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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Austernzucht.
diese sich sehr rasch mit grünen mikroskopischen Pflänzchen und Thierchen füllen, welche als
Nahrung der Austern ihren Farbstoff auf letztere übertragen.

Der Verbrauch der Austern, welcher sich z. B. in Paris auf 75 Millionen jährlich beläuft,
würde an sich kaum eine merkliche Verringerung der Bänke herbeiführen können. Wenn nichts
desto weniger sowohl an den französischen Küsten als anderwärts, z. B. an der Westküste Holsteins
ein Eingehen der Austernbänke und eine sehr auffallende Verminderung des Nachwuchses bemerkt
wurde, so haben hierzu eine Reihe von Ursachen beigetragen. Die Auster hat sehr viele natür-
liche Feinde; sie schmeckt nicht bloß den Menschen, sondern aus fast allen Thierklassen stellen sich
zahlreiche Gourmands auf den Austernbänken ein. Zahllose Fische schnappen die allerdings noch
viel zahlloseren jungen Austern auf; Krebse passen auf den Augenblick, wo die arme Auster ihren
Deckel lüftet, um an dem süßen Fleische sich zu laben; die Seesterne wissen sie auszusaugen; mehrere
Schnecken, namentlich Murex tarentinus und Nassa reticulata, bohren mit dem Rüssel sehr
geschickt Löcher in die Schalen und gehen auf diese Weise ihrer Beute zu Leibe. An anderen
Stellen haben sich die Mießmuscheln in solchen Mengen auf den Austerbänken angesiedelt, daß
letztere dadurch gleichsam erstickt werden, und neuerdings ist noch ein anderes Thier, welches die
Franzosen Maerle nennen, dessen systematischen Namen ich aber nicht habe herausbringen können,
wie es scheint ein Röhrenwurm, als Zerstörer des kostbaren Schalenthieres aufgetreten. Doch
alle diese Feinde, gewiß auch der Maerle, haben so lange schon auf Unkosten der Austern existirt,
als diese selbst. Wenn sie nicht das Jhrige in dem Vernichtungskriege gegen die Austern gethan,
wenn nicht Milliarden von jungen, eben ausgeschlüpften Austern vom Wogenschwall erfaßt und
erdrückt oder vom Sand und Schlamm erstickt würden, so würden die Meere längst zu bloßen
vollgefüllten Austernbassins geworden sein. Den meisten, wirklich empfindlichen Schaden haben
die Austernbänke offenbar durch die wirkliche, durch Menschenhände hervorgebrachte Erschöpfung
gelitten und durch die Folgen eines unzweckmäßigen, mit großen Zerstörungen verbundenen Ein-
sammelns. Wo die Bänke nicht so seicht liegen, daß man zur Ebbe die Austern mit der Hand
"pflücken" kann, bedient man sich eines Netzes mit einem schweren eisernen Rahmen, dessen eine,
am Boden schleppende Kante mit Zähnen, gleich einer Egge bewehrt ist. Segel und Ruder der
kleinen, aber doch mit 5--6 Leuten bemannten Boote werden so gestellt, daß das Fahrzeug nur
ganz langsam vorwärts kommt, und das Schleppnetz, das am Seile nachgezogen wird, sich
gemächlich und tief einwühlen kann. Dadurch werden ganze tiefe Löcher und Furchen in die
Bänke gerissen, und der größte Nachtheil entsteht nun, indem diese Vertiefungen in kurzer Zeit
mit Schlamm ausgefüllt werden, welcher nicht nur eine fernere Ansiedlung an diesen Stellen
unmöglich macht, sondern auch die umliegenden, von dem Schleppnetz verschont gebliebenen
Thiere tödtet.

