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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Pillenwespen. Wespennester.
gleich, hat aber den vierfachen Umfang. Der 6 bis 7 Linien lange Körper ist schwarz, reicher
gelb geschmückt, wie die vorigen Arten, aber womöglich noch veränderlicher. Lepeletier fand
an einem Strauche compakte Lehmzellen, so ziemlich von Größe und Gestalt einer Haselnuß; sie
enthielten ähnliche grüne Larven wie die Nester der Odynerus parietum und er vermuthet, daß
sie der Pillenwespe angehörten, weil er bei einer andern Gelegenheit, an einem feuchten, rauhen
Sommertage unter gleichen Verhältnissen eine angefangene Zelle bemerkte, in welcher ein Weibchen
der genannten Wespe saß, welches sich bei seiner Annäherung zur Wehr setzte; in anderen vollendeten
Zellen lagen die eben erwähnten grünen Larven. Ueberdies wird von dieser Art behauptet, daß sie
zwei Generationen im Jahre habe, indem von den überwinterten Weibchen im Juni die Nachkommen
erschienen und sich von diesen im August, nach dreiundzwanzigtägiger Entwickelungszeit, die zweite
Generation zeige. Die gemeine Goldwespe (Chrysis ignita) gehört zu den Schmarotzern der Pillenwespe.

Die Mehrzahl der geselligen Wesven (Vespidae) setzt uns durch den Bau ihrer Burgen
und Paläste in Staunen und Verwunderung. Wir trauen überhaupt keinem Kerfe einen in dem
Maße entwickelten Kunsttrieb zu. Nun und nimmermehr suchen wir aber bei einem so kriege-
rischen, wilden Wesen, wie uns doch alle Wespen erscheinen müssen, den Sinn für die Werke des
Friedens. Auch hier finden wir Waben, wie bei den Honigbienen, aber keine doppelten, sondern
einfache, mit den Oeffnungen der Zellen nach unten gerichtete; auch bestehen sie nicht aus Wachs.
Das Baumaterial liefern vorherrschend Pflanzenstoffe, welche durchkauet und reichlich mit dem
chitinhaltigen Speichel gemischt, zu jenen spröderen oder mehr elastischen Kunstwerken werden.
Die sehr elastischen, papierartigen Nester bestehen aus langen Bastzellen, die pappartigen aus
verfilzten Pflanzenhaaren oder einem Gemenge solcher mit ähnlichen Gefäßbündelstückchen. Das
mehr bröckliche Fabrikat unserer Hornissen ist Rindenparenchym und erscheint immer gebändert,
weil es verschiedenen Bäumen entnommen wurde. Jn wenigen Fällen verarbeiten ausländische
Wespen auch thonige Erde, oder den Mist pflanzenfressender Thiere. Weit manchfaltiger, als
das Material, ist der Baustyl und die Anheftungsweise der Nester. Die einen legen sich tafel-
förmig an die Unterseite eines Blattes oder an einen Baumstamm an, die anderen umfassen mit
ihrem obern Ende einen Ast und hängen in Form eines Cylinders, stumpfen Kegels, einer Kugel
oder Halbkugel daran herunter, oder verstecken sich zwischen Zweigen und Blättern, von welchen
sie theilweise durchsetzt werden, in noch anderen Fällen erhält der ganze Bau in einem oder mehreren
Stielen seinen Stützpunkt. Das einfachste Nest besteht aus einer, auch mehreren Reihen sechs-
seitiger Zellen, welche am häufigsten rosettenförmig in einem Kreise stehen, die Mündungen nach
unten gerichtet. Ständen die Waben aufrecht, so würde sich die Nässe des Regens darin ansammeln,
außerdem ginge die Wärme, welche zum Ausbrüten der Larven und deren Entwickelung unum-
gänglich nothwendig ist, stets verloren. Mit diesem einfachen Baue begnügen sich jedoch die
wenigsten Wespen, besonders diejenigen nicht, welche in größeren Gesellschaften beisammen wohnen.
