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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Zitterwelse. Nagelwelse. Panzerwelse. Harnischfische.
übereinander liegenden Häuten besteht und zwischen ihnen Raum für eine gallertartige Masse gibt,
auch von einer besonderen Schlag- und Hohlader und einem vielfach verzweigten Nerven gespeist und
geleitet wird. Die Färbung der glatten, sehr schleimigen Haut ist ein schwer zu bestimmendes Grau;
die Zeichnung besteht aus einer großen Anzahl unregelmäßiger schwarzer Flecken, welche längs der
Seitenlinie sich häufen und auch auf den Flossen vorhanden sind. Jn der Brustflosse zählt man 9,
in der Bauchflosse 6, in der Afterflosse 12, in der Schwanzflosse 17 Strahlen. Die Länge beträgt
1 bis 11/2 Fuß.

Der Name Naasch ist mit dem deutschen Worte Zitterwels ungefähr gleichbedeutend, nicht aber
eine Umbildung des arabischen Wortes Raad, zu Deutsch Donner. Unser Fisch ertheilt, wenn
man ihn mit der Hand berührt, Schläge, welche denen einer galvanischen Säule ähneln, sehr
verschiedene Stärke haben und von der Willkür des Fisches abhängen. Während man ihn zuweilen
anfassen kann, ohne einen Schlag zu erhalten, empfindet man zu anderen Zeiten bei der geringsten
Berührung die Wirkung seines Unwillens; ja der Fisch läßt sich von einzelnen Personen längere Zeit
in der Hand halten und ertheilt dem Nachfolger derselben sofort einen Schlag. Letzterer ist nicht
besonders schmerzhaft und kann wohl auch nur kleinen Thieren gefährlich werden.

Foskal entdeckte den Zitterwels im Nil, Adamson fand ihn im Senegal auf. An einzelnen
Orten, d. h. hier und da ist er nicht selten; auf sandigem Grunde scheint er zu fehlen. Das Fleisch
wird gegessen, jedoch nicht besonders geschätzt; dagegen schreibt man dem Zellengewebe, von welchem
die elektrische Kraft ausströmt, heilende Eigenschaften zu, verbrennt es auf Kohlen und läßt auf
den Kranken das Gas ausströmen, welches beim Verbrennen sich entwickelt. Ob sich dieses Ver-
fahren noch auf eine dunkle Erinnerung an die tresslichen Rathschläge, welche der sogenannte Engel
seinem Reisegefährten Tobias gab, begründet oder ein selbständiger Unsinn ist, lasse ich unentschieden.



Unter den beschilderten Mitgliedern der Familie verdienen zunächst die Nagelwelse (Doras)
der Erwähnung. Bei ihnen sind Kopf und Nacken gepanzert mit einer Reihe von Knochenstücken,
deren jedes eine hervorstehende dornenartige Kante hat, und Rücken- und Brustflossen sehr stark
gezähnelt; Bürsten- und Sammetzähne bewehren beide Kieser oder nur den Unterkiefer; eine Fettflosse
findet sich regelmäßig.

Ein schon seit längerer Zeit bekannter Vertreter dieser Sippe ist der Kielwels (Doras costa-
tus).
Seine Länge beträgt etwa einen Fuß. Die Färbung des Rückens und der Oberseite ist braun,
die des Kopfes rothbläulich, die der Unterseite lichter. Jn der Rückenflosse stehen 7, in der Brust-
flosse 8, in der Bauchflosse 7, in der Afterflosse 12 Strahlen.

