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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Flußschwalbe.
siedelt sie sich am Meere oder an süßen Gewässern an, ohne für diese oder jenes besondere Vorliebe
zu zeigen, wie sie denn auch zum Brüten gar nicht selten eine geeignete Küstenstelle sich auswählt.

Vor den Verwandten zeichnet sich die Flußschwalbe wohl nur durch die größere Schnelligkeit
und Vielseitigkeit ihres Fluges aus, wird aber auch hierin von einzelnen Familiengenossen übertroffen.
Jhre gewöhnliche Stimme ist das bekannte "Kriäh", der Ausdruck ihrer Angst ein leises "Kek" oder
"Krek", welches sich bei wachsender Gefahr oft wiederholt und sich, wenn diese geringer wird, in
"Kreiik" umwandelt; im Zorne ruft sie die Silbe "Krek" so oft und hastig aus, daß man die einzelnen
Laute kaum noch unterscheiden kann. An Verstand steht sie anderen Verwandten in keiner Hinsicht
nach. Kleine Fischchen, Wasserfröschchen und Froschlarven, auch wohl Würmer, Engerlinge und andere
Kerbthiere im weitesten Umfange bilden ihre Nahrung. Die im Wasser lebenden Thiere gewinnt sie
durch Stoßtauchen; die am Boden liegenden oder am Grase hängenden nimmt sie fliegend auf.

Jhre Nistplätze sind niedrige Jnseln und Uferbänke, an der Küste oder im Flußbette, wo möglich
solche, deren Grund kiesig, nicht aber sandig ist. Hier bildet sie eine kleine Vertiefung in dem Kiese
oder benutzt eine bereits vorgefundene zum Neste, ohne sich die Mühe zu geben, dasselbe mit Pflanzen-
stoffen auszukleiden. Ende Mai's findet man zwei bis drei große, schön eiförmige, glattschalige,
feinkörnige, glanzlose, auf trübrostgelblichem oder bleichgelbbraunem Grunde mit violettgrauen,
röthlichen und tiefschwarzbraunen, runden oder länglichen Flecken, Tüpfeln und Punkten gezeichnete
Eier, welche während der Nacht vom Weibchen, bei Tage zeitweilig auch vom Männchen bebrütet, in
den Mittagsstunden aber der Sonnenwärme überlassen werden. Jnnerhalb sechszehn bis siebzehn
Tagen sind die Jungen gezeitigt, entlaufen bald dem Neste und verbergen sich fortan bei Gefahr
zwischen den größeren Steinen des Kiesbodens und anderen Unebenheiten, verrathen sich auch nur
dann, wenn die Alte weggeschossen wurde, durch klägliches Piepen, wachsen heran, können nach
Verlauf von zwei Wochen bereits flattern und in der dritten Woche ihres Lebens ihren Eltern schon
fliegend folgen, obwohl sie deren Fluggeschicklichkeit erst später erlernen.

An unseren Binnengewässern bildet die Flußschwalbe selten große Ansiedelungen, während am
Meeresgestade oft Hunderte von dieser Art sich zum Brüten vereinigen. Eine solche, am Strande
der Jnsel Canaria gelegene Ansiedelung besuchte Bolle. "Je weiter wir vorwärts schritten", sagt
er, "desto zahlreichere Pärchen erhoben sich, und bald mußten wir uns in Acht nehmen, die Eier zu
zertreten: in solcher Menge sahen wir uns von ihnen umringt. Kaum hatten wir begonnen, ihre
Eier in unsere Hüte und Körbe zu sammeln, da erhob sich, aufgeschreckt und beunruhigt, die ganze
ungeheuere Menge von Flußseeschwalben, eine Schar von Tausenden, in die Lüfte; wir bewegten uns
wie unter einer schneeweißen Wolke. Das Gekreisch war betäubend, und der Aufruhr der Vögel
nahm noch zu, als vom anderen Ende des Strandes her mehrere fremde Männer, welche ebenfalls
Eier sammelten, erschienen. Aus dem beweglichen und lebenden Schirmdache über uns stachen
bisweilen einige bis dicht auf unseren Kopf herab, wahrscheinlich diejenigen, deren Nester uns zunächst
lagen; entfernten wir uns etwas, so konnten wir deutlich sehen, wie Männchen und Weibchen zu
ihren Eiern zurückkehrten und letzteres zum Brüten darauf Platz nahm, während der treue Gatte zu
Gesellschaft neben ihm sitzen blieb. Wir verließen diesen Ort nicht eher, als bis wir unsere Körbe
bis zum Rande gefüllt hatten, was in weniger als einer Stunde geschehen war. Die erwähnten
Männer erzählten uns, daß für einzelne Weiler der Nachbarschaft diese Brutansiedelungen wochenlang
eine ergiebige und eifrig benutzte Vorrathskammer abgeben, trotzdem aber die Zahl der Seeschwalben
seit Menschengedenken sich nicht vermindert habe. Dieses Letztere war augenscheinlich."

