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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Grüne Anoli. Nothkehle und Blasenanoli.
um die Anwesenheit der Menschen zu kümmern, auf Tischen und anderen Geräthschaften umherlaufen
und ihre Jagd auf Fliegen und Mücken ausüben. Jhr Lauf auf dem Boden ist außerordentlich
schnell und sieht, da sie den Kopf hoch zu tragen pflegen, äußerst zierlich aus, fast mehr als ob sie
fliegen, nicht aber gingen. Auf den Bäumen bewegen sie sich mit bewunderungswürdiger Schnellig-
keit, springen mit weiten Sätzen von einem Zweige oder einem Baume zum anderen und wissen sich
festzuhalten, auch wenn sie nur ein einziges Blatt berühren; denn wie die Gekos kleben sie, Dank
ihrer breiten Finger, im Nu an den Gegenständen, selbst an den glättesten, beispielsweise an Glas
oder polirtem Holz, (?) ja, sie sind im Stande, an den Decken der Zimmer hinzulaufen. Beide Arten
machen nur auf Kerbthiere Jagd; doch kann es gelegentlich vorkommen, daß sie auch eine Beere mit
verschlucken. Während der Paarungszeit sind sie ebenso erregt, kämpfen auch genau in derselben
Weise und mit ebensoviel Muth wie der beschriebene Familienverwandte; gegen den Herbst hin
sollen sie allen Zwiespalt vergessen und in tiefstem Frieden zusammenleben, zuweilen in größeren
Gesellschaften, welche zufällig zusammenkommen.

Mehrere Stücke wurden lebend nach Europa gesandt und in der Gefangenschaft beobachtet.
"Einst", so erzählt Bell, "hielt ich zwei lebende Anoli's aus Westindien, welche mit Fliegen und
anderen Kerbthieren ernährt wurden. Jhre Lebhaftigkeit beim Verfolgen ihrer Beute zog mich auf
das Höchste an. Sie lauerten mit aller Vorsicht der auf Beute ausgehenden Katze und stürzten sich
auf ihr Opfer mit der Schnelligkeit des Blitzes. Eines Tages warf ich ihnen nebst Fliegen auch
eine große Kreuzspinne in ihren Behälter. Eine von ihnen warf sich auf diese, packte sie aber nur
am Fuße. Die Spinne drehte sich im Augenblicke herum, wob einen dicken Faden um beide Vorder-
füße ihres Gegners und biß diesem dann in die Lippe, genau so, wie sie sonst zu thun pflegt, wenn sie
selbst Beute macht. Die Anoli schien sehr erschrocken zu sein. Jch nahm deshalb die Spinne weg
und löste die Füße aus ihrer Schlinge; aber wenige Tage darauf war meine Gefangene todt, augen-
scheinlich in Folge der erlittenen Verwundung und bezüglich Vergiftung, da seine Genossin, welche
ebenso munter gewesen war, sie noch lange Zeit überlebte."



Dasselbe Verhältniß, welches zwischen den Baumechsen und Leguanen besteht, wiederholt sich bei
den Dornenechsen und Krötenechsen (Humivagae). Beide Gruppen oder Familien kennzeichnen
sich äußerlich durch einen kurzen, hinten breitgedrückten Kopf, einen flachen, plumpen Leib, kurzen,
kegelförmigen Schwanz und die oft stachelige Beschuppung. Bei den Dornenechsen (Stelliones)
sind die Zähne eingewachsen und die Eckzähne meist deutlich entwickelt, bei den Krötenechsen
(Agamoideae) jene angewachsen und die Eckzähne nicht vorhanden. Die Lebensweise der einzelnen
Arten stimmt in manchen Punkten überein, scheint sich aber in anderen wieder sehr zu unterscheiden,
insbesondere auch insofern als einzelne Agamen Tag-, die anderen halbe Nachtthiere sind, diese sich
schnell, jene sich nur langsam bewegen. Zu den anziehenden Thieren gehören weder die Dornen-, noch
die Krötenechsen. Es gibt auch unter ihnen Arten, welche durch die Schönheit ihrer Färbung für
sich einnehmen; die kurze, gedrungene, durch Stacheln und Auswüchse eher verunstaltete als
gezierte Gestalt aber macht die meisten widerlich und zieht ihnen sogar, wie leicht erklärlich, den
Verdacht der Giftigkeit zu. Die Nahrung der Mehrheit besteht in Kerbthieren, und einzelne Arten
jagen wohl auch kleineren Wirbelthieren, insbesondere Mäusen, jungen Vögelchen, Eidechsen und
dergleichen nach; einzelne aber fressen, wie bestimmt beobachtet wurde, wenigstens hauptsächlich
Pflanzenstoffe, insbesondere Gras. Die meisten Arten scheinen gefräßige und begehrliche Thiere zu
sein. Ueber die Fortpflanzung fehlen noch eingehende Beobachtungen.



