geeignete Landungsstelle gefunden zu haben. Hier zieht er es mit Hilfe eines Strickes zur Oberfläche des Wassers empor, gibt ihm, wenn das Eisen nicht ausläßt, mit einer scharfen Lanze den Genickfang oder schleift es ohne Weiteres aus Land." "Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen", sagt Rüppell, "so würde es mir unglaublich vorkommen, daß zwei Menschen ein vierzehn Fuß langes Krokodil aus dem Wasser ziehen, ihm dann zuerst die Schnauze zubinden, hierauf die Füße über dem Rücken zusammenknebeln und endlich es mit einem scharfen Eisen durch Theilung des Nerven- stranges tödten." Jn Netzen fängt man Krokodile nur zufällig, größere äußerst selten, weil sie sich so heftig bewegen, daß sie selbst auch die starken Fischernetze gewöhnlich zerreißen.
Europäer, Türken und Mittelegypter wenden zu ihrer Jagd das Feuergewehr an. Die Büchse ist jeder anderen Waffe vorzuziehen, weil ihre Kugel die Panzerhaut des Krokodils stets durchbohrt. Jch habe mehr als hundert Krokodilen eine Kugel zugesandt, niemals aber beobachtet, daß diese Kugel, wie oft behauptet worden ist, abgeprallt wäre. Dagegen ist es allerdings begründet, daß nur die wenigsten Kugeln das Krokodil augenblicklich tödten. Seine Lebenszähigkeit ist außerordentlich groß; selbst das tödtlich verwundete erreicht in den meisten Fällen den Strom und ist dann für den Jäger verloren. Mehrere von denen, welchen ich die Kugel durch das Gehirn jagte, peitschten das Wasser wie rasend, schossen dicht unter der Oberfläche desselben hin und her, bekamen dann Zuckungen, rissen den Rachen weit auf, ließen einen unbeschreiblichen Schrei hören und versauken endlich in den trüben Fluten. Nach einigen Tagen kamen sie zum Vorschein, aber bereits soweit verwest, daß sie unbrauchbar waren. Eines Tages lag ich in einer mit Matten und Sand überdeckten Hütte auf einer Bank des blauen Flusses auf dem Anstande, um Kraniche zu erlegen. Noch ehe die Vögel erschienen, zeigte sich, kaum funfzehn Schritte von mir entfernt, ein Krokodil von etwa sechzehn Fuß Länge, kroch langsam aus dem Wasser heraus und legte sich zwanzig Fuß von mir auf den Sand zum Schlafen nieder. Jch unterdrückte alle Gefühle der Rache, um es zu beobachten, und gedachte, ihm nach einiger Zeit die wohlverdiente Kugel zuzusenden. Ein Kranich, welcher erschien, rettete ihm zunächst das Leben; die Büchse wurde auf dieses mir werthvollere Thier gerichtet. Das Krokodil hatte den Knall vernommen, ohne sich ihn erklären zu können, und war so eilig als möglich dem Wasser zugestürzt; kaum aber hatte ich den erlegten Kranich herbei geholt und meine Büchse von Neuem geladen, als es wieder und zwar genan auf derselben Stelle erschien. Jetzt zielte ich mit aller Ruhe nach seinem Genick, feuerte und sah mit Vergnügen, daß das Ungeheuer nach dem Schusse einen gewaltigen senkrechten Satz ausführte, schwer zu Boden stürzte und hier regungslos liegen blieb. Ein heftiger Moschusgeruch erfüllte buchstäblich die Luft über der ganzen Sandbank, und mein am anderen Ende derselben ebenfalls im Erdloche sitzender Diener Tomboldo sprang jubelnd aus seinem Versteck hervor, um mir die Bitte vorzutragen: "Bester Herr, mir die Drüsen, mir den Moschus für mein Weib, damit ich diesem doch auch Etwas mit heimbringe von der Reise." Wir umstanden das gefällte Thier, dessen ganzer Körper noch zitterte und zuckte. "Nimm Dich vor dem Schwanze in Acht", warnte Tomboldo, "und gib ihm lieber noch eine Kugel, damit es uns nicht entrinne." Letzteres hielt ich nun zwar für unmöglich, erfüllte jedoch trotzdem den Wunsch meines treuen Schwarzen, hielt dem Krokodile die Mündung der Büchse beinahe vors Ohr und jagte ihm die zweite Kugel in den Kopf. Jn demselben Augenblicke bäumte es sich hoch auf, warf uns mit dem Schwanze Sand und Kieselsteine ins Gesicht, zuckte krampfhaft mit allen Gliedern und rannte plötzlich, als sei es unverwundet, dem Strome zu, alle Aussicht auf Moschusgewinnung vereitelnd.
