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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Lebensweise der Scharben.
so siedeln sie sich so fest an, daß man sie später nur mit größter Anstrengung wieder los werden kann.
"Jm Frühlinge des Jahres 1812", sagt Naumann, "fanden sich auf einem Gute der Stadt Lütjen-
burg vier Paare ein und siedelten sich, dem Seestrande nahe, auf sehr hohen Buchen in einem Gehölze
an, welches seit vielen Jahren einer großen Anzahl von Saatkrähen und Fischreihern zum Brüteorte
gedient hatte. Sie vertrieben einige Reiherfamilien, um deren Nester für sich zu benutzen, machten
zwei Bruten, eine im Mai, die andere im Juli, und verließen im Herbste desselben Jahres, zu einem
Fluge von einigen dreißig angewachsen, die Gegend. Jm Frühlinge des folgenden Jahres kamen sie,
wie in allen folgenden, in einer immer mehr sich verstärkenden Anzahl wieder, und bald durfte man
diese zu sieben Tausend brütenden Paaren anschlagen. Boje zählte auf einigen Bäumen an funfzig
Scharbennester. Die Menge der Zu- und Abfliegenden erfüllte die Luft, ihr wildes Geschrei
betäubte die Ohren. Die Bäume sammt ihrem Laube waren weiß gefärbt von dem Unrathe, die Luft
war verpestet durch die aus dem Neste herabgefallenen und faulen Fische. Erst nach mehreren Jahren
eifriger Verfolgung gelang es, die ungebetenen Gäste wieder los zu werden. Gewöhnlich erscheinen
die brutfähigen Scharben im April, bauen sehr eifrig, benutzen auf manchen Bäumen jeden Zweig und
legen schon zu Ende des Monats drei bis vier kleine, schlanke, festschalige, bläulichgrüne, mit einem
kalkigen Ueberzuge bedeckte Eier, bebrüten diese abwechselnd etwa vier Wochen lang sehr eifrig und
füttern ihre Jungen ebenfalls gemeinschaftlich groß. Letztere wachsen in Folge der ihnen überreichlich
zugetragenen Speise verhältnißmäßig schnell heran, werden von den Alten ungemein geliebt, bei
Gefahr aber nicht vertheidigt, wenigstens nicht dem Menschen gegenüber. Wenn die Alten im Neste
ankommen, haben sie gewöhnlich Schlund und Magen zum Platzen voll und würgen auf dem Nest-
rande manchmal mehrere Dutzend kleine Fische aus; viele von diesen fallen über den Nestrand
herunter: kein Kormoran aber gibt sich die Mühe, sie aufzulesen. Mitte Junis fliegen die Jungen
aus, und dann machen die Alten gewöhnlich sofort zur zweiten Brut Anstalt, es jenen überlassend,
sich zu ernähren.

Gefangene Kormorane gewähren Dem, welcher ihnen ein genügend großes Wasserbecken zur
Verfügung stellen und sie mit hinreichendem Futter versehen kann, viel Vergnügen, weil sie anziehend
sind, wenn sie sich beschäftigen oder wenn sie ruhen. Sie halten bei reichlicher Nahrung die Gefangen-
schaft viele Jahre aus, haben außer ihrem Hunger auch kaum noch Bedürfnisse. Gleichwohl ent-
schließen sie sich nur selten zum Nisten; in Europa haben meines Wissens blos die Gefangenen, welche
Schilling in Greifswalde hielt, gebrütet, sie aber mehrere Jahre nach einander eine oder zwei
Bruten in jedem Sommer. Daß die Unterhaltung eines Scharbenpaares nicht ganz billig ist, wird
man mir glauben, wenn ich sage, daß ein Kormoran sehr gern täglich seine vierundzwanzig bis sechs-
unddreißig Heringe oder die bezügliche Menge anderer Fische zu sich nimmt.

