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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Allgemeines.
die Leber bildet ebenso einen langen, verhältnißmäßig großen Lappen; die Gallenblase ist umfang-
reich, die Bauchspeicheldrüse groß.

Jm hohen Grade bedeutsam für das Leben der Schlangen sind die Speicheldrüsen, welche bei
den giftigen Arten der Ordnung sich besonders entwickeln. Diese Drüsen haben begreiflicherweise
zu genauen Untersuchungen Veranlassung gegeben. Nach Meckel's Befund sind im Kopfe der
Schlangen fünf Drüsenpaare vorhanden, von denen zwar nicht alle, wohl aber mehrere zugleich
vorkommen: die Zungendrüse, die Thränendrüse, die untere und die obere Backen- oder Lippen-
drüse, sowie endlich die Giftdrüse. Erstere wird fast bei allen Schlangen gefunden und kann
bei denen, wo man sie noch nicht beobachtet hat, übersehen worden sein: sie liegt dicht hinter dem
vorderen Ende der unteren Fläche des Mundes, ist klein, länglichrund, hart, glatt, nicht deutlich aus
Lappen zusammengesetzt, und öffnet sich ganz vorn neben der Mündung der Zungenscheide. Kaum
weniger allgemein ist die ansehnlichere, weichere, gelappte Thränendrüse, welche nach innen oder
hinten vom Auge, meistens aber ganz außerhalb und hinter der Augenhöhle sich findet. Die untere
Lippendrüse, nach außen neben den Unterkieferästen gelegen und durch zahlreiche Ausführungsgänge
außerhalb der Unterkieferzähne mündend, besteht aus mehreren länglichen oder rundlichen, senkrechten,
geraden und etwas gewundenen Lappen, ist hart und zeigt sich bei den giftlosen Schlangen entwickelter
als bei den giftigen. Jhr gegenüber, neben der äußeren Fläche der Oberkieferäste, liegt die ganz ähnlich
gebildete Oberlippendrüse. Die Giftdrüsen endlich, hinter und unter den Augen über dem Oberkiefer
sich befindend, sind sehr groß, länglich, haben ein blätteriges Gewebe, im Jnneren eine ansehnliche
Höhle und unterscheiden sich außerdem von allen übrigen durch den langen Ausführungsgang, welcher
an der äußeren Fläche des Oberkiefers bis nach vorn verläuft und hier sich vor und über dem Giftzahne
in die diesen umgebende häutige Scheide so öffnet, daß ihre Absonderung in den Zahn einfließen kann.
Ein sehr starker Muskel umhüllt sie und dient mit dem Kaumuskel dazu, sie zusammenzudrücken.
Bei einzelnen Giftschlangen erstreckt sich diese Drüse soweit nach hinten, daß sie theilweise den Rippen
aufliegt. Sie findet sich bei allen Schlangen, welche Hohlzähne haben, während sie bei den Furchen-
zähnern durch eine ähnliche ersetzt wird. Letztere ist ebenfalls von weicher, schwammiger Beschaffenheit,
besitzt aber nie die dichte, muskelige Umhüllung zum Zusammendrücken, erscheint also bei weitem
unvollkommener, minder geeignet zur Einführung des Giftes in die Wunden, und kann höchstens durch
den vorderen Schläfenmuskel ein wenig zusammengedrückt werden.