Die vier Moschusdrüsen sind es, welche den heutigen Sudahnesen als der größte Gewinn erscheinen, den sie aus dem Leichname eines erlegten Krokodils zu ziehen wissen. Man verkaufte sie zur Zeit meines Aufenthaltes zu vier bis sechs Speciesthalern, einer Summe, für welche man sich damals in derselben Gegend zwei halberwachsene Rinder erwerben konnte. Denn vermittels dieser Drüsen verleihen die Schönen Nubiens und Sudahns ihrer Haar- und Körpersalbe den Wohlgeruch, welcher sie so angenehm macht in den Augen, bezüglich den Nasen der Männer und sie in der That sehr zu ihrem Vortheile auszeichnet vor den Frauen der mittleren Nilländer, welche das wollige Gelock ihres
Nilkrokodil.
geeignete Landungsſtelle gefunden zu haben. Hier zieht er es mit Hilfe eines Strickes zur Oberfläche des Waſſers empor, gibt ihm, wenn das Eiſen nicht ausläßt, mit einer ſcharfen Lanze den Genickfang oder ſchleift es ohne Weiteres aus Land.“ „Hätte ich es nicht mit eigenen Augen geſehen“, ſagt Rüppell, „ſo würde es mir unglaublich vorkommen, daß zwei Menſchen ein vierzehn Fuß langes Krokodil aus dem Waſſer ziehen, ihm dann zuerſt die Schnauze zubinden, hierauf die Füße über dem Rücken zuſammenknebeln und endlich es mit einem ſcharfen Eiſen durch Theilung des Nerven- ſtranges tödten.“ Jn Netzen fängt man Krokodile nur zufällig, größere äußerſt ſelten, weil ſie ſich ſo heftig bewegen, daß ſie ſelbſt auch die ſtarken Fiſchernetze gewöhnlich zerreißen.
Europäer, Türken und Mittelegypter wenden zu ihrer Jagd das Feuergewehr an. Die Büchſe iſt jeder anderen Waffe vorzuziehen, weil ihre Kugel die Panzerhaut des Krokodils ſtets durchbohrt. Jch habe mehr als hundert Krokodilen eine Kugel zugeſandt, niemals aber beobachtet, daß dieſe Kugel, wie oft behauptet worden iſt, abgeprallt wäre. Dagegen iſt es allerdings begründet, daß nur die wenigſten Kugeln das Krokodil augenblicklich tödten. Seine Lebenszähigkeit iſt außerordentlich groß; ſelbſt das tödtlich verwundete erreicht in den meiſten Fällen den Strom und iſt dann für den Jäger verloren. Mehrere von denen, welchen ich die Kugel durch das Gehirn jagte, peitſchten das Waſſer wie raſend, ſchoſſen dicht unter der Oberfläche deſſelben hin und her, bekamen dann Zuckungen, riſſen den Rachen weit auf, ließen einen unbeſchreiblichen Schrei hören und verſauken endlich in den trüben Fluten. Nach einigen Tagen kamen ſie zum Vorſchein, aber bereits ſoweit verweſt, daß ſie unbrauchbar waren. Eines Tages lag ich in einer mit Matten und Sand überdeckten Hütte auf einer Bank des blauen Fluſſes auf dem Anſtande, um Kraniche zu erlegen. Noch ehe die Vögel erſchienen, zeigte ſich, kaum funfzehn Schritte von mir entfernt, ein Krokodil von etwa ſechzehn Fuß Länge, kroch langſam aus dem Waſſer heraus und legte ſich zwanzig Fuß von mir auf den Sand zum Schlafen nieder. Jch unterdrückte alle