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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Stachelflosser. Makrelen. Tunfische.
wie der Abt selbst sagt, "die Religion herbei". Ueberdies begleiten den Patron einige seiner sichersten
und treuesten Leute, welche die Oberaufsicht haben, die Arbeit überwachen und Bekanntmachung der
Verordnungen übernehmen; die Hauptperson aber und der allerwichtigste Arbeiter ist der Reis oder
Oberbefehlshaber der Fischer. Reis bedeutet im Arabischen so viel als Vorsteher oder Hauptmann;
die Benennung deutet also darauf hin, daß die Araber vordem auch in der Tunfischerei Ausgezeich-
netes geleistet haben mögen. Was nur irgend auf den Tunfang Bezug hat, hängt vom Reis ab.
Er muß ein Mann sein von unverbrüchlicher Treue, unfähig, seinem Herrn Schaden zuzufügen,
dadurch, daß er eine andere Tonare begünstigt, muß ebenso große Kenntniß und Scharfsinn besitzen,
das Wesen des Tun gründlich kennen, auf Alles und Jedes, auch das Kleinste, auf eine Vertiefung
oder Erhabenheit des Meerbodens, eine besondere Farbe desselben, kurz auf jeden Umstand, welcher
auf die Fischerei Einfluß haben könnte, aufmerksam sein, Alles vorher zu untersuchen wissen und
außerdem die Begabung haben, das gewaltige Netzgebäude rasch und sicher im hohen Meere aufzu-
bauen, so daß es selbst im Sturme feststehe. Nachdem er diese Arbeit verrichtet, liegt ihm ununter-
brochene Besichtigung desselben ob; denn von ihm hängt es ab, wenn der Anfang irgendwelcher Arbeit
geschehen soll. Mit der Einsicht eines Lotsen muß er bevorstehende Stürme voraussehen können,
damit er nicht während einer Unternehmung zur Unzeit von solchen überfallen werde; am Tage des
wirklichen Fanges endlich führt er den alleinigen Befehl. Von seinen Eigenschaften hängt größten-
theils der Erfolg der Fischerei ab. Man behandelt ihn deshalb mit größter Höflichkeit, und der
Fremde hört oft keinen andern Namen nennen als den seinen. Gewöhnlich gehen die zu so hohem
Posten erhobenen Leute aus einer Fischereischule hervor; diejenigen, welche auf Sardinien thätig sind,
stammen entweder aus Genua oder aus Sicilien.

Die Vorbereitungen zum Fange beanspruchen den Monat April. Anfangs Mai wird die
Tonare ausgesteckt, d. h. im Meere eine Linie gezogen, welche bei der Auswerfung des Netzes als
Richtschnur dient. Dies geschieht vermittelst langer Leinen, welche mit einander gleichlaufend auf
der Oberfläche des Wassers befestigt werden. Am Tage nach der Aussteckung bringt man das vorher
von der Geistlichkeit feierlich eingesegnete Netz auf mehren Fahrzeugen ins Meer hinaus und ver-
ankert es nach allen Seiten.

Der Tun zieht mit großer Regelmäßigkeit, wenn auch nicht, wie die Alten glaubten, immer mit
der rechten Seite gegen das Ufer gekehrt, nach Aelian "bald nach Art der Wölfe, bald nach Art der
Ziegen," d. h. entweder und gewöhnlich in Trupps von zwei und drei Stücken oder in starken
Rudeln. Bei ruhigem Wetter streicht er nicht, sondern geht höchstens seinem Futter nach; sobald
das Meer vom Winde bewegt wird, begibt er sich auf die Reise und hält dann meist auch die Wind-
richtung ein. Deshalb sieht man beim Tunfange weder Stürme noch Windstille gern; Jedermann
wünscht Wind, und Jeder selbstverständlich denjenigen, welcher seiner Tonare vortheilhaft ist.

