Es war im Jahre 1685, als der berühmte Leeuwenhoeck in einem Tropfen gesammelten Regenwassers die Thierchen entdeckte, die von einer zwei Jahre später erfolgten zweiten Ent- deckung ihren Namen erhielten. Er hoffte, mit Hülfe des Mikroskopes die beißende Eigenschaft des Pfeffers erkennen zu können, und übergoß ihn mit Wasser. Als das Wasser verdunstet war, goß er neues hinzu und war erstannt, nach einiger Zeit das Gefäß von belebten Geschöpfen wimmeln zu finden, welche jenen aus den Regentropfen zu gleichen schienen. Solches Resultat ergab die erste, zu einem wissenschaftlichen Zwecke angestellte Jnfusion; die darin gefundenen Organismen wurden jedoch erst hundert Jahre später von Ledermüller und Wrisberg als Jnfusionsthierchen bezeichnet. Nachdem Leeuwenhoeck seine Beobachtungen bekannt gemacht, wurde es fast eine Modesache, mit Aufgüssen oder Jnfusionen Versuche anzustellen. Es kostete so wenig Mühe. Jeder glaubte sich auf sein Auge und sein schlechtes Mikroskop verlassen zu können, und so förderte man ohne Urtheil mitunter die wunderbarsten Dinge aus den Aufgüssen zu Tage. Eine Menge Bücher erschienen, welche dem gebildeten Publikum den Gegenstand zugänglich zu machen suchten. Eins der absonderlichsten hat Sr. kaiserlichen Majestät Jngenieur Griendel von Ach zum Verfasser. Nach den Beschreibungen von Ameisen und Mücken, welche ihm unter dem Mikroskop zu fürchterlichen Ungeheuern mit Zangen, Haken und Schildern anschwellen, theilt er auch ein Pröbchen seiner Jnfusionsversuche mit. Es handelt sich um nichts Geringeres, als um die Erzeugung eines Frosches. "Jch habe zuletzt nicht weniger eines Frosches wunderliche Hervorbringung an das Weltlicht stellen wollen, welche ich durch das Ver- größerungsglas observirt. Einstmals nahm ich einen Tropfen Maien-Thau und legte ihn unter das Vergrößerungsglas. Da nahm ich in Acht, wie er sich anfienge zu fermentiren. Den andern Tag sah ich weiter darnach und fand schon ein Korpus mit einem ungestalteten Kopf, setzte es beiseits, und als ich den dritten Tag wiederum selbiges besahe, konnte ich schon abmerken, daß es die Gestalt mit einem großen Kopf und Füßen wie ein Laubfrosch angenommen. Die Figur 12 stellet Alles deutlich vor Augen."
Wie Griendel seinen Frosch schon nicht mit gewöhnlichem Quellwasser entstehen läßt, son- dern den geheimnißvollen Maithau sammelt, so nahm man überhaupt alle erdenklichen Flüssig- keiten, Fleischbrühe, Milch, Blut, Speichel, Essig, um damit die verschiedenartigsten lieblichen nnd unlieblichen Substanzen aus allen Reichen der Natur zu übergießen und sich und gute Freunde an dem Erscheinen des Gewimmels zu ergötzen.
Jm Allgemeinen machte man dabei folgende Bemerkungen. War das den Aufguß enthaltende Gefäß unbedeckt und der Luft frei ausgesetzt, so war es immer nach kürzerer oder längerer Zeit angefüllt mit Millionen lebender Wesen, die man jedoch nach den Leistungen der damaligen optischen Jnstrumente nur höchst unvollkommen zu fixiren vermochte. Sparsamer entfaltete sich das Leben dieser kleinen Welt, wenn das Gefäß leicht, auch nur mit einem Schleier, bedeckt war. Nur in seltenen, oft zweifelhaften Fällen aber berichteten die unermüdlichen Forscher, daß in der luftdicht verschlossenen Flasche sich ein Leben entwickelt habe; und noch zweifelhafter erschien dieß, wenn das Wasser vorher abgekocht oder destillirt oder nach der Einfüllung zum Sieden gebracht war. Ferner bemerkte man, daß sich bald auf der freistehenden Jnfusion, wie überhaupt auf freien, vom Winde nicht bewegten Gewässern ein Häutchen bilde, das zu den sonderbarsten Vermuthungen Anlaß gab, so unschuldig es auch ist.
