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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Daboja. Cerastes.
Menschen kommen selten mit dem Leben davon, wenn sie von dem furchtbaren Geschöpfe gebissen
wurden; dasselbe steht also an Gefährlichkeit hinter keiner anderen Giftschlange zurück.



Neben der Aspis hat keine Giftschlange die Alten mehr beschäftigt, als die egyptische
Cerastes (Cerastes), die am Genauesten bekannte Vertreterin der Sippe der Hornvipern, deren
wichtigstes Merkmal ein hornförmiges Gebilde über jedem Auge ist. Dieser Fortsatz besteht entweder
aus einfachen, dornartigen Hornspitzen oder aus mehreren zugespitzten, aufrecht gestellten Schuppen,
hat also Aehnlichkeit mit dem warzenartigen Auswuchse, welchen die Sandotter an der Spitze der
Vorderlippe trägt. Viele Forscher halten dieses Merkmal zur Bildung einer besonderen Sippe nicht
für bedeutsam genug und vereinigen Kreuzotter, Viper, Sandotter, alle Wüstenottern und die Horn-
vipern in einer einzigen Sippe; andere legen ein größeres Gewicht auf die feinen Unterschiede und
wollen diese auch durch einen besonderen Namen angedeutet wissen.

Die Cerastes oder Hornschlange (Cerastes aegyptiacus) kennzeichnet sich auf den ersten
Blick als ein Kind der Wüste; denn die Färbung des Sandes ist auf ihrem Schuppenkleide gleichsam
wiedergespiegelt. Ein mehr oder minder lebhaftes Gelbgrau ist die Grundfärbung; die Zeichnung
besteht aus unregelmäßigen, dunkleren Querflecken; unter dem Auge verläuft eine dunkelbraune
Binde, auf der Kopfmitte ein lichtbraungelber Streifen, welcher sich nach hinten zu theilt und an den
Halsseiten mit einem anderen, vom Kinn her kommenden vereinigt. Die Schuppen, welche den
Mundrand umsäumen, sehen hellsandgelb, die Schilder der Unterseite lichtgelb aus. Alte Stücke
erreichen eine Länge von etwa 2 Fuß; die meisten bleiben jedoch hinter diesem Maße zurück.

Das Bild der Cerastes findet sich oft in der heiligen Schrift der alten Egypter, da ihr
ursprünglicher Name, Fi, später gebraucht wurde, den F-Laut auszudrücken; sie selbst scheint auch
sonst bei den Alten eine gewisse Bedeutung gehabt zu haben.

Jhr Verbreitungskreis reicht über ganz Nordostafrika, und ebenso kommt sie jenseits des rothen
Meeres vor. Am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Persien wird sie durch Verwandte ver-
treten. "Africa", sagt der alte Geßner, "ist voll diser schlangen. Jnsonders sind in Lybia ettliche
sandechte einödinen, vnd vnfruchtbare ort, da nichts dann vilerley vnd sonderlich gehörnte schlangen
herfür kommen. Es ist die sag, diser schlangen seyen vor zeyten vil in Egypten funden worden, die
ein guten theil lands darinnen eingenommen, vnd dasselb verherget vnd einöd gemacht, daß es nie-
mandt mehr bewohnen können. Sonst erhalten sie sich mehrteils in sandechten orten vnder dem sand,
oder ligen in gruben neben den strassen, auff daß sie die, so fürgehen, anfallen vnd jnen destobaß noch
stellen mögen. Wiewol dise gehörnte schlang vergiffter vnd hitziger art vnd complerion ist, so mögen
doch keine schlangen so lang ohne trincken bey läben bleiben vnd erhalten werden, als sie vnd die
hecknater. Sie gebiret auch gleych der hecknateren läbendigen jungen, darumb bedunket mich der
vnderscheid zwüschen den schlangen vnd der hecknater so daher genommen wirdt, daß sie allein
läbendige jungen herfür bringe, nit genügsam vnd wol dise geschlecht entscheiden. Sie schleichen nit
schlecht, sonder mit vil vmbwenden vnd krümben. Daher ettlich vermeint, sie hetten dieser weichsame
halber kein ruckgradt. Sonst schleichen sie mit grossem thon, gereüsch, vnd pfeifen, gleych als wenn
ein schiff von winden getriben, vnd von wellen mit grossem getöß hin vnd wider geworffen wirt. Sie
lausteren und stehen gar betruglich nach den vöglen, verbergen den leyb überall vnder den sand, vnd
löcken die vögel mit den hörnern, die sie allein sehen lassen, hinzu, sie damit zufassen vnd zuerwürgen.
Sie erzeigen gegen den eyenwohneren Libyae kein liebe noch fründtschafft, sonder sind jnen gehaß vnd
begeren jr verderben. Dargegen sind die Psilli vor jnen sicher vnd so sie von jnen gebissen werden, mag
jnen der bisß nit nur nit schaden oder einigen schmertzen zufügen, sonder sie vertreiben vnd liechtern
in bloß mit auffgelegter hand, auch anderleüten, daher legen sie jre kinder den schlangen für, jrer
ehweyber keüschheit dardurch, gleych wie man das gold durchs fheür bewärt vnd probiert, zuerfahren."

