Erstaunen, als ein Gestell nach dem andern gehoben wurde und die in voller Lebenskraft daran befindlichen Schwämme ihnen zu Gesicht kamen. Sie bekreuzten sich wiederholt, denn es schien ihnen nicht mit rechten Dingen zuzugehen.
Binnen Jahr und Tag hoffen wir mit dieser gewiß wichtigen Angelegenheit der praktischen Naturkunde so weit zu sein, daß wir die erste kleine Partie selbstgezogener Schwämme verkaufen können. Das Rationelle und der volkswirthschaftliche Nutzen einer künstlichen Schwammzucht beruht nicht nur darauf, daß mit dem Aufgeben eines vorläufigen, aus dem Erlös der zu zertheilenden Exemplare sich ergebenden Vortheils derselbe nach drei bis vier Jahren versechsfacht sein kann, sondern hauptsächlich auf der allmäligen Regelung eines gewissen Verdienstes unter Minderung der Arbeit und Schonung des Naturproduktes. Das Raubsystem, welches die dalmatinischen Schwammfischer befolgen, muß allmälig den Ruin des Gewerbes mit einer Erschöpfung des natürlich wachsenden Schwammvorrathes herbeiführen. Bis jetzt haben diese auf einer sehr niedrigen Bildungsstufe stehenden Leute dafür noch kein Verständniß, und nachdem jene Vier ihre Verwunderung über das Gedeihen der Anpflanzung durch Bekreuzen und lebhafte Ausrufe ausgedrückt, fuhren sie davon, um auch künftig ganz in der alten, durch die Jahrhunderte geheiligten Weise planlos und sinnlos der Fischerei obzuliegen.
Eine durch manche Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete Familie bilden die Gummi- oder Lederschwämme. Der Typus derselben, die Sippe Chondrosia, siedelt sich in Form kleiner unregelmäßiger Fladen und Laibe an, die in der Regel nur mit einem Ausströmungsloche ver- sehen, also Einzelwesen sind. Die Oberfläche ist schlüpfrig und dunkel
gefärbt, die der Unterlage sich auschmiegende Fläche hell. Beim Ab- reißen und Herausnehmen aus dem Wasser ziehen sie sich auffallend zusammen, eine Fähigkeit, welche einige andere Schwämme, z. B. die schönen Seelimonen (Tethya), in noch höherem Grade besitzen. Von ihrem Aussehen werden die Chondrosten von den Fischern carnume oder rognone de mar, Meerfleisch oder Meerniere, genannt. Sie sind schon im frischen Zustande änßerst zähe, trocknen aber an der Lust zu Massen zusammen, so fest, wie dickes Leder. Man kann sie in diesem Zustande jahrelang aufbewahren, und dann nehmen sie nach dem Wiederaufquellen ganz das Aussehen frischer Exemplare an. Auch im süßen Wasser, bei welchem viele Schwämme schon nach einigen Stunden sich zersetzen, verändern sie sich erst nach vielen Tagen, obschon ihre Lebensthätigkeit darin gleich aufhört.
Jch habe kürzlich den Nachweis geliefert, daß diese Lederschwämme durch einige Sippen von weniger festem Gefüge mit der Sippe Hali- sarca zusammenhängen, einigen Arten von ganz weicher, fast schleimiger Beschaffenheit, welche man als den Wurzelstock ansehen darf, auf welchen die Entwicklung des Baumes der Spongien zurückzuführen ist.
Badeſchwamm. Lederſchwamm.
Erſtaunen, als ein Geſtell nach dem andern gehoben wurde und die in voller Lebenskraft daran befindlichen Schwämme ihnen zu Geſicht kamen. Sie bekreuzten ſich wiederholt, denn es ſchien ihnen nicht mit rechten Dingen zuzugehen.
Binnen Jahr und Tag hoffen wir mit dieſer gewiß wichtigen Angelegenheit der praktiſchen Naturkunde ſo weit zu ſein, daß wir die erſte kleine Partie ſelbſtgezogener Schwämme verkaufen können. Das Rationelle und der volkswirthſchaftliche Nutzen einer künſtlichen Schwammzucht beruht nicht nur darauf, daß mit dem Aufgeben eines vorläufigen, aus dem Erlös der zu zertheilenden Exemplare ſich ergebenden Vortheils derſelbe nach drei bis vier Jahren verſechsfacht ſein kann, ſondern hauptſächlich auf der allmäligen Regelung eines gewiſſen Verdienſtes unter Minderung der Arbeit und Schonung des Naturproduktes. Das Raubſyſtem, welches die dalmatiniſchen Schwammfiſcher befolgen, muß allmälig den Ruin des Gewerbes mit einer Erſchöpfung des natürlich wachſenden Schwammvorrathes herbeiführen. Bis jetzt haben dieſe auf einer ſehr niedrigen Bildungsſtufe ſtehenden Leute dafür noch kein Verſtändniß, und nachdem jene Vier ihre Verwunderung über das Gedeihen der Anpflanzung durch Bekreuzen und lebhafte Ausrufe ausgedrückt, fuhren ſie davon, um auch künftig ganz in der alten, durch die Jahrhunderte geheiligten Weiſe planlos und ſinnlos der Fiſcherei obzuliegen.