Gefühle der Rache, um es zu beobachten, und gedachte, ihm nach einiger Zeit die wohlverdiente Kugel zuzuſenden. Ein Kranich, welcher erſchien, rettete ihm zunächſt das Leben; die Büchſe wurde auf dieſes mir werthvollere Thier gerichtet. Das Krokodil hatte den Knall vernommen, ohne ſich ihn erklären zu können, und war ſo eilig als möglich dem Waſſer zugeſtürzt; kaum aber hatte ich den erlegten Kranich herbei geholt und meine Büchſe von Neuem geladen, als es wieder und zwar genan auf derſelben Stelle erſchien. Jetzt zielte ich mit aller Ruhe nach ſeinem Genick, feuerte und ſah mit Vergnügen, daß das Ungeheuer nach dem Schuſſe einen gewaltigen ſenkrechten Satz ausführte, ſchwer zu Boden ſtürzte und hier regungslos liegen blieb. Ein heftiger Moſchusgeruch erfüllte buchſtäblich die Luft über der ganzen Sandbank, und mein am anderen Ende derſelben ebenfalls im Erdloche ſitzender Diener Tomboldo ſprang jubelnd aus ſeinem Verſteck hervor, um mir die Bitte vorzutragen: „Beſter Herr, mir die Drüſen, mir den Moſchus für mein Weib, damit ich dieſem doch auch Etwas mit heimbringe von der Reiſe.“ Wir umſtanden das gefällte Thier, deſſen ganzer Körper noch zitterte und zuckte. „Nimm Dich vor dem Schwanze in Acht“, warnte Tomboldo, „und gib ihm lieber noch eine Kugel, damit es uns nicht entrinne.“ Letzteres hielt ich nun zwar für unmöglich, erfüllte jedoch trotzdem den Wunſch meines treuen Schwarzen, hielt dem Krokodile die Mündung der Büchſe beinahe vors Ohr und jagte ihm die zweite Kugel in den Kopf. Jn demſelben Augenblicke bäumte es ſich hoch auf, warf uns mit dem Schwanze Sand und Kieſelſteine ins Geſicht, zuckte krampfhaft mit allen Gliedern und rannte plötzlich, als ſei es unverwundet, dem Strome zu, alle Ausſicht auf Moſchusgewinnung vereitelnd.
Die vier Moſchusdrüſen ſind es, welche den heutigen Sudahneſen als der größte Gewinn erſcheinen, den ſie aus dem Leichname eines erlegten Krokodils zu ziehen wiſſen. Man verkaufte ſie zur Zeit meines Aufenthaltes zu vier bis ſechs Speciesthalern, einer Summe, für welche man ſich damals in derſelben Gegend zwei halberwachſene Rinder erwerben konnte. Denn vermittels dieſer Drüſen verleihen die Schönen Nubiens und Sudahns ihrer Haar- und Körperſalbe den Wohlgeruch, welcher ſie ſo angenehm macht in den Augen, bezüglich den Naſen der Männer und ſie in der That ſehr zu ihrem Vortheile auszeichnet vor den Frauen der mittleren Nilländer, welche das wollige Gelock ihres
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0087"n="71"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Nilkrokodil.</hi></fw><lb/>
geeignete Landungsſtelle gefunden zu haben. Hier zieht er es mit Hilfe eines Strickes zur Oberfläche<lb/>
des Waſſers empor, gibt ihm, wenn das Eiſen nicht ausläßt, mit einer ſcharfen Lanze den Genickfang<lb/>
