Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.
Schnapp- und Geierschildkröte. sondern selbst sehr große Beute, beispielsweise Enten oder Gänse an. Man hört, laut Müller,sehr häufig Klagen der Bauern über den von ihr ausgeübten Raub, den sie an Hühnern und Enten begangen; sie ergreift diese, zieht sie an den Beinen ins Wasser, ertränkt sie und verspeist sie dann mit aller Bequemlichkeit. Ein Müller befreundeter Bauer hörte eine seiner Enten laut schreien, lief hinzu und sah, wie der Vogel trotz heftigen Sträubens und Schlagens mit den Füßen halb unter Wasser gezogen war, griff zu, zog und bemerkte zu seinem Erstaunen, daß eine Schildkröte daran hing, ihr Opfer auch nicht freigab, sondern sich ruhig mit herausziehen ließ. Fontaine, ein Geist- licher in Tejas, theilte Agassiz Nachstehendes über zwei Geierschildkröten mit, welche er längere Zeit beobachten konnte, weil er sie einige Jahre lang in seinem Fischteiche hielt. "Sie wurden sehr zahm", sagt er; "da ich aber fand, daß sie meine Fische auffraßen, erlegte ich die eine und ver- wundete die andere mit einem Wurfspieße, konnte sie jedoch wegen ihrer Schlauheit nicht fangen. Jch [Abbildung]
Die Schnappschildkröte (Chelydra sorpentina). 1/4 der nat. Größe. fütterte meine Bassen und Elritzen mit Brot, welches auch die Geierschildkröte gierig verschlang.Eines Tages verweilte sie nach der Mahlzeit auf einem Felsen, der nur einen Fuß unter Wasser lag. Ein Schwarm von Elritzen und Bassen schnappte nach den Brotkrumen umher, ohne daß sie ihre Gegenwart zu ahnen schienen; ihr Kopf und ihre Füße waren jedoch auch möglichst unter ihrem Panzer zurückgezogen, und ihr mosbedeckter Nücken konnte kaum von dem Felsen, auf dem sie im Hinterhalte lag, unterschieden werden. Einige große Vassen schwammen um sie herum und schnappten hin und wieder nach den Elritzen; kaum aber kam einer von ihnen, ein Fisch von etwa vierzehn Zoll Länge, innerhalb ihres Schnappbereichs, als sie plötzlich den Kopf hervorwarf und ihn festhielt, indem sie ihren Adlerschnabel tief in seine Seiten und seinen Bauch einhieb. Hierauf zog sie den Fisch unter sich, drückte ihn mit ihren Vorderfüßen gegen den Felsen und verzehrte ihn gierig, ganz so wie ein Falk seine Beute verschlingt. Nun nahm ich einen starken Angelhaken, befestigte daran eine Elritze als Köder, und warf die Angel ihr zu, entschlossen, mich von dieser geschickten Schnapp- und Geierſchildkröte. ſondern ſelbſt ſehr große Beute, beiſpielsweiſe Enten oder Gänſe an. Man hört, laut Müller,ſehr häufig Klagen der Bauern über den von ihr ausgeübten Raub, den ſie an Hühnern und Enten begangen; ſie ergreift dieſe, zieht ſie an den Beinen ins Waſſer, ertränkt ſie und verſpeiſt ſie dann mit aller Bequemlichkeit. Ein Müller befreundeter Bauer hörte eine ſeiner Enten laut ſchreien, lief hinzu und ſah, wie der Vogel trotz heftigen Sträubens und Schlagens mit den Füßen halb unter Waſſer gezogen war, griff zu, zog und bemerkte zu ſeinem Erſtaunen, daß eine Schildkröte daran hing, ihr Opfer auch nicht freigab, ſondern ſich ruhig mit herausziehen ließ. Fontaine, ein Geiſt- licher in Tejas, theilte Agaſſiz Nachſtehendes über zwei Geierſchildkröten mit, welche er längere Zeit beobachten konnte, weil er ſie einige Jahre lang in ſeinem Fiſchteiche hielt. „Sie wurden ſehr zahm“, ſagt er; „da ich aber fand, daß ſie meine Fiſche auffraßen, erlegte ich die eine und ver- wundete die andere mit einem Wurfſpieße, konnte ſie jedoch wegen ihrer Schlauheit nicht fangen. Jch [Abbildung]
