die Nasenöffnung, welche in ein Rohr aus Knorpelringen führt und den Gaumen durchbohrt, wird hinten durch eine bewegliche Klappe geschlossen; eine Gehörkapsel ist vorhanden, Gehörsteine aber fehlen. Die Kiemensäcke liegen weit nach hinten und öffnen sich nach der Speiseröhre und nach Außen durch je einen einzigen Kiemengang oder durch sechs bis sieben Löcher. Hirn, verlängertes Mark und Rückenmark liegen in der Wirbelsaite, welche gallertartig erscheint und aus einer doppelten, faserigen, in der Kopfgegend knorpelig verdickten Hülle besteht.
Linne deutete die bekannteste Art der Familie, den Jnger(Myxine glutinosa) als Eingeweide- wurm, und das sonderbare Thier hat in der That scheinbar mehr Aehnlichkeit mit einem solchen als mit einem Fische. Die Merkmale der nach ihm benannten Sippe sind folgende: Der rundliche Mund trägt acht Bärteln, die Zunge jederseits in erster Reihe acht oder neun knochenharte Zähne, der Gaumen einen hohlen, etwas gekrümmten Knorpelzahn; die Augen fehlen; die Kiemenöffnungen münden unter der Haut in einen gemeinsamen Schlauch, welcher sich jederseits durch ein Loch nach Außen öffnet; die Haut sondert reichlichen Schleim ab. Die Länge des Jnger beträgt etwa 8 Zoll; die Färbung ist ein schwer zu bestimmendes Bläulichweiß.
Der Jnger gehört den nördlichen Meeren an und wird namentlich an den Küsten von Grönland, Norwegen, Schweden und Großbritannien gefangen. Er bethätigt den Lehrsatz, daß die Gestalt des Thieres dessen Lebensweise bedingt. Ein Wurm unter den Fischen, schmarotzt er, wie die schlimmsten Arten der Eingeweidewürmer auf und in dem Leibe seiner Klassenverwandten. Wie er es treibt, um sich einer Beute zu bemächtigen, weiß man nicht, sondern nur so viel, daß er sich in Muskeln und Eingeweide verschiedener Schellfische und anderer Klassenverwandten einbohrt und nach und nach deren Leib bis auf Haut und Knochen auffrißt oder aufsaugt. Jn Ermangelung des Gesichtes bedient er sich zweifelsohne seiner Fühlfäden an den Lippen als Taster, erkundet so eine Beute, wie man annimmt am Ehesten eine solche, welche sich im Netz oder an der Angel gefangen, hängt sich mit Hilfe seines Saugmundes fest und schlüpft endlich, sei es durch Maul oder After, sei es durch ein selbst- gebohrtes Loch in das Jnnere des ihm verfallenen Leibes. Das ist durchaus Würmerart, und stellt sich der Jnger somit in der That als Wurmfisch oder Fischwurm, als vermittelndes Bindeglied zwischen beiden Thiergruppen dar. Die Fortpflanzung geschieht durch Eier von geringer Größe und gelblicher Färbung.
Die Rundmäuler. Lampreten. Neunaugen.
die Naſenöffnung, welche in ein Rohr aus Knorpelringen führt und den Gaumen durchbohrt, wird hinten durch eine bewegliche Klappe geſchloſſen; eine Gehörkapſel iſt vorhanden, Gehörſteine aber fehlen. Die Kiemenſäcke liegen weit nach hinten und öffnen ſich nach der Speiſeröhre und nach Außen durch je einen einzigen Kiemengang oder durch ſechs bis ſieben Löcher. Hirn, verlängertes Mark und Rückenmark liegen in der Wirbelſaite, welche gallertartig erſcheint und aus einer doppelten, faſerigen, in der Kopfgegend knorpelig verdickten Hülle beſteht.
Linné deutete die bekannteſte Art der Familie, den Jnger(Myxine glutinosa) als Eingeweide- wurm, und das ſonderbare Thier hat in der That ſcheinbar mehr Aehnlichkeit mit einem ſolchen als mit einem Fiſche. Die Merkmale der nach ihm benannten Sippe ſind folgende: Der rundliche Mund trägt acht Bärteln, die Zunge jederſeits in erſter Reihe acht oder neun knochenharte Zähne, der Gaumen einen hohlen, etwas gekrümmten Knorpelzahn; die Augen fehlen; die Kiemenöffnungen münden unter der Haut in einen gemeinſamen Schlauch, welcher ſich jederſeits durch ein Loch nach Außen öffnet; die Haut ſondert reichlichen Schleim ab. Die Länge des Jnger beträgt etwa 8 Zoll; die Färbung iſt ein ſchwer zu beſtimmendes Bläulichweiß.