Jm Nervensystem überwiegt das Rückenmark das Gehirn an Masse sehr bedeutend. Letzteres
ist ungemein klein, das Rückenmark hingegen, entsprechend der Länge der Wirbelsäule, deren inneren
Kanal es ausfüllt, sehr groß oder massig. Hieraus läßt sich von vornherein die außerordentliche
Reizbarkeit der Muskeln, die Stumpfheit der Sinne und die Schwäche der übrigen Geistesfähigkeiten
erklären. Unter den Sinnen steht unzweifelhaft das Gefühl obenan, insbesondere soweit es sich als
Tastsinn bekundet. Die seit alten Zeiten verschrieene Zunge, in welcher noch heutigentages die
Unkundigen das Angriffswerkzeug der Schlangen sehen, dient wahrscheinlich gar nicht zum Schmecken,
sondern ausschließlich zum Tasten, wird aber gerade deshalb für das Thier von einer ungewöhnlichen
Bedeutung. Sie ist sehr lang, dünn, vorn in zwei langspitzige Hälften gespalten und mit einer
hornigen Masse überzogen, liegt in einer muskeligen Scheide verborgen, welche unter der Luftröhre
verläuft und kurz vor deren Mündung nah der Spitze der Unterkinnlade sich öffnet, kann in diese
Scheide ganz zurückgezogen, aber auch weit hervorgestoßen werden und zeichnet sich aus durch eine
ungewöhnliche Beweglichkeit. Ein Ausschnitt im Oberkiefer, welcher auch bei ganz geschlossenem
Munde noch eine Oeffnung bildet, erleichtert ihr wechselseitiges Aus- und Einziehen, da sie durch ihn
immer einen freien Ausgang findet. Das Gesichtswerkzeug der Schlangen dürfte sich hinsichtlich
seiner Schärfe der in ausgezeichnetem Grade tastfähigen Zunge anreihen, obgleich das Auge
unzweifelhaft minder vollkommen ist als bei den übrigen Kriechthieren. Eine besondere Eigen-
thümlichkeit desselben liegt in seiner scheinbaren Unbeweglichkeit, welche ihm ein gläsernes Ausehen
und einen unheimlichen Ausdruck verleiht. An Stelle der fehlenden Augenlider findet sich ein durch-

Allgemeines.
die Leber bildet ebenſo einen langen, verhältnißmäßig großen Lappen; die Gallenblaſe iſt umfang-
reich, die Bauchſpeicheldrüſe groß.

Jm hohen Grade bedeutſam für das Leben der Schlangen ſind die Speicheldrüſen, welche bei
den giftigen Arten der Ordnung ſich beſonders entwickeln. Dieſe Drüſen haben begreiflicherweiſe
zu genauen Unterſuchungen Veranlaſſung gegeben. Nach Meckel’s Befund ſind im Kopfe der
Schlangen fünf Drüſenpaare vorhanden, von denen zwar nicht alle, wohl aber mehrere zugleich
vorkommen: die Zungendrüſe, die Thränendrüſe, die untere und die obere Backen- oder Lippen-
drüſe, ſowie endlich die Giftdrüſe. Erſtere wird faſt bei allen Schlangen gefunden und kann
bei denen, wo man ſie noch nicht beobachtet hat, überſehen worden ſein: ſie liegt dicht hinter dem
vorderen Ende der unteren Fläche des Mundes, iſt klein, länglichrund, hart, glatt, nicht deutlich aus
Lappen zuſammengeſetzt, und öffnet ſich ganz vorn neben der Mündung der Zungenſcheide. Kaum
weniger allgemein iſt die anſehnlichere, weichere, gelappte Thränendrüſe, welche nach innen oder
hinten vom Auge, meiſtens aber ganz außerhalb und hinter der Augenhöhle ſich findet. Die untere
Lippendrüſe, nach außen neben den Unterkieferäſten gelegen und durch zahlreiche Ausführungsgänge
außerhalb der Unterkieferzähne mündend, beſteht aus mehreren länglichen oder rundlichen, ſenkrechten,
geraden und etwas gewundenen Lappen, iſt hart und zeigt ſich bei den giftloſen Schlangen entwickelter
als bei den giftigen. Jhr gegenüber, neben der äußeren Fläche der Oberkieferäſte, liegt die ganz ähnlich
gebildete Oberlippendrüſe. Die Giftdrüſen endlich, hinter und unter den Augen über dem Oberkiefer
ſich befindend, ſind ſehr groß, länglich, haben ein blätteriges Gewebe, im Jnneren eine anſehnliche
Höhle und unterſcheiden ſich außerdem von allen übrigen durch den langen Ausführungsgang, welcher
an der äußeren Fläche des Oberkiefers bis nach vorn verläuft und hier ſich vor und über dem Giftzahne
in die dieſen umgebende häutige Scheide ſo öffnet, daß ihre Abſonderung in den Zahn einfließen kann.
Ein ſehr ſtarker Muskel umhüllt ſie und dient mit dem Kaumuskel dazu, ſie zuſammenzudrücken.
