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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Vipern. Spießottern.
durch jre eigne jungen auß sonderbarem trib der natur gerochen vnd vergulten, die weyl sie jr läben
an der geburt lasse. Dann sie söllen auß vngedult vnd verdruß deß verzugs jren leyb durchnagen
vnd zerfressen, vnd also durch der muter sterben jr läben erhalten vnd erlangen. Hergegen aber haben
ettliche fleyssige erforscher der natur daß gegentheil durch gewisse erfahrung befunden, vnd derhalben
dises jrrigen wohns vrsprung dem mißuerstand der worten Aristotelis zugeschrieben, mit welchen
Plinius vnd andere vmbsonst jre jrrthumb beschirmt haben. Denn als Aristoteles anzeigt: so sie jre
junge herfür bringe, so seyen sie in dünnen heübin verschlossen, biß an dritten tag, die werden als
dann erst eröffnet (welche eröffnung vnd durchnagung auch etwan innerthalb im leyb geschehen) da
haben Plinius vnd andere dise wort auff der alten Viper leyb fleischlich gezogen, vnd fürgeben der leyb
springe entzwey vnd bleybe die alt an der geburt. Wi dann auch di erfahrung daß widerspil bezeügt.
Dann ettlich haben auß liebe die warheit dise natern in eignen gehaltern gespeißt, vnd auffgezogen,
welche sich gleych den andern vermischt, empfangen, geboren, vnd jre junge selbst erzogen. Die, so
auch jr rammlen wahrgenommen, sagen daß sie den halben leyb in ein ander flechten, vnd sich vmb-
schlahen, auch alles zum end bringen, ohn verderben vnd todt deß manlins. Deßgleychen schreybt
Amatus Lusitanus, man habe vil volle nateren in gläsern oder sonst jre jungen herfürbringen
gesehen, dah der alten leyb gantz geblieben, nit auffgespalten, vnd sie lang darnach geläbt haben.
Zwantzig junge gebirt sie etwan eins tags, aber nit mehr denn eins zumal.

"Nit nun die Heyden sonder auch ettlich verrümpte Theologen vnd außleger der heiligen schrifft
beschreyben, auß der sag deß gemeinen mans, ein wunderbare vermischung der natern mit dem
muraal: Wann nammlich der muraal in der hitz erbrünne, so schwimme er gegen dem gestadt, als
denn komme die nater auch dahin vnd kotze jr gifft auff ein ebnen platz hinauß (vilicht damit sie dem
muraal desto annänlicher seye vnd baß gefalle) im abwesen aber deß muraals, zeige sie jhm mit
pfeiffen jr gegenwärtigkeit an, vnd reitze jn also herauß, sich mit jhme zunermischen. Demnach sie
nun jr begird vollbracht, eile der muraal dem meer widerumm zu, die nater aber jrem gifft, vnd fresse
daß selbig wider auff. Soll sich also gegen dem bulen freuntlich vnd lieblich erzeigen, vnd jm mit
außkotzen deß giffts ehr beweyssen. Diser eigenschafft gedenckt auch der hochgelehrt Alciatus,
vnder dem titel, daß ehrerbietung jm allweg auch in der eh zuhalten sey, vnd spricht:

Wann nun die nater der lieb empsind,
Kompt sie ans meer gelossen gschwind,
Und rüfft darnach dem muraal her,
Der dann mit jr leicht ohn beschwer,
Doch kotzt sie all jr gifft herauß,
Zu vor, daß jhm darab nit grauß,
Ehlicher stand merck dises woll,
Daß man darinn erzeigen soll
Ein ander sonder zucht vnd ehr,
Vnd jr vergessen nimmermehr.

"Aber es soll diser vermischung kein glaub geben werden, denn der muraal hat ein männlin
oder rögling in seinem geschlecht, so wurde sich auch der muraal vil eh den meerschlangen zuthun, als
der nater, die den mosechten orten ohn diß nit vil nachstreicht. Jst also diser falsche wohn daher
geflossen, daß der muraal sich nach art der schlangen mehret vnd leicht, auch sein vögling der schlangen
an gestalt gar änlich, vnd wie ein schlang anzusehen ist.

