Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Helmbasilisk.
des Haushahnes vernahm. Der alberne Märchenkram wurde bis in die neuere Zeit geglaubt --
nicht blos von naturunkundigen Laien, sondern auch von sogenannten gelehrten Männern, welche über
Naturgegenstände schrieben, beispielsweise von dem englischen Naturkundigen Topsel, der eine
köstliche Schilderung des Basilisken entwirft. Kein Wunder, daß Luther den Namen dieses
Thieres gebrauchte, um mehrere dunkle Stellen des alten Testaments zu übersetzen. "Denn
siehe", droht Jeremias im Namen seines grimmigen Gottes, "ich will Schlangen und Basilisken
unter euch senden, die nicht beschworen sind; die sollen euch stechen, spricht der Herr!" ... "Sie
[Abbildung] Der Helmbasilist (Basiliseus mitratus). 1/2 der nat. Größe.
brüten Basiliskeneier", läßt sich Jesaias vernehmen, "und wirken Spinnenwebe; isset man von ihren
Eiern, so muß man sterben, zertritt man es, so fähret eine Otter heraus." Welche fürchterlichen Thiere
die beiden Seher im Sinne gehabt, oder ob sie überhaupt an Thiere gedacht haben, läßt sich unmöglich
entscheiden; wer die Geschwätzigkeit der Morgenländer und den verschwenderischen Gebrauch von nichts-
sagenden Worten aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat, gibt sich auch gar keine Mühe, darüber
nachzugrübeln. Gewiß ist nur das Eine, daß die neuere Thierkunde sich einen so bedeutsamen Namen
nicht entgehen ließ und ihn ebenso wie die alten Götter und Göttinnen, Helden, Nymphen, Niren,
Dämonen, Teufel und ähnliche Phantasiegebilde verwendete.

Brehm, Thierleben. V. 9

Helmbaſilisk.
des Haushahnes vernahm. Der alberne Märchenkram wurde bis in die neuere Zeit geglaubt —
nicht blos von naturunkundigen Laien, ſondern auch von ſogenannten gelehrten Männern, welche über
Naturgegenſtände ſchrieben, beiſpielsweiſe von dem engliſchen Naturkundigen Topſel, der eine
köſtliche Schilderung des Baſilisken entwirft. Kein Wunder, daß Luther den Namen dieſes
Thieres gebrauchte, um mehrere dunkle Stellen des alten Teſtaments zu überſetzen. „Denn
ſiehe“, droht Jeremias im Namen ſeines grimmigen Gottes, „ich will Schlangen und Baſilisken
unter euch ſenden, die nicht beſchworen ſind; die ſollen euch ſtechen, ſpricht der Herr!“ ... „Sie
[Abbildung] Der Helmbaſilist (Basiliseus mitratus). ½ der nat. Größe.
brüten Baſiliskeneier“, läßt ſich Jeſaias vernehmen, „und wirken Spinnenwebe; iſſet man von ihren
Eiern, ſo muß man ſterben, zertritt man es, ſo fähret eine Otter heraus.“ Welche fürchterlichen Thiere
die beiden Seher im Sinne gehabt, oder ob ſie überhaupt an Thiere gedacht haben, läßt ſich unmöglich
entſcheiden; wer die Geſchwätzigkeit der Morgenländer und den verſchwenderiſchen Gebrauch von nichts-
ſagenden Worten aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat, gibt ſich auch gar keine Mühe, darüber
nachzugrübeln. Gewiß iſt nur das Eine, daß die neuere Thierkunde ſich einen ſo bedeutſamen Namen
nicht entgehen ließ und ihn ebenſo wie die alten Götter und Göttinnen, Helden, Nymphen, Niren,
Dämonen, Teufel und ähnliche Phantaſiegebilde verwendete.