Bei einzelnen Giftſchlangen erſtreckt ſich dieſe Drüſe ſoweit nach hinten, daß ſie theilweiſe den Rippen
aufliegt. Sie findet ſich bei allen Schlangen, welche Hohlzähne haben, während ſie bei den Furchen-
zähnern durch eine ähnliche erſetzt wird. Letztere iſt ebenfalls von weicher, ſchwammiger Beſchaffenheit,
beſitzt aber nie die dichte, muskelige Umhüllung zum Zuſammendrücken, erſcheint alſo bei weitem
unvollkommener, minder geeignet zur Einführung des Giftes in die Wunden, und kann höchſtens durch
den vorderen Schläfenmuskel ein wenig zuſammengedrückt werden.

Jm Nervenſyſtem überwiegt das Rückenmark das Gehirn an Maſſe ſehr bedeutend. Letzteres
iſt ungemein klein, das Rückenmark hingegen, entſprechend der Länge der Wirbelſäule, deren inneren
Kanal es ausfüllt, ſehr groß oder maſſig. Hieraus läßt ſich von vornherein die außerordentliche
Reizbarkeit der Muskeln, die Stumpfheit der Sinne und die Schwäche der übrigen Geiſtesfähigkeiten
erklären. Unter den Sinnen ſteht unzweifelhaft das Gefühl obenan, insbeſondere ſoweit es ſich als
Taſtſinn bekundet. Die ſeit alten Zeiten verſchrieene Zunge, in welcher noch heutigentages die
Unkundigen das Angriffswerkzeug der Schlangen ſehen, dient wahrſcheinlich gar nicht zum Schmecken,
ſondern ausſchließlich zum Taſten, wird aber gerade deshalb für das Thier von einer ungewöhnlichen
Bedeutung. Sie iſt ſehr lang, dünn, vorn in zwei langſpitzige Hälften geſpalten und mit einer
hornigen Maſſe überzogen, liegt in einer muskeligen Scheide verborgen, welche unter der Luftröhre
verläuft und kurz vor deren Mündung nah der Spitze der Unterkinnlade ſich öffnet, kann in dieſe
Scheide ganz zurückgezogen, aber auch weit hervorgeſtoßen werden und zeichnet ſich aus durch eine
ungewöhnliche Beweglichkeit. Ein Ausſchnitt im Oberkiefer, welcher auch bei ganz geſchloſſenem
Munde noch eine Oeffnung bildet, erleichtert ihr wechſelſeitiges Aus- und Einziehen, da ſie durch ihn
immer einen freien Ausgang findet. Das Geſichtswerkzeug der Schlangen dürfte ſich hinſichtlich
ſeiner Schärfe der in ausgezeichnetem Grade taſtfähigen Zunge anreihen, obgleich das Auge
unzweifelhaft minder vollkommen iſt als bei den übrigen Kriechthieren. Eine beſondere Eigen-
thümlichkeit deſſelben liegt in ſeiner ſcheinbaren Unbeweglichkeit, welche ihm ein gläſernes Auſehen
und einen unheimlichen Ausdruck verleiht. An Stelle der fehlenden Augenlider findet ſich ein durch-

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[175/0195] Allgemeines. die Leber bildet ebenſo einen langen, verhältnißmäßig großen Lappen; die Gallenblaſe iſt umfang- reich, die Bauchſpeicheldrüſe groß. Jm hohen Grade bedeutſam für das Leben der Schlangen ſind die Speicheldrüſen, welche bei den giftigen Arten der Ordnung ſich beſonders entwickeln. Dieſe Drüſen haben begreiflicherweiſe zu genauen Unterſuchungen Veranlaſſung gegeben. Nach Meckel’s Befund ſind im Kopfe der Schlangen fünf Drüſenpaare vorhanden, von denen zwar nicht alle, wohl aber mehrere zugleich vorkommen: die Zungendrüſe, die Thränendrüſe, die untere und die obere Backen- oder Lippen- drüſe, ſowie endlich die Giftdrüſe. Erſtere wird faſt bei allen Schlangen gefunden und kann bei denen, wo man ſie noch nicht beobachtet hat, überſehen worden ſein: ſie liegt dicht hinter dem vorderen Ende der unteren Fläche des Mundes, iſt klein, länglichrund, hart, glatt, nicht deutlich aus Lappen zuſammengeſetzt, und öffnet ſich ganz vorn neben der Mündung der Zungenſcheide. Kaum weniger allgemein iſt die anſehnlichere, weichere, gelappte Thränendrüſe, welche nach innen oder hinten vom