schwebt und Honigseim oder Morgenthau zur Nahrung wählt. Zwischen beiden liegt die Puppenruhe als Uebergangszustand. Erst dann also, wenn es seine Larve und Verhüllungen als Puppe abgelegt hat, erscheint das Jmago, das wahre vollendete Bild dessen, was jene noch verbargen. Mit anderen Worten: das Jnsekt besteht eine voll- kommene Verwandelung oder Metamorphose. Doch gilt dies nicht von allen. Bei anderen, die jedoch in der Minderheit bleiben, gleicht die Larve in der Hauptsache ihren Aeltern, nur fehlen ihr die Flügel, einige Fühler- und Fußglieder oder sonstige, leicht zu übersehende Eigen- thümlichkeiten; solche bestehen nur unvollkommene Verwandelung. Endlich findet sich unter den letzteren noch eine kleine Anzahl, die als Jmago nie Flügel bekommen und darum in dem eben ausgesprochenen Sinne gar keine Metamorphose haben. Sie bilden in dieser Hinsicht wenigstens einen Uebergang zu den übrigen Gliederthieren, die zu ihrer vollen Ausbildung der Verwandelung gar nicht bedürfen.
Die Metamorphose der Jnsekten ist den Forschern des grauen Alterthums nicht verborgen geblieben und hat von jeher zu Vergleichen aufgefordert mit dem leiblichen und seelischen Leben des Menschen. Swammerdam, welcher tiefe Blicke in die Geheimnisse der Natur gethan hat und sich wohl bewußt war, wie weit er in seinen Parallelen gehen durfte, läßt sich an einer Stelle, wo er von der Metamorphose handelt, zu etwa folgenden Aeußerungen hinreißen: "Dieser Vorgang geschieht bei dem Schmetterlinge auf eine so wunderbare Weise, daß wir die Auf- erstehung vor unseren Augen abgebildet sehen, daß wir sie mit den Händen greifen können.
Brutpflege. Metamorphoſe.
ſich eine größere Menge am künſtigen Kopfende anſammeln. Hiermit hat ſich die Keimhaut in den einfachen, zungenförmigen „Keimſtreifen“ umgewandelt, durch weitere Anziehung theilt ſich der Keimſtreifen nach beiden Seiten in zwei ſtrangförmige, neben einander verlaufende, auf der Jnnenſeite durch eine mehr oder weniger deutliche Furche getrennte Körper, die beiden „Keimwülſte“, welche den ſymmetriſchen Bau der Gliederthiere bedingen — nicht nur bei den Jnſekten, ſondern bei allen Gliederthieren iſt die Entwickelung aus dem Eie im Weſentlichen dieſelbe. — Gleichzeitig trennt ſich nach außen das ſogenannte „äußere Blatt“ ab, welches zuletzt die Haut des Embryo bildet, während aus den Keimwülſten, die man im Gegenſatze dazu das „innere Blatt“ nennt, alles Uebrige entſteht. Durch fortgeſetztes Zuſammenziehen der Länge nach treten nun die einzelnen Körpertheile auf, zuerſt in kleinen Abſchnitten um einzelne, hinter einander liegende Mittelpunkte die Andeutungen der Segmente. Gleichzeitig entſtehen auch Verkürzungen in größeren Abſchnitten und endlich in der ganzen Ausdehnung der Keimwülſte, ſodaß die drei Hauptabſchnitte des Körpers unterſcheidbar werden. Die Entwickelung, die wir in das Einzelne nicht weiter verfolgen können, hat nun gelehrt, daß urſprünglich auch der Kopf aus mehreren Urſegmenten beſteht, ſie hat ferner Fingerzeige an die Hand gegeben für die Deutung beſonders der Kiefern und vorderſten Beine, deren Verrichtungen, wie wir ſpäter bei den Spinnen und Krebſen ſehen werden, nicht in der Weiſe angeordnet zu ſein brauchen, wie wir es weiter oben bei den Jnſekten gefunden haben, wo die beiden Kiefern als Mundtheile, die Vorderbeine zum Gehen dienen. Die erſten Anfänge beginnen in der Entwickelung von der Bauchſeite des künftigen Embryo, und am Rücken ſchließen ſich zuletzt die ſeitlich ſich mehr und mehr ausdehnenden Keimwülſte. Auf Koſten des Dotters, der mehr und mehr ſchwindet, ſproſſen die Gliedmaßen aus beſonderen Keimanlagen hervor und in verhältnißmäßig kurzer Zeit iſt das Junge ſoweit fertig, um die Eiſchale zu ſprengen und ein ſelbſtſtändiges Leben zu beginnen.