Wenn es gelänge, dachte Professor Coste in Paris, nur einen Theil von den unzählbaren
Millionen junger Austern, welche vom Ocean verschlungen werden, ehe sie sich zu dem einen
Zweck ihres Daseins, gegessen zu werden, auch nur vorbereiten können, dadurch für dieses höhere
Ziel zu retten, daß man ihr Festsetzen erleichtert, befördert und behütet, so würde man die
Auster in Bälde zu einem der gemeinsten und wohlfeilsten Lebensmittel machen können. Jm
Lucriner See wurden die Austern schon seit undenklichen Zeiten durch Einlegen von Faschinen
mit Erfolg zum Ansetzen eingeladen; dieselbe Bedeutung hat das Pflanzen von Pfählen und
Aesten für Austern und Mießmuscheln; die künstliche Austernzucht, welche Coste seit 1855 in
Frankreich einführte, ist also nichts als die erweiterte zweckmäßige Pflege, welche sich schon der
jungen, noch den meisten Gefahren ausgesetzten Thiere annimmt. Der Erfolg konnte in einer
Beziehung kaum zweifelhaft sein. Die versenkten Faschinen, auf welche man theils mit Brut
erfüllte Austern gelegt hatte, und die man theils dadurch zu bevölkern suchte, daß man die
mikroskopische Brut über ihnen auf dem Meere "ausfäete", bedeckten sich sehr bald mit der
gesuchten Waare. Es zeigte sich aber auch eben so schnell, daß die Feinde der Austernbänke,

Auſternzucht.
dieſe ſich ſehr raſch mit grünen mikroſkopiſchen Pflänzchen und Thierchen füllen, welche als
Nahrung der Auſtern ihren Farbſtoff auf letztere übertragen.

Der Verbrauch der Auſtern, welcher ſich z. B. in Paris auf 75 Millionen jährlich beläuft,
würde an ſich kaum eine merkliche Verringerung der Bänke herbeiführen können. Wenn nichts
deſto weniger ſowohl an den franzöſiſchen Küſten als anderwärts, z. B. an der Weſtküſte Holſteins
ein Eingehen der Auſternbänke und eine ſehr auffallende Verminderung des Nachwuchſes bemerkt
wurde, ſo haben hierzu eine Reihe von Urſachen beigetragen. Die Auſter hat ſehr viele natür-
liche Feinde; ſie ſchmeckt nicht bloß den Menſchen, ſondern aus faſt allen Thierklaſſen ſtellen ſich
zahlreiche Gourmands auf den Auſternbänken ein. Zahlloſe Fiſche ſchnappen die allerdings noch
viel zahlloſeren jungen Auſtern auf; Krebſe paſſen auf den Augenblick, wo die arme Auſter ihren
Deckel lüftet, um an dem ſüßen Fleiſche ſich zu laben; die Seeſterne wiſſen ſie auszuſaugen; mehrere
Schnecken, namentlich Murex tarentinus und Nassa reticulata, bohren mit dem Rüſſel ſehr
geſchickt Löcher in die Schalen und gehen auf dieſe Weiſe ihrer Beute zu Leibe. An anderen
Stellen haben ſich die Mießmuſcheln in ſolchen Mengen auf den Auſterbänken angeſiedelt, daß
letztere dadurch gleichſam erſtickt werden, und neuerdings iſt noch ein anderes Thier, welches die
Franzoſen Maërle nennen, deſſen ſyſtematiſchen Namen ich aber nicht habe herausbringen können,
wie es ſcheint ein Röhrenwurm, als Zerſtörer des koſtbaren Schalenthieres aufgetreten. Doch
alle dieſe Feinde, gewiß auch der Maërle, haben ſo lange ſchon auf Unkoſten der Auſtern exiſtirt,
als dieſe ſelbſt. Wenn ſie nicht das Jhrige in dem Vernichtungskriege gegen die Auſtern gethan,
wenn nicht Milliarden von jungen, eben ausgeſchlüpften Auſtern vom Wogenſchwall erfaßt und
erdrückt oder vom Sand und Schlamm erſtickt würden, ſo würden die Meere längſt zu bloßen
vollgefüllten Auſternbaſſins geworden ſein. Den meiſten, wirklich empfindlichen Schaden haben
die Auſternbänke offenbar durch die wirkliche, durch Menſchenhände hervorgebrachte Erſchöpfung
gelitten und durch die Folgen eines unzweckmäßigen, mit großen Zerſtörungen verbundenen Ein-
ſammelns. Wo die Bänke nicht ſo ſeicht liegen, daß man zur Ebbe die Auſtern mit der Hand
„pflücken“ kann, bedient man ſich eines Netzes mit einem ſchweren eiſernen Rahmen, deſſen eine,
am Boden ſchleppende Kante mit Zähnen, gleich einer Egge bewehrt iſt. Segel und Ruder der
kleinen, aber doch mit 5—6 Leuten bemannten Boote werden ſo geſtellt, daß das Fahrzeug nur
ganz langſam vorwärts kommt, und das Schleppnetz, das am Seile nachgezogen wird, ſich
gemächlich und tief einwühlen kann. Dadurch werden ganze tiefe Löcher und Furchen in die
Bänke geriſſen, und der größte Nachtheil entſteht nun, indem dieſe Vertiefungen in kurzer Zeit
mit Schlamm ausgefüllt werden, welcher nicht nur eine fernere Anſiedlung an dieſen Stellen
unmöglich macht, ſondern auch die umliegenden, von dem Schleppnetz verſchont gebliebenen
Thiere tödtet.