"Wiewol die vipernater von art böß vergifft vnd grausamm, auch nimmer zam gemacht wirt,
so hatt doch Gott jhro nicht destoweniger die liebe vnd früntlichkeit gegen jren jungen eingepflantzt,
daß sie dieselben nit minder denn sich selbst liebet, auff erzeücht, schleckt, vnd nehrt."

Das Wahre ist nach den Beobachtungen von Lenz und anderen neueren Forschern Folgendes:
Die Paarung beginnt erst, wenn das Frühlingswetter beständig geworden ist, gewöhnlich Anfangs
April und von dieser Zeit an bis zu Ende des Monats und selbst bis zu Anfang des Mai. Aus-
nahmsweise geschieht es, daß sich die Kreuzottern auch zu einer ungewöhnlichen Zeit paaren. So

Die Schlangen. Vipern. Spießottern.
durch jre eigne jungen auß ſonderbarem trib der natur gerochen vnd vergulten, die weyl ſie jr läben
an der geburt laſſe. Dann ſie ſöllen auß vngedult vnd verdruß deß verzugs jren leyb durchnagen
vnd zerfreſſen, vnd alſo durch der muter ſterben jr läben erhalten vnd erlangen. Hergegen aber haben
ettliche fleyſſige erforſcher der natur daß gegentheil durch gewiſſe erfahrung befunden, vnd derhalben
diſes jrrigen wohns vrſprung dem mißuerſtand der worten Ariſtotelis zugeſchrieben, mit welchen
Plinius vnd andere vmbſonſt jre jrrthumb beſchirmt haben. Denn als Ariſtoteles anzeigt: ſo ſie jre
junge herfür bringe, ſo ſeyen ſie in dünnen heübin verſchloſſen, biß an dritten tag, die werden als
dann erſt eröffnet (welche eröffnung vnd durchnagung auch etwan innerthalb im leyb geſchehen) da
haben Plinius vnd andere diſe wort auff der alten Viper leyb fleiſchlich gezogen, vnd fürgeben der leyb
ſpringe entzwey vnd bleybe die alt an der geburt. Wi dann auch di erfahrung daß widerſpil bezeügt.
Dann ettlich haben auß liebe die warheit diſe natern in eignen gehaltern geſpeißt, vnd auffgezogen,
welche ſich gleych den andern vermiſcht, empfangen, geboren, vnd jre junge ſelbſt erzogen. Die, ſo
auch jr rammlen wahrgenommen, ſagen daß ſie den halben leyb in ein ander flechten, vnd ſich vmb-
ſchlahen, auch alles zum end bringen, ohn verderben vnd todt deß manlins. Deßgleychen ſchreybt
Amatus Luſitanus, man habe vil volle nateren in gläſern oder ſonſt jre jungen herfürbringen
geſehen, dah der alten leyb gantz geblieben, nit auffgeſpalten, vnd ſie lang darnach geläbt haben.
Zwantzig junge gebirt ſie etwan eins tags, aber nit mehr denn eins zumal.

„Nit nun die Heyden ſonder auch ettlich verrümpte Theologen vnd außleger der heiligen ſchrifft
beſchreyben, auß der ſag deß gemeinen mans, ein wunderbare vermiſchung der natern mit dem
muraal: Wann nammlich der muraal in der hitz erbrünne, ſo ſchwimme er gegen dem geſtadt, als
denn komme die nater auch dahin vnd kotze jr gifft auff ein ebnen platz hinauß (vilicht damit ſie dem
muraal deſto annänlicher ſeye vnd baß gefalle) im abweſen aber deß muraals, zeige ſie jhm mit
pfeiffen jr gegenwärtigkeit an, vnd reitze jn alſo herauß, ſich mit jhme zunermiſchen. Demnach ſie
nun jr begird vollbracht, eile der muraal dem meer widerumm zu, die nater aber jrem gifft, vnd freſſe
daß ſelbig wider auff. Soll ſich alſo gegen dem bulen freuntlich vnd lieblich erzeigen, vnd jm mit
außkotzen deß giffts ehr beweyſſen. Diſer eigenſchafft gedenckt auch der hochgelehrt Alciatus,
vnder dem titel, daß ehrerbietung jm allweg auch in der eh zuhalten ſey, vnd ſpricht:

