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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Stechbüttel. Zwerg- und Seestichling.
haben, daß ein Stechbüttel binnen fünf Stunden vierundsiebzig eben ausgekrochene Fischchen von
etwa drei Linien Länge verschlungen; der Seestichling lauert, nach den Beobachtungen von Couch,
zwischen Seegras und Gestein in den verschiedensten Lagen aufgestellt, auf die sich nahende Beute
und überfällt solche von einer ihm fast gleichkommenden Größe; Ramage erfuhr, daß junge Blutegel
von den Stechbütteln eifrig verfolgt und solche von einem halben Zoll Länge ohne Weiteres
verschluckt wurden. Sobald man den Egel in das Glas brachte, welches den Stichling beherbergte,
kreiste dieser umher, bis er ihn packen konnte; hatte der Egel sich an das Glas angeheftet, so wurde
er abgerissen, gebissen, geschüttelt, so, wie ein Hund mit einer gefangenen Ratte umgeht, und so lange
in dieser Weise gemartert, bis er sich nicht mehr wehren konnte, hierauf verschlungen. Zuweilen
geschieht es, daß der Blutegel sich auch am Stichling festbeißt; dann wendet letzterer Alles an, um
jenen loszuwerden, erreicht auch in der Regel seinen Zweck. Couch gab einem seiner Stichlinge
einen Aal von drei Zoll Länge zur Gesellschaft; kaum war dieser in das Becken gebracht worden, als
er auch schon von dem Räuber angegriffen und, den Kopf voran, in Schlund und Magen versenkt
wurde. Der Aal aber war für einen Bissen doch zu groß, und der überbleibende Theil hing dem
Räuber aus dem Munde heraus; dieser sah sich deshalb genöthigt, ihn wieder hervorzuwürgen:
doch geschah Dies erst, nachdem bereits ein Theil der Beute verdaut war. Motten und andere kleine
Schmetterlinge, welche auf die Oberfläche des Wassers fielen, wurden sofort gepackt, entflügelt und
verschluckt. Daß junge Stichlinge vor ihren räuberischen Eltern nicht gesichert sind, braucht kaum
erst erwähnt zu werden. Kurz, diese kleinen Fische würden, hätten sie nur die Größe eines Barsches,
alle unsere Gewässer entvölkern und uns im höchsten Grade furchtbar werden, so sehr sie uns durch
ihre Schönheit entzücken möchten.

Das Merkwürdigste in der Lebensgeschichte der Stichlinge ist unzweifelhaft ihr Brutgeschäft.
Erst in der Neuzeit sind die hierüber gesammelten Beobachtungen zu allgemeinerer Kunde gelangt.
Deutsche und englische Forscher hatten schon vor vielen Jahren über den Nestbau und die Wachsam-
keit der Stichlinge geschrieben; aber erst, nachdem ein Franzose seine Beobachtungen der französischen
Akademie der Wissenschaften vorgelegt, wurde, wie Das in der Regel zu gehen pflegt, die Trommel
gerührt und Lärm geschlagen. Möglicherweise thut sich noch heutigentages die große Nation auf die
Entdeckung und erste Beschreibung des Fortpflanzungsgeschäftes der Stichlinge etwas zu Gute. Jn
der Wissenschaft aber gilt das Erstlingsrecht so unbedingt, daß kein Linsengericht anerkannt wird,
welches es schmälern könnte. Und so haben wir denn festzuhalten, daß mehr als hundert Jahre vor
Coste, dessen Verdienste ich übrigens nicht im Geringsten schmälern will, der Engländer John Hall
eine Beschreibung und Abbildung des Nestes unseres Stechbüttels veröffentlichte, daß im Jahre 1829
in Schottland, im Jahre 1832 bei Würzburg das Brutgeschäft beobachtet wurde und Coste erst im
Jahre 1844 seine Entdeckung zu allgemeiner Kunde brachte.

Bau eines Nestes und zärtliche Obsorge eines Fisches für seine Jungen sind zwar, wie ich schon
in der Einleitung hervorgehoben, nicht gerade etwas Ungewöhnliches, immerhin jedoch merkwürdig
genug, daß es sich verlohnt, auf das Fortpflanzungsgeschäft der Stichlinge näher einzugehen. Jch
selbst habe die Thiere beim Bau ihres Nestes beobachtet, da sie in der Gefangenschaft ebenso eifrig an
solchen arbeiten als im Freien, will aber, wie recht und billig, das Eigenthumsrecht der Beobachter
nicht schmälern, sondern einfach das von ihnen Veröffentlichte zusammenstellen, ohne mich jedoch an
die zeitliche Reihenfolge der Beobachtungen zu binden.