oder ſchleift es ohne Weiteres aus Land.“„Hätte ich es nicht mit eigenen Augen geſehen“, ſagt<lb/><hirendition="#g">Rüppell,</hi>„ſo würde es mir unglaublich vorkommen, daß zwei Menſchen ein vierzehn Fuß langes<lb/>
Krokodil aus dem Waſſer ziehen, ihm dann zuerſt die Schnauze zubinden, hierauf die Füße über<lb/>
dem Rücken zuſammenknebeln und endlich es mit einem ſcharfen Eiſen durch Theilung des Nerven-<lb/>ſtranges tödten.“ Jn Netzen fängt man Krokodile nur zufällig, größere äußerſt ſelten, weil ſie ſich<lb/>ſo heftig bewegen, daß ſie ſelbſt auch die ſtarken Fiſchernetze gewöhnlich zerreißen.</p><lb/><p>Europäer, Türken und Mittelegypter wenden zu ihrer Jagd das Feuergewehr an. Die Büchſe<lb/>
iſt jeder anderen Waffe vorzuziehen, weil ihre Kugel die Panzerhaut des Krokodils ſtets durchbohrt.<lb/>
Jch habe mehr als hundert Krokodilen eine Kugel zugeſandt, niemals aber beobachtet, daß dieſe Kugel,<lb/>
wie oft behauptet worden iſt, abgeprallt wäre. Dagegen iſt es allerdings begründet, daß nur die<lb/>
wenigſten Kugeln das Krokodil augenblicklich tödten. Seine Lebenszähigkeit iſt außerordentlich groß;<lb/>ſelbſt das tödtlich verwundete erreicht in den meiſten Fällen den Strom und iſt dann für den Jäger<lb/>
verloren. Mehrere von denen, welchen ich die Kugel durch das Gehirn jagte, peitſchten das Waſſer<lb/>
wie raſend, ſchoſſen dicht unter der Oberfläche deſſelben hin und her, bekamen dann Zuckungen, riſſen<lb/>
den Rachen weit auf, ließen einen unbeſchreiblichen Schrei hören und verſauken endlich in den trüben<lb/>
Fluten. Nach einigen Tagen kamen ſie zum Vorſchein, aber bereits ſoweit verweſt, daß ſie unbrauchbar<lb/>
waren. Eines Tages lag ich in einer mit Matten und Sand überdeckten Hütte auf einer Bank des<lb/>
blauen Fluſſes auf dem Anſtande, um Kraniche zu erlegen. Noch ehe die Vögel erſchienen, zeigte ſich,<lb/>
kaum funfzehn Schritte von mir entfernt, ein Krokodil von etwa ſechzehn Fuß Länge, kroch langſam<lb/>
aus dem Waſſer heraus und legte ſich zwanzig Fuß von mir auf den Sand zum Schlafen nieder. Jch<lb/>
unterdrückte alle Gefühle der Rache, um es zu beobachten, und gedachte, ihm nach einiger Zeit die<lb/>
wohlverdiente Kugel zuzuſenden. Ein Kranich, welcher erſchien, rettete ihm zunächſt das Leben; die<lb/>
Büchſe wurde auf dieſes mir werthvollere Thier gerichtet. Das Krokodil hatte den Knall vernommen,<lb/>
ohne ſich ihn erklären zu können, und war ſo eilig als möglich dem Waſſer zugeſtürzt; kaum aber<lb/>
hatte ich den erlegten Kranich herbei geholt und meine Büchſe von Neuem geladen, als es wieder und<lb/>
zwar genan auf derſelben Stelle erſchien. Jetzt zielte ich mit aller Ruhe nach ſeinem Genick, feuerte<lb/>
und ſah mit Vergnügen, daß das Ungeheuer nach dem Schuſſe einen gewaltigen ſenkrechten Satz<lb/>
ausführte, ſchwer zu Boden ſtürzte und hier regungslos liegen blieb. Ein heftiger Moſchusgeruch<lb/>
