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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schuppenechsen. Leguane. Basilisken.
hörnchen und Flugbeutelthiere erinnert, aber nicht oder nur wenig mit den Beinen zusammenhängt.
Der Kopf ist dreiseitig und stumpffchnauzig, der Hals kurz, der Leib stark zusammengedrückt, der
Schwanz sehr lang; die Kehle trägt häufig sackartig herabhängende Wammen; auf dem Kopfe stehen
kleine ungleiche Schilder; den Rumpf bekleiden kleine seine Schuppen. Drei oder vier Vorderzähne
und zwei Fang- und zahlreiche dreispitzige Backenzähne in jedem Kiefer bilden das Gebiß. Das
Trommelfell liegt bald frei, bald versteckt. Schenkelporen fehlen. Man kennt mehrere Arten, welche
sich in ihrer Lebensweise sämmtlich zu ähneln scheinen.

Auf Java lebt die Art, welche uns am frühesten bekannt geworden ist, der gemeine oder
fliegende Drache (Draco volans), eine fußlange Baumechse von grüner Färbung mit bräunlichem
oder fahlgrauen Fallschirme, welcher jederseits durch vier braune Querbinden und weiße Pünktchen
gezeichnet wird. Die Fittige sind vorn frei, hinten aber etwas mit den Schenkeln verwachsen.

Alle Drachen hausen auf Bäumen, klettern hier im Gezweige geschickt umher und schwingen sich
mit Hilfe ihres Fallschirms über Entfernungen von zwanzig bis dreißig Fuß, jedoch nur in schiefer
Richtung von oben nach unten. Einige Beobachter behaupten, daß sie sich auch wie Schmetterlinge
flatternd in der Luft erhalten könnten. Alle Arten nähren sich von kleinen fliegenden Kerbthieren,
welche sie von den Blättern ablesen oder mittelst eines Sprunges im Fluge erhaschen. Jhre Eier
sollen sie in Baumlöchern ablegen. Vor dem Menschen ziehen sie sich scheu zurück, da sie überaus
furchtsam sind. Niemand hält sie für giftig; deshalb behandelt man sie auch ohne jegliche Schen.

Ausführlichere Angaben über die Lebensweise der Drachen sind mir nicht bekannt. Vorstehende
Angaben rühren sämmtlich von älteren Reisenden her, und fast scheint es, als ob die neueren die so
auffallenden und gewiß auch anziehenden Thiere wenig oder nicht beachtet hätten. Es mag übrigens
ziemlich schwer sein, Beobachtungen über das Leben dieser Thiere anzustellen, da sie ihr Baum-
leben dem spähenden Auge des Forschers entzieht.



Die amerikanischen Vertreter der Baumechsen sind die Leguane (Hypsilophi). Sie wieder-
holen im wesentlichen die Gestalt ihrer altweltlichen Verwandten, unterscheiden sich aber durch ihre
an der Jnnenwand des Kiefers angewachsenen Zähne. Jhre Haut verändert die Färbung in dem-
selben oder in noch höherem Grade als die des Chamäleons, weshalb auch einige von ihnen in ihrem
Vaterlande den Namen des letztgenannten Thieres führen. Für den Menschen haben sie insofern
eine gewisse Bedeutung, als das Fleisch einiger Arten wohlschmeckend gefunden und gern gegessen wird.

Unter Basilisk dachten sich die alten Griechen und Römer ein schlangenähnliches, mit
übernatürlichen Kräften begabtes Scheusal der abschreckendsten Art, erzeugt auf unnatürlichem Wege,
erbrütet durch zum Brüten unfähige Lurche, unheilvoll für alles Lebende, den Halbgott Mensch nicht
ausgeschlossen. Haushahn, Schlange und Kröte wurden als die Erzeuger angesehen: der Hahn legte
mißgestaltete Eier, und Schlangen und Kröten bemächtigten sich derselben, um sie zu zeitigen. Der
Basilisk hatte einen geflügelten Leib, einen gekrönten Kopf, vier Hahnenfüße, einen Schlangenschwanz,
funkelnde Augen und einen so giftigen Blick, daß derselbe noch schlimmer als das "böse Auge" der
heutigen Südeuropäer und Morgenländer wirkte. Das von ihm ausgehende Gift erfüllte, so
wähnte man, die Luft und tödtete alles Sterbliche, welches mit solcher Luft in Berührung kam: die
Früchte fielen von den Bäumen und verdarben; Gras und Kraut verbrannten, die Vögel stürzten todt
aus der Luft herab; Roß und Reiter erlagen. Nur ein Thier gab es, welches den Basilisken zu
bannen und unschädlich zu machen vermochte: -- seinen Miterzeuger, den Haushahn. Wie vor seinem
Krähen die späteren Erzeugnisse des Blödsinns, Teufel, Gespenster und andere Spukgestalten weichen
müssen, so war auch der Basilisk genöthigt, bis in das Tiefste der Erde zu flüchten, wenn er das Krähen

Die Schuppenechſen. Leguane. Baſilisken.
hörnchen und Flugbeutelthiere erinnert, aber nicht oder nur wenig mit den Beinen zuſammenhängt.
Der Kopf iſt dreiſeitig und ſtumpffchnauzig, der Hals kurz, der Leib ſtark zuſammengedrückt, der
Schwanz ſehr lang; die Kehle trägt häufig ſackartig herabhängende Wammen; auf dem Kopfe ſtehen
kleine ungleiche Schilder; den Rumpf bekleiden kleine ſeine Schuppen. Drei oder vier Vorderzähne
und zwei Fang- und zahlreiche dreiſpitzige Backenzähne in jedem Kiefer bilden das Gebiß. Das
Trommelfell liegt bald frei, bald verſteckt. Schenkelporen fehlen. Man kennt mehrere Arten, welche
ſich in ihrer Lebensweiſe ſämmtlich zu ähneln ſcheinen.

