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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Vipern.
ein Zackenband bilden, obwohl sie sich mehr oder weniger vereinigen und zuweilen durch eine schwarze,
schmale Linie, welche mitten über den Rücken läuft, an ihren Ecken verbunden werden, die seitlichen
Flecken sind kleiner, die unteren Theile schwarz, weiß gefleckt, zuweilen auch mit rostrothen Flecken."
Die Länge schwankt zwischen 11/2 bis 2 Fuß; der Schwanz nimmt ebenfalls den sechsten bis achten
Theil der Leibeslänge ein.

Bemerkt mag noch werden, daß Linne der Viper den Namen Aspis (Vipera Aspis) beilegte,
sie also, wenn man von der alten Geschichte absieht, als Aspisschlange bezeichnet werden kann; erwähnt
mag ebenso sein, daß der Name Vipera prester ebensowohl für die Kreuzotter, wie für die Viper
gebraucht wird. Jn den meisten Lehrbüchern der Schlangenkunde steht letztere übrigens als Vipera
Redii
verzeichnet, zu Ehren eines italienischen Gelehrten, welchen wir treffliche Beobachtungen über
sie und die Wirkung ihres Bisses verdanken.

Von der Schweiz an nach Süden hin fehlt die Viper keinem Lande Europas. Sie ist häufig
längs des Jura und ebenso auf den südlichen Gehängen der nördlichen Gebirge des Wallis. Nach
Schinz scheint sie nicht im höheren Gebirge vorzukommen; Wyder's Angabe also, daß sie in allen
bergigen Gegenden der Schweiz gefunden wird, bedarf der Beschränkung. Sie bewohnt, nach
Schinz, hauptsächlich Kalkgebirge, wie der Jura ist, und der Name Juraviper, welchen man für sie
vorgeschlagen, hat deshalb eine gewisse Berechtigung. Gegen den Winter hin verläßt sie, laut
Wyder, das Gebirge und zieht sich mehr nach der Ebene und gegen die menschlichen Wohnungen
hin, um dort die rauhe Jahreszeit zu verbringen. Man findet sie auf trockenen, warmen,
steinigen Oertlichkeiten, weniger in Wäldern und Gehölzen als längs der Zäune und in der Nähe von
Steinhaufen und Mauern, im Frühjahre meist paarweise, derart, daß, wenn man ein Männchen
entdeckte, man gewöhnlich auch bald das Weibchen bemerkt.

Jn ihrem Wesen bekundet sie die größte Aehnlichkeit mit dem Gebahren der Kreuzotter. "Jhre
Bewegungen", sagt Schinz, Wyder's Beobachtungen nacherzählend, "sind langsam und sehr schwer-
fällig. Sie selbst ist furchtsam und sucht zu entfliehen, und nur, wenn sie Dies nicht kann, wenn
man sie berührt und zufällig auf sie tritt, setzt sie sich zur Wehre und beißt. Setzt man den Fuß
auf sie, so vertheidigt sie sich, beißt aber auch in einen Stock oder andere ihr vorgehaltene Dinge, mit
welchen man sie fassen will."

Es ist wahrscheinlich, daß die Viper mit der Kreuzotter dieselbe Nahrung theilt, also vorzugs-
weise verschiedenen Mäusearten nachstellt. Nach Wyder lebt sie hauptsächlich von Maulwürfen,
welche sie in acht bis zehn Minuten tödtet, beißt und frißt aber keine Kriechthiere und Lurche, da ihr
Gift nur warmblütigen Thieren schaden soll. "Wovon die jungen Vipern", sagt genannter
Beobachter, "die doch nichts Großes verschlucken können, leben, weiß ich nicht." Für nicht unwahr-
scheinlich halte ich, daß sie ebenso wie die jungen Kreuzottern sich anfänglich von kleinen Echsen nähren.

Die Paarung geschieht im April und dauert, wie Wyder selbst einmal beobachten konnte, über
drei Stunden. Männchen und Weibchen sind dabei so innig vereinigt, daß sich beide nicht von
einander losreißen können. Etwa vier Monate nach der Paarung heckt das Weibchen zwölf bis
funfzehn ausgebildete, 6 bis 8 Zoll lange Junge, welche wie die Kreuzottern vom ersten Tage ihres
Lebens an ihr boshaftes Wesen zeigen und tüchtig um sich beißen.