erfüllte buchſtäblich die Luft über der ganzen Sandbank, und mein am anderen Ende derſelben ebenfalls<lb/>
im Erdloche ſitzender Diener <hirendition="#g">Tomboldo</hi>ſprang jubelnd aus ſeinem Verſteck hervor, um mir die<lb/>
Bitte vorzutragen: „Beſter Herr, mir die Drüſen, mir den Moſchus für mein Weib, damit ich dieſem<lb/>
doch auch Etwas mit heimbringe von der Reiſe.“ Wir umſtanden das gefällte Thier, deſſen ganzer<lb/>
Körper noch zitterte und zuckte. „Nimm Dich vor dem Schwanze in Acht“, warnte <hirendition="#g">Tomboldo,</hi>„und<lb/>
gib ihm lieber noch eine Kugel, damit es uns nicht entrinne.“ Letzteres hielt ich nun zwar für<lb/>
unmöglich, erfüllte jedoch trotzdem den Wunſch meines treuen Schwarzen, hielt dem Krokodile die<lb/>
Mündung der Büchſe beinahe vors Ohr und jagte ihm die zweite Kugel in den Kopf. Jn demſelben<lb/>
Augenblicke bäumte es ſich hoch auf, warf uns mit dem Schwanze Sand und Kieſelſteine ins Geſicht,<lb/>
zuckte krampfhaft mit allen Gliedern und rannte plötzlich, als ſei es unverwundet, dem Strome zu,<lb/>
alle Ausſicht auf Moſchusgewinnung vereitelnd.</p><lb/><p>Die vier Moſchusdrüſen ſind es, welche den heutigen Sudahneſen als der größte Gewinn<lb/>
erſcheinen, den ſie aus dem Leichname eines erlegten Krokodils zu ziehen wiſſen. Man verkaufte ſie zur<lb/>
Zeit meines Aufenthaltes zu vier bis ſechs Speciesthalern, einer Summe, für welche man ſich damals<lb/>
in derſelben Gegend zwei halberwachſene Rinder erwerben konnte. Denn vermittels dieſer Drüſen<lb/>
verleihen die Schönen Nubiens und Sudahns ihrer Haar- und Körperſalbe den Wohlgeruch, welcher<lb/>ſie ſo angenehm macht in den Augen, bezüglich den Naſen der Männer und ſie in der That ſehr zu<lb/>
ihrem Vortheile auszeichnet vor den Frauen der mittleren Nilländer, welche das wollige Gelock ihres<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[71/0087]
Nilkrokodil.
geeignete Landungsſtelle gefunden zu haben. Hier zieht er es mit Hilfe eines Strickes zur Oberfläche
des Waſſers empor, gibt ihm, wenn das Eiſen nicht ausläßt, mit einer ſcharfen Lanze den Genickfang
oder ſchleift es ohne Weiteres aus Land.“ „Hätte ich es nicht mit eigenen Augen geſehen“, ſagt
Rüppell, „ſo würde es mir unglaublich vorkommen, daß zwei Menſchen ein vierzehn Fuß langes
Krokodil aus dem Waſſer ziehen, ihm dann zuerſt die Schnauze zubinden, hierauf die Füße über
dem Rücken zuſammenknebeln und endlich es mit einem ſcharfen Eiſen durch Theilung des Nerven-
ſtranges tödten.“ Jn Netzen fängt man Krokodile nur zufällig, größere äußerſt ſelten, weil ſie ſich
ſo heftig bewegen, daß ſie ſelbſt auch die ſtarken Fiſchernetze gewöhnlich zerreißen.
Europäer, Türken und Mittelegypter wenden zu ihrer Jagd das Feuergewehr an. Die Büchſe
iſt jeder anderen Waffe vorzuziehen, weil ihre Kugel die Panzerhaut des Krokodils ſtets durchbohrt.
