Rückenpanzer darstellen, auf welchem sich äußerliche Haut- oder Horntafeln, die Schilder, ablagern. "Die Rippen", sagt Karl Vogt, "gehen meist bis zum äußeren Rande des Schildes fort; zuweilen aber sind Platten nur in der Nähe der Wirbelsäule entwickelt, und nach außen hin stehen dann die Rippen gleichsam wie Radspeichen an dem Geripp hervor, während beim lebenden Thiere ihre Zwischenräume durch derbe Haut- und Hornschilder gedeckt sind. Gewöhnlich findet sich an dem Rippenschilde ein Saum besonderer Knochenplatten, Randstücke, in welchem die endenden Rippen ein- gesenkt sind, sodaß auch bei speichenartig verlängerten Rippen ein ganzer Rand hergestellt wird." Zwei breite und platte Wirbel, fast ebenso unbeweglich wie die des Brusttheiles, bilden den Kreuztheil, bis fünfundzwanzig kleine bewegliche den Schwanz. Der Brustpanzer entsteht in ähnlicher Weise wie der des Rückens, aus dem übermäßig verbreiterten, in Stücke zerfallenen Brustbeine nämlich. Das Schultergerüst enthält drei Stücke, den Schulterknochen, das Schlüsselbein und den Gabelknochen. Ein Schenkel des Schulterknochens verbindet sich mit der Scheibe, das entgegengesetzte Ende des Schlüsselbeines mit dem Schilde, sodaß diese beiden Knochen vorn einen Ring bilden, durch welchen Luft- und Speiseröhre gehen; der Oberarmknochen gliedert mit allen drei Schulterknochen durch einen großen, eiförmigen Gelenkknopf. Drei kurze und breite Knochen setzen das am Kreuzbeine mehr auf- als angehängte Becken zusammen. Oberarm- und Oberschenkelknochen sind kurz und gerundet; Unterarm- und Unterschenkel werden durch zwei getrennte Knochen zusammengesetzt, die Fußwurzel aus mehreren kleinen, unregelmäßigen Knöchelchen gebildet. Der Fuß besteht aus fünf zwei- oder dreigliederigen Zehen, deren letztes Glied einen spitzen oder stumpfen Nagel trägt.
Weder an den Rumpfwirbeln, noch an den Rippen setzen sich Muskeln an, und auch die Bauch- muskeln fehlen gänzlich, während diejenigen, welche zur Bewegung des Kopfes und des Halses, der Beine und des Schwanzes dienen, sehr kräftig sind. Die Werkzeuge der geistigen Fähigkeiten müssen als verkümmert angesehen werden. Der kleine Schädel ist noch nicht vollständig mit Hirn erfüllt, und die Masse desselben steht in gar keinem Verhältniß mit der des Leibes, auch nicht in demselben Verhältniß wie bei den höheren Wirbelthieren zum Rückenmark. Schildkröten von 80 Pfund Gewicht haben ein Hirn, welches kaum 1 Drachme wiegt; bei solchen von 2 Pfund beträgt das Hirn kaum 6 Gran. Alle Nerven sind im Verhältniß zum Hirn sehr dick. Das Auge hat drei Lider, unter denen das unterste das beweglichste; der Bau des Augapfels erinnert in mancher Hinsicht an das Vogelauge; der Ring um die Hornhaut trägt Knochenplättchen; die Linse ist bei den Landschild- kröten wirklich linsenförmig, bei den Wasserschildkröten hingegen sphärisch. Das Ohr besteht aus dem Vorhofe und den halbzirkeligen Gängen; die Wand, welche den Vorhof vom Schädel trennt, bleibt zum Theil häutig; das Knöchelchen des Hammers hat einen dünnen Stiel und steckt in der Knorpelmasse, welche die Wand der Höhle bedeckt. Letztere verlängert sich in einen schmalen Gang, welcher am eirunden Fenster im Grunde der Trommelhöhle endigt, während jener Theil der letzteren nach hinten in eine runde Zelle übergeht. Eine dicke, knorpelige Schuppe schließt die Trommelhöhle nach außen ab. Die Nasenlöcher sind klein, bei einzelnen in eine Art Röhre verlängert; die Schleim- haut im Jnneren bildet mehrere Falten. Die Zunge ist fleischig, mit weichen Warzen bedeckt. Aus dem eben Angegebenen läßt sich schließen, daß die Schildkröten ziemlich gut sehen, mäßig scharf hören, einigermaßen fein riechen und auch wohl im Stande sind, zu schmecken, während wir über den Sinn des Gesühls oder Empfindungsvermögens kaum wagen dürfen, ein Urtheil zu fällen. -- Speichel- drüsen sind nicht vorhanden, von der Einspeichelung des Bissens kann also keine Rede sein; der Schlund ist ziemlich weit, aber wenig dehnbar; die Speiseröhre bildet keinen Magenmund; der längliche, sehr dickwandige Magen wird nur durch einen kreisrunden Wulst von dem Darmschlauche geschieden, welcher keinen Blinddarm hat und durch seine Länge sich auszeichnet. Die Leber theilt sich in zwei Hautlappen und schließt die Gallenblase in sich ein. Nieren, eine Harnblase und viele Lymphgefäße sind vorhanden. Der Kreislauf des Blutes ist bei den Schildkröten vollkommener als bei anderen Kriechthieren, wenn auch noch immer sehr langsam und unregelmäßig. Ein Gaumensegel und Deckel fehlen; der Kehl- kopf öffnet sich, indem er vor den Schlund tritt und schließt sich, wenn er vorgeschoben wurde. Da
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Allgemeines.