Die Schnappſchildkröte (Chelydra sorpentina). ¼ der nat. Größe. fütterte meine Baſſen und Elritzen mit Brot, welches auch die Geierſchildkröte gierig verſchlang.Eines Tages verweilte ſie nach der Mahlzeit auf einem Felſen, der nur einen Fuß unter Waſſer lag. Ein Schwarm von Elritzen und Baſſen ſchnappte nach den Brotkrumen umher, ohne daß ſie ihre Gegenwart zu ahnen ſchienen; ihr Kopf und ihre Füße waren jedoch auch möglichſt unter ihrem Panzer zurückgezogen, und ihr mosbedeckter Nücken konnte kaum von dem Felſen, auf dem ſie im Hinterhalte lag, unterſchieden werden. Einige große Vaſſen ſchwammen um ſie herum und ſchnappten hin und wieder nach den Elritzen; kaum aber kam einer von ihnen, ein Fiſch von etwa vierzehn Zoll Länge, innerhalb ihres Schnappbereichs, als ſie plötzlich den Kopf hervorwarf und ihn feſthielt, indem ſie ihren Adlerſchnabel tief in ſeine Seiten und ſeinen Bauch einhieb. Hierauf zog ſie den Fiſch unter ſich, drückte ihn mit ihren Vorderfüßen gegen den Felſen und verzehrte ihn gierig, ganz ſo wie ein Falk ſeine Beute verſchlingt. Nun nahm ich einen ſtarken Angelhaken, befeſtigte daran eine Elritze als Köder, und warf die Angel ihr zu, entſchloſſen, mich von dieſer geſchickten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Schnapp- und Geierſchildkröte.</hi></fw><lb/> ſondern ſelbſt ſehr große Beute, beiſpielsweiſe Enten oder Gänſe an. Man hört, laut <hi rendition="#g">Müller,</hi><lb/> ſehr häufig Klagen der Bauern über den von ihr ausgeübten Raub, den ſie an Hühnern und Enten<lb/> begangen; ſie ergreift dieſe, zieht ſie an den Beinen ins Waſſer, ertränkt ſie und verſpeiſt ſie dann<lb/> mit aller Bequemlichkeit. Ein <hi rendition="#g">Müller</hi> befreundeter Bauer hörte eine ſeiner Enten laut ſchreien,<lb/> lief hinzu und ſah, wie der Vogel trotz heftigen Sträubens und Schlagens mit den Füßen halb unter<lb/> Waſſer gezogen war, griff zu, zog und bemerkte zu ſeinem Erſtaunen, daß eine Schildkröte daran<lb/> hing, ihr Opfer auch nicht freigab, ſondern ſich ruhig mit herausziehen ließ. <hi rendition="#g">Fontaine,</hi> ein Geiſt-<lb/> licher in Tejas, theilte <hi rendition="#g">Agaſſiz</hi> Nachſtehendes über zwei Geierſchildkröten mit, welche er längere<lb/> Zeit beobachten konnte, weil er ſie einige Jahre lang in ſeinem Fiſchteiche hielt. „Sie wurden ſehr<lb/> zahm“, ſagt er; „da ich aber fand, daß ſie meine Fiſche auffraßen, erlegte ich die eine und ver-<lb/> wundete die andere mit einem Wurfſpieße, konnte ſie jedoch wegen ihrer Schlauheit nicht fangen. Jch<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Schnappſchildkröte</hi><hi rendition="#aq">(Chelydra sorpentina).</hi> ¼ der nat. Größe.</hi></head></figure><lb/> fütterte meine Baſſen und Elritzen mit Brot, welches auch die Geierſchildkröte gierig verſchlang.<lb/> Eines Tages verweilte ſie nach der Mahlzeit auf einem Felſen, der nur einen Fuß unter Waſſer lag.<lb/> Ein Schwarm von Elritzen und Baſſen ſchnappte nach den Brotkrumen umher, ohne daß ſie ihre<lb/> Gegenwart zu ahnen ſchienen; ihr Kopf und ihre Füße waren jedoch auch möglichſt unter ihrem<lb/> Panzer zurückgezogen, und ihr mosbedeckter Nücken konnte kaum von dem Felſen, auf dem ſie im<lb/> Hinterhalte lag, unterſchieden werden. Einige große Vaſſen ſchwammen um ſie herum und<lb/> ſchnappten hin und wieder nach den Elritzen; kaum aber kam einer von ihnen, ein Fiſch von etwa<lb/> vierzehn Zoll Länge, innerhalb ihres Schnappbereichs, als ſie plötzlich den Kopf hervorwarf und ihn<lb/> feſthielt, indem ſie ihren Adlerſchnabel tief in ſeine Seiten und ſeinen Bauch einhieb. Hierauf zog<lb/> ſie den Fiſch unter ſich, drückte ihn mit ihren Vorderfüßen gegen den Felſen und verzehrte ihn gierig,<lb/> ganz ſo wie ein Falk ſeine Beute verſchlingt. Nun nahm ich einen ſtarken Angelhaken, befeſtigte<lb/> daran eine Elritze als Köder, und warf die Angel ihr zu, entſchloſſen, mich von dieſer geſchickten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0055]
Schnapp- und Geierſchildkröte.