Brehm, Thierleben. V. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0147" n="129"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Helmba&#x017F;ilisk.</hi></fw><lb/>
des Haushahnes vernahm. Der alberne Märchenkram wurde bis in die neuere Zeit geglaubt &#x2014;<lb/>
nicht blos von naturunkundigen Laien, &#x017F;ondern auch von &#x017F;ogenannten gelehrten Männern, welche über<lb/>
Naturgegen&#x017F;tände &#x017F;chrieben, bei&#x017F;pielswei&#x017F;e von dem engli&#x017F;chen Naturkundigen <hi rendition="#g">Top&#x017F;el,</hi> der eine<lb/>&#x017F;tliche Schilderung des Ba&#x017F;ilisken entwirft. Kein Wunder, daß <hi rendition="#g">Luther</hi> den Namen die&#x017F;es<lb/>
Thieres gebrauchte, um mehrere dunkle Stellen des alten Te&#x017F;taments zu über&#x017F;etzen. &#x201E;Denn<lb/>
&#x017F;iehe&#x201C;, droht <hi rendition="#g">Jeremias</hi> im Namen &#x017F;eines grimmigen Gottes, &#x201E;ich will Schlangen und Ba&#x017F;ilisken<lb/>
unter euch &#x017F;enden, die nicht be&#x017F;chworen &#x017F;ind; die &#x017F;ollen euch &#x017F;techen, &#x017F;pricht der Herr!&#x201C; ... &#x201E;Sie<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Helmba&#x017F;ilist</hi><hi rendition="#aq">(Basiliseus mitratus).</hi> ½ der nat. Größe.</hi></head></figure><lb/>
brüten Ba&#x017F;iliskeneier&#x201C;, läßt &#x017F;ich <hi rendition="#g">Je&#x017F;aias</hi> vernehmen, &#x201E;und wirken Spinnenwebe; i&#x017F;&#x017F;et man von ihren<lb/>
Eiern, &#x017F;o muß man &#x017F;terben, zertritt man es, &#x017F;o fähret eine Otter heraus.&#x201C; Welche fürchterlichen Thiere<lb/>
die beiden Seher im Sinne gehabt, oder ob &#x017F;ie überhaupt an Thiere gedacht haben, läßt &#x017F;ich unmöglich<lb/>
ent&#x017F;cheiden; wer die Ge&#x017F;chwätzigkeit der Morgenländer und den ver&#x017F;chwenderi&#x017F;chen Gebrauch von nichts-<lb/>
&#x017F;agenden Worten aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat, gibt &#x017F;ich auch gar keine Mühe, darüber<lb/>
nachzugrübeln. Gewiß i&#x017F;t nur das Eine, daß die neuere Thierkunde &#x017F;ich einen &#x017F;o bedeut&#x017F;amen Namen<lb/>
nicht entgehen ließ und ihn eben&#x017F;o wie die alten Götter und Göttinnen, Helden, Nymphen, Niren,<lb/>
Dämonen, Teufel und ähnliche Phanta&#x017F;iegebilde verwendete.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">V.</hi> 9</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0147] Helmbaſilisk. des Haushahnes vernahm. Der alberne Märchenkram wurde bis in die neuere Zeit geglaubt — nicht blos von naturunkundigen Laien, ſondern auch von ſogenannten gelehrten Männern, welche über Naturgegenſtände ſchrieben, beiſpielsweiſe von dem engliſchen Naturkundigen Topſel, der eine köſtliche Schilderung des Baſilisken entwirft. Kein Wunder, daß Luther den Namen dieſes Thieres gebrauchte, um mehrere dunkle Stellen des alten Teſtaments zu überſetzen. „Denn ſiehe“, droht Jeremias im Namen ſeines grimmigen Gottes, „ich will Schlangen und Baſilisken unter euch ſenden, die nicht beſchworen ſind; die ſollen euch ſtechen, ſpricht der Herr!“ ... „Sie [Abbildung Der Helmbaſilist (Basiliseus mitratus). ½ der nat. Größe.] brüten Baſiliskeneier“, läßt ſich Jeſaias vernehmen, „und wirken Spinnenwebe; iſſet man von ihren Eiern, ſo muß man ſterben, zertritt man es, ſo fähret eine Otter heraus.“ Welche fürchterlichen Thiere die beiden Seher im Sinne gehabt, oder ob ſie überhaupt an Thiere gedacht haben, läßt ſich unmöglich entſcheiden; wer die Geſchwätzigkeit der Morgenländer und den verſchwenderiſchen Gebrauch von nichts- ſagenden Worten aus eigener Erfahrung kennen gelernt hat, gibt ſich auch gar keine Mühe, darüber nachzugrübeln. Gewiß iſt nur das Eine, daß die neuere Thierkunde ſich einen ſo bedeutſamen Namen nicht entgehen ließ und ihn ebenſo wie die alten Götter und Göttinnen, Helden, Nymphen, Niren, Dämonen, Teufel und ähnliche Phantaſiegebilde verwendete. Brehm, Thierleben. V. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/147
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/147>, abgerufen am 02.05.2024.