Auf Java lebt die Art, welche uns am früheſten bekannt geworden iſt, der gemeine oder
fliegende Drache (Draco volans), eine fußlange Baumechſe von grüner Färbung mit bräunlichem
oder fahlgrauen Fallſchirme, welcher jederſeits durch vier braune Querbinden und weiße Pünktchen
gezeichnet wird. Die Fittige ſind vorn frei, hinten aber etwas mit den Schenkeln verwachſen.

Alle Drachen hauſen auf Bäumen, klettern hier im Gezweige geſchickt umher und ſchwingen ſich
mit Hilfe ihres Fallſchirms über Entfernungen von zwanzig bis dreißig Fuß, jedoch nur in ſchiefer
Richtung von oben nach unten. Einige Beobachter behaupten, daß ſie ſich auch wie Schmetterlinge
flatternd in der Luft erhalten könnten. Alle Arten nähren ſich von kleinen fliegenden Kerbthieren,
welche ſie von den Blättern ableſen oder mittelſt eines Sprunges im Fluge erhaſchen. Jhre Eier
ſollen ſie in Baumlöchern ablegen. Vor dem Menſchen ziehen ſie ſich ſcheu zurück, da ſie überaus
furchtſam ſind. Niemand hält ſie für giftig; deshalb behandelt man ſie auch ohne jegliche Schen.

Ausführlichere Angaben über die Lebensweiſe der Drachen ſind mir nicht bekannt. Vorſtehende
Angaben rühren ſämmtlich von älteren Reiſenden her, und faſt ſcheint es, als ob die neueren die ſo
auffallenden und gewiß auch anziehenden Thiere wenig oder nicht beachtet hätten. Es mag übrigens
ziemlich ſchwer ſein, Beobachtungen über das Leben dieſer Thiere anzuſtellen, da ſie ihr Baum-
leben dem ſpähenden Auge des Forſchers entzieht.



Die amerikaniſchen Vertreter der Baumechſen ſind die Leguane (Hypsilophi). Sie wieder-
holen im weſentlichen die Geſtalt ihrer altweltlichen Verwandten, unterſcheiden ſich aber durch ihre
an der Jnnenwand des Kiefers angewachſenen Zähne. Jhre Haut verändert die Färbung in dem-
ſelben oder in noch höherem Grade als die des Chamäleons, weshalb auch einige von ihnen in ihrem
Vaterlande den Namen des letztgenannten Thieres führen. Für den Menſchen haben ſie inſofern
eine gewiſſe Bedeutung, als das Fleiſch einiger Arten wohlſchmeckend gefunden und gern gegeſſen wird.

