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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Seeslorpion. Seebulle.
gewöhnlich höher als breit und oben mit zwei Paaren knochiger Auswüchse oder Stacheln besetzt, zu
denen andere auf dem Gesichtstheile und den Kiemendeckeln kommen; das Maul ist noch weiter
gespalten als bei den Flußgroppen, denen unsere Fische übrigens ähneln.

Die bekannteste Art der Sippe ist der Seeskorpion (Acanthocottus scorpius), ein überaus
häßlicher Fisch von 6 bis 10 Zoll Länge und röthlichbrauner, nach unten sich lichtender Färbung,

[Abbildung] Der Seeskorpion (Acanthocottus scorpius). 1/2 der nat. Größe.
welche durch dunklere Flecken gezeichnet wird. Jn den Rückenflossen zählt man 9 und 15, in der
Brustflosse 17, in der Bauchflosse 4, in der Afterflosse 11, in der Schwanzflosse 12 Strahlen.

Eine zweite Art, der Seebulle (Acanthocottus bubalis) hat ungefähr dieselbe Größe, ist
aber mit noch mehr und längeren Stacheln bewehrt als die vorhergehende. An den Küsten Groß-
britanniens kommen außerdem noch zwei verschiedene Arten vor, der vierhornige Seeskorpion
(Acanthocottus quadricornis) und der Kanjok (Acanthocottus groenlandicus).

Alle Stachelgroppen führen mehr oder weniger dieselbe Lebensweise. Sie halten sich am
Liebsten auf steinigem Grunde, oft in bedeutenden Tiefen, nicht selten aber auch in höheren Schichten
auf, liegen hier unbeweglich auf den Steinen, zuweilen auch unter ihnen, mit dem Rücken sich
anlehnend, und lauern auf Beute. Naht sich eine solche, so schwimmen sie unter lebhaften
Bewegungen ihrer gewaltigen Flossen nicht allzu rasch, wohl aber gewandt herbei, öffnen den unge-
heuren Rachen und begraben in ihm Fische, welche fast ebenso groß sind als sie selbst. Jhre
Gefräßigkeit ist erstaunlich; sie verschlingen buchstäblich alles Genießbare: neben den Fischen Krebse
und Krabben, Würmer etc., außerdem auch allerlei Abfall von den Schiffen und Booten. Die Fort-
pflanzungszeit fällt in die wärmeren Monate des Jahres; einzelne aber laichen erst spät im Herbste,
manche im November. Während der Laichzeit beleben sie alle geeigneten Stellen der Küste in
außerordentlicher Menge; nachdem sie sich ihrer Eier entledigt, ziehen sie sich in tiefere Gründe zurück.

Obgleich man eigentlich nirgends Jagd auf diese von den meisten Fischern gehaßten Thiere
macht, fängt man sie doch in Menge, ohne es zu wollen. Das Fleisch wird nirgends geachtet,

Brehm, Thierleben V. 32

Seeſlorpion. Seebulle.
gewöhnlich höher als breit und oben mit zwei Paaren knochiger Auswüchſe oder Stacheln beſetzt, zu
denen andere auf dem Geſichtstheile und den Kiemendeckeln kommen; das Maul iſt noch weiter
geſpalten als bei den Flußgroppen, denen unſere Fiſche übrigens ähneln.

Die bekannteſte Art der Sippe iſt der Seeſkorpion (Acanthocottus scorpius), ein überaus
häßlicher Fiſch von 6 bis 10 Zoll Länge und röthlichbrauner, nach unten ſich lichtender Färbung,

[Abbildung] Der Seeſkorpion (Acanthocottus scorpius). ½ der nat. Größe.
welche durch dunklere Flecken gezeichnet wird. Jn den Rückenfloſſen zählt man 9 und 15, in der
Bruſtfloſſe 17, in der Bauchfloſſe 4, in der Afterfloſſe 11, in der Schwanzfloſſe 12 Strahlen.

Eine zweite Art, der Seebulle (Acanthocottus bubalis) hat ungefähr dieſelbe Größe, iſt
aber mit noch mehr und längeren Stacheln bewehrt als die vorhergehende. An den Küſten Groß-
britanniens kommen außerdem noch zwei verſchiedene Arten vor, der vierhornige Seeſkorpion
(Acanthocottus quadricornis) und der Kanjok (Acanthocottus groenlandicus).