Jn der Gefangenschaft benimmt sich die Viper wie ihre Verwandte. Sie wird nie zahm, bleibt
immer tückisch, obgleich sie nach einigen Monaten an Lebhaftigkeit verliert, beißt noch nach sechs-
monatlicher Kerkerhaft nach dem Pfleger und entschließt sich selten, Nahrung zu sich zu nehmen. "Jch
habe", sagt Wyder, "einzelne gehabt, welche sechzehn Monate lang Nichts fraßen, aber häufig
Wasser trauken." Ganz ebenso wie die Otter speit sie bald nach ihrer Gefangennahme die bereits
verschlungene Nahrung aus. Unser Gewährsmann fing eine Viper, deren Leib sehr dick war, that
sie im Wirthshaus, weil er kein anderes Gefäß hatte, in eine Wasserflasche und erstaunte nicht wenig,
als er am folgenden Morgen einen großen Maulwurf in dem Glase fand. Das Herausziehen dieses
Maulwurfes verursachte größere Schwierigkeiten als das Hineinbringen der Schlange selbst, sammt

Die Schlangen. Vipern.
ein Zackenband bilden, obwohl ſie ſich mehr oder weniger vereinigen und zuweilen durch eine ſchwarze,
ſchmale Linie, welche mitten über den Rücken läuft, an ihren Ecken verbunden werden, die ſeitlichen
Flecken ſind kleiner, die unteren Theile ſchwarz, weiß gefleckt, zuweilen auch mit roſtrothen Flecken.“
Die Länge ſchwankt zwiſchen 1½ bis 2 Fuß; der Schwanz nimmt ebenfalls den ſechsten bis achten
Theil der Leibeslänge ein.

Bemerkt mag noch werden, daß Linné der Viper den Namen Aſpis (Vipera Aspis) beilegte,
ſie alſo, wenn man von der alten Geſchichte abſieht, als Aſpisſchlange bezeichnet werden kann; erwähnt
mag ebenſo ſein, daß der Name Vipera prester ebenſowohl für die Kreuzotter, wie für die Viper
gebraucht wird. Jn den meiſten Lehrbüchern der Schlangenkunde ſteht letztere übrigens als Vipera
Redii
verzeichnet, zu Ehren eines italieniſchen Gelehrten, welchen wir treffliche Beobachtungen über
ſie und die Wirkung ihres Biſſes verdanken.

Von der Schweiz an nach Süden hin fehlt die Viper keinem Lande Europas. Sie iſt häufig
längs des Jura und ebenſo auf den ſüdlichen Gehängen der nördlichen Gebirge des Wallis. Nach
Schinz ſcheint ſie nicht im höheren Gebirge vorzukommen; Wyder’s Angabe alſo, daß ſie in allen
bergigen Gegenden der Schweiz gefunden wird, bedarf der Beſchränkung. Sie bewohnt, nach
Schinz, hauptſächlich Kalkgebirge, wie der Jura iſt, und der Name Juraviper, welchen man für ſie
vorgeſchlagen, hat deshalb eine gewiſſe Berechtigung. Gegen den Winter hin verläßt ſie, laut
Wyder, das Gebirge und zieht ſich mehr nach der Ebene und gegen die menſchlichen Wohnungen
hin, um dort die rauhe Jahreszeit zu verbringen. Man findet ſie auf trockenen, warmen,
ſteinigen Oertlichkeiten, weniger in Wäldern und Gehölzen als längs der Zäune und in der Nähe von
Steinhaufen und Mauern, im Frühjahre meiſt paarweiſe, derart, daß, wenn man ein Männchen
entdeckte, man gewöhnlich auch bald das Weibchen bemerkt.