Rückenpanzer darſtellen, auf welchem ſich äußerliche Haut- oder Horntafeln, die Schilder, ablagern. „Die Rippen“, ſagt Karl Vogt, „gehen meiſt bis zum äußeren Rande des Schildes fort; zuweilen aber ſind Platten nur in der Nähe der Wirbelſäule entwickelt, und nach außen hin ſtehen dann die Rippen gleichſam wie Radſpeichen an dem Geripp hervor, während beim lebenden Thiere ihre Zwiſchenräume durch derbe Haut- und Hornſchilder gedeckt ſind. Gewöhnlich findet ſich an dem Rippenſchilde ein Saum beſonderer Knochenplatten, Randſtücke, in welchem die endenden Rippen ein- geſenkt ſind, ſodaß auch bei ſpeichenartig verlängerten Rippen ein ganzer Rand hergeſtellt wird.“ Zwei breite und platte Wirbel, faſt ebenſo unbeweglich wie die des Bruſttheiles, bilden den Kreuztheil, bis fünfundzwanzig kleine bewegliche den Schwanz. Der Bruſtpanzer entſteht in ähnlicher Weiſe wie der des Rückens, aus dem übermäßig verbreiterten, in Stücke zerfallenen Bruſtbeine nämlich. Das Schultergerüſt enthält drei Stücke, den Schulterknochen, das Schlüſſelbein und den Gabelknochen. Ein Schenkel des Schulterknochens verbindet ſich mit der Scheibe, das entgegengeſetzte Ende des Schlüſſelbeines mit dem Schilde, ſodaß dieſe beiden Knochen vorn einen Ring bilden, durch welchen Luft- und Speiſeröhre gehen; der Oberarmknochen gliedert mit allen drei Schulterknochen durch einen großen, eiförmigen Gelenkknopf. Drei kurze und breite Knochen ſetzen das am Kreuzbeine mehr auf- als angehängte Becken zuſammen. Oberarm- und Oberſchenkelknochen ſind kurz und gerundet; Unterarm- und Unterſchenkel werden durch zwei getrennte Knochen zuſammengeſetzt, die Fußwurzel aus mehreren kleinen, unregelmäßigen Knöchelchen gebildet. Der Fuß beſteht aus fünf zwei- oder dreigliederigen Zehen, deren letztes Glied einen ſpitzen oder ſtumpfen Nagel trägt.