ſondern ſelbſt ſehr große Beute, beiſpielsweiſe Enten oder Gänſe an. Man hört, laut Müller,
ſehr häufig Klagen der Bauern über den von ihr ausgeübten Raub, den ſie an Hühnern und Enten
begangen; ſie ergreift dieſe, zieht ſie an den Beinen ins Waſſer, ertränkt ſie und verſpeiſt ſie dann
mit aller Bequemlichkeit. Ein Müller befreundeter Bauer hörte eine ſeiner Enten laut ſchreien,
lief hinzu und ſah, wie der Vogel trotz heftigen Sträubens und Schlagens mit den Füßen halb unter
Waſſer gezogen war, griff zu, zog und bemerkte zu ſeinem Erſtaunen, daß eine Schildkröte daran
hing, ihr Opfer auch nicht freigab, ſondern ſich ruhig mit herausziehen ließ. Fontaine, ein Geiſt-
licher in Tejas, theilte Agaſſiz Nachſtehendes über zwei Geierſchildkröten mit, welche er längere
Zeit beobachten konnte, weil er ſie einige Jahre lang in ſeinem Fiſchteiche hielt. „Sie wurden ſehr
zahm“, ſagt er; „da ich aber fand, daß ſie meine Fiſche auffraßen, erlegte ich die eine und ver-
wundete die andere mit einem Wurfſpieße, konnte ſie jedoch wegen ihrer Schlauheit nicht fangen. Jch
[Abbildung Die Schnappſchildkröte (Chelydra sorpentina). ¼ der nat. Größe.]
fütterte meine Baſſen und Elritzen mit Brot, welches auch die Geierſchildkröte gierig verſchlang.
Eines Tages verweilte ſie nach der Mahlzeit auf einem Felſen, der nur einen Fuß unter Waſſer lag.
Ein Schwarm von Elritzen und Baſſen ſchnappte nach den Brotkrumen umher, ohne daß ſie ihre
Gegenwart zu ahnen ſchienen; ihr Kopf und ihre Füße waren jedoch auch möglichſt unter ihrem
Panzer zurückgezogen, und ihr mosbedeckter Nücken konnte kaum von dem Felſen, auf dem ſie im
Hinterhalte lag, unterſchieden werden. Einige große Vaſſen ſchwammen um ſie herum und
ſchnappten hin und wieder nach den Elritzen; kaum aber kam einer von ihnen, ein Fiſch von etwa
vierzehn Zoll Länge, innerhalb ihres Schnappbereichs, als ſie plötzlich den Kopf hervorwarf und ihn
feſthielt, indem ſie ihren Adlerſchnabel tief in ſeine Seiten und ſeinen Bauch einhieb. Hierauf zog
ſie den Fiſch unter ſich, drückte ihn mit ihren Vorderfüßen gegen den Felſen und verzehrte ihn gierig,
ganz ſo wie ein Falk ſeine Beute verſchlingt. Nun nahm ich einen ſtarken Angelhaken, befeſtigte
daran eine Elritze als Köder, und warf die Angel ihr zu, entſchloſſen, mich von dieſer geſchickten
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