Grüne Anoli. Nothkehle und Blaſenanoli.
um die Anweſenheit der Menſchen zu kümmern, auf Tiſchen und anderen Geräthſchaften umherlaufen
und ihre Jagd auf Fliegen und Mücken ausüben. Jhr Lauf auf dem Boden iſt außerordentlich
ſchnell und ſieht, da ſie den Kopf hoch zu tragen pflegen, äußerſt zierlich aus, faſt mehr als ob ſie
fliegen, nicht aber gingen. Auf den Bäumen bewegen ſie ſich mit bewunderungswürdiger Schnellig-
keit, ſpringen mit weiten Sätzen von einem Zweige oder einem Baume zum anderen und wiſſen ſich
feſtzuhalten, auch wenn ſie nur ein einziges Blatt berühren; denn wie die Gekos kleben ſie, Dank
ihrer breiten Finger, im Nu an den Gegenſtänden, ſelbſt an den glätteſten, beiſpielsweiſe an Glas
oder polirtem Holz, (?) ja, ſie ſind im Stande, an den Decken der Zimmer hinzulaufen. Beide Arten
machen nur auf Kerbthiere Jagd; doch kann es gelegentlich vorkommen, daß ſie auch eine Beere mit
verſchlucken. Während der Paarungszeit ſind ſie ebenſo erregt, kämpfen auch genau in derſelben
Weiſe und mit ebenſoviel Muth wie der beſchriebene Familienverwandte; gegen den Herbſt hin
ſollen ſie allen Zwieſpalt vergeſſen und in tiefſtem Frieden zuſammenleben, zuweilen in größeren
Geſellſchaften, welche zufällig zuſammenkommen.

Mehrere Stücke wurden lebend nach Europa geſandt und in der Gefangenſchaft beobachtet.
„Einſt“, ſo erzählt Bell, „hielt ich zwei lebende Anoli’s aus Weſtindien, welche mit Fliegen und
anderen Kerbthieren ernährt wurden. Jhre Lebhaftigkeit beim Verfolgen ihrer Beute zog mich auf
das Höchſte an. Sie lauerten mit aller Vorſicht der auf Beute ausgehenden Katze und ſtürzten ſich
auf ihr Opfer mit der Schnelligkeit des Blitzes. Eines Tages warf ich ihnen nebſt Fliegen auch
eine große Kreuzſpinne in ihren Behälter. Eine von ihnen warf ſich auf dieſe, packte ſie aber nur
am Fuße. Die Spinne drehte ſich im Augenblicke herum, wob einen dicken Faden um beide Vorder-
füße ihres Gegners und biß dieſem dann in die Lippe, genau ſo, wie ſie ſonſt zu thun pflegt, wenn ſie
ſelbſt Beute macht. Die Anoli ſchien ſehr erſchrocken zu ſein. Jch nahm deshalb die Spinne weg
und löſte die Füße aus ihrer Schlinge; aber wenige Tage darauf war meine Gefangene todt, augen-
ſcheinlich in Folge der erlittenen Verwundung und bezüglich Vergiftung, da ſeine Genoſſin, welche
ebenſo munter geweſen war, ſie noch lange Zeit überlebte.“



Daſſelbe Verhältniß, welches zwiſchen den Baumechſen und Leguanen beſteht, wiederholt ſich bei
den Dornenechſen und Krötenechſen (Humivagae). Beide Gruppen oder Familien kennzeichnen
ſich äußerlich durch einen kurzen, hinten breitgedrückten Kopf, einen flachen, plumpen Leib, kurzen,
kegelförmigen Schwanz und die oft ſtachelige Beſchuppung. Bei den Dornenechſen (Stelliones)
ſind die Zähne eingewachſen und die Eckzähne meiſt deutlich entwickelt, bei den Krötenechſen
(Agamoideae) jene angewachſen und die Eckzähne nicht vorhanden. Die Lebensweiſe der einzelnen
Arten ſtimmt in manchen Punkten überein, ſcheint ſich aber in anderen wieder ſehr zu unterſcheiden,
insbeſondere auch inſofern als einzelne Agamen Tag-, die anderen halbe Nachtthiere ſind, dieſe ſich
ſchnell, jene ſich nur langſam bewegen. Zu den anziehenden Thieren gehören weder die Dornen-, noch
die Krötenechſen. Es gibt auch unter ihnen Arten, welche durch die Schönheit ihrer Färbung für
ſich einnehmen; die kurze, gedrungene, durch Stacheln und Auswüchſe eher verunſtaltete als
gezierte Geſtalt aber macht die meiſten widerlich und zieht ihnen ſogar, wie leicht erklärlich, den
Verdacht der Giftigkeit zu. Die Nahrung der Mehrheit beſteht in Kerbthieren, und einzelne Arten
jagen wohl auch kleineren Wirbelthieren, insbeſondere Mäuſen, jungen Vögelchen, Eidechſen und
dergleichen nach; einzelne aber freſſen, wie beſtimmt beobachtet wurde, wenigſtens hauptſächlich
Pflanzenſtoffe, insbeſondere Gras. Die meiſten Arten ſcheinen gefräßige und begehrliche Thiere zu
ſein. Ueber die Fortpflanzung fehlen noch eingehende Beobachtungen.