Weder an den Rumpfwirbeln, noch an den Rippen ſetzen ſich Muskeln an, und auch die Bauch- muskeln fehlen gänzlich, während diejenigen, welche zur Bewegung des Kopfes und des Halſes, der Beine und des Schwanzes dienen, ſehr kräftig ſind. Die Werkzeuge der geiſtigen Fähigkeiten müſſen als verkümmert angeſehen werden. Der kleine Schädel iſt noch nicht vollſtändig mit Hirn erfüllt, und die Maſſe deſſelben ſteht in gar keinem Verhältniß mit der des Leibes, auch nicht in demſelben Verhältniß wie bei den höheren Wirbelthieren zum Rückenmark. Schildkröten von 80 Pfund Gewicht haben ein Hirn, welches kaum 1 Drachme wiegt; bei ſolchen von 2 Pfund beträgt das Hirn kaum 6 Gran. Alle Nerven ſind im Verhältniß zum Hirn ſehr dick. Das Auge hat drei Lider, unter denen das unterſte das beweglichſte; der Bau des Augapfels erinnert in mancher Hinſicht an das Vogelauge; der Ring um die Hornhaut trägt Knochenplättchen; die Linſe iſt bei den Landſchild- kröten wirklich linſenförmig, bei den Waſſerſchildkröten hingegen ſphäriſch. Das Ohr beſteht aus dem Vorhofe und den halbzirkeligen Gängen; die Wand, welche den Vorhof vom Schädel trennt, bleibt zum Theil häutig; das Knöchelchen des Hammers hat einen dünnen Stiel und ſteckt in der Knorpelmaſſe, welche die Wand der Höhle bedeckt. Letztere verlängert ſich in einen ſchmalen Gang, welcher am eirunden Fenſter im Grunde der Trommelhöhle endigt, während jener Theil der letzteren nach hinten in eine runde Zelle übergeht. Eine dicke, knorpelige Schuppe ſchließt die Trommelhöhle nach außen ab. Die Naſenlöcher ſind klein, bei einzelnen in eine Art Röhre verlängert; die Schleim- haut im Jnneren bildet mehrere Falten. Die Zunge iſt fleiſchig, mit weichen Warzen bedeckt. Aus dem eben Angegebenen läßt ſich ſchließen, daß die Schildkröten ziemlich gut ſehen, mäßig ſcharf hören, einigermaßen fein riechen und auch wohl im Stande ſind, zu ſchmecken, während wir über den Sinn des Geſühls oder Empfindungsvermögens kaum wagen dürfen, ein Urtheil zu fällen. — Speichel- drüſen ſind nicht vorhanden, von der Einſpeichelung des Biſſens kann alſo keine Rede ſein; der Schlund iſt ziemlich weit, aber wenig dehnbar; die Speiſeröhre bildet keinen Magenmund; der längliche, ſehr dickwandige Magen wird nur durch einen kreisrunden Wulſt von dem Darmſchlauche geſchieden, welcher keinen Blinddarm hat und durch ſeine Länge ſich auszeichnet. Die Leber theilt ſich in zwei Hautlappen und ſchließt die Gallenblaſe in ſich ein. Nieren, eine Harnblaſe und viele Lymphgefäße ſind vorhanden. Der Kreislauf des Blutes iſt bei den Schildkröten vollkommener als bei anderen Kriechthieren, wenn auch noch immer ſehr langſam und unregelmäßig. Ein Gaumenſegel und Deckel fehlen; der Kehl- kopf öffnet ſich, indem er vor den Schlund tritt und ſchließt ſich, wenn er vorgeſchoben wurde. Da
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[19/0031]
Allgemeines.
Rückenpanzer darſtellen, auf welchem ſich äußerliche Haut- oder Horntafeln, die Schilder, ablagern.
„Die Rippen“, ſagt Karl Vogt, „gehen meiſt bis zum äußeren Rande des Schildes fort; zuweilen
aber ſind Platten nur in der Nähe der Wirbelſäule entwickelt, und nach außen hin ſtehen dann die
Rippen gleichſam wie Radſpeichen an dem Geripp hervor, während beim lebenden Thiere ihre
Zwiſchenräume durch derbe Haut- und Hornſchilder gedeckt ſind. Gewöhnlich findet ſich an dem
Rippenſchilde ein Saum beſonderer Knochenplatten, Randſtücke, in welchem die endenden Rippen ein-
geſenkt ſind, ſodaß auch bei ſpeichenartig verlängerten Rippen ein ganzer Rand hergeſtellt wird.“
Zwei breite und platte Wirbel, faſt ebenſo unbeweglich wie die des Bruſttheiles, bilden den Kreuztheil,
bis fünfundzwanzig kleine bewegliche den Schwanz. Der Bruſtpanzer entſteht in ähnlicher Weiſe
wie der des Rückens, aus dem übermäßig verbreiterten, in Stücke zerfallenen Bruſtbeine nämlich.
Das Schultergerüſt enthält drei Stücke, den Schulterknochen, das Schlüſſelbein und den Gabelknochen.