Wenn es gelänge, dachte Profeſſor Coſte in Paris, nur einen Theil von den unzählbaren
Millionen junger Auſtern, welche vom Ocean verſchlungen werden, ehe ſie ſich zu dem einen
Zweck ihres Daſeins, gegeſſen zu werden, auch nur vorbereiten können, dadurch für dieſes höhere
Ziel zu retten, daß man ihr Feſtſetzen erleichtert, befördert und behütet, ſo würde man die
Auſter in Bälde zu einem der gemeinſten und wohlfeilſten Lebensmittel machen können. Jm
Lucriner See wurden die Auſtern ſchon ſeit undenklichen Zeiten durch Einlegen von Faſchinen
mit Erfolg zum Anſetzen eingeladen; dieſelbe Bedeutung hat das Pflanzen von Pfählen und
Aeſten für Auſtern und Mießmuſcheln; die künſtliche Auſternzucht, welche Coſte ſeit 1855 in
Frankreich einführte, iſt alſo nichts als die erweiterte zweckmäßige Pflege, welche ſich ſchon der
jungen, noch den meiſten Gefahren ausgeſetzten Thiere annimmt. Der Erfolg konnte in einer
Beziehung kaum zweifelhaft ſein. Die verſenkten Faſchinen, auf welche man theils mit Brut
erfüllte Auſtern gelegt hatte, und die man theils dadurch zu bevölkern ſuchte, daß man die
mikroſkopiſche Brut über ihnen auf dem Meere „ausfäete“, bedeckten ſich ſehr bald mit der
geſuchten Waare. Es zeigte ſich aber auch eben ſo ſchnell, daß die Feinde der Auſternbänke,

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[955/1003] Auſternzucht. dieſe ſich ſehr raſch mit grünen mikroſkopiſchen Pflänzchen und Thierchen füllen, welche als Nahrung der Auſtern ihren Farbſtoff auf letztere übertragen. Der Verbrauch der Auſtern, welcher ſich z. B. in Paris auf 75 Millionen jährlich beläuft, würde an ſich kaum eine merkliche Verringerung der Bänke herbeiführen können. Wenn nichts deſto weniger ſowohl an den franzöſiſchen Küſten als anderwärts, z. B. an der Weſtküſte Holſteins ein Eingehen der Auſternbänke und eine ſehr auffallende Verminderung des Nachwuchſes bemerkt wurde, ſo haben hierzu eine Reihe von Urſachen beigetragen. Die Auſter hat ſehr viele natür- liche Feinde; ſie ſchmeckt nicht bloß den Menſchen, ſondern aus faſt allen Thierklaſſen ſtellen ſich zahlreiche Gourmands auf den Auſternbänken ein. Zahlloſe Fiſche ſchnappen die allerdings noch viel zahlloſeren jungen Auſtern auf; Krebſe paſſen auf den Augenblick, wo die arme Auſter ihren Deckel lüftet, um an dem ſüßen Fleiſche ſich zu laben; die Seeſterne wiſſen ſie auszuſaugen; mehrere Schnecken, namentlich Murex tarentinus und Nassa reticulata, bohren mit dem Rüſſel ſehr geſchickt Löcher in die Schalen und gehen auf dieſe Weiſe ihrer Beute zu Leibe. An anderen Stellen haben ſich die Mießmuſcheln in ſolchen Mengen auf den Auſterbänken angeſiedelt, daß letztere dadurch gleichſam erſtickt werden, und neuerdings iſt noch ein anderes Thier, welches die Franzoſen Maërle nennen, deſſen ſyſtematiſchen Namen ich aber nicht habe herausbringen können, wie es ſcheint ein Röhrenwurm, als Zerſtörer des koſtbaren Schalenthieres