Das Junge iſt eine Larve; denn es hat in den meiſten Fällen nicht die mindeſte Aehnlichkeit mit dem vollkommen entwickelten Jnſekt, vermummt vielmehr deſſen wahre Geſtalt, kriecht wie ein Wurm an oder in der Erde umher und ſtillt ſeinen ſtets regen Appetit mit Blättern, Thieren, oder der Verweſung anheimgefallenen Stoffen, während dieſes in ganz anderer Geſtalt auf leichten Schwingen durch die Lüfte ſchwebt und Honigſeim oder Morgenthau zur Nahrung wählt. Zwiſchen beiden liegt die Puppenruhe als Uebergangszuſtand. Erſt dann alſo, wenn es ſeine Larve und Verhüllungen als Puppe abgelegt hat, erſcheint das Jmago, das wahre vollendete Bild deſſen, was jene noch verbargen. Mit anderen Worten: das Jnſekt beſteht eine voll- kommene Verwandelung oder Metamorphoſe. Doch gilt dies nicht von allen. Bei anderen, die jedoch in der Minderheit bleiben, gleicht die Larve in der Hauptſache ihren Aeltern, nur fehlen ihr die Flügel, einige Fühler- und Fußglieder oder ſonſtige, leicht zu überſehende Eigen- thümlichkeiten; ſolche beſtehen nur unvollkommene Verwandelung. Endlich findet ſich unter den letzteren noch eine kleine Anzahl, die als Jmago nie Flügel bekommen und darum in dem eben ausgeſprochenen Sinne gar keine Metamorphoſe haben. Sie bilden in dieſer Hinſicht wenigſtens einen Uebergang zu den übrigen Gliederthieren, die zu ihrer vollen Ausbildung der Verwandelung gar nicht bedürfen.
Die Metamorphoſe der Jnſekten iſt den Forſchern des grauen Alterthums nicht verborgen geblieben und hat von jeher zu Vergleichen aufgefordert mit dem leiblichen und ſeeliſchen Leben des Menſchen. Swammerdam, welcher tiefe Blicke in die Geheimniſſe der Natur gethan hat und ſich wohl bewußt war, wie weit er in ſeinen Parallelen gehen durfte, läßt ſich an einer Stelle, wo er von der Metamorphoſe handelt, zu etwa folgenden Aeußerungen hinreißen: „Dieſer Vorgang geſchieht bei dem Schmetterlinge auf eine ſo wunderbare Weiſe, daß wir die Auf- erſtehung vor unſeren Augen abgebildet ſehen, daß wir ſie mit den Händen greifen können.
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[15/0027]
Brutpflege. Metamorphoſe.