Der an eine Netzwand anprallende Fisch gelangt zuerst in die große Kammer, deren Eingang
offen steht. Niemals oder doch höchst selten besinnt er sich zurückzukehren, sucht vielmehr allent-
halben durchzukommen, und verirrt sich dabei in die nächsten Kammern, in welchen er entweder schon
Gesellschaft vorfindet oder doch bald solche erhält. Besondere Aufpasser halten sich mit ihren Fahr-
zeugen in der Nähe der sogenannten Jnsel am Anfange der Kammer auf und geben Achtung, wie
viel Fische in das Netz gehen. Sie unterscheiden die Tune unter dem Wasser mit einer wunderbaren
Scharfsichtigkeit, obgleich sie sich in einer so beträchtlichen Tiefe halten, daß ihr Bild oftmals nicht
größer als eine Sardelle erscheint; ja, sie können sie zählen, Stück für Stück, wie der Hirt seine Schafe.
Zuweilen müssen sie oder der Reis, welcher alle Abende sich einfindet, verschiedene Hülfsmittel an-
wenden, um die Unterwasserschau zu ermöglichen. Sie bedecken das Boot mit einem schwarzen Tuche,
um die das Sehen verhindernden Lichtstrahlen zu dämpfen, senken einen Stein mit einem weißen Tun-
fischknochen, die sogenannte Laterne, in die Tiefe, um das Dunkel derselben zu erhellen. Bemerkt
der Reis, daß eine der vordern Kammern zu voll ist, so sucht er, um neuen Ankömmlingen den Ein-
gang zu eröffnen, die ersten in die folgende Kammer zu treiben. Dies geschieht gewöhnlich mit einer

Die Stachelfloſſer. Makrelen. Tunfiſche.
wie der Abt ſelbſt ſagt, „die Religion herbei“. Ueberdies begleiten den Patron einige ſeiner ſicherſten
und treueſten Leute, welche die Oberaufſicht haben, die Arbeit überwachen und Bekanntmachung der
Verordnungen übernehmen; die Hauptperſon aber und der allerwichtigſte Arbeiter iſt der Reis oder
Oberbefehlshaber der Fiſcher. Reis bedeutet im Arabiſchen ſo viel als Vorſteher oder Hauptmann;
die Benennung deutet alſo darauf hin, daß die Araber vordem auch in der Tunfiſcherei Ausgezeich-
netes geleiſtet haben mögen. Was nur irgend auf den Tunfang Bezug hat, hängt vom Reis ab.
Er muß ein Mann ſein von unverbrüchlicher Treue, unfähig, ſeinem Herrn Schaden zuzufügen,
dadurch, daß er eine andere Tonare begünſtigt, muß ebenſo große Kenntniß und Scharfſinn beſitzen,
das Weſen des Tun gründlich kennen, auf Alles und Jedes, auch das Kleinſte, auf eine Vertiefung
oder Erhabenheit des Meerbodens, eine beſondere Farbe deſſelben, kurz auf jeden Umſtand, welcher
auf die Fiſcherei Einfluß haben könnte, aufmerkſam ſein, Alles vorher zu unterſuchen wiſſen und
außerdem die Begabung haben, das gewaltige Netzgebäude raſch und ſicher im hohen Meere aufzu-
bauen, ſo daß es ſelbſt im Sturme feſtſtehe. Nachdem er dieſe Arbeit verrichtet, liegt ihm ununter-
brochene Beſichtigung deſſelben ob; denn von ihm hängt es ab, wenn der Anfang irgendwelcher Arbeit
geſchehen ſoll. Mit der Einſicht eines Lotſen muß er bevorſtehende Stürme vorausſehen können,
damit er nicht während einer Unternehmung zur Unzeit von ſolchen überfallen werde; am Tage des
wirklichen Fanges endlich führt er den alleinigen Befehl. Von ſeinen Eigenſchaften hängt größten-
theils der Erfolg der Fiſcherei ab. Man behandelt ihn deshalb mit größter Höflichkeit, und der
Fremde hört oft keinen andern Namen nennen als den ſeinen. Gewöhnlich gehen die zu ſo hohem
Poſten erhobenen Leute aus einer Fiſchereiſchule hervor; diejenigen, welche auf Sardinien thätig ſind,
ſtammen entweder aus Genua oder aus Sicilien.

Die Vorbereitungen zum Fange beanſpruchen den Monat April. Anfangs Mai wird die
Tonare ausgeſteckt, d. h. im Meere eine Linie gezogen, welche bei der Auswerfung des Netzes als
Richtſchnur dient. Dies geſchieht vermittelſt langer Leinen, welche mit einander gleichlaufend auf
der Oberfläche des Waſſers befeſtigt werden. Am Tage nach der Ausſteckung bringt man das vorher
von der Geiſtlichkeit feierlich eingeſegnete Netz auf mehren Fahrzeugen ins Meer hinaus und ver-
ankert es nach allen Seiten.

