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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Panzerechsen. Krokodile.
nach der Mitte sich wendenden Strömung, welche mir ihn entführt haben würde. Da erschien ein
Araber, und ich bat ihn, den Vogel für mich zu fischen. "Bewahre mich der Himmel, Herr", antwortete
er mir, "hier gehe ich nicht in das Wasser; denn hier wimmelt es von Krokodilen. Erst vor wenig
Wochen haben sie zwei Schafe beim Tränken erfaßt und in die Wellen gerissen; einem Kamele bissen
sie ein Bein ab; ein Pferd entrann ihnen mit genauer Noth." Jch versprach dem Manne reiche
Belohnung, schalt ihn Feigling und forderte ihn auf, sich als Mann zu zeigen. Er erwiderte ruhig,
daß er, wenn ich ihm "alle Schätze der Welt" geben könne, diese nicht verdienen wolle. Unwillig
entkleidete ich mich selbst, sprang in den Strom und watete und schwamm auf meinen Vogel zu.
Laut auf schrie der Araber: "Herr, um der Gnade und Barmherzigkeit Allahs willen, kehre um, ein
Krokodil!" Erschrocken eilte ich nach dem Ufer zurück. Von der anderen Seite des Stromes her kam
ein riesiges Krokodil, die Panzerhöcker über der Oberfläche des Wassers zeigend; schnurgerade schwamm
es auf meinen Vogel zu, tauchte dicht vor ihm in die Tiefe, öffnete den Rachen, welcher mir groß
genug erschien, auch meinerseits darin Platz zu finden, nahm mir die Beute vor den Augen weg und
verschwand mit ihr in den trüben Fluten. -- Ein zweites schwamm später schnurstracks auf einen Nimmer-
satt zu, dessen sich mein Diener von der anderen Seite her bemächtigen wollte, und würde möglicher-
weise anstatt des Vogels, Jagd auf den Mann gemacht haben, hätte ich ihm nicht rechtzeitig durch eine
wohl gezielte Kugel diesen und alle ferneren Angriffe verleidet. Andere ließen sich nicht einmal
durch Schüsse von ihrer bereits ins Auge gefaßten Beute abbringen.

Die hart an der Grenze des türkisch-egyptischen Gebiets wohnenden Schiluckh-Neger begraben
ihre Todten nicht, sondern werfen sie, wie die Jndier die ihrigen in den Ganges, einfach in den Strom,
und gleichwohl sieht man nur höchst selten den Leichnam eines Negers im Flusse treiben: die im Lande
der Schiluckh besonders häufigen, riesenhasten großen Krokodile lassen sich solche Beute nicht entgehen.

Mit der frechen Dreistigkeit, welche das Krokodil bethätigt, solange es sich im Wasser befindet,
steht die erbärmliche Feigheit, welche es auf dem Lande zeigt, im sonderbaren Widerspruche. Höchst
selten entfernt es sich weiter als hundert Schritte vom Flußufer, und regelmäßig stürzt es diesem bei
anscheinender Gefahr schnurgerade wieder zu. Beim Erscheinen eines Menschen ergreift es stets mit
größter Eile die Flucht; niemals denkt es daran, einen Menschen landeinwärts zu verfolgen. Hundert
Mal habe ich mir den Spaß gemacht, Krokodile plötzlich zu überraschen und stets gesehen, daß sie sich
mit ängstlicher Hast in den Fluß stürzten, ganz ähnlich wie bei uns zu Lande die Frösche ins Wasser.
Einer meiner Diener wollte sich im Dämmerlichte des Morgens hinter einem, nah am Strome
liegenden Baumstamme gegen Wildgänse anschleichen und erschrak nicht wenig, als der vermeintliche
Baumstamm plötzlich zum Krokodile wurde. Glücklicherweise benahm sich die wahrscheinlich nicht
minder als mein Diener erschrockene Panzerechse wie immer: anstatt auf den herankriechenden Mann
loszustürzen, suchte sie sich selbst zu retten. Dieselbe Aengstlichkeit beweist das Thier sogar dann,
wenn man ihm den Weg zum Flusse abschneidet: es bemüht sich nunmehr den ersten, besten Schlupf-
winkel zu erreichen, um hier sich zu sichern. Bei einem Jagdausfluge in den Wäldern des blauen
Flusses wurden wir eines Morgens durch ein etwa acht Fuß langes Krokodil, welches im Walde vor
uns aufging, sehr überrascht, noch mehr aber dadurch, daß das Thier sofort dem nächsten größeren
Busche zuflüchtete. Jn ihm verhielt es sich vollkommen regungslos, sodaß es uns nicht möglich
wurde, es zu Gesicht zu bekommen und unsere Absicht, ihm eine Kugel durch den Leib zu jagen,
auszuführen.