Nicht selten geschieht es, daß bei plötzlichem Steigen des Stromes oder am Meere bei heftigem
Sturme Brutansiedelungen und Tausende von Nestern überschwemmt werden. Tritt ein solcher
Unglücksfall frühzeitig im Jahre ein, so entschließen sich die Flußschwalben zu einer zweiten Brut,
während sie ohne Nachkommenschaft bleiben, wenn die Vernichtung später stattfand. Jedenfalls ist
das Wasser ihr schlimmster Feind; denn vonseiten des Menschen haben sie glücklicherweise nicht viel
zu leiden, und den Raubthieren entgehen sie, wenn sie einmal erwachsen sind, gewöhnlich ohne

Flußſchwalbe.
ſiedelt ſie ſich am Meere oder an ſüßen Gewäſſern an, ohne für dieſe oder jenes beſondere Vorliebe
zu zeigen, wie ſie denn auch zum Brüten gar nicht ſelten eine geeignete Küſtenſtelle ſich auswählt.

Vor den Verwandten zeichnet ſich die Flußſchwalbe wohl nur durch die größere Schnelligkeit
und Vielſeitigkeit ihres Fluges aus, wird aber auch hierin von einzelnen Familiengenoſſen übertroffen.
Jhre gewöhnliche Stimme iſt das bekannte „Kriäh“, der Ausdruck ihrer Angſt ein leiſes „Kek“ oder
„Krek“, welches ſich bei wachſender Gefahr oft wiederholt und ſich, wenn dieſe geringer wird, in
„Kreiik“ umwandelt; im Zorne ruft ſie die Silbe „Krek“ ſo oft und haſtig aus, daß man die einzelnen
Laute kaum noch unterſcheiden kann. An Verſtand ſteht ſie anderen Verwandten in keiner Hinſicht
nach. Kleine Fiſchchen, Waſſerfröſchchen und Froſchlarven, auch wohl Würmer, Engerlinge und andere
Kerbthiere im weiteſten Umfange bilden ihre Nahrung. Die im Waſſer lebenden Thiere gewinnt ſie
durch Stoßtauchen; die am Boden liegenden oder am Graſe hängenden nimmt ſie fliegend auf.

Jhre Niſtplätze ſind niedrige Jnſeln und Uferbänke, an der Küſte oder im Flußbette, wo möglich
ſolche, deren Grund kieſig, nicht aber ſandig iſt. Hier bildet ſie eine kleine Vertiefung in dem Kieſe
oder benutzt eine bereits vorgefundene zum Neſte, ohne ſich die Mühe zu geben, daſſelbe mit Pflanzen-
ſtoffen auszukleiden. Ende Mai’s findet man zwei bis drei große, ſchön eiförmige, glattſchalige,
feinkörnige, glanzloſe, auf trübroſtgelblichem oder bleichgelbbraunem Grunde mit violettgrauen,
röthlichen und tiefſchwarzbraunen, runden oder länglichen Flecken, Tüpfeln und Punkten gezeichnete
Eier, welche während der Nacht vom Weibchen, bei Tage zeitweilig auch vom Männchen bebrütet, in
den Mittagsſtunden aber der Sonnenwärme überlaſſen werden. Jnnerhalb ſechszehn bis ſiebzehn
Tagen ſind die Jungen gezeitigt, entlaufen bald dem Neſte und verbergen ſich fortan bei Gefahr
zwiſchen den größeren Steinen des Kiesbodens und anderen Unebenheiten, verrathen ſich auch nur
dann, wenn die Alte weggeſchoſſen wurde, durch klägliches Piepen, wachſen heran, können nach
Verlauf von zwei Wochen bereits flattern und in der dritten Woche ihres Lebens ihren Eltern ſchon
fliegend folgen, obwohl ſie deren Fluggeſchicklichkeit erſt ſpäter erlernen.