Unter Baſilisk dachten ſich die alten Griechen und Römer ein ſchlangenähnliches, mit
übernatürlichen Kräften begabtes Scheuſal der abſchreckendſten Art, erzeugt auf unnatürlichem Wege,
erbrütet durch zum Brüten unfähige Lurche, unheilvoll für alles Lebende, den Halbgott Menſch nicht
ausgeſchloſſen. Haushahn, Schlange und Kröte wurden als die Erzeuger angeſehen: der Hahn legte
mißgeſtaltete Eier, und Schlangen und Kröten bemächtigten ſich derſelben, um ſie zu zeitigen. Der
Baſilisk hatte einen geflügelten Leib, einen gekrönten Kopf, vier Hahnenfüße, einen Schlangenſchwanz,
funkelnde Augen und einen ſo giftigen Blick, daß derſelbe noch ſchlimmer als das „böſe Auge“ der
heutigen Südeuropäer und Morgenländer wirkte. Das von ihm ausgehende Gift erfüllte, ſo
wähnte man, die Luft und tödtete alles Sterbliche, welches mit ſolcher Luft in Berührung kam: die
Früchte fielen von den Bäumen und verdarben; Gras und Kraut verbrannten, die Vögel ſtürzten todt
aus der Luft herab; Roß und Reiter erlagen. Nur ein Thier gab es, welches den Baſilisken zu
bannen und unſchädlich zu machen vermochte: — ſeinen Miterzeuger, den Haushahn. Wie vor ſeinem
Krähen die ſpäteren Erzeugniſſe des Blödſinns, Teufel, Geſpenſter und andere Spukgeſtalten weichen
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[128/0144] Die Schuppenechſen. Leguane. Baſilisken. hörnchen und Flugbeutelthiere erinnert, aber nicht oder nur wenig mit den Beinen zuſammenhängt. Der Kopf iſt dreiſeitig und ſtumpffchnauzig, der Hals kurz, der Leib ſtark zuſammengedrückt, der Schwanz ſehr lang; die Kehle trägt häufig ſackartig herabhängende Wammen; auf dem Kopfe ſtehen kleine ungleiche Schilder; den Rumpf bekleiden kleine ſeine Schuppen. Drei oder vier Vorderzähne und zwei Fang- und zahlreiche dreiſpitzige Backenzähne in jedem Kiefer bilden das Gebiß. Das Trommelfell liegt bald frei, bald verſteckt. Schenkelporen fehlen. Man kennt mehrere Arten, welche ſich in ihrer Lebensweiſe ſämmtlich zu ähneln ſcheinen. Auf Java lebt die Art, welche uns am früheſten bekannt geworden iſt, der gemeine oder fliegende Drache (Draco volans), eine fußlange Baumechſe von grüner Färbung mit bräunlichem oder fahlgrauen Fallſchirme, welcher jederſeits durch vier braune Querbinden und weiße Pünktchen gezeichnet wird. Die Fittige ſind vorn frei, hinten aber etwas mit den Schenkeln verwachſen. Alle Drachen hauſen auf Bäumen, klettern hier im Gezweige geſchickt umher und ſchwingen ſich mit Hilfe ihres Fallſchirms über Entfernungen von zwanzig bis dreißig Fuß, jedoch nur in ſchiefer Richtung von oben nach unten. Einige Beobachter behaupten, daß ſie ſich auch wie Schmetterlinge flatternd in der Luft erhalten könnten. Alle Arten nähren ſich von kleinen fliegenden Kerbthieren, welche ſie von den Blättern ableſen oder mittelſt eines Sprunges im Fluge erhaſchen. Jhre Eier ſollen ſie in Baumlöchern ablegen. Vor dem Menſchen ziehen ſie ſich ſcheu zurück, da ſie überaus furchtſam ſind. Niemand hält ſie für giftig; deshalb behandelt man ſie auch ohne jegliche Schen. Ausführlichere Angaben über die Lebensweiſe der Drachen ſind mir nicht bekannt. Vorſtehende Angaben rühren ſämmtlich von älteren Reiſenden her, und faſt ſcheint es, als ob die neueren die ſo auffallenden und gewiß auch anziehenden Thiere wenig oder nicht beachtet hätten. Es mag übrigens ziemlich ſchwer ſein, Beobachtungen über das Leben dieſer Thiere anzuſtellen, da ſie ihr Baum- leben dem ſpähenden Auge des Forſchers entzieht. Die amerikaniſchen Vertreter der Baumechſen ſind die Leguane (Hypsilophi). Sie wieder- holen im weſentlichen die Geſtalt ihrer altweltlichen Verwandten, unterſcheiden ſich aber durch ihre an der Jnnenwand des Kiefers angewachſenen Zähne. Jhre Haut verändert die Färbung in dem- ſelben oder in noch höherem Grade als die des Chamäleons, weshalb auch einige von ihnen in ihrem Vaterlande den Namen des letztgenannten Thieres führen. Für den Menſchen haben ſie inſofern eine gewiſſe Bedeutung, als das Fleiſch einiger Arten wohlſchmeckend gefunden und gern gegeſſen wird. Unter Baſilisk dachten ſich die alten Griechen und Römer ein ſchlangenähnliches, mit übernatürlichen Kräften begabtes Scheuſal der abſchreckendſten Art, erzeugt auf unnatürlichem Wege, erbrütet durch zum Brüten unfähige Lurche, unheilvoll für alles Lebende, den Halbgott Menſch nicht ausgeſchloſſen. Haushahn, Schlange und Kröte wurden als die Erzeuger angeſehen: der Hahn legte mißgeſtaltete Eier, und Schlangen und Kröten bemächtigten ſich derſelben, um ſie zu zeitigen. Der Baſilisk hatte einen geflügelten Leib, einen gekrönten Kopf, vier Hahnenfüße, einen Schlangenſchwanz, funkelnde Augen und einen ſo giftigen Blick, daß derſelbe noch ſchlimmer als das „böſe Auge“ der heutigen Südeuropäer und Morgenländer wirkte. Das von ihm ausgehende Gift erfüllte, ſo wähnte man, die Luft und tödtete alles Sterbliche, welches mit ſolcher Luft in Berührung kam: die Früchte fielen von den Bäumen und verdarben; Gras und Kraut verbrannten, die Vögel ſtürzten todt aus der Luft herab; Roß und Reiter erlagen. Nur ein Thier gab es, welches den Baſilisken zu bannen und unſchädlich zu machen vermochte: — ſeinen Miterzeuger, den Haushahn. Wie vor ſeinem Krähen die ſpäteren Erzeugniſſe des Blödſinns, Teufel, Geſpenſter und andere Spukgeſtalten weichen müſſen, ſo war auch der Baſilisk genöthigt, bis in das Tiefſte der Erde zu flüchten, wenn er das Krähen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/144>, abgerufen am 02.05.2024.