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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Smaragd- und Zauneidechse.
Raine etc. zum Aufenthalte, graben sich hier eine Höhlung oder benutzen eine vorgefundene und ent-
fernen sich selten weit von diesem Mittelpunkte ihres Gebietes. Bei warmem Wetter liegen sie im
Freien, am liebsten im Sonnenscheine auf der Lauer und spähen mit funkelnden Augen auf allerlei
Beute, insbesondere auf fliegende Kerbthiere; an kühlen oder regnerischen Tagen halten sie sich in
ihren Höhlen verborgen. Beide sind überaus furchtsam und schen, entfliehen gewöhnlich beim Anblick
eines Menschen mit äußerster Schnelligkeit, lassen sich aber durch Schläge auf den Boden so erschrecken
und verblüffen, daß sie eine Zeitlang still sitzen bleiben und dann mit der Hand ergriffen werden
[Abbildung] Die Zauneidechse (Lacerta agilis). Nat. Größe.
können, gefallen sich zuweilen auch so in ihrer Behaglichkeit, daß sie ihr sonstiges Wesen gänzlich
vergessen und, gleichsam besinnungslos, einem Feinde gestatten, ihnen sich zu nähern. Sie sind im
eigentlichen Sinne des Wortes abhängig von der Sonne, lassen sich nur dann sehen, wenn diese vom
Himmel lacht, und verschwinden, sobald sie sich verbirgt. Um sich zu sonnen, suchen sie sich stets
diejenigen Stellen aus, welche ihnen die meiste Wärme versprechen, und steigen deshalb selbst an
Baumstämmen, Pfählen und dergl. in die Höhe, als ob sie fürchteten, daß ihnen ein einziger Strahl
des belebenden Gestirns verloren gehen könne. Je stärker die Sonne scheint, umsomehr steigert sich

Smaragd- und Zauneidechſe.
Raine ꝛc. zum Aufenthalte, graben ſich hier eine Höhlung oder benutzen eine vorgefundene und ent-
fernen ſich ſelten weit von dieſem Mittelpunkte ihres Gebietes. Bei warmem Wetter liegen ſie im
Freien, am liebſten im Sonnenſcheine auf der Lauer und ſpähen mit funkelnden Augen auf allerlei
Beute, insbeſondere auf fliegende Kerbthiere; an kühlen oder regneriſchen Tagen halten ſie ſich in
ihren Höhlen verborgen. Beide ſind überaus furchtſam und ſchen, entfliehen gewöhnlich beim Anblick
eines Menſchen mit äußerſter Schnelligkeit, laſſen ſich aber durch Schläge auf den Boden ſo erſchrecken
und verblüffen, daß ſie eine Zeitlang ſtill ſitzen bleiben und dann mit der Hand ergriffen werden
[Abbildung] Die Zauneidechſe (Lacerta agilis). Nat. Größe.
können, gefallen ſich zuweilen auch ſo in ihrer Behaglichkeit, daß ſie ihr ſonſtiges Weſen gänzlich
vergeſſen und, gleichſam beſinnungslos, einem Feinde geſtatten, ihnen ſich zu nähern. Sie ſind im
eigentlichen Sinne des Wortes abhängig von der Sonne, laſſen ſich nur dann ſehen, wenn dieſe vom
Himmel lacht, und verſchwinden, ſobald ſie ſich verbirgt. Um ſich zu ſonnen, ſuchen ſie ſich ſtets
diejenigen Stellen aus, welche ihnen die meiſte Wärme verſprechen, und ſteigen deshalb ſelbſt an
Baumſtämmen, Pfählen und dergl. in die Höhe, als ob ſie fürchteten, daß ihnen ein einziger Strahl
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[109/0125] Smaragd- und Zauneidechſe. Raine ꝛc. zum Aufenthalte, graben ſich hier eine Höhlung oder benutzen eine vorgefundene und ent- fernen ſich ſelten weit von dieſem Mittelpunkte ihres Gebietes. Bei warmem Wetter liegen ſie im Freien, am liebſten im Sonnenſcheine auf der Lauer und ſpähen mit funkelnden Augen auf allerlei Beute, insbeſondere auf fliegende Kerbthiere; an kühlen oder regneriſchen Tagen halten ſie ſich in ihren Höhlen verborgen. Beide ſind überaus furchtſam und ſchen, entfliehen gewöhnlich beim Anblick eines Menſchen mit äußerſter Schnelligkeit, laſſen ſich aber durch Schläge auf den Boden ſo erſchrecken und verblüffen, daß ſie eine Zeitlang ſtill ſitzen bleiben und dann mit der Hand ergriffen werden [Abbildung Die Zauneidechſe (Lacerta agilis). Nat. Größe.] können, gefallen ſich zuweilen auch ſo in ihrer Behaglichkeit, daß ſie ihr ſonſtiges Weſen gänzlich vergeſſen und, gleichſam beſinnungslos, einem Feinde geſtatten, ihnen ſich zu nähern. Sie ſind im eigentlichen Sinne des Wortes abhängig von der Sonne, laſſen ſich nur dann ſehen, wenn dieſe vom Himmel lacht, und verſchwinden, ſobald ſie ſich verbirgt. Um ſich zu ſonnen, ſuchen ſie ſich ſtets diejenigen Stellen aus, welche ihnen die meiſte Wärme verſprechen, und ſteigen deshalb ſelbſt an Baumſtämmen, Pfählen und dergl. in die Höhe, als ob ſie fürchteten, daß ihnen ein einziger Strahl des belebenden Geſtirns verloren gehen könne. Je ſtärker die Sonne ſcheint, umſomehr ſteigert ſich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/125>, abgerufen am 02.05.2024.