Jagd auf Kormorane oder Scharben überhaupt gehört zu dem größten Vergnügen leidenschaft-
licher Schützen, obgleich die erlegten Vögel keinen Nutzen gewähren. Die Schlauheit und Vorsicht
der Kormorane fordert alle List des Jägers heraus. Leichter erlegt man die Vögel auf dem Anstande
unter ihrem Schlafbaume und am leichtesten natürlich im Hörste. Hier wird die Jagd zur Noth-
wendigkeit, verliert aber auch allen Reiz, schon weil hier jeder Laffe sie ausüben kann und sie zur
abscheulichsten Schlächterei herabsinkt. Wir erachten Scharbenfleisch für ungenießbar; die Lappländer
und Araber sind anderer Ansicht und halten es, seiner Fettigkeit halber, für einen wahren Leckerbissen.



Die größten und auffallendsten Mitglieder der Ordnung sind die Pelekane (Pelecani). Sie
kennzeichnet vor Allem der gewaltige, nur ihnen eigene Hamenschnabel, welcher, so zu sagen, aus
einem Sacke und einem diesen schließenden Deckel besteht. Ersterer wird gebildet durch den Unter-

Lebensweiſe der Scharben.
ſo ſiedeln ſie ſich ſo feſt an, daß man ſie ſpäter nur mit größter Anſtrengung wieder los werden kann.
„Jm Frühlinge des Jahres 1812“, ſagt Naumann, „fanden ſich auf einem Gute der Stadt Lütjen-
burg vier Paare ein und ſiedelten ſich, dem Seeſtrande nahe, auf ſehr hohen Buchen in einem Gehölze
an, welches ſeit vielen Jahren einer großen Anzahl von Saatkrähen und Fiſchreihern zum Brüteorte
gedient hatte. Sie vertrieben einige Reiherfamilien, um deren Neſter für ſich zu benutzen, machten
zwei Bruten, eine im Mai, die andere im Juli, und verließen im Herbſte deſſelben Jahres, zu einem
Fluge von einigen dreißig angewachſen, die Gegend. Jm Frühlinge des folgenden Jahres kamen ſie,
wie in allen folgenden, in einer immer mehr ſich verſtärkenden Anzahl wieder, und bald durfte man
dieſe zu ſieben Tauſend brütenden Paaren anſchlagen. Boje zählte auf einigen Bäumen an funfzig
Scharbenneſter. Die Menge der Zu- und Abfliegenden erfüllte die Luft, ihr wildes Geſchrei
betäubte die Ohren. Die Bäume ſammt ihrem Laube waren weiß gefärbt von dem Unrathe, die Luft
war verpeſtet durch die aus dem Neſte herabgefallenen und faulen Fiſche. Erſt nach mehreren Jahren
eifriger Verfolgung gelang es, die ungebetenen Gäſte wieder los zu werden. Gewöhnlich erſcheinen
die brutfähigen Scharben im April, bauen ſehr eifrig, benutzen auf manchen Bäumen jeden Zweig und
legen ſchon zu Ende des Monats drei bis vier kleine, ſchlanke, feſtſchalige, bläulichgrüne, mit einem
kalkigen Ueberzuge bedeckte Eier, bebrüten dieſe abwechſelnd etwa vier Wochen lang ſehr eifrig und
füttern ihre Jungen ebenfalls gemeinſchaftlich groß. Letztere wachſen in Folge der ihnen überreichlich
zugetragenen Speiſe verhältnißmäßig ſchnell heran, werden von den Alten ungemein geliebt, bei
Gefahr aber nicht vertheidigt, wenigſtens nicht dem Menſchen gegenüber. Wenn die Alten im Neſte
ankommen, haben ſie gewöhnlich Schlund und Magen zum Platzen voll und würgen auf dem Neſt-
rande manchmal mehrere Dutzend kleine Fiſche aus; viele von dieſen fallen über den Neſtrand
herunter: kein Kormoran aber gibt ſich die Mühe, ſie aufzuleſen. Mitte Junis fliegen die Jungen
aus, und dann machen die Alten gewöhnlich ſofort zur zweiten Brut Anſtalt, es jenen überlaſſend,
ſich zu ernähren.