Sie umschließen in der Regel ihre Waben mit einer Hülle und zwar auf zwei wesentlich verschiedene
Arten. Sie bauen deckelwabige oder säulenwabige Nester, wie man sich kurz ausdrücken
kann. Betrachten wir beispielsweise das zierliche Nest der reichlich drei Linien langen Polybia
sedula
aus Südamerika. Das Wespchen erscheint durch reichlich blaßgelbe Zeichnung auf matt-
schwarzem Grunde bunt und heftet sein Nest mittelst einiger Stielchen an die Unterseite eines
Blattes. Jst die erste Wabe fertig, so wird unter ihr in ungefähr halber Zellenlänge ein Deckel
als Schluß angebracht und durch die Verlängerung der Seitenwände jener an ihr befestigt. Zum
Eingange bleibt seitlich ein Flugloch. Weil sich die kleine Gesellschaft vermehrt, wird die Behausung
zu eng. Dem läßt sich ungemein leicht abhelfen; an den Deckel der ersten Wabe baut man eine
zweite an, hier, wie wir sehen, ungefähr in dem gleichen Umfange, wie die erste, verlängert die
Außenwände der Randzellen, um wieder einen Deckel für diese zu bekommen, welcher in gleichem
Abstande unter den Zellenmündungen hinläuft und in seiner Verbindungswand mit der Wabe

Pillenwespen. Wespenneſter.
gleich, hat aber den vierfachen Umfang. Der 6 bis 7 Linien lange Körper iſt ſchwarz, reicher
gelb geſchmückt, wie die vorigen Arten, aber womöglich noch veränderlicher. Lepeletier fand
an einem Strauche compakte Lehmzellen, ſo ziemlich von Größe und Geſtalt einer Haſelnuß; ſie
enthielten ähnliche grüne Larven wie die Neſter der Odynerus parietum und er vermuthet, daß
ſie der Pillenwespe angehörten, weil er bei einer andern Gelegenheit, an einem feuchten, rauhen
Sommertage unter gleichen Verhältniſſen eine angefangene Zelle bemerkte, in welcher ein Weibchen
der genannten Wespe ſaß, welches ſich bei ſeiner Annäherung zur Wehr ſetzte; in anderen vollendeten
Zellen lagen die eben erwähnten grünen Larven. Ueberdies wird von dieſer Art behauptet, daß ſie
zwei Generationen im Jahre habe, indem von den überwinterten Weibchen im Juni die Nachkommen
erſchienen und ſich von dieſen im Auguſt, nach dreiundzwanzigtägiger Entwickelungszeit, die zweite
Generation zeige. Die gemeine Goldwespe (Chrysis ignita) gehört zu den Schmarotzern der Pillenwespe.

Die Mehrzahl der geſelligen Wesven (Vespidae) ſetzt uns durch den Bau ihrer Burgen
und Paläſte in Staunen und Verwunderung. Wir trauen überhaupt keinem Kerfe einen in dem
Maße entwickelten Kunſttrieb zu. Nun und nimmermehr ſuchen wir aber bei einem ſo kriege-
riſchen, wilden Weſen, wie uns doch alle Wespen erſcheinen müſſen, den Sinn für die Werke des
Friedens. Auch hier finden wir Waben, wie bei den Honigbienen, aber keine doppelten, ſondern
einfache, mit den Oeffnungen der Zellen nach unten gerichtete; auch beſtehen ſie nicht aus Wachs.
Das Baumaterial liefern vorherrſchend Pflanzenſtoffe, welche durchkauet und reichlich mit dem
chitinhaltigen Speichel gemiſcht, zu jenen ſpröderen oder mehr elaſtiſchen Kunſtwerken werden.