Der Jnger gehört den nördlichen Meeren an und wird namentlich an den Küſten von Grönland, Norwegen, Schweden und Großbritannien gefangen. Er bethätigt den Lehrſatz, daß die Geſtalt des Thieres deſſen Lebensweiſe bedingt. Ein Wurm unter den Fiſchen, ſchmarotzt er, wie die ſchlimmſten Arten der Eingeweidewürmer auf und in dem Leibe ſeiner Klaſſenverwandten. Wie er es treibt, um ſich einer Beute zu bemächtigen, weiß man nicht, ſondern nur ſo viel, daß er ſich in Muskeln und Eingeweide verſchiedener Schellfiſche und anderer Klaſſenverwandten einbohrt und nach und nach deren Leib bis auf Haut und Knochen auffrißt oder aufſaugt. Jn Ermangelung des Geſichtes bedient er ſich zweifelsohne ſeiner Fühlfäden an den Lippen als Taſter, erkundet ſo eine Beute, wie man annimmt am Eheſten eine ſolche, welche ſich im Netz oder an der Angel gefangen, hängt ſich mit Hilfe ſeines Saugmundes feſt und ſchlüpft endlich, ſei es durch Maul oder After, ſei es durch ein ſelbſt- gebohrtes Loch in das Jnnere des ihm verfallenen Leibes. Das iſt durchaus Würmerart, und ſtellt ſich der Jnger ſomit in der That als Wurmfiſch oder Fiſchwurm, als vermittelndes Bindeglied zwiſchen beiden Thiergruppen dar. Die Fortpflanzung geſchieht durch Eier von geringer Größe und gelblicher Färbung.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0856"n="810"/><fwplace="top"type="header">Die Rundmäuler. Lampreten. Neunaugen.</fw><lb/>
die Naſenöffnung, welche in ein Rohr aus Knorpelringen führt und den Gaumen durchbohrt, wird<lb/>
hinten durch eine bewegliche Klappe geſchloſſen; eine Gehörkapſel iſt vorhanden, Gehörſteine aber<lb/>
fehlen. Die Kiemenſäcke liegen weit nach hinten und öffnen ſich nach der Speiſeröhre und nach<lb/>
Außen durch je einen einzigen Kiemengang oder durch ſechs bis ſieben Löcher. Hirn, verlängertes<lb/>
Mark und Rückenmark liegen in der Wirbelſaite, welche gallertartig erſcheint und aus einer doppelten,<lb/>
faſerigen, in der Kopfgegend knorpelig verdickten Hülle beſteht.</p><lb/><p><hirendition="#g">Linn<hirendition="#aq">é</hi></hi> deutete die bekannteſte Art der Familie, den <hirendition="#g">Jnger</hi><hirendition="#aq">(Myxine glutinosa)</hi> als Eingeweide-<lb/>
wurm, und das ſonderbare Thier hat in der That ſcheinbar mehr Aehnlichkeit mit einem ſolchen als<lb/>
mit einem Fiſche. Die Merkmale der nach ihm benannten Sippe ſind folgende: Der rundliche<lb/>
Mund trägt acht Bärteln, die Zunge jederſeits in erſter Reihe acht oder neun knochenharte Zähne,<lb/>
der Gaumen einen hohlen, etwas gekrümmten Knorpelzahn; die Augen fehlen; die Kiemenöffnungen<lb/>
münden unter der Haut in einen gemeinſamen Schlauch, welcher ſich jederſeits durch ein Loch nach<lb/>
Außen öffnet; die Haut ſondert reichlichen Schleim ab. Die Länge des Jnger beträgt etwa 8 Zoll;<lb/>
die Färbung iſt ein ſchwer zu beſtimmendes Bläulichweiß.</p><lb/><p>Der Jnger gehört den nördlichen Meeren an und wird namentlich an den Küſten von Grönland,<lb/>
Norwegen, Schweden und Großbritannien gefangen. Er bethätigt den Lehrſatz, daß die Geſtalt des<lb/>
Thieres deſſen Lebensweiſe bedingt. Ein Wurm unter den Fiſchen, ſchmarotzt er, wie die ſchlimmſten<lb/>
Arten der Eingeweidewürmer auf und in dem Leibe ſeiner Klaſſenverwandten. Wie er es treibt, um<lb/>ſich einer Beute zu bemächtigen, weiß man nicht, ſondern nur ſo viel, daß er ſich in Muskeln und<lb/>
Eingeweide verſchiedener Schellfiſche und anderer Klaſſenverwandten einbohrt und nach und nach deren<lb/>
Leib bis auf Haut und Knochen auffrißt oder aufſaugt. Jn Ermangelung des Geſichtes bedient er<lb/>ſich zweifelsohne ſeiner Fühlfäden an den Lippen als Taſter, erkundet ſo eine Beute, wie man<lb/>
annimmt am Eheſten eine ſolche, welche ſich im Netz oder an der Angel gefangen, hängt ſich mit Hilfe<lb/>ſeines Saugmundes feſt und ſchlüpft endlich, ſei es durch Maul oder After, ſei es durch ein ſelbſt-<lb/>
gebohrtes Loch in das Jnnere des ihm verfallenen Leibes. Das iſt durchaus Würmerart, und ſtellt<lb/>ſich der Jnger ſomit in der That als Wurmfiſch oder Fiſchwurm, als vermittelndes Bindeglied<lb/>
zwiſchen beiden Thiergruppen dar. Die Fortpflanzung geſchieht durch Eier von geringer Größe und<lb/>
gelblicher Färbung.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></div></body></text></TEI>
[810/0856]
Die Rundmäuler. Lampreten. Neunaugen.