Gefangene Kormorane gewähren Dem, welcher ihnen ein genügend großes Waſſerbecken zur
Verfügung ſtellen und ſie mit hinreichendem Futter verſehen kann, viel Vergnügen, weil ſie anziehend
ſind, wenn ſie ſich beſchäftigen oder wenn ſie ruhen. Sie halten bei reichlicher Nahrung die Gefangen-
ſchaft viele Jahre aus, haben außer ihrem Hunger auch kaum noch Bedürfniſſe. Gleichwohl ent-
ſchließen ſie ſich nur ſelten zum Niſten; in Europa haben meines Wiſſens blos die Gefangenen, welche
Schilling in Greifswalde hielt, gebrütet, ſie aber mehrere Jahre nach einander eine oder zwei
Bruten in jedem Sommer. Daß die Unterhaltung eines Scharbenpaares nicht ganz billig iſt, wird
man mir glauben, wenn ich ſage, daß ein Kormoran ſehr gern täglich ſeine vierundzwanzig bis ſechs-
unddreißig Heringe oder die bezügliche Menge anderer Fiſche zu ſich nimmt.

Jagd auf Kormorane oder Scharben überhaupt gehört zu dem größten Vergnügen leidenſchaft-
licher Schützen, obgleich die erlegten Vögel keinen Nutzen gewähren. Die Schlauheit und Vorſicht
der Kormorane fordert alle Liſt des Jägers heraus. Leichter erlegt man die Vögel auf dem Anſtande
unter ihrem Schlafbaume und am leichteſten natürlich im Hörſte. Hier wird die Jagd zur Noth-
wendigkeit, verliert aber auch allen Reiz, ſchon weil hier jeder Laffe ſie ausüben kann und ſie zur
abſcheulichſten Schlächterei herabſinkt. Wir erachten Scharbenfleiſch für ungenießbar; die Lappländer
und Araber ſind anderer Anſicht und halten es, ſeiner Fettigkeit halber, für einen wahren Leckerbiſſen.



Die größten und auffallendſten Mitglieder der Ordnung ſind die Pelekane (Pelecani). Sie
kennzeichnet vor Allem der gewaltige, nur ihnen eigene Hamenſchnabel, welcher, ſo zu ſagen, aus
einem Sacke und einem dieſen ſchließenden Deckel beſteht. Erſterer wird gebildet durch den Unter-