Wahrscheinlich unternimmt das Krokodil derartige Ausflüge über Land nur des Nachts, vielleicht
in der Absicht, ein anderes Gewässer aufzusuchen; denn um zu jagen, verläßt es, wie bemerkt, den
Fluß gewiß nicht; wenigstens habe ich nie das Gegentheil beobachtet oder davon gehört. Während
der Regenzeit folgt es den Regenströmen, welche bald darauf versiegen, und geht in ihnen zuweilen
soweit, daß es in Folge der rasch eintretenden Dürre von seinem Hauptstrome abgeschnitten und
genöthigt wird, sich bestmöglich zu verbergen und die nächsten Regen zu erwarten. Anfänglich wandert
es von einer Lache zur anderen; später hält es sich wochenlang in derjenigen auf, welche noch etwas

Die Panzerechſen. Krokodile.
nach der Mitte ſich wendenden Strömung, welche mir ihn entführt haben würde. Da erſchien ein
Araber, und ich bat ihn, den Vogel für mich zu fiſchen. „Bewahre mich der Himmel, Herr“, antwortete
er mir, „hier gehe ich nicht in das Waſſer; denn hier wimmelt es von Krokodilen. Erſt vor wenig
Wochen haben ſie zwei Schafe beim Tränken erfaßt und in die Wellen geriſſen; einem Kamele biſſen
ſie ein Bein ab; ein Pferd entrann ihnen mit genauer Noth.“ Jch verſprach dem Manne reiche
Belohnung, ſchalt ihn Feigling und forderte ihn auf, ſich als Mann zu zeigen. Er erwiderte ruhig,
daß er, wenn ich ihm „alle Schätze der Welt“ geben könne, dieſe nicht verdienen wolle. Unwillig
entkleidete ich mich ſelbſt, ſprang in den Strom und watete und ſchwamm auf meinen Vogel zu.
Laut auf ſchrie der Araber: „Herr, um der Gnade und Barmherzigkeit Allahs willen, kehre um, ein
Krokodil!“ Erſchrocken eilte ich nach dem Ufer zurück. Von der anderen Seite des Stromes her kam
ein rieſiges Krokodil, die Panzerhöcker über der Oberfläche des Waſſers zeigend; ſchnurgerade ſchwamm
es auf meinen Vogel zu, tauchte dicht vor ihm in die Tiefe, öffnete den Rachen, welcher mir groß
genug erſchien, auch meinerſeits darin Platz zu finden, nahm mir die Beute vor den Augen weg und
verſchwand mit ihr in den trüben Fluten. — Ein zweites ſchwamm ſpäter ſchnurſtracks auf einen Nimmer-
ſatt zu, deſſen ſich mein Diener von der anderen Seite her bemächtigen wollte, und würde möglicher-
weiſe anſtatt des Vogels, Jagd auf den Mann gemacht haben, hätte ich ihm nicht rechtzeitig durch eine
wohl gezielte Kugel dieſen und alle ferneren Angriffe verleidet. Andere ließen ſich nicht einmal
durch Schüſſe von ihrer bereits ins Auge gefaßten Beute abbringen.

Die hart an der Grenze des türkiſch-egyptiſchen Gebiets wohnenden Schiluckh-Neger begraben
ihre Todten nicht, ſondern werfen ſie, wie die Jndier die ihrigen in den Ganges, einfach in den Strom,
und gleichwohl ſieht man nur höchſt ſelten den Leichnam eines Negers im Fluſſe treiben: die im Lande
der Schiluckh beſonders häufigen, rieſenhaſten großen Krokodile laſſen ſich ſolche Beute nicht entgehen.