Der Tun zieht mit großer Regelmäßigkeit, wenn auch nicht, wie die Alten glaubten, immer mit
der rechten Seite gegen das Ufer gekehrt, nach Aelian „bald nach Art der Wölfe, bald nach Art der
Ziegen,“ d. h. entweder und gewöhnlich in Trupps von zwei und drei Stücken oder in ſtarken
Rudeln. Bei ruhigem Wetter ſtreicht er nicht, ſondern geht höchſtens ſeinem Futter nach; ſobald
das Meer vom Winde bewegt wird, begibt er ſich auf die Reiſe und hält dann meiſt auch die Wind-
richtung ein. Deshalb ſieht man beim Tunfange weder Stürme noch Windſtille gern; Jedermann
wünſcht Wind, und Jeder ſelbſtverſtändlich denjenigen, welcher ſeiner Tonare vortheilhaft iſt.

Der an eine Netzwand anprallende Fiſch gelangt zuerſt in die große Kammer, deren Eingang
offen ſteht. Niemals oder doch höchſt ſelten beſinnt er ſich zurückzukehren, ſucht vielmehr allent-
halben durchzukommen, und verirrt ſich dabei in die nächſten Kammern, in welchen er entweder ſchon
Geſellſchaft vorfindet oder doch bald ſolche erhält. Beſondere Aufpaſſer halten ſich mit ihren Fahr-
zeugen in der Nähe der ſogenannten Jnſel am Anfange der Kammer auf und geben Achtung, wie
viel Fiſche in das Netz gehen. Sie unterſcheiden die Tune unter dem Waſſer mit einer wunderbaren
Scharfſichtigkeit, obgleich ſie ſich in einer ſo beträchtlichen Tiefe halten, daß ihr Bild oftmals nicht
größer als eine Sardelle erſcheint; ja, ſie können ſie zählen, Stück für Stück, wie der Hirt ſeine Schafe.
Zuweilen müſſen ſie oder der Reis, welcher alle Abende ſich einfindet, verſchiedene Hülfsmittel an-
wenden, um die Unterwaſſerſchau zu ermöglichen. Sie bedecken das Boot mit einem ſchwarzen Tuche,
um die das Sehen verhindernden Lichtſtrahlen zu dämpfen, ſenken einen Stein mit einem weißen Tun-
fiſchknochen, die ſogenannte Laterne, in die Tiefe, um das Dunkel derſelben zu erhellen. Bemerkt
der Reis, daß eine der vordern Kammern zu voll iſt, ſo ſucht er, um neuen Ankömmlingen den Ein-
gang zu eröffnen, die erſten in die folgende Kammer zu treiben. Dies geſchieht gewöhnlich mit einer