Die ſehr elaſtiſchen, papierartigen Neſter beſtehen aus langen Baſtzellen, die pappartigen aus
verfilzten Pflanzenhaaren oder einem Gemenge ſolcher mit ähnlichen Gefäßbündelſtückchen. Das
mehr bröckliche Fabrikat unſerer Horniſſen iſt Rindenparenchym und erſcheint immer gebändert,
weil es verſchiedenen Bäumen entnommen wurde. Jn wenigen Fällen verarbeiten ausländiſche
Wespen auch thonige Erde, oder den Miſt pflanzenfreſſender Thiere. Weit manchfaltiger, als
das Material, iſt der Bauſtyl und die Anheftungsweiſe der Neſter. Die einen legen ſich tafel-
förmig an die Unterſeite eines Blattes oder an einen Baumſtamm an, die anderen umfaſſen mit
ihrem obern Ende einen Aſt und hängen in Form eines Cylinders, ſtumpfen Kegels, einer Kugel
oder Halbkugel daran herunter, oder verſtecken ſich zwiſchen Zweigen und Blättern, von welchen
ſie theilweiſe durchſetzt werden, in noch anderen Fällen erhält der ganze Bau in einem oder mehreren
Stielen ſeinen Stützpunkt. Das einfachſte Neſt beſteht aus einer, auch mehreren Reihen ſechs-
ſeitiger Zellen, welche am häufigſten roſettenförmig in einem Kreiſe ſtehen, die Mündungen nach
unten gerichtet. Ständen die Waben aufrecht, ſo würde ſich die Näſſe des Regens darin anſammeln,
außerdem ginge die Wärme, welche zum Ausbrüten der Larven und deren Entwickelung unum-
gänglich nothwendig iſt, ſtets verloren. Mit dieſem einfachen Baue begnügen ſich jedoch die
wenigſten Wespen, beſonders diejenigen nicht, welche in größeren Geſellſchaften beiſammen wohnen.
Sie umſchließen in der Regel ihre Waben mit einer Hülle und zwar auf zwei weſentlich verſchiedene
Arten. Sie bauen deckelwabige oder ſäulenwabige Neſter, wie man ſich kurz ausdrücken
kann. Betrachten wir beiſpielsweiſe das zierliche Neſt der reichlich drei Linien langen Polybia
sedula
aus Südamerika. Das Wespchen erſcheint durch reichlich blaßgelbe Zeichnung auf matt-
ſchwarzem Grunde bunt und heftet ſein Neſt mittelſt einiger Stielchen an die Unterſeite eines
Blattes. Jſt die erſte Wabe fertig, ſo wird unter ihr in ungefähr halber Zellenlänge ein Deckel
als Schluß angebracht und durch die Verlängerung der Seitenwände jener an ihr befeſtigt. Zum
Eingange bleibt ſeitlich ein Flugloch. Weil ſich die kleine Geſellſchaft vermehrt, wird die Behauſung
zu eng. Dem läßt ſich ungemein leicht abhelfen; an den Deckel der erſten Wabe baut man eine
zweite an, hier, wie wir ſehen, ungefähr in dem gleichen Umfange, wie die erſte, verlängert die
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[201/0221] Pillenwespen. Wespenneſter. gleich, hat aber den vierfachen Umfang. Der 6 bis 7 Linien lange Körper iſt ſchwarz, reicher gelb geſchmückt, wie die vorigen Arten, aber womöglich noch veränderlicher. Lepeletier fand an einem Strauche compakte Lehmzellen, ſo ziemlich von Größe und Geſtalt einer Haſelnuß; ſie enthielten ähnliche grüne Larven wie die Neſter der Odynerus parietum und er vermuthet, daß ſie der Pillenwespe angehörten, weil er bei einer andern Gelegenheit, an einem feuchten, rauhen Sommertage unter gleichen Verhältniſſen eine angefangene Zelle bemerkte, in welcher ein Weibchen der genannten Wespe ſaß, welches ſich bei ſeiner Annäherung zur Wehr ſetzte; in anderen vollendeten Zellen lagen die eben erwähnten grünen Larven. Ueberdies wird von dieſer Art behauptet, daß ſie zwei Generationen im Jahre habe, indem von den überwinterten Weibchen im Juni die Nachkommen erſchienen und ſich von dieſen im Auguſt, nach dreiundzwanzigtägiger Entwickelungszeit, die zweite Generation zeige. Die gemeine