Alle Stachelgroppen führen mehr oder weniger dieſelbe Lebensweiſe. Sie halten ſich am
Liebſten auf ſteinigem Grunde, oft in bedeutenden Tiefen, nicht ſelten aber auch in höheren Schichten
auf, liegen hier unbeweglich auf den Steinen, zuweilen auch unter ihnen, mit dem Rücken ſich
anlehnend, und lauern auf Beute. Naht ſich eine ſolche, ſo ſchwimmen ſie unter lebhaften
Bewegungen ihrer gewaltigen Floſſen nicht allzu raſch, wohl aber gewandt herbei, öffnen den unge-
heuren Rachen und begraben in ihm Fiſche, welche faſt ebenſo groß ſind als ſie ſelbſt. Jhre
Gefräßigkeit iſt erſtaunlich; ſie verſchlingen buchſtäblich alles Genießbare: neben den Fiſchen Krebſe
und Krabben, Würmer ꝛc., außerdem auch allerlei Abfall von den Schiffen und Booten. Die Fort-
pflanzungszeit fällt in die wärmeren Monate des Jahres; einzelne aber laichen erſt ſpät im Herbſte,
manche im November. Während der Laichzeit beleben ſie alle geeigneten Stellen der Küſte in
außerordentlicher Menge; nachdem ſie ſich ihrer Eier entledigt, ziehen ſie ſich in tiefere Gründe zurück.

Obgleich man eigentlich nirgends Jagd auf dieſe von den meiſten Fiſchern gehaßten Thiere
macht, fängt man ſie doch in Menge, ohne es zu wollen. Das Fleiſch wird nirgends geachtet,

Brehm, Thierleben V. 32
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[497/0529] Seeſlorpion. Seebulle. gewöhnlich höher als breit und oben mit zwei Paaren knochiger Auswüchſe oder Stacheln beſetzt, zu denen andere auf dem Geſichtstheile und den Kiemendeckeln kommen; das Maul iſt noch weiter geſpalten als bei den Flußgroppen, denen unſere Fiſche übrigens ähneln. Die bekannteſte Art der Sippe iſt der Seeſkorpion (Acanthocottus scorpius), ein überaus häßlicher Fiſch von 6 bis 10 Zoll Länge und röthlichbrauner, nach unten ſich lichtender Färbung, [Abbildung Der Seeſkorpion (Acanthocottus scorpius). ½ der nat. Größe.] welche durch dunklere Flecken gezeichnet wird. Jn den Rückenfloſſen zählt man 9 und 15, in der Bruſtfloſſe 17, in der Bauchfloſſe 4, in der Afterfloſſe 11, in der Schwanzfloſſe 12 Strahlen. Eine zweite Art, der Seebulle (Acanthocottus bubalis) hat ungefähr dieſelbe Größe, iſt aber mit noch mehr und längeren Stacheln bewehrt als die vorhergehende. An den Küſten Groß- britanniens kommen außerdem noch zwei verſchiedene Arten vor, der vierhornige Seeſkorpion (Acanthocottus quadricornis) und der Kanjok (Acanthocottus groenlandicus). Alle Stachelgroppen führen mehr oder weniger dieſelbe Lebensweiſe. Sie halten ſich am Liebſten auf ſteinigem Grunde, oft in bedeutenden Tiefen, nicht ſelten aber auch in höheren Schichten auf, liegen hier unbeweglich auf den Steinen, zuweilen auch unter ihnen, mit dem Rücken ſich anlehnend, und lauern auf Beute. Naht ſich eine ſolche, ſo ſchwimmen ſie unter lebhaften Bewegungen ihrer gewaltigen Floſſen nicht allzu raſch, wohl aber gewandt herbei, öffnen den unge- heuren Rachen und begraben in ihm Fiſche, welche faſt ebenſo groß ſind als ſie ſelbſt. Jhre Gefräßigkeit iſt erſtaunlich; ſie verſchlingen buchſtäblich alles Genießbare: neben den Fiſchen Krebſe und Krabben, Würmer ꝛc., außerdem auch allerlei Abfall von den Schiffen und Booten. Die Fort- pflanzungszeit fällt in die wärmeren Monate des Jahres; einzelne aber laichen erſt ſpät im Herbſte, manche im November. Während der Laichzeit beleben ſie alle geeigneten Stellen der Küſte in außerordentlicher Menge; nachdem ſie ſich ihrer Eier entledigt, ziehen ſie ſich in tiefere Gründe zurück. Obgleich man eigentlich nirgends Jagd auf dieſe von den meiſten Fiſchern gehaßten Thiere macht, fängt man ſie doch in Menge, ohne es zu wollen. Das Fleiſch wird nirgends geachtet, Brehm, Thierleben V. 32

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/529>, abgerufen am 15.06.2024.