Nicht die Gestaltung des Kielwelses, sondern seine eigenthümliche Lebensweise ist es, welche mich
bestimmte, ihn hier zu erwähnen. Schon Hancock berichtet und Schomburgk bestätigt, daß dieser
Fisch, wie andere seiner Verwandten auch, beim Austrocknen der Sümpfe und Flüsse herdenweise
über Land wandert, oft stundenweit, um ein anderes Gewässer aufzusuchen. Nach Angabe des
ersteren Beobachters traf man einmal drei Stunden von der Küste entfernt eine zahlreiche Herde
dieser Fische, welche wie die zweifüßigen Eidechsen dahinkrochen, mit dem biegsamen Schwanze sich
vorwärts stoßend, auf die Stacheln und Brustflossen sich stützend und so ihren Weg mit der
Geschwindigkeit eines langsam gehenden Mannes fortsetzten. Es waren ihrer so viele, daß die den
Beobachter begleitenden Reger mehrere Körbe mit ihnen füllen konnten. "Man hat behauptet",
sagt Schomburgk, "daß sie in einem häutigen Sacke, welches die Kiemenblättchen umgibt, etwas
Wasser zurückbehalten können, wodurch letztere während der Reise feucht erhalten werden.... Die
Auswanderungszüge scheinen jedesmal von der gesammten Bevölkerung eines Sumpfes vereint
unternommen zu werden. Finden die Züge kein Wasser, so graben sie sich in den weichen Schlamm-

Die Edelfiſche. Zitterwelſe. Nagelwelſe. Panzerwelſe. Harniſchfiſche.
übereinander liegenden Häuten beſteht und zwiſchen ihnen Raum für eine gallertartige Maſſe gibt,
auch von einer beſonderen Schlag- und Hohlader und einem vielfach verzweigten Nerven geſpeiſt und
geleitet wird. Die Färbung der glatten, ſehr ſchleimigen Haut iſt ein ſchwer zu beſtimmendes Grau;
die Zeichnung beſteht aus einer großen Anzahl unregelmäßiger ſchwarzer Flecken, welche längs der
Seitenlinie ſich häufen und auch auf den Floſſen vorhanden ſind. Jn der Bruſtfloſſe zählt man 9,
in der Bauchfloſſe 6, in der Afterfloſſe 12, in der Schwanzfloſſe 17 Strahlen. Die Länge beträgt
1 bis 1½ Fuß.

Der Name Naaſch iſt mit dem deutſchen Worte Zitterwels ungefähr gleichbedeutend, nicht aber
eine Umbildung des arabiſchen Wortes Raad, zu Deutſch Donner. Unſer Fiſch ertheilt, wenn
man ihn mit der Hand berührt, Schläge, welche denen einer galvaniſchen Säule ähneln, ſehr
verſchiedene Stärke haben und von der Willkür des Fiſches abhängen. Während man ihn zuweilen
anfaſſen kann, ohne einen Schlag zu erhalten, empfindet man zu anderen Zeiten bei der geringſten
Berührung die Wirkung ſeines Unwillens; ja der Fiſch läßt ſich von einzelnen Perſonen längere Zeit
in der Hand halten und ertheilt dem Nachfolger derſelben ſofort einen Schlag. Letzterer iſt nicht
beſonders ſchmerzhaft und kann wohl auch nur kleinen Thieren gefährlich werden.

Foskal entdeckte den Zitterwels im Nil, Adamſon fand ihn im Senegal auf. An einzelnen
Orten, d. h. hier und da iſt er nicht ſelten; auf ſandigem Grunde ſcheint er zu fehlen. Das Fleiſch
wird gegeſſen, jedoch nicht beſonders geſchätzt; dagegen ſchreibt man dem Zellengewebe, von welchem
die elektriſche Kraft ausſtrömt, heilende Eigenſchaften zu, verbrennt es auf Kohlen und läßt auf
den Kranken das Gas ausſtrömen, welches beim Verbrennen ſich entwickelt. Ob ſich dieſes Ver-
fahren noch auf eine dunkle Erinnerung an die treſſlichen Rathſchläge, welche der ſogenannte Engel
ſeinem Reiſegefährten Tobias gab, begründet oder ein ſelbſtändiger Unſinn iſt, laſſe ich unentſchieden.