Jn ihrem Weſen bekundet ſie die größte Aehnlichkeit mit dem Gebahren der Kreuzotter. „Jhre
Bewegungen“, ſagt Schinz, Wyder’s Beobachtungen nacherzählend, „ſind langſam und ſehr ſchwer-
fällig. Sie ſelbſt iſt furchtſam und ſucht zu entfliehen, und nur, wenn ſie Dies nicht kann, wenn
man ſie berührt und zufällig auf ſie tritt, ſetzt ſie ſich zur Wehre und beißt. Setzt man den Fuß
auf ſie, ſo vertheidigt ſie ſich, beißt aber auch in einen Stock oder andere ihr vorgehaltene Dinge, mit
welchen man ſie faſſen will.“

Es iſt wahrſcheinlich, daß die Viper mit der Kreuzotter dieſelbe Nahrung theilt, alſo vorzugs-
weiſe verſchiedenen Mäuſearten nachſtellt. Nach Wyder lebt ſie hauptſächlich von Maulwürfen,
welche ſie in acht bis zehn Minuten tödtet, beißt und frißt aber keine Kriechthiere und Lurche, da ihr
Gift nur warmblütigen Thieren ſchaden ſoll. „Wovon die jungen Vipern“, ſagt genannter
Beobachter, „die doch nichts Großes verſchlucken können, leben, weiß ich nicht.“ Für nicht unwahr-
ſcheinlich halte ich, daß ſie ebenſo wie die jungen Kreuzottern ſich anfänglich von kleinen Echſen nähren.

Die Paarung geſchieht im April und dauert, wie Wyder ſelbſt einmal beobachten konnte, über
drei Stunden. Männchen und Weibchen ſind dabei ſo innig vereinigt, daß ſich beide nicht von
einander losreißen können. Etwa vier Monate nach der Paarung heckt das Weibchen zwölf bis
funfzehn ausgebildete, 6 bis 8 Zoll lange Junge, welche wie die Kreuzottern vom erſten Tage ihres
Lebens an ihr boshaftes Weſen zeigen und tüchtig um ſich beißen.

Jn der Gefangenſchaft benimmt ſich die Viper wie ihre Verwandte. Sie wird nie zahm, bleibt
immer tückiſch, obgleich ſie nach einigen Monaten an Lebhaftigkeit verliert, beißt noch nach ſechs-
monatlicher Kerkerhaft nach dem Pfleger und entſchließt ſich ſelten, Nahrung zu ſich zu nehmen. „Jch
habe“, ſagt Wyder, „einzelne gehabt, welche ſechzehn Monate lang Nichts fraßen, aber häufig
Waſſer trauken.“ Ganz ebenſo wie die Otter ſpeit ſie bald nach ihrer Gefangennahme die bereits
verſchlungene Nahrung aus. Unſer Gewährsmann fing eine Viper, deren Leib ſehr dick war, that
ſie im Wirthshaus, weil er kein anderes Gefäß hatte, in eine Waſſerflaſche und erſtaunte nicht wenig,
als er am folgenden Morgen einen großen Maulwurf in dem Glaſe fand. Das Herausziehen dieſes
Maulwurfes verurſachte größere Schwierigkeiten als das Hineinbringen der Schlange ſelbſt, ſammt