Daboja. Ceraſtes.
Menſchen kommen ſelten mit dem Leben davon, wenn ſie von dem furchtbaren Geſchöpfe gebiſſen
wurden; daſſelbe ſteht alſo an Gefährlichkeit hinter keiner anderen Giftſchlange zurück.



Neben der Aſpis hat keine Giftſchlange die Alten mehr beſchäftigt, als die egyptiſche
Ceraſtes (Cerastes), die am Genaueſten bekannte Vertreterin der Sippe der Hornvipern, deren
wichtigſtes Merkmal ein hornförmiges Gebilde über jedem Auge iſt. Dieſer Fortſatz beſteht entweder
aus einfachen, dornartigen Hornſpitzen oder aus mehreren zugeſpitzten, aufrecht geſtellten Schuppen,
hat alſo Aehnlichkeit mit dem warzenartigen Auswuchſe, welchen die Sandotter an der Spitze der
Vorderlippe trägt. Viele Forſcher halten dieſes Merkmal zur Bildung einer beſonderen Sippe nicht
für bedeutſam genug und vereinigen Kreuzotter, Viper, Sandotter, alle Wüſtenottern und die Horn-
vipern in einer einzigen Sippe; andere legen ein größeres Gewicht auf die feinen Unterſchiede und
wollen dieſe auch durch einen beſonderen Namen angedeutet wiſſen.

Die Ceraſtes oder Hornſchlange (Cerastes aegyptiacus) kennzeichnet ſich auf den erſten
Blick als ein Kind der Wüſte; denn die Färbung des Sandes iſt auf ihrem Schuppenkleide gleichſam
wiedergeſpiegelt. Ein mehr oder minder lebhaftes Gelbgrau iſt die Grundfärbung; die Zeichnung
beſteht aus unregelmäßigen, dunkleren Querflecken; unter dem Auge verläuft eine dunkelbraune
Binde, auf der Kopfmitte ein lichtbraungelber Streifen, welcher ſich nach hinten zu theilt und an den
Halsſeiten mit einem anderen, vom Kinn her kommenden vereinigt. Die Schuppen, welche den
Mundrand umſäumen, ſehen hellſandgelb, die Schilder der Unterſeite lichtgelb aus. Alte Stücke
erreichen eine Länge von etwa 2 Fuß; die meiſten bleiben jedoch hinter dieſem Maße zurück.

Das Bild der Ceraſtes findet ſich oft in der heiligen Schrift der alten Egypter, da ihr
urſprünglicher Name, Fi, ſpäter gebraucht wurde, den F-Laut auszudrücken; ſie ſelbſt ſcheint auch
ſonſt bei den Alten eine gewiſſe Bedeutung gehabt zu haben.

