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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Klapperschlange.
Stücke kaum zugänglich zu sein scheinen. Allein die Klapperschlange bohrt mittels ihrer festen
Schuppen an Kopf und Körper sehr leicht in feste Erde oder losen Sandstein, zumal wenn es darauf
ankommt, die Löcher blos zu erweitern. Jn einem spärlich beschatteten Abhange von neuem Sand-
steine des oberen Des-Maineflusses im jetzigen Staate Jowa, von ungefähr 250 Fuß Höhe, sahen wir
Massen von Klapperschlangen und fanden, daß sie aus den erweiterten Höhlen der Uferschwalben
ihren Kopf heraussteckten. Jn der Nähe von Ansiedelungen findet man sie selten oder nie in größerer
Anzahl, es sei denn während der Begattungszeit, Ende Aprils oder Anfangs Mai. Hier hält sie sich
in Spalten und Ritzen der Felsen, in Mauern und unter Gebäuden, in hohlen Bäumen und auf
flachen Steinen, Holzklaftern und Reißighaufen auf; ja, man findet sie sogar unter den Dielen von
Wohnungen, in den Schlupfwinkeln der Ratten und Mäuse.

"Der Winteraufenthalt mag wohl so wie der anderer Schlangen sehr oft ein zufälliger sein.
Das Thier wird durch einige warme Oktobertage noch einmal von der gewählten Herberge weggelockt,
durch plötzliche Kälte überrascht und muß dann sein einstweiliges Versteck zum Bette für den Winter

[Abbildung] Die Klavperschlange (Crotalus durissus).
benutzen; daher findet man oft in Prairien unter einzelnen Steinen im Freien Klapperschlangen,
welche hier mit gefülltem Magen den Winter verbringen wollen. Jhr Schlaf gleicht ganz dem
anderer Kriechthiere, nur daß sie sich womöglich einen trockenen, abgeschlossenen Winteraufenthalt
wählen." Audubon, welcher das Thier sehr ausführlich schildert, erzählt Folgendes: "Jch befand
mich einst mit mehreren Bekannten im Winter auf der Entenjagd. Als wir uns unser Mittags-
essen bereiten wollten, machten wir in der Nähe des Sees ein Feuer an und begannen, eine Ente zu
rupfen. Einer meiner Begleiter wollte einen Klotz herbeirollen und entdeckte bei dieser Gelegenheit
eine zusammengewickelte, erstarrte, große Klapperschlange. Sie war stocksteif; ich ließ sie daher zu
fernerer Beobachtung in meinen Büchsenranzen stecken, den ich auf dem Rücken hatte. Bald darauf,
während unsere Enten an hölzernen Gabeln über dem Feuer brieten, bemerkte ich, daß hinter mir
sich Etwas regte. Anfangs glaubte ich, es zappele eine Ente, die sich wieder erholt habe; bald aber
fiel mir das gefährliche Thier ein, und ich bat daher meinen Begleiter, nach der Schlange zu sehen,
schlenderte auch den Ranzen geschwind weit von mir weg. Die Schlange war bereits vollkommen
lebenskräftig, kroch hervor und fing an zu klappern, während sie den Kopf in die Höhe reckte, den

Brehm, Thierleben. V. 21

Klapperſchlange.
Stücke kaum zugänglich zu ſein ſcheinen. Allein die Klapperſchlange bohrt mittels ihrer feſten
Schuppen an Kopf und Körper ſehr leicht in feſte Erde oder loſen Sandſtein, zumal wenn es darauf
ankommt, die Löcher blos zu erweitern. Jn einem ſpärlich beſchatteten Abhange von neuem Sand-
ſteine des oberen Des-Mainefluſſes im jetzigen Staate Jowa, von ungefähr 250 Fuß Höhe, ſahen wir
Maſſen von Klapperſchlangen und fanden, daß ſie aus den erweiterten Höhlen der Uferſchwalben
ihren Kopf herausſteckten. Jn der Nähe von Anſiedelungen findet man ſie ſelten oder nie in größerer
Anzahl, es ſei denn während der Begattungszeit, Ende Aprils oder Anfangs Mai. Hier hält ſie ſich
in Spalten und Ritzen der Felſen, in Mauern und unter Gebäuden, in hohlen Bäumen und auf
flachen Steinen, Holzklaftern und Reißighaufen auf; ja, man findet ſie ſogar unter den Dielen von
Wohnungen, in den Schlupfwinkeln der Ratten und Mäuſe.