Ein Schenkel des Schulterknochens verbindet ſich mit der Scheibe, das entgegengeſetzte Ende des
Schlüſſelbeines mit dem Schilde, ſodaß dieſe beiden Knochen vorn einen Ring bilden, durch welchen
Luft- und Speiſeröhre gehen; der Oberarmknochen gliedert mit allen drei Schulterknochen durch einen
großen, eiförmigen Gelenkknopf. Drei kurze und breite Knochen ſetzen das am Kreuzbeine mehr auf-
als angehängte Becken zuſammen. Oberarm- und Oberſchenkelknochen ſind kurz und gerundet;
Unterarm- und Unterſchenkel werden durch zwei getrennte Knochen zuſammengeſetzt, die Fußwurzel
aus mehreren kleinen, unregelmäßigen Knöchelchen gebildet. Der Fuß beſteht aus fünf zwei- oder
dreigliederigen Zehen, deren letztes Glied einen ſpitzen oder ſtumpfen Nagel trägt.
Weder an den Rumpfwirbeln, noch an den Rippen ſetzen ſich Muskeln an, und auch die Bauch-
muskeln fehlen gänzlich, während diejenigen, welche zur Bewegung des Kopfes und des Halſes, der
Beine und des Schwanzes dienen, ſehr kräftig ſind. Die Werkzeuge der geiſtigen Fähigkeiten müſſen
als verkümmert angeſehen werden. Der kleine Schädel iſt noch nicht vollſtändig mit Hirn erfüllt,
und die Maſſe deſſelben ſteht in gar keinem Verhältniß mit der des Leibes, auch nicht in demſelben
Verhältniß wie bei den höheren Wirbelthieren zum Rückenmark. Schildkröten von 80 Pfund
Gewicht haben ein Hirn, welches kaum 1 Drachme wiegt; bei ſolchen von 2 Pfund beträgt das Hirn
kaum 6 Gran. Alle Nerven ſind im Verhältniß zum Hirn ſehr dick. Das Auge hat drei Lider,
unter denen das unterſte das beweglichſte; der Bau des Augapfels erinnert in mancher Hinſicht an
das Vogelauge; der Ring um die Hornhaut trägt Knochenplättchen; die Linſe iſt bei den Landſchild-
kröten wirklich linſenförmig, bei den Waſſerſchildkröten hingegen ſphäriſch. Das Ohr beſteht aus
dem Vorhofe und den halbzirkeligen Gängen; die Wand, welche den Vorhof vom Schädel trennt,
bleibt zum Theil häutig; das Knöchelchen des Hammers hat einen dünnen Stiel und ſteckt in der
Knorpelmaſſe, welche die Wand der Höhle bedeckt. Letztere verlängert ſich in einen ſchmalen Gang,
welcher am eirunden Fenſter im Grunde der Trommelhöhle endigt, während jener Theil der letzteren
nach hinten in eine runde Zelle übergeht. Eine dicke, knorpelige Schuppe ſchließt die Trommelhöhle
nach außen ab. Die Naſenlöcher ſind klein, bei einzelnen in eine Art Röhre verlängert; die Schleim-
haut im Jnneren bildet mehrere Falten. Die Zunge iſt fleiſchig, mit weichen Warzen bedeckt. Aus
dem eben Angegebenen läßt ſich ſchließen, daß die Schildkröten ziemlich gut ſehen, mäßig ſcharf hören,
einigermaßen fein riechen und auch wohl im Stande ſind, zu ſchmecken, während wir über den Sinn
des Geſühls oder Empfindungsvermögens kaum wagen dürfen, ein Urtheil zu fällen. — Speichel-
drüſen ſind nicht vorhanden, von der Einſpeichelung des Biſſens kann alſo keine Rede ſein; der Schlund
iſt ziemlich weit, aber wenig dehnbar; die Speiſeröhre bildet keinen Magenmund; der längliche, ſehr
dickwandige Magen wird nur durch einen kreisrunden Wulſt von dem Darmſchlauche geſchieden, welcher
keinen Blinddarm hat und durch ſeine Länge ſich auszeichnet. Die Leber theilt ſich in zwei Hautlappen
und ſchließt die Gallenblaſe in ſich ein. Nieren, eine Harnblaſe und viele Lymphgefäße ſind vorhanden.
Der Kreislauf des Blutes iſt bei den Schildkröten vollkommener als bei anderen Kriechthieren, wenn
auch noch immer ſehr langſam und unregelmäßig. Ein Gaumenſegel und Deckel fehlen; der Kehl-
kopf öffnet ſich, indem er vor den Schlund tritt und ſchließt ſich, wenn er vorgeſchoben wurde. Da
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/31>, abgerufen am 16.07.2024.
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