Jhr Verbreitungskreis reicht über ganz Nordoſtafrika, und ebenſo kommt ſie jenſeits des rothen
Meeres vor. Am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Perſien wird ſie durch Verwandte ver-
treten. „Africa“, ſagt der alte Geßner, „iſt voll diſer ſchlangen. Jnſonders ſind in Lybia ettliche
ſandechte einödinen, vnd vnfruchtbare ort, da nichts dann vilerley vnd ſonderlich gehörnte ſchlangen
herfür kommen. Es iſt die ſag, diſer ſchlangen ſeyen vor zeyten vil in Egypten funden worden, die
ein guten theil lands darinnen eingenommen, vnd daſſelb verherget vnd einöd gemacht, daß es nie-
mandt mehr bewohnen können. Sonſt erhalten ſie ſich mehrteils in ſandechten orten vnder dem ſand,
oder ligen in gruben neben den ſtraſſen, auff daß ſie die, ſo fürgehen, anfallen vnd jnen deſtobaß noch
ſtellen mögen. Wiewol diſe gehörnte ſchlang vergiffter vnd hitziger art vnd complerion iſt, ſo mögen
doch keine ſchlangen ſo lang ohne trincken bey läben bleiben vnd erhalten werden, als ſie vnd die
hecknater. Sie gebiret auch gleych der hecknateren läbendigen jungen, darumb bedunket mich der
vnderſcheid zwüſchen den ſchlangen vnd der hecknater ſo daher genommen wirdt, daß ſie allein
läbendige jungen herfür bringe, nit genügſam vnd wol diſe geſchlecht entſcheiden. Sie ſchleichen nit
ſchlecht, ſonder mit vil vmbwenden vnd krümben. Daher ettlich vermeint, ſie hetten dieſer weichſame
halber kein ruckgradt. Sonſt ſchleichen ſie mit groſſem thon, gereüſch, vnd pfeifen, gleych als wenn
ein ſchiff von winden getriben, vnd von wellen mit groſſem getöß hin vnd wider geworffen wirt. Sie
lauſteren und ſtehen gar betruglich nach den vöglen, verbergen den leyb überall vnder den ſand, vnd
löcken die vögel mit den hörnern, die ſie allein ſehen laſſen, hinzu, ſie damit zufaſſen vnd zuerwürgen.
Sie erzeigen gegen den eyenwohneren Libyae kein liebe noch fründtſchafft, ſonder ſind jnen gehaß vnd
begeren jr verderben. Dargegen ſind die Pſilli vor jnen ſicher vnd ſo ſie von jnen gebiſſen werden, mag
jnen der biſß nit nur nit ſchaden oder einigen ſchmertzen zufügen, ſonder ſie vertreiben vnd liechtern
in bloß mit auffgelegter hand, auch anderleüten, daher legen ſie jre kinder den ſchlangen für, jrer
ehweyber keüſchheit dardurch, gleych wie man das gold durchs fheür bewärt vnd probiert, zuerfahren.“