„Der Winteraufenthalt mag wohl ſo wie der anderer Schlangen ſehr oft ein zufälliger ſein.
Das Thier wird durch einige warme Oktobertage noch einmal von der gewählten Herberge weggelockt,
durch plötzliche Kälte überraſcht und muß dann ſein einſtweiliges Verſteck zum Bette für den Winter

[Abbildung] Die Klavperſchlange (Crotalus durissus).
benutzen; daher findet man oft in Prairien unter einzelnen Steinen im Freien Klapperſchlangen,
welche hier mit gefülltem Magen den Winter verbringen wollen. Jhr Schlaf gleicht ganz dem
anderer Kriechthiere, nur daß ſie ſich womöglich einen trockenen, abgeſchloſſenen Winteraufenthalt
wählen.“ Audubon, welcher das Thier ſehr ausführlich ſchildert, erzählt Folgendes: „Jch befand
mich einſt mit mehreren Bekannten im Winter auf der Entenjagd. Als wir uns unſer Mittags-
eſſen bereiten wollten, machten wir in der Nähe des Sees ein Feuer an und begannen, eine Ente zu
rupfen. Einer meiner Begleiter wollte einen Klotz herbeirollen und entdeckte bei dieſer Gelegenheit
eine zuſammengewickelte, erſtarrte, große Klapperſchlange. Sie war ſtockſteif; ich ließ ſie daher zu
fernerer Beobachtung in meinen Büchſenranzen ſtecken, den ich auf dem Rücken hatte. Bald darauf,
während unſere Enten an hölzernen Gabeln über dem Feuer brieten, bemerkte ich, daß hinter mir
ſich Etwas regte. Anfangs glaubte ich, es zappele eine Ente, die ſich wieder erholt habe; bald aber
fiel mir das gefährliche Thier ein, und ich bat daher meinen Begleiter, nach der Schlange zu ſehen,
ſchlenderte auch den Ranzen geſchwind weit von mir weg. Die Schlange war bereits vollkommen
lebenskräftig, kroch hervor und fing an zu klappern, während ſie den Kopf in die Höhe reckte, den

Brehm, Thierleben. V. 21
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[321/0347] Klapperſchlange. Stücke kaum zugänglich zu ſein ſcheinen. Allein die Klapperſchlange bohrt mittels ihrer feſten Schuppen an Kopf und Körper ſehr leicht in feſte Erde oder loſen Sandſtein, zumal wenn es darauf ankommt, die Löcher blos zu erweitern. Jn einem ſpärlich beſchatteten Abhange von neuem Sand- ſteine des oberen Des-Mainefluſſes im jetzigen Staate Jowa, von ungefähr 250 Fuß Höhe, ſahen wir Maſſen von Klapperſchlangen und fanden, daß ſie aus den erweiterten Höhlen der Uferſchwalben ihren Kopf herausſteckten. Jn der Nähe von Anſiedelungen findet man ſie ſelten oder nie in größerer Anzahl, es ſei denn während der Begattungszeit, Ende Aprils oder Anfangs Mai. Hier hält ſie ſich in Spalten und Ritzen der Felſen, in Mauern und unter Gebäuden, in hohlen Bäumen und auf flachen Steinen, Holzklaftern und Reißighaufen auf; ja, man findet ſie ſogar unter den Dielen von Wohnungen, in den Schlupfwinkeln der Ratten und Mäuſe. „Der Winteraufenthalt mag wohl ſo wie der anderer Schlangen ſehr oft ein zufälliger ſein. Das Thier wird durch einige warme Oktobertage noch einmal von der gewählten Herberge weggelockt, durch plötzliche Kälte überraſcht und muß dann ſein einſtweiliges Verſteck zum Bette für den Winter [Abbildung Die Klavperſchlange (Crotalus durissus).] benutzen; daher findet man oft in Prairien unter einzelnen Steinen im Freien Klapperſchlangen, welche hier mit gefülltem Magen den Winter verbringen wollen. Jhr Schlaf gleicht ganz dem anderer Kriechthiere, nur daß ſie ſich womöglich einen trockenen, abgeſchloſſenen Winteraufenthalt wählen.“ Audubon, welcher das Thier ſehr ausführlich ſchildert, erzählt Folgendes: „Jch befand mich einſt mit mehreren Bekannten im Winter auf der Entenjagd. Als wir uns unſer Mittags- eſſen bereiten wollten, machten wir in der Nähe des Sees ein Feuer an und begannen, eine Ente zu rupfen. Einer meiner Begleiter wollte einen Klotz herbeirollen und entdeckte bei dieſer Gelegenheit eine zuſammengewickelte, erſtarrte, große Klapperſchlange. Sie war ſtockſteif; ich ließ ſie daher zu fernerer Beobachtung in meinen Büchſenranzen ſtecken, den ich auf dem Rücken hatte. Bald darauf, während unſere Enten an hölzernen Gabeln über dem Feuer brieten, bemerkte ich, daß hinter mir ſich Etwas regte. Anfangs glaubte ich, es zappele eine Ente, die ſich wieder erholt habe; bald aber fiel mir das gefährliche Thier ein, und ich bat daher meinen Begleiter, nach der Schlange zu ſehen, ſchlenderte auch den Ranzen geſchwind weit von mir weg. Die Schlange war bereits vollkommen lebenskräftig, kroch hervor und fing an zu klappern, während ſie den Kopf in die Höhe reckte, den Brehm, Thierleben. V. 21

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/347>, abgerufen am 22.05.2024.