Woher kamen jene Lebensformen? Hören wir darüber einige der damaligen und der neueren Naturforscher. Jhre Ansichten sind, wie gesagt, meist herbeigeführt durch mangelhafte Beobach- tungen und Jnstrumente, welche die so verschieden gestalteten und beschaffenen Organismen als ziemlich gleichmäßige und nicht näher bestimmbare Körperchen erscheinen ließen. Die so glänzend und beredt vorgetragenen Lehren Büffons sind nur verständlich im Zusammenhange mit seiner allgemeinen Theorie über das Wesen der Naturkörper; es ist um so wichtiger, Einiges daraus kennen zu lernen, als die jetzige Periode der Wissenschaft in einigen wesentlichen Punkten sich
Jnfuforien.
Es war im Jahre 1685, als der berühmte Leeuwenhoeck in einem Tropfen geſammelten Regenwaſſers die Thierchen entdeckte, die von einer zwei Jahre ſpäter erfolgten zweiten Ent- deckung ihren Namen erhielten. Er hoffte, mit Hülfe des Mikroſkopes die beißende Eigenſchaft des Pfeffers erkennen zu können, und übergoß ihn mit Waſſer. Als das Waſſer verdunſtet war, goß er neues hinzu und war erſtannt, nach einiger Zeit das Gefäß von belebten Geſchöpfen wimmeln zu finden, welche jenen aus den Regentropfen zu gleichen ſchienen. Solches Reſultat ergab die erſte, zu einem wiſſenſchaftlichen Zwecke angeſtellte Jnfuſion; die darin gefundenen Organismen wurden jedoch erſt hundert Jahre ſpäter von Ledermüller und Wrisberg als Jnfuſionsthierchen bezeichnet. Nachdem Leeuwenhoeck ſeine Beobachtungen bekannt gemacht, wurde es faſt eine Modeſache, mit Aufgüſſen oder Jnfuſionen Verſuche anzuſtellen. Es koſtete ſo wenig Mühe. Jeder glaubte ſich auf ſein Auge und ſein ſchlechtes Mikroſkop verlaſſen zu können, und ſo förderte man ohne Urtheil mitunter die wunderbarſten Dinge aus den Aufgüſſen zu Tage. Eine Menge Bücher erſchienen, welche dem gebildeten Publikum den Gegenſtand zugänglich zu machen ſuchten. Eins der abſonderlichſten hat Sr. kaiſerlichen Majeſtät Jngenieur Griendel von Ach zum Verfaſſer. Nach den Beſchreibungen von Ameiſen und Mücken, welche ihm unter dem Mikroſkop zu fürchterlichen Ungeheuern mit Zangen, Haken und Schildern anſchwellen, theilt er auch ein Pröbchen ſeiner Jnfuſionsverſuche mit. Es handelt ſich um nichts Geringeres, als um die Erzeugung eines Froſches. „Jch habe zuletzt nicht weniger eines Froſches wunderliche Hervorbringung an das Weltlicht ſtellen wollen, welche ich durch das Ver- größerungsglas obſervirt. Einſtmals nahm ich einen Tropfen Maien-Thau und legte ihn unter das Vergrößerungsglas. Da nahm ich in Acht, wie er ſich anfienge zu fermentiren. Den andern Tag ſah ich weiter darnach und fand ſchon ein Korpus mit einem ungeſtalteten Kopf, ſetzte es beiſeits, und als ich den dritten Tag wiederum ſelbiges beſahe, konnte ich ſchon abmerken, daß es die Geſtalt mit einem großen Kopf und Füßen wie ein Laubfroſch angenommen. Die Figur 12 ſtellet Alles deutlich vor Augen.“
Wie Griendel ſeinen Froſch ſchon nicht mit gewöhnlichem Quellwaſſer entſtehen läßt, ſon- dern den geheimnißvollen Maithau ſammelt, ſo nahm man überhaupt alle erdenklichen Flüſſig- keiten, Fleiſchbrühe, Milch, Blut, Speichel, Eſſig, um damit die verſchiedenartigſten lieblichen nnd unlieblichen Subſtanzen aus allen Reichen der Natur zu übergießen und ſich und gute Freunde an dem Erſcheinen des Gewimmels zu ergötzen.