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[313/0339] Daboja. Ceraſtes. Menſchen kommen ſelten mit dem Leben davon, wenn ſie von dem furchtbaren Geſchöpfe gebiſſen wurden; daſſelbe ſteht alſo an Gefährlichkeit hinter keiner anderen Giftſchlange zurück. Neben der Aſpis hat keine Giftſchlange die Alten mehr beſchäftigt, als die egyptiſche Ceraſtes (Cerastes), die am Genaueſten bekannte Vertreterin der Sippe der Hornvipern, deren wichtigſtes Merkmal ein hornförmiges Gebilde über jedem Auge iſt. Dieſer Fortſatz beſteht entweder aus einfachen, dornartigen Hornſpitzen oder aus mehreren zugeſpitzten, aufrecht geſtellten Schuppen, hat alſo Aehnlichkeit mit dem warzenartigen Auswuchſe, welchen die Sandotter an der Spitze der Vorderlippe trägt. Viele Forſcher halten dieſes Merkmal zur Bildung einer beſonderen Sippe nicht für bedeutſam genug und vereinigen Kreuzotter, Viper, Sandotter, alle Wüſtenottern und die Horn- vipern in einer einzigen Sippe; andere legen ein größeres Gewicht auf die feinen Unterſchiede und wollen dieſe auch durch einen beſonderen Namen angedeutet wiſſen. Die Ceraſtes oder Hornſchlange (Cerastes aegyptiacus) kennzeichnet ſich auf den erſten Blick als ein Kind der Wüſte; denn die Färbung des Sandes iſt auf ihrem Schuppenkleide gleichſam wiedergeſpiegelt. Ein mehr oder minder lebhaftes Gelbgrau iſt die Grundfärbung; die Zeichnung beſteht aus unregelmäßigen, dunkleren Querflecken; unter dem Auge verläuft eine dunkelbraune Binde, auf der Kopfmitte ein lichtbraungelber Streifen, welcher ſich nach hinten zu theilt und an den Halsſeiten mit einem anderen, vom Kinn her kommenden vereinigt. Die Schuppen, welche den Mundrand umſäumen, ſehen hellſandgelb, die Schilder der Unterſeite lichtgelb aus. Alte Stücke erreichen eine Länge von etwa 2 Fuß; die meiſten bleiben jedoch hinter dieſem Maße zurück. Das Bild der Ceraſtes findet ſich oft in der heiligen Schrift der alten Egypter, da ihr urſprünglicher Name, Fi, ſpäter gebraucht wurde, den F-Laut auszudrücken; ſie ſelbſt ſcheint auch ſonſt bei den Alten eine gewiſſe Bedeutung gehabt zu haben. Jhr Verbreitungskreis reicht über ganz Nordoſtafrika, und ebenſo kommt ſie jenſeits des rothen Meeres vor. Am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Perſien wird ſie durch Verwandte ver- treten. „Africa“, ſagt der alte Geßner, „iſt voll diſer ſchlangen. Jnſonders ſind in Lybia ettliche ſandechte einödinen, vnd vnfruchtbare ort, da nichts dann vilerley vnd ſonderlich gehörnte ſchlangen herfür kommen. Es iſt die ſag, diſer ſchlangen ſeyen vor zeyten vil in Egypten funden worden, die ein guten theil lands darinnen eingenommen, vnd daſſelb verherget vnd einöd gemacht, daß es nie- mandt mehr bewohnen können. Sonſt erhalten ſie ſich mehrteils in ſandechten orten vnder dem ſand, oder ligen in gruben neben den ſtraſſen, auff daß ſie die, ſo fürgehen, anfallen vnd jnen deſtobaß noch ſtellen mögen. Wiewol diſe gehörnte ſchlang vergiffter vnd hitziger art vnd complerion iſt, ſo mögen doch keine ſchlangen ſo lang ohne trincken bey läben bleiben vnd erhalten werden, als ſie vnd die hecknater. Sie gebiret auch gleych der hecknateren läbendigen jungen, darumb bedunket mich der vnderſcheid zwüſchen den ſchlangen vnd der hecknater ſo daher genommen wirdt, daß ſie allein läbendige jungen herfür bringe, nit genügſam vnd wol diſe geſchlecht entſcheiden. Sie ſchleichen nit ſchlecht, ſonder mit vil vmbwenden vnd krümben. Daher ettlich vermeint, ſie hetten dieſer weichſame halber kein ruckgradt. Sonſt ſchleichen ſie mit groſſem thon, gereüſch, vnd pfeifen, gleych als wenn ein ſchiff von winden getriben, vnd von wellen mit groſſem getöß hin vnd wider geworffen wirt. Sie lauſteren und ſtehen gar betruglich nach den vöglen, verbergen den leyb überall vnder den ſand, vnd löcken die vögel mit den hörnern, die ſie allein ſehen laſſen, hinzu, ſie damit zufaſſen vnd zuerwürgen. Sie erzeigen gegen den eyenwohneren Libyae kein liebe noch fründtſchafft, ſonder ſind jnen gehaß vnd begeren jr verderben. Dargegen ſind die Pſilli vor jnen ſicher vnd ſo ſie von jnen gebiſſen werden, mag jnen der biſß nit nur nit ſchaden oder einigen ſchmertzen zufügen, ſonder ſie vertreiben vnd liechtern in bloß mit auffgelegter hand, auch anderleüten, daher legen ſie jre kinder den ſchlangen für, jrer ehweyber keüſchheit dardurch, gleych wie man das gold durchs fheür bewärt vnd probiert, zuerfahren.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/339>, abgerufen am 30.06.2024.