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[302/0328] Die Schlangen. Vipern. ein Zackenband bilden, obwohl ſie ſich mehr oder weniger vereinigen und zuweilen durch eine ſchwarze, ſchmale Linie, welche mitten über den Rücken läuft, an ihren Ecken verbunden werden, die ſeitlichen Flecken ſind kleiner, die unteren Theile ſchwarz, weiß gefleckt, zuweilen auch mit roſtrothen Flecken.“ Die Länge ſchwankt zwiſchen 1½ bis 2 Fuß; der Schwanz nimmt ebenfalls den ſechsten bis achten Theil der Leibeslänge ein. Bemerkt mag noch werden, daß Linné der Viper den Namen Aſpis (Vipera Aspis) beilegte, ſie alſo, wenn man von der alten Geſchichte abſieht, als Aſpisſchlange bezeichnet werden kann; erwähnt mag ebenſo ſein, daß der Name Vipera prester ebenſowohl für die Kreuzotter, wie für die Viper gebraucht wird. Jn den meiſten Lehrbüchern der Schlangenkunde ſteht letztere übrigens als Vipera Redii verzeichnet, zu Ehren eines italieniſchen Gelehrten, welchen wir treffliche Beobachtungen über ſie und die Wirkung ihres Biſſes verdanken. Von der Schweiz an nach Süden hin fehlt die Viper keinem Lande Europas. Sie iſt häufig längs des Jura und ebenſo auf den ſüdlichen Gehängen der nördlichen Gebirge des Wallis. Nach Schinz ſcheint ſie nicht im höheren Gebirge vorzukommen; Wyder’s Angabe alſo, daß ſie in allen bergigen Gegenden der Schweiz gefunden wird, bedarf der Beſchränkung. Sie bewohnt, nach Schinz, hauptſächlich Kalkgebirge, wie der Jura iſt, und der Name Juraviper, welchen man für ſie vorgeſchlagen, hat deshalb eine gewiſſe Berechtigung. Gegen den Winter hin verläßt ſie, laut Wyder, das Gebirge und zieht ſich mehr nach der Ebene und gegen die menſchlichen Wohnungen hin, um dort die rauhe Jahreszeit zu verbringen. Man findet ſie auf trockenen, warmen, ſteinigen Oertlichkeiten, weniger in Wäldern und Gehölzen als längs der Zäune und in der Nähe von Steinhaufen und Mauern, im Frühjahre meiſt paarweiſe, derart, daß, wenn man ein Männchen entdeckte, man gewöhnlich auch bald das Weibchen bemerkt. Jn ihrem Weſen bekundet ſie die größte Aehnlichkeit mit dem Gebahren der Kreuzotter. „Jhre Bewegungen“, ſagt Schinz, Wyder’s Beobachtungen nacherzählend, „ſind langſam und ſehr ſchwer- fällig. Sie ſelbſt iſt furchtſam und ſucht zu entfliehen, und nur, wenn ſie Dies nicht kann, wenn man ſie berührt und zufällig auf ſie tritt, ſetzt ſie ſich zur Wehre und beißt. Setzt man den Fuß auf ſie, ſo vertheidigt ſie ſich, beißt aber auch in einen Stock oder andere ihr vorgehaltene Dinge, mit welchen man ſie faſſen will.“ Es iſt wahrſcheinlich, daß die Viper mit der Kreuzotter dieſelbe Nahrung theilt, alſo vorzugs- weiſe verſchiedenen Mäuſearten nachſtellt. Nach Wyder lebt ſie hauptſächlich von Maulwürfen, welche ſie in acht bis zehn Minuten tödtet, beißt und frißt aber keine Kriechthiere und Lurche, da ihr Gift nur warmblütigen Thieren ſchaden ſoll. „Wovon die jungen Vipern“, ſagt genannter Beobachter, „die doch nichts Großes verſchlucken können, leben, weiß ich nicht.“ Für nicht unwahr- ſcheinlich halte ich, daß ſie ebenſo wie die jungen Kreuzottern ſich anfänglich von kleinen Echſen nähren. Die Paarung geſchieht im April und dauert, wie Wyder ſelbſt einmal beobachten konnte, über drei Stunden. Männchen und Weibchen ſind dabei ſo innig vereinigt, daß ſich beide nicht von einander losreißen können. Etwa vier Monate nach der Paarung heckt das Weibchen zwölf bis funfzehn ausgebildete, 6 bis 8 Zoll lange Junge, welche wie die Kreuzottern vom erſten Tage ihres Lebens an ihr boshaftes Weſen zeigen und tüchtig um ſich beißen. Jn der Gefangenſchaft benimmt ſich die Viper wie ihre Verwandte. Sie wird nie zahm, bleibt immer tückiſch, obgleich ſie nach einigen Monaten an Lebhaftigkeit verliert, beißt noch nach ſechs- monatlicher Kerkerhaft nach dem Pfleger und entſchließt ſich ſelten, Nahrung zu ſich zu nehmen. „Jch habe“, ſagt Wyder, „einzelne gehabt, welche ſechzehn Monate lang Nichts fraßen, aber häufig Waſſer trauken.“ Ganz ebenſo wie die Otter ſpeit ſie bald nach ihrer Gefangennahme die bereits verſchlungene Nahrung aus. Unſer Gewährsmann fing eine Viper, deren Leib ſehr dick war, that ſie im Wirthshaus, weil er kein anderes Gefäß hatte, in eine Waſſerflaſche und erſtaunte nicht wenig, als er am folgenden Morgen einen großen Maulwurf in dem Glaſe fand. Das Herausziehen dieſes Maulwurfes verurſachte größere Schwierigkeiten als das Hineinbringen der Schlange ſelbſt, ſammt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/328>, abgerufen am 22.05.2024.