Jch habe mehr als hundert Krokodilen eine Kugel zugeſandt, niemals aber beobachtet, daß dieſe Kugel,
wie oft behauptet worden iſt, abgeprallt wäre. Dagegen iſt es allerdings begründet, daß nur die
wenigſten Kugeln das Krokodil augenblicklich tödten. Seine Lebenszähigkeit iſt außerordentlich groß;
ſelbſt das tödtlich verwundete erreicht in den meiſten Fällen den Strom und iſt dann für den Jäger
verloren. Mehrere von denen, welchen ich die Kugel durch das Gehirn jagte, peitſchten das Waſſer
wie raſend, ſchoſſen dicht unter der Oberfläche deſſelben hin und her, bekamen dann Zuckungen, riſſen
den Rachen weit auf, ließen einen unbeſchreiblichen Schrei hören und verſauken endlich in den trüben
Fluten. Nach einigen Tagen kamen ſie zum Vorſchein, aber bereits ſoweit verweſt, daß ſie unbrauchbar
waren. Eines Tages lag ich in einer mit Matten und Sand überdeckten Hütte auf einer Bank des
blauen Fluſſes auf dem Anſtande, um Kraniche zu erlegen. Noch ehe die Vögel erſchienen, zeigte ſich,
kaum funfzehn Schritte von mir entfernt, ein Krokodil von etwa ſechzehn Fuß Länge, kroch langſam
aus dem Waſſer heraus und legte ſich zwanzig Fuß von mir auf den Sand zum Schlafen nieder. Jch
unterdrückte alle Gefühle der Rache, um es zu beobachten, und gedachte, ihm nach einiger Zeit die
wohlverdiente Kugel zuzuſenden. Ein Kranich, welcher erſchien, rettete ihm zunächſt das Leben; die
Büchſe wurde auf dieſes mir werthvollere Thier gerichtet. Das Krokodil hatte den Knall vernommen,
ohne ſich ihn erklären zu können, und war ſo eilig als möglich dem Waſſer zugeſtürzt; kaum aber
hatte ich den erlegten Kranich herbei geholt und meine Büchſe von Neuem geladen, als es wieder und
zwar genan auf derſelben Stelle erſchien. Jetzt zielte ich mit aller Ruhe nach ſeinem Genick, feuerte
und ſah mit Vergnügen, daß das Ungeheuer nach dem Schuſſe einen gewaltigen ſenkrechten Satz
ausführte, ſchwer zu Boden ſtürzte und hier regungslos liegen blieb. Ein heftiger Moſchusgeruch
erfüllte buchſtäblich die Luft über der ganzen Sandbank, und mein am anderen Ende derſelben ebenfalls
im Erdloche ſitzender Diener Tomboldo ſprang jubelnd aus ſeinem Verſteck hervor, um mir die
Bitte vorzutragen: „Beſter Herr, mir die Drüſen, mir den Moſchus für mein Weib, damit ich dieſem
doch auch Etwas mit heimbringe von der Reiſe.“ Wir umſtanden das gefällte Thier, deſſen ganzer
Körper noch zitterte und zuckte. „Nimm Dich vor dem Schwanze in Acht“, warnte Tomboldo, „und
gib ihm lieber noch eine Kugel, damit es uns nicht entrinne.“ Letzteres hielt ich nun zwar für
unmöglich, erfüllte jedoch trotzdem den Wunſch meines treuen Schwarzen, hielt dem Krokodile die
Mündung der Büchſe beinahe vors Ohr und jagte ihm die zweite Kugel in den Kopf. Jn demſelben
Augenblicke bäumte es ſich hoch auf, warf uns mit dem Schwanze Sand und Kieſelſteine ins Geſicht,
zuckte krampfhaft mit allen Gliedern und rannte plötzlich, als ſei es unverwundet, dem Strome zu,
alle Ausſicht auf Moſchusgewinnung vereitelnd.
Die vier Moſchusdrüſen ſind es, welche den heutigen Sudahneſen als der größte Gewinn
erſcheinen, den ſie aus dem Leichname eines erlegten Krokodils zu ziehen wiſſen. Man verkaufte ſie zur
Zeit meines Aufenthaltes zu vier bis ſechs Speciesthalern, einer Summe, für welche man ſich damals
in derſelben Gegend zwei halberwachſene Rinder erwerben konnte. Denn vermittels dieſer Drüſen
verleihen die Schönen Nubiens und Sudahns ihrer Haar- und Körperſalbe den Wohlgeruch, welcher
ſie ſo angenehm macht in den Augen, bezüglich den Naſen der Männer und ſie in der That ſehr zu
ihrem Vortheile auszeichnet vor den Frauen der mittleren Nilländer, welche das wollige Gelock ihres
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/87>, abgerufen am 20.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.