Goldwespe (Chrysis ignita) gehört zu den Schmarotzern der Pillenwespe. Die Mehrzahl der geſelligen Wesven (Vespidae) ſetzt uns durch den Bau ihrer Burgen und Paläſte in Staunen und Verwunderung. Wir trauen überhaupt keinem Kerfe einen in dem Maße entwickelten Kunſttrieb zu. Nun und nimmermehr ſuchen wir aber bei einem ſo kriege- riſchen, wilden Weſen, wie uns doch alle Wespen erſcheinen müſſen, den Sinn für die Werke des Friedens. Auch hier finden wir Waben, wie bei den Honigbienen, aber keine doppelten, ſondern einfache, mit den Oeffnungen der Zellen nach unten gerichtete; auch beſtehen ſie nicht aus Wachs. Das Baumaterial liefern vorherrſchend Pflanzenſtoffe, welche durchkauet und reichlich mit dem chitinhaltigen Speichel gemiſcht, zu jenen ſpröderen oder mehr elaſtiſchen Kunſtwerken werden. Die ſehr elaſtiſchen, papierartigen Neſter beſtehen aus langen Baſtzellen, die pappartigen aus verfilzten Pflanzenhaaren oder einem Gemenge ſolcher mit ähnlichen Gefäßbündelſtückchen. Das mehr bröckliche Fabrikat unſerer Horniſſen iſt Rindenparenchym und erſcheint immer gebändert, weil es verſchiedenen Bäumen entnommen wurde. Jn wenigen Fällen verarbeiten ausländiſche Wespen auch thonige Erde, oder den Miſt pflanzenfreſſender Thiere. Weit manchfaltiger, als das Material, iſt der Bauſtyl und die Anheftungsweiſe der Neſter. Die einen legen ſich tafel- förmig an die Unterſeite eines Blattes oder an einen Baumſtamm an, die anderen umfaſſen mit ihrem obern Ende einen Aſt und hängen in Form eines Cylinders, ſtumpfen Kegels, einer Kugel oder Halbkugel daran herunter, oder verſtecken ſich zwiſchen Zweigen und Blättern, von welchen ſie theilweiſe durchſetzt werden, in noch anderen Fällen erhält der ganze Bau in einem oder mehreren Stielen ſeinen Stützpunkt. Das einfachſte Neſt beſteht aus einer, auch mehreren Reihen ſechs- ſeitiger Zellen, welche am häufigſten roſettenförmig in einem Kreiſe ſtehen, die Mündungen nach unten gerichtet. Ständen die Waben aufrecht, ſo würde ſich die Näſſe des Regens darin anſammeln, außerdem ginge die Wärme, welche zum Ausbrüten der Larven und deren Entwickelung unum- gänglich nothwendig iſt, ſtets verloren. Mit dieſem einfachen Baue begnügen ſich jedoch die wenigſten Wespen, beſonders diejenigen nicht, welche in größeren Geſellſchaften beiſammen wohnen. Sie umſchließen in der Regel ihre Waben mit einer Hülle und zwar auf zwei weſentlich verſchiedene Arten. Sie bauen deckelwabige oder ſäulenwabige Neſter, wie man ſich kurz ausdrücken kann. Betrachten wir beiſpielsweiſe das zierliche Neſt der reichlich drei Linien langen Polybia sedula aus Südamerika. Das Wespchen erſcheint durch reichlich blaßgelbe Zeichnung auf matt- ſchwarzem Grunde bunt und heftet ſein Neſt mittelſt einiger Stielchen an die Unterſeite eines Blattes. Jſt die erſte Wabe fertig, ſo wird unter ihr in ungefähr halber Zellenlänge ein Deckel als Schluß angebracht und durch die Verlängerung der Seitenwände jener an ihr befeſtigt. Zum Eingange bleibt ſeitlich ein Flugloch. Weil ſich die kleine Geſellſchaft vermehrt, wird die Behauſung zu eng. Dem läßt ſich ungemein leicht abhelfen; an den Deckel der erſten Wabe baut man eine zweite an, hier, wie wir ſehen, ungefähr in dem gleichen Umfange, wie die erſte, verlängert die Außenwände der Randzellen, um wieder einen Deckel für dieſe zu bekommen, welcher in gleichem Abſtande unter den Zellenmündungen hinläuft und in ſeiner Verbindungswand mit der Wabe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/221>, abgerufen am 02.05.2024.