Unter den beſchilderten Mitgliedern der Familie verdienen zunächſt die Nagelwelſe (Doras)
der Erwähnung. Bei ihnen ſind Kopf und Nacken gepanzert mit einer Reihe von Knochenſtücken,
deren jedes eine hervorſtehende dornenartige Kante hat, und Rücken- und Bruſtfloſſen ſehr ſtark
gezähnelt; Bürſten- und Sammetzähne bewehren beide Kieſer oder nur den Unterkiefer; eine Fettfloſſe
findet ſich regelmäßig.

Ein ſchon ſeit längerer Zeit bekannter Vertreter dieſer Sippe iſt der Kielwels (Doras costa-
tus).
Seine Länge beträgt etwa einen Fuß. Die Färbung des Rückens und der Oberſeite iſt braun,
die des Kopfes rothbläulich, die der Unterſeite lichter. Jn der Rückenfloſſe ſtehen 7, in der Bruſt-
floſſe 8, in der Bauchfloſſe 7, in der Afterfloſſe 12 Strahlen.

Nicht die Geſtaltung des Kielwelſes, ſondern ſeine eigenthümliche Lebensweiſe iſt es, welche mich
beſtimmte, ihn hier zu erwähnen. Schon Hancock berichtet und Schomburgk beſtätigt, daß dieſer
Fiſch, wie andere ſeiner Verwandten auch, beim Austrocknen der Sümpfe und Flüſſe herdenweiſe
über Land wandert, oft ſtundenweit, um ein anderes Gewäſſer aufzuſuchen. Nach Angabe des
erſteren Beobachters traf man einmal drei Stunden von der Küſte entfernt eine zahlreiche Herde
dieſer Fiſche, welche wie die zweifüßigen Eidechſen dahinkrochen, mit dem biegſamen Schwanze ſich
vorwärts ſtoßend, auf die Stacheln und Bruſtfloſſen ſich ſtützend und ſo ihren Weg mit der
Geſchwindigkeit eines langſam gehenden Mannes fortſetzten. Es waren ihrer ſo viele, daß die den
Beobachter begleitenden Reger mehrere Körbe mit ihnen füllen konnten. „Man hat behauptet“,
ſagt Schomburgk, „daß ſie in einem häutigen Sacke, welches die Kiemenblättchen umgibt, etwas
Waſſer zurückbehalten können, wodurch letztere während der Reiſe feucht erhalten werden.... Die
Auswanderungszüge ſcheinen jedesmal von der geſammten Bevölkerung eines Sumpfes vereint
unternommen zu werden. Finden die Züge kein Waſſer, ſo graben ſie ſich in den weichen Schlamm-