Eine durch manche Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete Familie bilden die Gummi- oder Lederſchwämme. Der Typus derſelben, die Sippe Chondrosia, ſiedelt ſich in Form kleiner unregelmäßiger Fladen und Laibe an, die in der Regel nur mit einem Ausſtrömungsloche ver- ſehen, alſo Einzelweſen ſind. Die Oberfläche iſt ſchlüpfrig und dunkel
gefärbt, die der Unterlage ſich auſchmiegende Fläche hell. Beim Ab- reißen und Herausnehmen aus dem Waſſer ziehen ſie ſich auffallend zuſammen, eine Fähigkeit, welche einige andere Schwämme, z. B. die ſchönen Seelimonen (Tethya), in noch höherem Grade beſitzen. Von ihrem Ausſehen werden die Chondroſten von den Fiſchern carnume oder rognone de mar, Meerfleiſch oder Meerniere, genannt. Sie ſind ſchon im friſchen Zuſtande änßerſt zähe, trocknen aber an der Luſt zu Maſſen zuſammen, ſo feſt, wie dickes Leder. Man kann ſie in dieſem Zuſtande jahrelang aufbewahren, und dann nehmen ſie nach dem Wiederaufquellen ganz das Ausſehen friſcher Exemplare an. Auch im ſüßen Waſſer, bei welchem viele Schwämme ſchon nach einigen Stunden ſich zerſetzen, verändern ſie ſich erſt nach vielen Tagen, obſchon ihre Lebensthätigkeit darin gleich aufhört.
Jch habe kürzlich den Nachweis geliefert, daß dieſe Lederſchwämme durch einige Sippen von weniger feſtem Gefüge mit der Sippe Hali- sarca zuſammenhängen, einigen Arten von ganz weicher, faſt ſchleimiger Beſchaffenheit, welche man als den Wurzelſtock anſehen darf, auf welchen die Entwicklung des Baumes der Spongien zurückzuführen iſt.
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Badeſchwamm. Lederſchwamm.
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befindlichen Schwämme ihnen zu Geſicht kamen. Sie bekreuzten ſich wiederholt, denn es ſchien
ihnen nicht mit rechten Dingen zuzugehen.
Binnen Jahr und Tag hoffen wir mit dieſer gewiß wichtigen Angelegenheit der praktiſchen
Naturkunde ſo weit zu ſein, daß wir die erſte kleine Partie ſelbſtgezogener Schwämme verkaufen
können. Das Rationelle und der volkswirthſchaftliche Nutzen einer künſtlichen Schwammzucht
beruht nicht nur darauf, daß mit dem Aufgeben eines vorläufigen, aus dem Erlös der zu
zertheilenden Exemplare ſich ergebenden Vortheils derſelbe nach drei bis vier Jahren verſechsfacht
ſein kann, ſondern hauptſächlich auf der allmäligen Regelung eines gewiſſen Verdienſtes unter
Minderung der Arbeit und Schonung des Naturproduktes. Das Raubſyſtem, welches die
dalmatiniſchen Schwammfiſcher befolgen, muß allmälig den Ruin des Gewerbes mit einer
Erſchöpfung des natürlich wachſenden Schwammvorrathes herbeiführen. Bis jetzt haben dieſe auf
einer ſehr niedrigen Bildungsſtufe ſtehenden Leute dafür noch kein Verſtändniß, und nachdem jene
Vier ihre Verwunderung über das Gedeihen der Anpflanzung durch Bekreuzen und lebhafte
Ausrufe ausgedrückt, fuhren ſie davon, um auch künftig ganz in der alten, durch die Jahrhunderte
geheiligten Weiſe planlos und ſinnlos der Fiſcherei obzuliegen.
Eine durch manche Eigenthümlichkeiten ausgezeichnete Familie bilden die Gummi- oder
Lederſchwämme. Der Typus derſelben, die Sippe Chondrosia, ſiedelt ſich in Form kleiner
unregelmäßiger Fladen und Laibe an, die in der Regel nur mit einem Ausſtrömungsloche ver-
ſehen, alſo Einzelweſen ſind. Die Oberfläche iſt ſchlüpfrig und dunkel
[Abbildung Nierenförmiger Leder-
ſchwamm (Chondrosia renifor-
mis). Aufgeſchnitten. Nat. Größe.]
gefärbt, die der Unterlage ſich auſchmiegende Fläche hell. Beim Ab-
reißen und Herausnehmen aus dem Waſſer ziehen ſie ſich auffallend
zuſammen, eine Fähigkeit, welche einige andere Schwämme, z. B.
die ſchönen Seelimonen (Tethya), in noch höherem Grade beſitzen.
Von ihrem Ausſehen werden die Chondroſten von den Fiſchern
carnume oder rognone de mar, Meerfleiſch oder Meerniere, genannt.
Sie ſind ſchon im friſchen Zuſtande änßerſt zähe, trocknen aber an der
Luſt zu Maſſen zuſammen, ſo feſt, wie dickes Leder. Man kann ſie
in dieſem Zuſtande jahrelang aufbewahren, und dann nehmen ſie
nach dem Wiederaufquellen ganz das Ausſehen friſcher Exemplare an.
Auch im ſüßen Waſſer, bei welchem viele Schwämme ſchon nach
einigen Stunden ſich zerſetzen, verändern ſie ſich erſt nach vielen
Tagen, obſchon ihre Lebensthätigkeit darin gleich aufhört.
Jch habe kürzlich den Nachweis geliefert, daß dieſe Lederſchwämme
durch einige Sippen von weniger feſtem Gefüge mit der Sippe Hali-
sarca zuſammenhängen, einigen Arten von ganz weicher, faſt ſchleimiger Beſchaffenheit, welche
man als den Wurzelſtock anſehen darf, auf welchen die Entwicklung des Baumes der Spongien
zurückzuführen iſt.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1023. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1081>, abgerufen am 24.11.2024.
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