Auge, meiſtens aber ganz außerhalb und hinter der Augenhöhle ſich findet. Die untere Lippendrüſe, nach außen neben den Unterkieferäſten gelegen und durch zahlreiche Ausführungsgänge außerhalb der Unterkieferzähne mündend, beſteht aus mehreren länglichen oder rundlichen, ſenkrechten, geraden und etwas gewundenen Lappen, iſt hart und zeigt ſich bei den giftloſen Schlangen entwickelter als bei den giftigen. Jhr gegenüber, neben der äußeren Fläche der Oberkieferäſte, liegt die ganz ähnlich gebildete Oberlippendrüſe. Die Giftdrüſen endlich, hinter und unter den Augen über dem Oberkiefer ſich befindend, ſind ſehr groß, länglich, haben ein blätteriges Gewebe, im Jnneren eine anſehnliche Höhle und unterſcheiden ſich außerdem von allen übrigen durch den langen Ausführungsgang, welcher an der äußeren Fläche des Oberkiefers bis nach vorn verläuft und hier ſich vor und über dem Giftzahne in die dieſen umgebende häutige Scheide ſo öffnet, daß ihre Abſonderung in den Zahn einfließen kann. Ein ſehr ſtarker Muskel umhüllt ſie und dient mit dem Kaumuskel dazu, ſie zuſammenzudrücken. Bei einzelnen Giftſchlangen erſtreckt ſich dieſe Drüſe ſoweit nach hinten, daß ſie theilweiſe den Rippen aufliegt. Sie findet ſich bei allen Schlangen, welche Hohlzähne haben, während ſie bei den Furchen- zähnern durch eine ähnliche erſetzt wird. Letztere iſt ebenfalls von weicher, ſchwammiger Beſchaffenheit, beſitzt aber nie die dichte, muskelige Umhüllung zum Zuſammendrücken, erſcheint alſo bei weitem unvollkommener, minder geeignet zur Einführung des Giftes in die Wunden, und kann höchſtens durch den vorderen Schläfenmuskel ein wenig zuſammengedrückt werden. Jm Nervenſyſtem überwiegt das Rückenmark das Gehirn an Maſſe ſehr bedeutend. Letzteres iſt ungemein klein, das Rückenmark hingegen, entſprechend der Länge der Wirbelſäule, deren inneren Kanal es ausfüllt, ſehr groß oder maſſig. Hieraus läßt ſich von vornherein die außerordentliche Reizbarkeit der Muskeln, die Stumpfheit der Sinne und die Schwäche der übrigen Geiſtesfähigkeiten erklären. Unter den Sinnen ſteht unzweifelhaft das Gefühl obenan, insbeſondere ſoweit es ſich als Taſtſinn bekundet. Die ſeit alten Zeiten verſchrieene Zunge, in welcher noch heutigentages die Unkundigen das Angriffswerkzeug der Schlangen ſehen, dient wahrſcheinlich gar nicht zum Schmecken, ſondern ausſchließlich zum Taſten, wird aber gerade deshalb für das Thier von einer ungewöhnlichen Bedeutung. Sie iſt ſehr lang, dünn, vorn in zwei langſpitzige Hälften geſpalten und mit einer hornigen Maſſe überzogen, liegt in einer muskeligen Scheide verborgen, welche unter der Luftröhre verläuft und kurz vor deren Mündung nah der Spitze der Unterkinnlade ſich öffnet, kann in dieſe Scheide ganz zurückgezogen, aber auch weit hervorgeſtoßen werden und zeichnet ſich aus durch eine ungewöhnliche Beweglichkeit. Ein Ausſchnitt im Oberkiefer, welcher auch bei ganz geſchloſſenem Munde noch eine Oeffnung bildet, erleichtert ihr wechſelſeitiges Aus- und Einziehen, da ſie durch ihn immer einen freien Ausgang findet. Das Geſichtswerkzeug der Schlangen dürfte ſich hinſichtlich ſeiner Schärfe der in ausgezeichnetem Grade taſtfähigen Zunge anreihen, obgleich das Auge unzweifelhaft minder vollkommen iſt als bei den übrigen Kriechthieren. Eine beſondere Eigen- thümlichkeit deſſelben liegt in ſeiner ſcheinbaren Unbeweglichkeit, welche ihm ein gläſernes Auſehen und einen unheimlichen Ausdruck verleiht. An Stelle der fehlenden Augenlider findet ſich ein durch-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/195>, abgerufen am 02.05.2024.