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[927/0979] Lebensweiſe der Scharben. ſo ſiedeln ſie ſich ſo feſt an, daß man ſie ſpäter nur mit größter Anſtrengung wieder los werden kann. „Jm Frühlinge des Jahres 1812“, ſagt Naumann, „fanden ſich auf einem Gute der Stadt Lütjen- burg vier Paare ein und ſiedelten ſich, dem Seeſtrande nahe, auf ſehr hohen Buchen in einem Gehölze an, welches ſeit vielen Jahren einer großen Anzahl von Saatkrähen und Fiſchreihern zum Brüteorte gedient hatte. Sie vertrieben einige Reiherfamilien, um deren Neſter für ſich zu benutzen, machten zwei Bruten, eine im Mai, die andere im Juli, und verließen im Herbſte deſſelben Jahres, zu einem Fluge von einigen dreißig angewachſen, die Gegend. Jm Frühlinge des folgenden Jahres kamen ſie, wie in allen folgenden, in einer immer mehr ſich verſtärkenden Anzahl wieder, und bald durfte man dieſe zu ſieben Tauſend brütenden Paaren anſchlagen. Boje zählte auf einigen Bäumen an funfzig Scharbenneſter. Die Menge der Zu- und Abfliegenden erfüllte die Luft, ihr wildes Geſchrei betäubte die Ohren. Die Bäume ſammt ihrem Laube waren weiß gefärbt von dem Unrathe, die Luft war verpeſtet durch die aus dem Neſte herabgefallenen und faulen Fiſche. Erſt nach mehreren Jahren eifriger Verfolgung gelang es, die ungebetenen Gäſte wieder los zu werden. Gewöhnlich erſcheinen die brutfähigen Scharben im April, bauen ſehr eifrig, benutzen auf manchen Bäumen jeden Zweig und legen ſchon zu Ende des Monats drei bis vier kleine, ſchlanke, feſtſchalige, bläulichgrüne, mit einem kalkigen Ueberzuge bedeckte Eier, bebrüten dieſe abwechſelnd etwa vier Wochen lang ſehr eifrig und füttern ihre Jungen ebenfalls gemeinſchaftlich groß. Letztere wachſen in Folge der ihnen überreichlich zugetragenen Speiſe verhältnißmäßig ſchnell heran, werden von den Alten ungemein geliebt, bei Gefahr aber nicht vertheidigt, wenigſtens nicht dem Menſchen gegenüber. Wenn die Alten im Neſte ankommen, haben ſie gewöhnlich Schlund und Magen zum Platzen voll und würgen auf dem Neſt- rande manchmal mehrere Dutzend kleine Fiſche aus; viele von dieſen fallen über den Neſtrand herunter: kein Kormoran aber gibt ſich die Mühe, ſie aufzuleſen. Mitte Junis fliegen die Jungen aus, und dann machen die Alten gewöhnlich ſofort zur zweiten Brut Anſtalt, es jenen überlaſſend, ſich zu ernähren. Gefangene Kormorane gewähren Dem, welcher ihnen ein genügend großes Waſſerbecken zur Verfügung ſtellen und ſie mit hinreichendem Futter verſehen kann, viel Vergnügen, weil ſie anziehend ſind, wenn ſie ſich beſchäftigen oder wenn ſie ruhen. Sie halten bei reichlicher Nahrung die Gefangen- ſchaft viele Jahre aus, haben außer ihrem Hunger auch kaum noch Bedürfniſſe. Gleichwohl ent- ſchließen ſie ſich nur ſelten zum Niſten; in Europa haben meines Wiſſens blos die Gefangenen, welche Schilling in Greifswalde hielt, gebrütet, ſie aber mehrere Jahre nach einander eine oder zwei Bruten in jedem Sommer. Daß die Unterhaltung eines Scharbenpaares nicht ganz billig iſt, wird man mir glauben, wenn ich ſage, daß ein Kormoran ſehr gern täglich ſeine vierundzwanzig bis ſechs- unddreißig Heringe oder die bezügliche Menge anderer Fiſche zu ſich nimmt. Jagd auf Kormorane oder Scharben überhaupt gehört zu dem größten Vergnügen leidenſchaft- licher Schützen, obgleich die erlegten Vögel keinen Nutzen gewähren. Die Schlauheit und Vorſicht der Kormorane fordert alle Liſt des Jägers heraus. Leichter erlegt man die Vögel auf dem Anſtande unter ihrem Schlafbaume und am leichteſten natürlich im Hörſte. Hier wird die Jagd zur Noth- wendigkeit, verliert aber auch allen Reiz, ſchon weil hier jeder Laffe ſie ausüben kann und ſie zur abſcheulichſten Schlächterei herabſinkt. Wir erachten Scharbenfleiſch für ungenießbar; die Lappländer und Araber ſind anderer Anſicht und halten es, ſeiner Fettigkeit halber, für einen wahren Leckerbiſſen. Die größten und auffallendſten Mitglieder der Ordnung ſind die Pelekane (Pelecani). Sie kennzeichnet vor Allem der gewaltige, nur ihnen eigene Hamenſchnabel, welcher, ſo zu ſagen, aus einem Sacke und einem dieſen ſchließenden Deckel beſteht. Erſterer wird gebildet durch den Unter-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 927. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/979>, abgerufen am 23.11.2024.