aufgetreten. Doch alle dieſe Feinde, gewiß auch der Maërle, haben ſo lange ſchon auf Unkoſten der Auſtern exiſtirt, als dieſe ſelbſt. Wenn ſie nicht das Jhrige in dem Vernichtungskriege gegen die Auſtern gethan, wenn nicht Milliarden von jungen, eben ausgeſchlüpften Auſtern vom Wogenſchwall erfaßt und erdrückt oder vom Sand und Schlamm erſtickt würden, ſo würden die Meere längſt zu bloßen vollgefüllten Auſternbaſſins geworden ſein. Den meiſten, wirklich empfindlichen Schaden haben die Auſternbänke offenbar durch die wirkliche, durch Menſchenhände hervorgebrachte Erſchöpfung gelitten und durch die Folgen eines unzweckmäßigen, mit großen Zerſtörungen verbundenen Ein- ſammelns. Wo die Bänke nicht ſo ſeicht liegen, daß man zur Ebbe die Auſtern mit der Hand „pflücken“ kann, bedient man ſich eines Netzes mit einem ſchweren eiſernen Rahmen, deſſen eine, am Boden ſchleppende Kante mit Zähnen, gleich einer Egge bewehrt iſt. Segel und Ruder der kleinen, aber doch mit 5—6 Leuten bemannten Boote werden ſo geſtellt, daß das Fahrzeug nur ganz langſam vorwärts kommt, und das Schleppnetz, das am Seile nachgezogen wird, ſich gemächlich und tief einwühlen kann. Dadurch werden ganze tiefe Löcher und Furchen in die Bänke geriſſen, und der größte Nachtheil entſteht nun, indem dieſe Vertiefungen in kurzer Zeit mit Schlamm ausgefüllt werden, welcher nicht nur eine fernere Anſiedlung an dieſen Stellen unmöglich macht, ſondern auch die umliegenden, von dem Schleppnetz verſchont gebliebenen Thiere tödtet. Wenn es gelänge, dachte Profeſſor Coſte in Paris, nur einen Theil von den unzählbaren Millionen junger Auſtern, welche vom Ocean verſchlungen werden, ehe ſie ſich zu dem einen Zweck ihres Daſeins, gegeſſen zu werden, auch nur vorbereiten können, dadurch für dieſes höhere Ziel zu retten, daß man ihr Feſtſetzen erleichtert, befördert und behütet, ſo würde man die Auſter in Bälde zu einem der gemeinſten und wohlfeilſten Lebensmittel machen können. Jm Lucriner See wurden die Auſtern ſchon ſeit undenklichen Zeiten durch Einlegen von Faſchinen mit Erfolg zum Anſetzen eingeladen; dieſelbe Bedeutung hat das Pflanzen von Pfählen und Aeſten für Auſtern und Mießmuſcheln; die künſtliche Auſternzucht, welche Coſte ſeit 1855 in Frankreich einführte, iſt alſo nichts als die erweiterte zweckmäßige Pflege, welche ſich ſchon der jungen, noch den meiſten Gefahren ausgeſetzten Thiere annimmt. Der Erfolg konnte in einer Beziehung kaum zweifelhaft ſein. Die verſenkten Faſchinen, auf welche man theils mit Brut erfüllte Auſtern gelegt hatte, und die man theils dadurch zu bevölkern ſuchte, daß man die mikroſkopiſche Brut über ihnen auf dem Meere „ausfäete“, bedeckten ſich ſehr bald mit der geſuchten Waare. Es zeigte ſich aber auch eben ſo ſchnell, daß die Feinde der Auſternbänke,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 955. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1003>, abgerufen am 23.11.2024.