ſich eine größere Menge am künſtigen Kopfende anſammeln. Hiermit hat ſich die Keimhaut in
den einfachen, zungenförmigen „Keimſtreifen“ umgewandelt, durch weitere Anziehung theilt ſich
der Keimſtreifen nach beiden Seiten in zwei ſtrangförmige, neben einander verlaufende, auf der
Jnnenſeite durch eine mehr oder weniger deutliche Furche getrennte Körper, die beiden „Keimwülſte“,
welche den ſymmetriſchen Bau der Gliederthiere bedingen — nicht nur bei den Jnſekten, ſondern
bei allen Gliederthieren iſt die Entwickelung aus dem Eie im Weſentlichen dieſelbe. — Gleichzeitig
trennt ſich nach außen das ſogenannte „äußere Blatt“ ab, welches zuletzt die Haut des Embryo
bildet, während aus den Keimwülſten, die man im Gegenſatze dazu das „innere Blatt“ nennt,
alles Uebrige entſteht. Durch fortgeſetztes Zuſammenziehen der Länge nach treten nun die einzelnen
Körpertheile auf, zuerſt in kleinen Abſchnitten um einzelne, hinter einander liegende Mittelpunkte
die Andeutungen der Segmente. Gleichzeitig entſtehen auch Verkürzungen in größeren Abſchnitten
und endlich in der ganzen Ausdehnung der Keimwülſte, ſodaß die drei Hauptabſchnitte des Körpers
unterſcheidbar werden. Die Entwickelung, die wir in das Einzelne nicht weiter verfolgen können,
hat nun gelehrt, daß urſprünglich auch der Kopf aus mehreren Urſegmenten beſteht, ſie hat ferner
Fingerzeige an die Hand gegeben für die Deutung beſonders der Kiefern und vorderſten Beine,
deren Verrichtungen, wie wir ſpäter bei den Spinnen und Krebſen ſehen werden, nicht in der
Weiſe angeordnet zu ſein brauchen, wie wir es weiter oben bei den Jnſekten gefunden haben, wo
die beiden Kiefern als Mundtheile, die Vorderbeine zum Gehen dienen. Die erſten Anfänge
beginnen in der Entwickelung von der Bauchſeite des künftigen Embryo, und am Rücken ſchließen
ſich zuletzt die ſeitlich ſich mehr und mehr ausdehnenden Keimwülſte. Auf Koſten des Dotters,
der mehr und mehr ſchwindet, ſproſſen die Gliedmaßen aus beſonderen Keimanlagen hervor und in
verhältnißmäßig kurzer Zeit iſt das Junge ſoweit fertig, um die Eiſchale zu ſprengen und ein
ſelbſtſtändiges Leben zu beginnen.
Das Junge iſt eine Larve; denn es hat in den meiſten Fällen nicht die mindeſte Aehnlichkeit
mit dem vollkommen entwickelten Jnſekt, vermummt vielmehr deſſen wahre Geſtalt, kriecht wie
ein Wurm an oder in der Erde umher und ſtillt ſeinen ſtets regen Appetit mit Blättern, Thieren,
oder der Verweſung anheimgefallenen Stoffen, während dieſes in ganz anderer Geſtalt auf leichten
Schwingen durch die Lüfte ſchwebt und Honigſeim oder Morgenthau zur Nahrung wählt.
Zwiſchen beiden liegt die Puppenruhe als Uebergangszuſtand. Erſt dann alſo, wenn es ſeine
Larve und Verhüllungen als Puppe abgelegt hat, erſcheint das Jmago, das wahre vollendete
Bild deſſen, was jene noch verbargen. Mit anderen Worten: das Jnſekt beſteht eine voll-
kommene Verwandelung oder Metamorphoſe. Doch gilt dies nicht von allen. Bei
anderen, die jedoch in der Minderheit bleiben, gleicht die Larve in der Hauptſache ihren Aeltern,
nur fehlen ihr die Flügel, einige Fühler- und Fußglieder oder ſonſtige, leicht zu überſehende Eigen-
thümlichkeiten; ſolche beſtehen nur unvollkommene Verwandelung. Endlich findet ſich
unter den letzteren noch eine kleine Anzahl, die als Jmago nie Flügel bekommen und darum in
dem eben ausgeſprochenen Sinne gar keine Metamorphoſe haben. Sie bilden in dieſer Hinſicht
wenigſtens einen Uebergang zu den übrigen Gliederthieren, die zu ihrer vollen Ausbildung der
Verwandelung gar nicht bedürfen.
Die Metamorphoſe der Jnſekten iſt den Forſchern des grauen Alterthums nicht verborgen
geblieben und hat von jeher zu Vergleichen aufgefordert mit dem leiblichen und ſeeliſchen Leben
des Menſchen. Swammerdam, welcher tiefe Blicke in die Geheimniſſe der Natur gethan hat
und ſich wohl bewußt war, wie weit er in ſeinen Parallelen gehen durfte, läßt ſich an einer
Stelle, wo er von der Metamorphoſe handelt, zu etwa folgenden Aeußerungen hinreißen: „Dieſer
Vorgang geſchieht bei dem Schmetterlinge auf eine ſo wunderbare Weiſe, daß wir die Auf-
erſtehung vor unſeren Augen abgebildet ſehen, daß wir ſie mit den Händen greifen können.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/27>, abgerufen am 16.07.2024.
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