Mit der frechen Dreiſtigkeit, welche das Krokodil bethätigt, ſolange es ſich im Waſſer befindet,
ſteht die erbärmliche Feigheit, welche es auf dem Lande zeigt, im ſonderbaren Widerſpruche. Höchſt
ſelten entfernt es ſich weiter als hundert Schritte vom Flußufer, und regelmäßig ſtürzt es dieſem bei
anſcheinender Gefahr ſchnurgerade wieder zu. Beim Erſcheinen eines Menſchen ergreift es ſtets mit
größter Eile die Flucht; niemals denkt es daran, einen Menſchen landeinwärts zu verfolgen. Hundert
Mal habe ich mir den Spaß gemacht, Krokodile plötzlich zu überraſchen und ſtets geſehen, daß ſie ſich
mit ängſtlicher Haſt in den Fluß ſtürzten, ganz ähnlich wie bei uns zu Lande die Fröſche ins Waſſer.
Einer meiner Diener wollte ſich im Dämmerlichte des Morgens hinter einem, nah am Strome
liegenden Baumſtamme gegen Wildgänſe anſchleichen und erſchrak nicht wenig, als der vermeintliche
Baumſtamm plötzlich zum Krokodile wurde. Glücklicherweiſe benahm ſich die wahrſcheinlich nicht
minder als mein Diener erſchrockene Panzerechſe wie immer: anſtatt auf den herankriechenden Mann
loszuſtürzen, ſuchte ſie ſich ſelbſt zu retten. Dieſelbe Aengſtlichkeit beweiſt das Thier ſogar dann,
wenn man ihm den Weg zum Fluſſe abſchneidet: es bemüht ſich nunmehr den erſten, beſten Schlupf-
winkel zu erreichen, um hier ſich zu ſichern. Bei einem Jagdausfluge in den Wäldern des blauen
Fluſſes wurden wir eines Morgens durch ein etwa acht Fuß langes Krokodil, welches im Walde vor
uns aufging, ſehr überraſcht, noch mehr aber dadurch, daß das Thier ſofort dem nächſten größeren
Buſche zuflüchtete. Jn ihm verhielt es ſich vollkommen regungslos, ſodaß es uns nicht möglich
wurde, es zu Geſicht zu bekommen und unſere Abſicht, ihm eine Kugel durch den Leib zu jagen,
auszuführen.

Wahrſcheinlich unternimmt das Krokodil derartige Ausflüge über Land nur des Nachts, vielleicht
in der Abſicht, ein anderes Gewäſſer aufzuſuchen; denn um zu jagen, verläßt es, wie bemerkt, den
Fluß gewiß nicht; wenigſtens habe ich nie das Gegentheil beobachtet oder davon gehört. Während
der Regenzeit folgt es den Regenſtrömen, welche bald darauf verſiegen, und geht in ihnen zuweilen
ſoweit, daß es in Folge der raſch eintretenden Dürre von ſeinem Hauptſtrome abgeſchnitten und
genöthigt wird, ſich beſtmöglich zu verbergen und die nächſten Regen zu erwarten. Anfänglich wandert
es von einer Lache zur anderen; ſpäter hält es ſich wochenlang in derjenigen auf, welche noch etwas