die Naſenöffnung, welche in ein Rohr aus Knorpelringen führt und den Gaumen durchbohrt, wird
hinten durch eine bewegliche Klappe geſchloſſen; eine Gehörkapſel iſt vorhanden, Gehörſteine aber
fehlen. Die Kiemenſäcke liegen weit nach hinten und öffnen ſich nach der Speiſeröhre und nach
Außen durch je einen einzigen Kiemengang oder durch ſechs bis ſieben Löcher. Hirn, verlängertes
Mark und Rückenmark liegen in der Wirbelſaite, welche gallertartig erſcheint und aus einer doppelten,
faſerigen, in der Kopfgegend knorpelig verdickten Hülle beſteht.
Linné deutete die bekannteſte Art der Familie, den Jnger (Myxine glutinosa) als Eingeweide-
wurm, und das ſonderbare Thier hat in der That ſcheinbar mehr Aehnlichkeit mit einem ſolchen als
mit einem Fiſche. Die Merkmale der nach ihm benannten Sippe ſind folgende: Der rundliche
Mund trägt acht Bärteln, die Zunge jederſeits in erſter Reihe acht oder neun knochenharte Zähne,
der Gaumen einen hohlen, etwas gekrümmten Knorpelzahn; die Augen fehlen; die Kiemenöffnungen
münden unter der Haut in einen gemeinſamen Schlauch, welcher ſich jederſeits durch ein Loch nach
Außen öffnet; die Haut ſondert reichlichen Schleim ab. Die Länge des Jnger beträgt etwa 8 Zoll;
die Färbung iſt ein ſchwer zu beſtimmendes Bläulichweiß.
Der Jnger gehört den nördlichen Meeren an und wird namentlich an den Küſten von Grönland,
Norwegen, Schweden und Großbritannien gefangen. Er bethätigt den Lehrſatz, daß die Geſtalt des
Thieres deſſen Lebensweiſe bedingt. Ein Wurm unter den Fiſchen, ſchmarotzt er, wie die ſchlimmſten
Arten der Eingeweidewürmer auf und in dem Leibe ſeiner Klaſſenverwandten. Wie er es treibt, um
ſich einer Beute zu bemächtigen, weiß man nicht, ſondern nur ſo viel, daß er ſich in Muskeln und
Eingeweide verſchiedener Schellfiſche und anderer Klaſſenverwandten einbohrt und nach und nach deren
Leib bis auf Haut und Knochen auffrißt oder aufſaugt. Jn Ermangelung des Geſichtes bedient er
ſich zweifelsohne ſeiner Fühlfäden an den Lippen als Taſter, erkundet ſo eine Beute, wie man
annimmt am Eheſten eine ſolche, welche ſich im Netz oder an der Angel gefangen, hängt ſich mit Hilfe
ſeines Saugmundes feſt und ſchlüpft endlich, ſei es durch Maul oder After, ſei es durch ein ſelbſt-
gebohrtes Loch in das Jnnere des ihm verfallenen Leibes. Das iſt durchaus Würmerart, und ſtellt
ſich der Jnger ſomit in der That als Wurmfiſch oder Fiſchwurm, als vermittelndes Bindeglied
zwiſchen beiden Thiergruppen dar. Die Fortpflanzung geſchieht durch Eier von geringer Größe und
gelblicher Färbung.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 810. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/856>, abgerufen am 20.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.