Wann nun die nater der lieb empſind,
Kompt ſie ans meer geloſſen gſchwind,
Und rüfft darnach dem muraal her,
Der dann mit jr leicht ohn beſchwer,
Doch kotzt ſie all jr gifft herauß,
Zu vor, daß jhm darab nit grauß,
Ehlicher ſtand merck diſes woll,
Daß man darinn erzeigen ſoll
Ein ander ſonder zucht vnd ehr,
Vnd jr vergeſſen nimmermehr.

„Aber es ſoll diſer vermiſchung kein glaub geben werden, denn der muraal hat ein männlin
oder rögling in ſeinem geſchlecht, ſo wurde ſich auch der muraal vil eh den meerſchlangen zuthun, als
der nater, die den moſechten orten ohn diß nit vil nachſtreicht. Jſt alſo diſer falſche wohn daher
gefloſſen, daß der muraal ſich nach art der ſchlangen mehret vnd leicht, auch ſein vögling der ſchlangen
an geſtalt gar änlich, vnd wie ein ſchlang anzuſehen iſt.

„Wiewol die vipernater von art böß vergifft vnd grauſamm, auch nimmer zam gemacht wirt,
ſo hatt doch Gott jhro nicht deſtoweniger die liebe vnd früntlichkeit gegen jren jungen eingepflantzt,
daß ſie dieſelben nit minder denn ſich ſelbſt liebet, auff erzeücht, ſchleckt, vnd nehrt.“

Das Wahre iſt nach den Beobachtungen von Lenz und anderen neueren Forſchern Folgendes:
Die Paarung beginnt erſt, wenn das Frühlingswetter beſtändig geworden iſt, gewöhnlich Anfangs
April und von dieſer Zeit an bis zu Ende des Monats und ſelbſt bis zu Anfang des Mai. Aus-
nahmsweiſe geſchieht es, daß ſich die Kreuzottern auch zu einer ungewöhnlichen Zeit paaren. So