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[636/0674] Die Edelfiſche. Zitterwelſe. Nagelwelſe. Panzerwelſe. Harniſchfiſche. übereinander liegenden Häuten beſteht und zwiſchen ihnen Raum für eine gallertartige Maſſe gibt, auch von einer beſonderen Schlag- und Hohlader und einem vielfach verzweigten Nerven geſpeiſt und geleitet wird. Die Färbung der glatten, ſehr ſchleimigen Haut iſt ein ſchwer zu beſtimmendes Grau; die Zeichnung beſteht aus einer großen Anzahl unregelmäßiger ſchwarzer Flecken, welche längs der Seitenlinie ſich häufen und auch auf den Floſſen vorhanden ſind. Jn der Bruſtfloſſe zählt man 9, in der Bauchfloſſe 6, in der Afterfloſſe 12, in der Schwanzfloſſe 17 Strahlen. Die Länge beträgt 1 bis 1½ Fuß. Der Name Naaſch iſt mit dem deutſchen Worte Zitterwels ungefähr gleichbedeutend, nicht aber eine Umbildung des arabiſchen Wortes Raad, zu Deutſch Donner. Unſer Fiſch ertheilt, wenn man ihn mit der Hand berührt, Schläge, welche denen einer galvaniſchen Säule ähneln, ſehr verſchiedene Stärke haben und von der Willkür des Fiſches abhängen. Während man ihn zuweilen anfaſſen kann, ohne einen Schlag zu erhalten, empfindet man zu anderen Zeiten bei der geringſten Berührung die Wirkung ſeines Unwillens; ja der Fiſch läßt ſich von einzelnen Perſonen längere Zeit in der Hand halten und ertheilt dem Nachfolger derſelben ſofort einen Schlag. Letzterer iſt nicht beſonders ſchmerzhaft und kann wohl auch nur kleinen Thieren gefährlich werden. Foskal entdeckte den Zitterwels im Nil, Adamſon fand ihn im Senegal auf. An einzelnen Orten, d. h. hier und da iſt er nicht ſelten; auf ſandigem Grunde ſcheint er zu fehlen. Das Fleiſch wird gegeſſen, jedoch nicht beſonders geſchätzt; dagegen ſchreibt man dem Zellengewebe, von welchem die elektriſche Kraft ausſtrömt, heilende Eigenſchaften zu, verbrennt es auf Kohlen und läßt auf den Kranken das Gas ausſtrömen, welches beim Verbrennen ſich entwickelt. Ob ſich dieſes Ver- fahren noch auf eine dunkle Erinnerung an die treſſlichen Rathſchläge, welche der ſogenannte Engel ſeinem Reiſegefährten Tobias gab, begründet oder ein ſelbſtändiger Unſinn iſt, laſſe ich unentſchieden. Unter den beſchilderten Mitgliedern der Familie verdienen zunächſt die Nagelwelſe (Doras) der Erwähnung. Bei ihnen ſind Kopf und Nacken gepanzert mit einer Reihe von Knochenſtücken, deren jedes eine hervorſtehende dornenartige Kante hat, und Rücken- und Bruſtfloſſen ſehr ſtark gezähnelt; Bürſten- und Sammetzähne bewehren beide Kieſer oder nur den Unterkiefer; eine Fettfloſſe findet ſich regelmäßig. Ein ſchon ſeit längerer Zeit bekannter Vertreter dieſer Sippe iſt der Kielwels (Doras costa- tus). Seine Länge beträgt etwa einen Fuß. Die Färbung des Rückens und der Oberſeite iſt braun, die des Kopfes rothbläulich, die der Unterſeite lichter. Jn der Rückenfloſſe ſtehen 7, in der Bruſt- floſſe 8, in der Bauchfloſſe 7, in der Afterfloſſe 12 Strahlen. Nicht die Geſtaltung des Kielwelſes, ſondern ſeine eigenthümliche Lebensweiſe iſt es, welche mich beſtimmte, ihn hier zu erwähnen. Schon Hancock berichtet und Schomburgk beſtätigt, daß dieſer Fiſch, wie andere ſeiner Verwandten auch, beim Austrocknen der Sümpfe und Flüſſe herdenweiſe über Land wandert, oft ſtundenweit, um ein anderes Gewäſſer aufzuſuchen. Nach Angabe des erſteren Beobachters traf man einmal drei Stunden von der Küſte entfernt eine zahlreiche Herde dieſer Fiſche, welche wie die zweifüßigen Eidechſen dahinkrochen, mit dem biegſamen Schwanze ſich vorwärts ſtoßend, auf die Stacheln und Bruſtfloſſen ſich ſtützend und ſo ihren Weg mit der Geſchwindigkeit eines langſam gehenden Mannes fortſetzten. Es waren ihrer ſo viele, daß die den Beobachter begleitenden Reger mehrere Körbe mit ihnen füllen konnten. „Man hat behauptet“, ſagt Schomburgk, „daß ſie in einem häutigen Sacke, welches die Kiemenblättchen umgibt, etwas Waſſer zurückbehalten können, wodurch letztere während der Reiſe feucht erhalten werden.... Die Auswanderungszüge ſcheinen jedesmal von der geſammten Bevölkerung eines Sumpfes vereint unternommen zu werden. Finden die Züge kein Waſſer, ſo graben ſie ſich in den weichen Schlamm-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/674>, abgerufen am 21.12.2024.