Jm Allgemeinen machte man dabei folgende Bemerkungen. War das den Aufguß enthaltende Gefäß unbedeckt und der Luft frei ausgeſetzt, ſo war es immer nach kürzerer oder längerer Zeit angefüllt mit Millionen lebender Weſen, die man jedoch nach den Leiſtungen der damaligen optiſchen Jnſtrumente nur höchſt unvollkommen zu fixiren vermochte. Sparſamer entfaltete ſich das Leben dieſer kleinen Welt, wenn das Gefäß leicht, auch nur mit einem Schleier, bedeckt war. Nur in ſeltenen, oft zweifelhaften Fällen aber berichteten die unermüdlichen Forſcher, daß in der luftdicht verſchloſſenen Flaſche ſich ein Leben entwickelt habe; und noch zweifelhafter erſchien dieß, wenn das Waſſer vorher abgekocht oder deſtillirt oder nach der Einfüllung zum Sieden gebracht war. Ferner bemerkte man, daß ſich bald auf der freiſtehenden Jnfuſion, wie überhaupt auf freien, vom Winde nicht bewegten Gewäſſern ein Häutchen bilde, das zu den ſonderbarſten Vermuthungen Anlaß gab, ſo unſchuldig es auch iſt.
Woher kamen jene Lebensformen? Hören wir darüber einige der damaligen und der neueren Naturforſcher. Jhre Anſichten ſind, wie geſagt, meiſt herbeigeführt durch mangelhafte Beobach- tungen und Jnſtrumente, welche die ſo verſchieden geſtalteten und beſchaffenen Organismen als ziemlich gleichmäßige und nicht näher beſtimmbare Körperchen erſcheinen ließen. Die ſo glänzend und beredt vorgetragenen Lehren Büffons ſind nur verſtändlich im Zuſammenhange mit ſeiner allgemeinen Theorie über das Weſen der Naturkörper; es iſt um ſo wichtiger, Einiges daraus kennen zu lernen, als die jetzige Periode der Wiſſenſchaft in einigen weſentlichen Punkten ſich
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f1066"n="1010"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Jnfuforien.</hi></fw><lb/><p>Es war im Jahre 1685, als der berühmte <hirendition="#g">Leeuwenhoeck</hi> in einem Tropfen geſammelten<lb/>
Regenwaſſers die Thierchen entdeckte, die von einer zwei Jahre ſpäter erfolgten zweiten Ent-<lb/>
deckung ihren Namen erhielten. Er hoffte, mit Hülfe des Mikroſkopes die beißende Eigenſchaft<lb/>
des Pfeffers erkennen zu können, und übergoß ihn mit Waſſer. Als das Waſſer verdunſtet war,<lb/>
goß er neues hinzu und war erſtannt, nach einiger Zeit das Gefäß von belebten Geſchöpfen<lb/>
wimmeln zu finden, welche jenen aus den Regentropfen zu gleichen ſchienen. Solches Reſultat<lb/>
ergab die erſte, zu einem wiſſenſchaftlichen Zwecke angeſtellte <hirendition="#g">Jnfuſion;</hi> die darin gefundenen<lb/>
Organismen wurden jedoch erſt hundert Jahre ſpäter von <hirendition="#g">Ledermüller</hi> und <hirendition="#g">Wrisberg</hi> als<lb/><hirendition="#g">Jnfuſionsthierchen</hi> bezeichnet. Nachdem <hirendition="#g">Leeuwenhoeck</hi>ſeine Beobachtungen bekannt gemacht,<lb/>
wurde es faſt eine Modeſache, mit Aufgüſſen oder Jnfuſionen Verſuche anzuſtellen. Es koſtete<lb/>ſo wenig Mühe. Jeder glaubte ſich auf ſein Auge und ſein ſchlechtes Mikroſkop verlaſſen zu<lb/>
können, und ſo förderte man ohne Urtheil mitunter die wunderbarſten Dinge aus den Aufgüſſen<lb/>
zu Tage. Eine Menge Bücher erſchienen, welche dem gebildeten Publikum den Gegenſtand<lb/>
zugänglich zu machen ſuchten. Eins der abſonderlichſten hat Sr. kaiſerlichen Majeſtät Jngenieur<lb/><hirendition="#g">Griendel von Ach</hi> zum Verfaſſer. Nach den Beſchreibungen von Ameiſen und Mücken, welche<lb/>