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[139/0157] Grüne Anoli. Nothkehle und Blaſenanoli. um die Anweſenheit der Menſchen zu kümmern, auf Tiſchen und anderen Geräthſchaften umherlaufen und ihre Jagd auf Fliegen und Mücken ausüben. Jhr Lauf auf dem Boden iſt außerordentlich ſchnell und ſieht, da ſie den Kopf hoch zu tragen pflegen, äußerſt zierlich aus, faſt mehr als ob ſie fliegen, nicht aber gingen. Auf den Bäumen bewegen ſie ſich mit bewunderungswürdiger Schnellig- keit, ſpringen mit weiten Sätzen von einem Zweige oder einem Baume zum anderen und wiſſen ſich feſtzuhalten, auch wenn ſie nur ein einziges Blatt berühren; denn wie die Gekos kleben ſie, Dank ihrer breiten Finger, im Nu an den Gegenſtänden, ſelbſt an den glätteſten, beiſpielsweiſe an Glas oder polirtem Holz, (?) ja, ſie ſind im Stande, an den Decken der Zimmer hinzulaufen. Beide Arten machen nur auf Kerbthiere Jagd; doch kann es gelegentlich vorkommen, daß ſie auch eine Beere mit verſchlucken. Während der Paarungszeit ſind ſie ebenſo erregt, kämpfen auch genau in derſelben Weiſe und mit ebenſoviel Muth wie der beſchriebene Familienverwandte; gegen den Herbſt hin ſollen ſie allen Zwieſpalt vergeſſen und in tiefſtem Frieden zuſammenleben, zuweilen in größeren Geſellſchaften, welche zufällig zuſammenkommen. Mehrere Stücke wurden lebend nach Europa geſandt und in der Gefangenſchaft beobachtet. „Einſt“, ſo erzählt Bell, „hielt ich zwei lebende Anoli’s aus Weſtindien, welche mit Fliegen und anderen Kerbthieren ernährt wurden. Jhre Lebhaftigkeit beim Verfolgen ihrer Beute zog mich auf das Höchſte an. Sie lauerten mit aller Vorſicht der auf Beute ausgehenden Katze und ſtürzten ſich auf ihr Opfer mit der Schnelligkeit des Blitzes. Eines Tages warf ich ihnen nebſt Fliegen auch eine große Kreuzſpinne in ihren Behälter. Eine von ihnen warf ſich auf dieſe, packte ſie aber nur am Fuße. Die Spinne drehte ſich im Augenblicke herum, wob einen dicken Faden um beide Vorder- füße ihres Gegners und biß dieſem dann in die Lippe, genau ſo, wie ſie ſonſt zu thun pflegt, wenn ſie ſelbſt Beute macht. Die Anoli ſchien ſehr erſchrocken zu ſein. Jch nahm deshalb die Spinne weg und löſte die Füße aus ihrer Schlinge; aber wenige Tage darauf war meine Gefangene todt, augen- ſcheinlich in Folge der erlittenen Verwundung und bezüglich Vergiftung, da ſeine Genoſſin, welche ebenſo munter geweſen war, ſie noch lange Zeit überlebte.“ Daſſelbe Verhältniß, welches zwiſchen den Baumechſen und Leguanen beſteht, wiederholt ſich bei den Dornenechſen und Krötenechſen (Humivagae). Beide Gruppen oder Familien kennzeichnen ſich äußerlich durch einen kurzen, hinten breitgedrückten Kopf, einen flachen, plumpen Leib, kurzen, kegelförmigen Schwanz und die oft ſtachelige Beſchuppung. Bei den Dornenechſen (Stelliones) ſind die Zähne eingewachſen und die Eckzähne meiſt deutlich entwickelt, bei den Krötenechſen (Agamoideae) jene angewachſen und die Eckzähne nicht vorhanden. Die Lebensweiſe der einzelnen Arten ſtimmt in manchen Punkten überein, ſcheint ſich aber in anderen wieder ſehr zu unterſcheiden, insbeſondere auch inſofern als einzelne Agamen Tag-, die anderen halbe Nachtthiere ſind, dieſe ſich ſchnell, jene ſich nur langſam bewegen. Zu den anziehenden Thieren gehören weder die Dornen-, noch die Krötenechſen. Es gibt auch unter ihnen Arten, welche durch die Schönheit ihrer Färbung für ſich einnehmen; die kurze, gedrungene, durch Stacheln und Auswüchſe eher verunſtaltete als gezierte Geſtalt aber macht die meiſten widerlich und zieht ihnen ſogar, wie leicht erklärlich, den Verdacht der Giftigkeit zu. Die Nahrung der Mehrheit beſteht in Kerbthieren, und einzelne Arten jagen wohl auch kleineren Wirbelthieren, insbeſondere Mäuſen, jungen Vögelchen, Eidechſen und dergleichen nach; einzelne aber freſſen, wie beſtimmt beobachtet wurde, wenigſtens hauptſächlich Pflanzenſtoffe, insbeſondere Gras. Die meiſten Arten ſcheinen gefräßige und begehrliche Thiere zu ſein. Ueber die Fortpflanzung fehlen noch eingehende Beobachtungen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/157>, abgerufen am 02.05.2024.