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[296/0322] Die Schlangen. Vipern. Spießottern. durch jre eigne jungen auß ſonderbarem trib der natur gerochen vnd vergulten, die weyl ſie jr läben an der geburt laſſe. Dann ſie ſöllen auß vngedult vnd verdruß deß verzugs jren leyb durchnagen vnd zerfreſſen, vnd alſo durch der muter ſterben jr läben erhalten vnd erlangen. Hergegen aber haben ettliche fleyſſige erforſcher der natur daß gegentheil durch gewiſſe erfahrung befunden, vnd derhalben diſes jrrigen wohns vrſprung dem mißuerſtand der worten Ariſtotelis zugeſchrieben, mit welchen Plinius vnd andere vmbſonſt jre jrrthumb beſchirmt haben. Denn als Ariſtoteles anzeigt: ſo ſie jre junge herfür bringe, ſo ſeyen ſie in dünnen heübin verſchloſſen, biß an dritten tag, die werden als dann erſt eröffnet (welche eröffnung vnd durchnagung auch etwan innerthalb im leyb geſchehen) da haben Plinius vnd andere diſe wort auff der alten Viper leyb fleiſchlich gezogen, vnd fürgeben der leyb ſpringe entzwey vnd bleybe die alt an der geburt. Wi dann auch di erfahrung daß widerſpil bezeügt. Dann ettlich haben auß liebe die warheit diſe natern in eignen gehaltern geſpeißt, vnd auffgezogen, welche ſich gleych den andern vermiſcht, empfangen, geboren, vnd jre junge ſelbſt erzogen. Die, ſo auch jr rammlen wahrgenommen, ſagen daß ſie den halben leyb in ein ander flechten, vnd ſich vmb- ſchlahen, auch alles zum end bringen, ohn verderben vnd todt deß manlins. Deßgleychen ſchreybt Amatus Luſitanus, man habe vil volle nateren in gläſern oder ſonſt jre jungen herfürbringen geſehen, dah der alten leyb gantz geblieben, nit auffgeſpalten, vnd ſie lang darnach geläbt haben. Zwantzig junge gebirt ſie etwan eins tags, aber nit mehr denn eins zumal. „Nit nun die Heyden ſonder auch ettlich verrümpte Theologen vnd außleger der heiligen ſchrifft beſchreyben, auß der ſag deß gemeinen mans, ein wunderbare vermiſchung der natern mit dem muraal: Wann nammlich der muraal in der hitz erbrünne, ſo ſchwimme er gegen dem geſtadt, als denn komme die nater auch dahin vnd kotze jr gifft auff ein ebnen platz hinauß (vilicht damit ſie dem muraal deſto annänlicher ſeye vnd baß gefalle) im abweſen aber deß muraals, zeige ſie jhm mit pfeiffen jr gegenwärtigkeit an, vnd reitze jn alſo herauß, ſich mit jhme zunermiſchen. Demnach ſie nun jr begird vollbracht, eile der muraal dem meer widerumm zu, die nater aber jrem gifft, vnd freſſe daß ſelbig wider auff. Soll ſich alſo gegen dem bulen freuntlich vnd lieblich erzeigen, vnd jm mit außkotzen deß giffts ehr beweyſſen. Diſer eigenſchafft gedenckt auch der hochgelehrt Alciatus, vnder dem titel, daß ehrerbietung jm allweg auch in der eh zuhalten ſey, vnd ſpricht: Wann nun die nater der lieb empſind, Kompt ſie ans meer geloſſen gſchwind, Und rüfft darnach dem muraal her, Der dann mit jr leicht ohn beſchwer, Doch kotzt ſie all jr gifft herauß, Zu vor, daß jhm darab nit grauß, Ehlicher ſtand merck diſes woll, Daß man darinn erzeigen ſoll Ein ander ſonder zucht vnd ehr, Vnd jr vergeſſen nimmermehr. „Aber es ſoll diſer vermiſchung kein glaub geben werden, denn der muraal hat ein männlin oder rögling in ſeinem geſchlecht, ſo wurde ſich auch der muraal vil eh den meerſchlangen zuthun, als der nater, die den moſechten orten ohn diß nit vil nachſtreicht. Jſt alſo diſer falſche wohn daher gefloſſen, daß der muraal ſich nach art der ſchlangen mehret vnd leicht, auch ſein vögling der ſchlangen an geſtalt gar änlich, vnd wie ein ſchlang anzuſehen iſt. „Wiewol die vipernater von art böß vergifft vnd grauſamm, auch nimmer zam gemacht wirt, ſo hatt doch Gott jhro nicht deſtoweniger die liebe vnd früntlichkeit gegen jren jungen eingepflantzt, daß ſie dieſelben nit minder denn ſich ſelbſt liebet, auff erzeücht, ſchleckt, vnd nehrt.“ Das Wahre iſt nach den Beobachtungen von Lenz und anderen neueren Forſchern Folgendes: Die Paarung beginnt erſt, wenn das Frühlingswetter beſtändig geworden iſt, gewöhnlich Anfangs April und von dieſer Zeit an bis zu Ende des Monats und ſelbſt bis zu Anfang des Mai. Aus- nahmsweiſe geſchieht es, daß ſich die Kreuzottern auch zu einer ungewöhnlichen Zeit paaren. So

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/322>, abgerufen am 22.05.2024.