ihm unter dem Mikroſkop zu fürchterlichen Ungeheuern mit Zangen, Haken und Schildern<lb/>
anſchwellen, theilt er auch ein Pröbchen ſeiner Jnfuſionsverſuche mit. Es handelt ſich um nichts<lb/>
Geringeres, als um die Erzeugung eines Froſches. „Jch habe zuletzt nicht weniger eines<lb/>
Froſches wunderliche Hervorbringung an das Weltlicht ſtellen wollen, welche ich durch das Ver-<lb/>
größerungsglas obſervirt. Einſtmals nahm ich einen Tropfen Maien-Thau und legte ihn unter<lb/>
das Vergrößerungsglas. Da nahm ich in Acht, wie er ſich anfienge zu fermentiren. Den andern<lb/>
Tag ſah ich weiter darnach und fand ſchon ein Korpus mit einem ungeſtalteten Kopf, ſetzte es<lb/>
beiſeits, und als ich den dritten Tag wiederum ſelbiges beſahe, konnte ich ſchon abmerken, daß<lb/>
es die Geſtalt mit einem großen Kopf und Füßen wie ein Laubfroſch angenommen. Die Figur 12<lb/>ſtellet Alles deutlich vor Augen.“</p><lb/><p>Wie <hirendition="#g">Griendel</hi>ſeinen Froſch ſchon nicht mit gewöhnlichem Quellwaſſer entſtehen läßt, ſon-<lb/>
dern den geheimnißvollen Maithau ſammelt, ſo nahm man überhaupt alle erdenklichen Flüſſig-<lb/>
keiten, Fleiſchbrühe, Milch, Blut, Speichel, Eſſig, um damit die verſchiedenartigſten lieblichen<lb/>
nnd unlieblichen Subſtanzen aus allen Reichen der Natur zu übergießen und ſich und gute Freunde<lb/>
an dem Erſcheinen des Gewimmels zu ergötzen.</p><lb/><p>Jm Allgemeinen machte man dabei folgende Bemerkungen. War das den Aufguß enthaltende<lb/>
Gefäß unbedeckt und der Luft frei ausgeſetzt, ſo war es immer nach kürzerer oder längerer Zeit<lb/>
angefüllt mit Millionen lebender Weſen, die man jedoch nach den Leiſtungen der damaligen optiſchen<lb/>
Jnſtrumente nur höchſt unvollkommen zu fixiren vermochte. Sparſamer entfaltete ſich das Leben<lb/>
dieſer kleinen Welt, wenn das Gefäß leicht, auch nur mit einem Schleier, bedeckt war. Nur in<lb/>ſeltenen, oft zweifelhaften Fällen aber berichteten die unermüdlichen Forſcher, daß in der luftdicht<lb/>
verſchloſſenen Flaſche ſich ein Leben entwickelt habe; und noch zweifelhafter erſchien dieß, wenn<lb/>
das Waſſer vorher abgekocht oder deſtillirt oder nach der Einfüllung zum Sieden gebracht war.<lb/>
Ferner bemerkte man, daß ſich bald auf der freiſtehenden Jnfuſion, wie überhaupt auf freien,<lb/>
vom Winde nicht bewegten Gewäſſern ein Häutchen bilde, das zu den ſonderbarſten Vermuthungen<lb/>
Anlaß gab, ſo unſchuldig es auch iſt.</p><lb/><p>Woher kamen jene Lebensformen? Hören wir darüber einige der damaligen und der neueren<lb/>
Naturforſcher. Jhre Anſichten ſind, wie geſagt, meiſt herbeigeführt durch mangelhafte Beobach-<lb/>
tungen und Jnſtrumente, welche die ſo verſchieden geſtalteten und beſchaffenen Organismen als<lb/>
ziemlich gleichmäßige und nicht näher beſtimmbare Körperchen erſcheinen ließen. Die ſo glänzend<lb/>
und beredt vorgetragenen Lehren <hirendition="#g">Büffons</hi>ſind nur verſtändlich im Zuſammenhange mit ſeiner<lb/>
allgemeinen Theorie über das Weſen der Naturkörper; es iſt um ſo wichtiger, Einiges daraus<lb/>
kennen zu lernen, als die jetzige Periode der Wiſſenſchaft in einigen weſentlichen Punkten ſich<lb/></p></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[1010/1066]
Jnfuforien.