Wenn die Laichzeit herannaht, wählt sich jedes Männchen einen bestimmten Platz und vertheidigt
denselben mit der ihm eigenthümlichen Hartnäckigkeit und Kampflust gegen jeden andern Fisch seiner
Art und seines Geschlechtes, welcher den Versuch machen sollte, ihn zu verdrängen. Der erwählte
Platz kann verschieden sein. Die Stichlinge, welche im süßen Wasser laichen, suchen gewöhnlich eine
seichte Stelle auf kiesigem oder sandigem Grunde auf, über welche das Wasser ziemlich rasch rieselt
oder doch öfters bewegt wird. Die Seestichlinge erkiesen sich ähnliche Standorte und benutzen meist
längere Tange in der Nähe des Strandes, zwischen denen sie sich überhaupt gern aufhalten, zur

Stechbüttel. Zwerg- und Seeſtichling.
haben, daß ein Stechbüttel binnen fünf Stunden vierundſiebzig eben ausgekrochene Fiſchchen von
etwa drei Linien Länge verſchlungen; der Seeſtichling lauert, nach den Beobachtungen von Couch,
zwiſchen Seegras und Geſtein in den verſchiedenſten Lagen aufgeſtellt, auf die ſich nahende Beute
und überfällt ſolche von einer ihm faſt gleichkommenden Größe; Ramage erfuhr, daß junge Blutegel
von den Stechbütteln eifrig verfolgt und ſolche von einem halben Zoll Länge ohne Weiteres
verſchluckt wurden. Sobald man den Egel in das Glas brachte, welches den Stichling beherbergte,
kreiſte dieſer umher, bis er ihn packen konnte; hatte der Egel ſich an das Glas angeheftet, ſo wurde
er abgeriſſen, gebiſſen, geſchüttelt, ſo, wie ein Hund mit einer gefangenen Ratte umgeht, und ſo lange
in dieſer Weiſe gemartert, bis er ſich nicht mehr wehren konnte, hierauf verſchlungen. Zuweilen
geſchieht es, daß der Blutegel ſich auch am Stichling feſtbeißt; dann wendet letzterer Alles an, um
jenen loszuwerden, erreicht auch in der Regel ſeinen Zweck. Couch gab einem ſeiner Stichlinge
einen Aal von drei Zoll Länge zur Geſellſchaft; kaum war dieſer in das Becken gebracht worden, als
er auch ſchon von dem Räuber angegriffen und, den Kopf voran, in Schlund und Magen verſenkt
wurde. Der Aal aber war für einen Biſſen doch zu groß, und der überbleibende Theil hing dem
Räuber aus dem Munde heraus; dieſer ſah ſich deshalb genöthigt, ihn wieder hervorzuwürgen:
doch geſchah Dies erſt, nachdem bereits ein Theil der Beute verdaut war. Motten und andere kleine
Schmetterlinge, welche auf die Oberfläche des Waſſers fielen, wurden ſofort gepackt, entflügelt und
verſchluckt. Daß junge Stichlinge vor ihren räuberiſchen Eltern nicht geſichert ſind, braucht kaum
erſt erwähnt zu werden. Kurz, dieſe kleinen Fiſche würden, hätten ſie nur die Größe eines Barſches,
alle unſere Gewäſſer entvölkern und uns im höchſten Grade furchtbar werden, ſo ſehr ſie uns durch
ihre Schönheit entzücken möchten.