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[68/0084] Die Panzerechſen. Krokodile. nach der Mitte ſich wendenden Strömung, welche mir ihn entführt haben würde. Da erſchien ein Araber, und ich bat ihn, den Vogel für mich zu fiſchen. „Bewahre mich der Himmel, Herr“, antwortete er mir, „hier gehe ich nicht in das Waſſer; denn hier wimmelt es von Krokodilen. Erſt vor wenig Wochen haben ſie zwei Schafe beim Tränken erfaßt und in die Wellen geriſſen; einem Kamele biſſen ſie ein Bein ab; ein Pferd entrann ihnen mit genauer Noth.“ Jch verſprach dem Manne reiche Belohnung, ſchalt ihn Feigling und forderte ihn auf, ſich als Mann zu zeigen. Er erwiderte ruhig, daß er, wenn ich ihm „alle Schätze der Welt“ geben könne, dieſe nicht verdienen wolle. Unwillig entkleidete ich mich ſelbſt, ſprang in den Strom und watete und ſchwamm auf meinen Vogel zu. Laut auf ſchrie der Araber: „Herr, um der Gnade und Barmherzigkeit Allahs willen, kehre um, ein Krokodil!“ Erſchrocken eilte ich nach dem Ufer zurück. Von der anderen Seite des Stromes her kam ein rieſiges Krokodil, die Panzerhöcker über der Oberfläche des Waſſers zeigend; ſchnurgerade ſchwamm es auf meinen Vogel zu, tauchte dicht vor ihm in die Tiefe, öffnete den Rachen, welcher mir groß genug erſchien, auch meinerſeits darin Platz zu finden, nahm mir die Beute vor den Augen weg und verſchwand mit ihr in den trüben Fluten. — Ein zweites ſchwamm ſpäter ſchnurſtracks auf einen Nimmer- ſatt zu, deſſen ſich mein Diener von der anderen Seite her bemächtigen wollte, und würde möglicher- weiſe anſtatt des Vogels, Jagd auf den Mann gemacht haben, hätte ich ihm nicht rechtzeitig durch eine wohl gezielte Kugel dieſen und alle ferneren Angriffe verleidet. Andere ließen ſich nicht einmal durch Schüſſe von ihrer bereits ins Auge gefaßten Beute abbringen. Die hart an der Grenze des türkiſch-egyptiſchen Gebiets wohnenden Schiluckh-Neger begraben ihre Todten nicht, ſondern werfen ſie, wie die Jndier die ihrigen in den Ganges, einfach in den Strom, und gleichwohl ſieht man nur höchſt ſelten den Leichnam eines Negers im Fluſſe treiben: die im Lande der Schiluckh beſonders häufigen, rieſenhaſten großen Krokodile laſſen ſich ſolche Beute nicht entgehen. Mit der frechen Dreiſtigkeit, welche das Krokodil bethätigt, ſolange es ſich im Waſſer befindet, ſteht die erbärmliche Feigheit, welche es auf dem Lande zeigt, im ſonderbaren Widerſpruche. Höchſt ſelten entfernt es ſich weiter als hundert Schritte vom Flußufer, und regelmäßig ſtürzt es dieſem bei anſcheinender Gefahr ſchnurgerade wieder zu. Beim Erſcheinen eines Menſchen ergreift es ſtets mit größter Eile die Flucht; niemals denkt es daran, einen Menſchen landeinwärts zu verfolgen. Hundert Mal habe ich mir den Spaß gemacht, Krokodile plötzlich zu überraſchen und ſtets geſehen, daß ſie ſich mit ängſtlicher Haſt in den Fluß ſtürzten, ganz ähnlich wie bei uns zu Lande die Fröſche ins Waſſer. Einer meiner Diener wollte ſich im Dämmerlichte des Morgens hinter einem, nah am Strome liegenden Baumſtamme gegen Wildgänſe anſchleichen und erſchrak nicht wenig, als der vermeintliche Baumſtamm plötzlich zum Krokodile wurde. Glücklicherweiſe benahm ſich die wahrſcheinlich nicht minder als mein Diener erſchrockene Panzerechſe wie immer: anſtatt auf den herankriechenden Mann loszuſtürzen, ſuchte ſie ſich ſelbſt zu retten. Dieſelbe Aengſtlichkeit beweiſt das Thier ſogar dann, wenn man ihm den Weg zum Fluſſe abſchneidet: es bemüht ſich nunmehr den erſten, beſten Schlupf- winkel zu erreichen, um hier ſich zu ſichern. Bei einem Jagdausfluge in den Wäldern des blauen Fluſſes wurden wir eines Morgens durch ein etwa acht Fuß langes Krokodil, welches im Walde vor uns aufging, ſehr überraſcht, noch mehr aber dadurch, daß das Thier ſofort dem nächſten größeren Buſche zuflüchtete. Jn ihm verhielt es ſich vollkommen regungslos, ſodaß es uns nicht möglich wurde, es zu Geſicht zu bekommen und unſere Abſicht, ihm eine Kugel durch den Leib zu jagen, auszuführen. Wahrſcheinlich unternimmt das Krokodil derartige Ausflüge über Land nur des Nachts, vielleicht in der Abſicht, ein anderes Gewäſſer aufzuſuchen; denn um zu jagen, verläßt es, wie bemerkt, den Fluß gewiß nicht; wenigſtens habe ich nie das Gegentheil beobachtet oder davon gehört. Während der Regenzeit folgt es den Regenſtrömen, welche bald darauf verſiegen, und geht in ihnen zuweilen ſoweit, daß es in Folge der raſch eintretenden Dürre von ſeinem Hauptſtrome abgeſchnitten und genöthigt wird, ſich beſtmöglich zu verbergen und die nächſten Regen zu erwarten. Anfänglich wandert es von einer Lache zur anderen; ſpäter hält es ſich wochenlang in derjenigen auf, welche noch etwas

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/84>, abgerufen am 08.05.2024.