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[546/0580] Die Stachelfloſſer. Makrelen. Tunfiſche. wie der Abt ſelbſt ſagt, „die Religion herbei“. Ueberdies begleiten den Patron einige ſeiner ſicherſten und treueſten Leute, welche die Oberaufſicht haben, die Arbeit überwachen und Bekanntmachung der Verordnungen übernehmen; die Hauptperſon aber und der allerwichtigſte Arbeiter iſt der Reis oder Oberbefehlshaber der Fiſcher. Reis bedeutet im Arabiſchen ſo viel als Vorſteher oder Hauptmann; die Benennung deutet alſo darauf hin, daß die Araber vordem auch in der Tunfiſcherei Ausgezeich- netes geleiſtet haben mögen. Was nur irgend auf den Tunfang Bezug hat, hängt vom Reis ab. Er muß ein Mann ſein von unverbrüchlicher Treue, unfähig, ſeinem Herrn Schaden zuzufügen, dadurch, daß er eine andere Tonare begünſtigt, muß ebenſo große Kenntniß und Scharfſinn beſitzen, das Weſen des Tun gründlich kennen, auf Alles und Jedes, auch das Kleinſte, auf eine Vertiefung oder Erhabenheit des Meerbodens, eine beſondere Farbe deſſelben, kurz auf jeden Umſtand, welcher auf die Fiſcherei Einfluß haben könnte, aufmerkſam ſein, Alles vorher zu unterſuchen wiſſen und außerdem die Begabung haben, das gewaltige Netzgebäude raſch und ſicher im hohen Meere aufzu- bauen, ſo daß es ſelbſt im Sturme feſtſtehe. Nachdem er dieſe Arbeit verrichtet, liegt ihm ununter- brochene Beſichtigung deſſelben ob; denn von ihm hängt es ab, wenn der Anfang irgendwelcher Arbeit geſchehen ſoll. Mit der Einſicht eines Lotſen muß er bevorſtehende Stürme vorausſehen können, damit er nicht während einer Unternehmung zur Unzeit von ſolchen überfallen werde; am Tage des wirklichen Fanges endlich führt er den alleinigen Befehl. Von ſeinen Eigenſchaften hängt größten- theils der Erfolg der Fiſcherei ab. Man behandelt ihn deshalb mit größter Höflichkeit, und der Fremde hört oft keinen andern Namen nennen als den ſeinen. Gewöhnlich gehen die zu ſo hohem Poſten erhobenen Leute aus einer Fiſchereiſchule hervor; diejenigen, welche auf Sardinien thätig ſind, ſtammen entweder aus Genua oder aus Sicilien. Die Vorbereitungen zum Fange beanſpruchen den Monat April. Anfangs Mai wird die Tonare ausgeſteckt, d. h. im Meere eine Linie gezogen, welche bei der Auswerfung des Netzes als Richtſchnur dient. Dies geſchieht vermittelſt langer Leinen, welche mit einander gleichlaufend auf der Oberfläche des Waſſers befeſtigt werden. Am Tage nach der Ausſteckung bringt man das vorher von der Geiſtlichkeit feierlich eingeſegnete Netz auf mehren Fahrzeugen ins Meer hinaus und ver- ankert es nach allen Seiten. Der Tun zieht mit großer Regelmäßigkeit, wenn auch nicht, wie die Alten glaubten, immer mit der rechten Seite gegen das Ufer gekehrt, nach Aelian „bald nach Art der Wölfe, bald nach Art der Ziegen,“ d. h. entweder und gewöhnlich in Trupps von zwei und drei Stücken oder in ſtarken Rudeln. Bei ruhigem Wetter ſtreicht er nicht, ſondern geht höchſtens ſeinem Futter nach; ſobald das Meer vom Winde bewegt wird, begibt er ſich auf die Reiſe und hält dann meiſt auch die Wind- richtung ein. Deshalb ſieht man beim Tunfange weder Stürme noch Windſtille gern; Jedermann wünſcht Wind, und Jeder ſelbſtverſtändlich denjenigen, welcher ſeiner Tonare vortheilhaft iſt. Der an eine Netzwand anprallende Fiſch gelangt zuerſt in die große Kammer, deren Eingang offen ſteht. Niemals oder doch höchſt ſelten beſinnt er ſich zurückzukehren, ſucht vielmehr allent- halben durchzukommen, und verirrt ſich dabei in die nächſten Kammern, in welchen er entweder ſchon Geſellſchaft vorfindet oder doch bald ſolche erhält. Beſondere Aufpaſſer halten ſich mit ihren Fahr- zeugen in der Nähe der ſogenannten Jnſel am Anfange der Kammer auf und geben Achtung, wie viel Fiſche in das Netz gehen. Sie unterſcheiden die Tune unter dem Waſſer mit einer wunderbaren Scharfſichtigkeit, obgleich ſie ſich in einer ſo beträchtlichen Tiefe halten, daß ihr Bild oftmals nicht größer als eine Sardelle erſcheint; ja, ſie können ſie zählen, Stück für Stück, wie der Hirt ſeine Schafe. Zuweilen müſſen ſie oder der Reis, welcher alle Abende ſich einfindet, verſchiedene Hülfsmittel an- wenden, um die Unterwaſſerſchau zu ermöglichen. Sie bedecken das Boot mit einem ſchwarzen Tuche, um die das Sehen verhindernden Lichtſtrahlen zu dämpfen, ſenken einen Stein mit einem weißen Tun- fiſchknochen, die ſogenannte Laterne, in die Tiefe, um das Dunkel derſelben zu erhellen. Bemerkt der Reis, daß eine der vordern Kammern zu voll iſt, ſo ſucht er, um neuen Ankömmlingen den Ein- gang zu eröffnen, die erſten in die folgende Kammer zu treiben. Dies geſchieht gewöhnlich mit einer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/580>, abgerufen am 16.07.2024.