Das Merkwürdigſte in der Lebensgeſchichte der Stichlinge iſt unzweifelhaft ihr Brutgeſchäft.
Erſt in der Neuzeit ſind die hierüber geſammelten Beobachtungen zu allgemeinerer Kunde gelangt.
Deutſche und engliſche Forſcher hatten ſchon vor vielen Jahren über den Neſtbau und die Wachſam-
keit der Stichlinge geſchrieben; aber erſt, nachdem ein Franzoſe ſeine Beobachtungen der franzöſiſchen
Akademie der Wiſſenſchaften vorgelegt, wurde, wie Das in der Regel zu gehen pflegt, die Trommel
gerührt und Lärm geſchlagen. Möglicherweiſe thut ſich noch heutigentages die große Nation auf die
Entdeckung und erſte Beſchreibung des Fortpflanzungsgeſchäftes der Stichlinge etwas zu Gute. Jn
der Wiſſenſchaft aber gilt das Erſtlingsrecht ſo unbedingt, daß kein Linſengericht anerkannt wird,
welches es ſchmälern könnte. Und ſo haben wir denn feſtzuhalten, daß mehr als hundert Jahre vor
Coſte, deſſen Verdienſte ich übrigens nicht im Geringſten ſchmälern will, der Engländer John Hall
eine Beſchreibung und Abbildung des Neſtes unſeres Stechbüttels veröffentlichte, daß im Jahre 1829
in Schottland, im Jahre 1832 bei Würzburg das Brutgeſchäft beobachtet wurde und Coſte erſt im
Jahre 1844 ſeine Entdeckung zu allgemeiner Kunde brachte.

Bau eines Neſtes und zärtliche Obſorge eines Fiſches für ſeine Jungen ſind zwar, wie ich ſchon
in der Einleitung hervorgehoben, nicht gerade etwas Ungewöhnliches, immerhin jedoch merkwürdig
genug, daß es ſich verlohnt, auf das Fortpflanzungsgeſchäft der Stichlinge näher einzugehen. Jch
ſelbſt habe die Thiere beim Bau ihres Neſtes beobachtet, da ſie in der Gefangenſchaft ebenſo eifrig an
ſolchen arbeiten als im Freien, will aber, wie recht und billig, das Eigenthumsrecht der Beobachter
nicht ſchmälern, ſondern einfach das von ihnen Veröffentlichte zuſammenſtellen, ohne mich jedoch an
die zeitliche Reihenfolge der Beobachtungen zu binden.