Es war im Jahre 1685, als der berühmte Leeuwenhoeck in einem Tropfen geſammelten
Regenwaſſers die Thierchen entdeckte, die von einer zwei Jahre ſpäter erfolgten zweiten Ent-
deckung ihren Namen erhielten. Er hoffte, mit Hülfe des Mikroſkopes die beißende Eigenſchaft
des Pfeffers erkennen zu können, und übergoß ihn mit Waſſer. Als das Waſſer verdunſtet war,
goß er neues hinzu und war erſtannt, nach einiger Zeit das Gefäß von belebten Geſchöpfen
wimmeln zu finden, welche jenen aus den Regentropfen zu gleichen ſchienen. Solches Reſultat
ergab die erſte, zu einem wiſſenſchaftlichen Zwecke angeſtellte Jnfuſion; die darin gefundenen
Organismen wurden jedoch erſt hundert Jahre ſpäter von Ledermüller und Wrisberg als
Jnfuſionsthierchen bezeichnet. Nachdem Leeuwenhoeck ſeine Beobachtungen bekannt gemacht,
wurde es faſt eine Modeſache, mit Aufgüſſen oder Jnfuſionen Verſuche anzuſtellen. Es koſtete
ſo wenig Mühe. Jeder glaubte ſich auf ſein Auge und ſein ſchlechtes Mikroſkop verlaſſen zu
können, und ſo förderte man ohne Urtheil mitunter die wunderbarſten Dinge aus den Aufgüſſen
zu Tage. Eine Menge Bücher erſchienen, welche dem gebildeten Publikum den Gegenſtand
zugänglich zu machen ſuchten. Eins der abſonderlichſten hat Sr. kaiſerlichen Majeſtät Jngenieur
Griendel von Ach zum Verfaſſer. Nach den Beſchreibungen von Ameiſen und Mücken, welche
ihm unter dem Mikroſkop zu fürchterlichen Ungeheuern mit Zangen, Haken und Schildern
anſchwellen, theilt er auch ein Pröbchen ſeiner Jnfuſionsverſuche mit. Es handelt ſich um nichts
Geringeres, als um die Erzeugung eines Froſches. „Jch habe zuletzt nicht weniger eines
Froſches wunderliche Hervorbringung an das Weltlicht ſtellen wollen, welche ich durch das Ver-
größerungsglas obſervirt. Einſtmals nahm ich einen Tropfen Maien-Thau und legte ihn unter
das Vergrößerungsglas. Da nahm ich in Acht, wie er ſich anfienge zu fermentiren. Den andern
Tag ſah ich weiter darnach und fand ſchon ein Korpus mit einem ungeſtalteten Kopf, ſetzte es
beiſeits, und als ich den dritten Tag wiederum ſelbiges beſahe, konnte ich ſchon abmerken, daß
es die Geſtalt mit einem großen Kopf und Füßen wie ein Laubfroſch angenommen. Die Figur 12
ſtellet Alles deutlich vor Augen.“
Wie Griendel ſeinen Froſch ſchon nicht mit gewöhnlichem Quellwaſſer entſtehen läßt, ſon-
dern den geheimnißvollen Maithau ſammelt, ſo nahm man überhaupt alle erdenklichen Flüſſig-
keiten, Fleiſchbrühe, Milch, Blut, Speichel, Eſſig, um damit die verſchiedenartigſten lieblichen
nnd unlieblichen Subſtanzen aus allen Reichen der Natur zu übergießen und ſich und gute Freunde
an dem Erſcheinen des Gewimmels zu ergötzen.
Jm Allgemeinen machte man dabei folgende Bemerkungen. War das den Aufguß enthaltende
Gefäß unbedeckt und der Luft frei ausgeſetzt, ſo war es immer nach kürzerer oder längerer Zeit
angefüllt mit Millionen lebender Weſen, die man jedoch nach den Leiſtungen der damaligen optiſchen
Jnſtrumente nur höchſt unvollkommen zu fixiren vermochte. Sparſamer entfaltete ſich das Leben
dieſer kleinen Welt, wenn das Gefäß leicht, auch nur mit einem Schleier, bedeckt war. Nur in
ſeltenen, oft zweifelhaften Fällen aber berichteten die unermüdlichen Forſcher, daß in der luftdicht
verſchloſſenen Flaſche ſich ein Leben entwickelt habe; und noch zweifelhafter erſchien dieß, wenn
das Waſſer vorher abgekocht oder deſtillirt oder nach der Einfüllung zum Sieden gebracht war.
Ferner bemerkte man, daß ſich bald auf der freiſtehenden Jnfuſion, wie überhaupt auf freien,
vom Winde nicht bewegten Gewäſſern ein Häutchen bilde, das zu den ſonderbarſten Vermuthungen
Anlaß gab, ſo unſchuldig es auch iſt.
Woher kamen jene Lebensformen? Hören wir darüber einige der damaligen und der neueren
Naturforſcher. Jhre Anſichten ſind, wie geſagt, meiſt herbeigeführt durch mangelhafte Beobach-
tungen und Jnſtrumente, welche die ſo verſchieden geſtalteten und beſchaffenen Organismen als
ziemlich gleichmäßige und nicht näher beſtimmbare Körperchen erſcheinen ließen. Die ſo glänzend
und beredt vorgetragenen Lehren Büffons ſind nur verſtändlich im Zuſammenhange mit ſeiner
allgemeinen Theorie über das Weſen der Naturkörper; es iſt um ſo wichtiger, Einiges daraus
kennen zu lernen, als die jetzige Periode der Wiſſenſchaft in einigen weſentlichen Punkten ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 1010. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1066>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.