Wenn die Laichzeit herannaht, wählt ſich jedes Männchen einen beſtimmten Platz und vertheidigt
denſelben mit der ihm eigenthümlichen Hartnäckigkeit und Kampfluſt gegen jeden andern Fiſch ſeiner
Art und ſeines Geſchlechtes, welcher den Verſuch machen ſollte, ihn zu verdrängen. Der erwählte
Platz kann verſchieden ſein. Die Stichlinge, welche im ſüßen Waſſer laichen, ſuchen gewöhnlich eine
ſeichte Stelle auf kieſigem oder ſandigem Grunde auf, über welche das Waſſer ziemlich raſch rieſelt
oder doch öfters bewegt wird. Die Seeſtichlinge erkieſen ſich ähnliche Standorte und benutzen meiſt
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[537/0571] Stechbüttel. Zwerg- und Seeſtichling. haben, daß ein Stechbüttel binnen fünf Stunden vierundſiebzig eben ausgekrochene Fiſchchen von etwa drei Linien Länge verſchlungen; der Seeſtichling lauert, nach den Beobachtungen von Couch, zwiſchen Seegras und Geſtein in den verſchiedenſten Lagen aufgeſtellt, auf die ſich nahende Beute und überfällt ſolche von einer ihm faſt gleichkommenden Größe; Ramage erfuhr, daß junge Blutegel von den Stechbütteln eifrig verfolgt und ſolche von einem halben Zoll Länge ohne Weiteres verſchluckt wurden. Sobald man den Egel in das Glas brachte, welches den Stichling beherbergte, kreiſte dieſer umher, bis er ihn packen konnte; hatte der Egel ſich an das Glas angeheftet, ſo wurde er abgeriſſen, gebiſſen, geſchüttelt, ſo, wie ein Hund mit einer gefangenen Ratte umgeht, und ſo lange in dieſer Weiſe gemartert, bis er ſich nicht mehr wehren konnte, hierauf verſchlungen. Zuweilen geſchieht es, daß der Blutegel ſich auch am Stichling feſtbeißt; dann wendet letzterer Alles an, um jenen loszuwerden, erreicht auch in der Regel ſeinen Zweck. Couch gab einem ſeiner Stichlinge einen Aal von drei Zoll Länge zur Geſellſchaft; kaum war dieſer in das Becken gebracht worden, als er auch ſchon von dem Räuber angegriffen und, den Kopf voran, in Schlund und Magen verſenkt wurde. Der Aal aber war für einen Biſſen doch zu groß, und der überbleibende Theil hing dem Räuber aus dem Munde heraus; dieſer ſah ſich deshalb genöthigt, ihn wieder hervorzuwürgen: doch geſchah Dies erſt, nachdem bereits ein Theil der Beute verdaut war. Motten und andere kleine Schmetterlinge, welche auf die Oberfläche des Waſſers fielen, wurden ſofort gepackt, entflügelt und verſchluckt. Daß junge Stichlinge vor ihren räuberiſchen Eltern nicht geſichert ſind, braucht kaum erſt erwähnt zu werden. Kurz, dieſe kleinen Fiſche würden, hätten ſie nur die Größe eines Barſches, alle unſere Gewäſſer entvölkern und uns im höchſten Grade furchtbar werden, ſo ſehr ſie uns durch ihre Schönheit entzücken möchten. Das Merkwürdigſte in der Lebensgeſchichte der Stichlinge iſt unzweifelhaft ihr Brutgeſchäft. Erſt in der Neuzeit ſind die hierüber geſammelten Beobachtungen zu allgemeinerer Kunde gelangt. Deutſche und engliſche Forſcher hatten ſchon vor vielen Jahren über den Neſtbau und die Wachſam- keit der Stichlinge geſchrieben; aber erſt, nachdem ein Franzoſe ſeine Beobachtungen der franzöſiſchen Akademie der Wiſſenſchaften vorgelegt, wurde, wie Das in der Regel zu gehen pflegt, die Trommel gerührt und Lärm geſchlagen. Möglicherweiſe thut ſich noch heutigentages die große Nation auf die Entdeckung und erſte Beſchreibung des Fortpflanzungsgeſchäftes der Stichlinge etwas zu Gute. Jn der Wiſſenſchaft aber gilt das Erſtlingsrecht ſo unbedingt, daß kein Linſengericht anerkannt wird, welches es ſchmälern könnte. Und ſo haben wir denn feſtzuhalten, daß mehr als hundert Jahre vor Coſte, deſſen Verdienſte ich übrigens nicht im Geringſten ſchmälern will, der Engländer John Hall eine Beſchreibung und Abbildung des Neſtes unſeres Stechbüttels veröffentlichte, daß im Jahre 1829 in Schottland, im Jahre 1832 bei Würzburg das Brutgeſchäft beobachtet wurde und Coſte erſt im Jahre 1844 ſeine Entdeckung zu allgemeiner Kunde brachte. Bau eines Neſtes und zärtliche Obſorge eines Fiſches für ſeine Jungen ſind zwar, wie ich ſchon in der Einleitung hervorgehoben, nicht gerade etwas Ungewöhnliches, immerhin jedoch merkwürdig genug, daß es ſich verlohnt, auf das Fortpflanzungsgeſchäft der Stichlinge näher einzugehen. Jch ſelbſt habe die Thiere beim Bau ihres Neſtes beobachtet, da ſie in der Gefangenſchaft ebenſo eifrig an ſolchen arbeiten als im Freien, will aber, wie recht und billig, das Eigenthumsrecht der Beobachter nicht ſchmälern, ſondern einfach das von ihnen Veröffentlichte zuſammenſtellen, ohne mich jedoch an die zeitliche Reihenfolge der Beobachtungen zu binden. Wenn die Laichzeit herannaht, wählt ſich jedes Männchen einen beſtimmten Platz und vertheidigt denſelben mit der ihm eigenthümlichen Hartnäckigkeit und Kampfluſt gegen jeden andern Fiſch ſeiner Art und ſeines Geſchlechtes, welcher den Verſuch machen ſollte, ihn zu verdrängen. Der erwählte Platz kann verſchieden ſein. Die Stichlinge, welche im ſüßen Waſſer laichen, ſuchen gewöhnlich eine ſeichte Stelle auf kieſigem oder ſandigem Grunde auf, über welche das Waſſer ziemlich raſch rieſelt oder doch öfters bewegt wird. Die Seeſtichlinge erkieſen ſich ähnliche Standorte und benutzen meiſt längere Tange in der Nähe des Strandes, zwiſchen denen ſie ſich überhaupt gern aufhalten, zur

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/571>, abgerufen am 16.07.2024.