An unſeren Binnengewäſſern bildet die Flußſchwalbe ſelten große Anſiedelungen, während am
Meeresgeſtade oft Hunderte von dieſer Art ſich zum Brüten vereinigen. Eine ſolche, am Strande
der Jnſel Canaria gelegene Anſiedelung beſuchte Bolle. „Je weiter wir vorwärts ſchritten“, ſagt
er, „deſto zahlreichere Pärchen erhoben ſich, und bald mußten wir uns in Acht nehmen, die Eier zu
zertreten: in ſolcher Menge ſahen wir uns von ihnen umringt. Kaum hatten wir begonnen, ihre
Eier in unſere Hüte und Körbe zu ſammeln, da erhob ſich, aufgeſchreckt und beunruhigt, die ganze
ungeheuere Menge von Flußſeeſchwalben, eine Schar von Tauſenden, in die Lüfte; wir bewegten uns
wie unter einer ſchneeweißen Wolke. Das Gekreiſch war betäubend, und der Aufruhr der Vögel
nahm noch zu, als vom anderen Ende des Strandes her mehrere fremde Männer, welche ebenfalls
Eier ſammelten, erſchienen. Aus dem beweglichen und lebenden Schirmdache über uns ſtachen
bisweilen einige bis dicht auf unſeren Kopf herab, wahrſcheinlich diejenigen, deren Neſter uns zunächſt
lagen; entfernten wir uns etwas, ſo konnten wir deutlich ſehen, wie Männchen und Weibchen zu
ihren Eiern zurückkehrten und letzteres zum Brüten darauf Platz nahm, während der treue Gatte zu
Geſellſchaft neben ihm ſitzen blieb. Wir verließen dieſen Ort nicht eher, als bis wir unſere Körbe
bis zum Rande gefüllt hatten, was in weniger als einer Stunde geſchehen war. Die erwähnten
Männer erzählten uns, daß für einzelne Weiler der Nachbarſchaft dieſe Brutanſiedelungen wochenlang
eine ergiebige und eifrig benutzte Vorrathskammer abgeben, trotzdem aber die Zahl der Seeſchwalben
ſeit Menſchengedenken ſich nicht vermindert habe. Dieſes Letztere war augenſcheinlich.“

Nicht ſelten geſchieht es, daß bei plötzlichem Steigen des Stromes oder am Meere bei heftigem
Sturme Brutanſiedelungen und Tauſende von Neſtern überſchwemmt werden. Tritt ein ſolcher
Unglücksfall frühzeitig im Jahre ein, ſo entſchließen ſich die Flußſchwalben zu einer zweiten Brut,
während ſie ohne Nachkommenſchaft bleiben, wenn die Vernichtung ſpäter ſtattfand. Jedenfalls iſt
das Waſſer ihr ſchlimmſter Feind; denn vonſeiten des Menſchen haben ſie glücklicherweiſe nicht viel
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[859/0909] Flußſchwalbe. ſiedelt ſie ſich am Meere oder an ſüßen Gewäſſern an, ohne für dieſe oder jenes beſondere Vorliebe zu zeigen, wie ſie denn auch zum Brüten gar nicht ſelten eine geeignete Küſtenſtelle ſich auswählt. Vor den Verwandten zeichnet ſich die Flußſchwalbe wohl nur durch die größere Schnelligkeit und Vielſeitigkeit ihres Fluges aus, wird aber auch hierin von einzelnen Familiengenoſſen übertroffen. Jhre gewöhnliche Stimme iſt das bekannte „Kriäh“, der Ausdruck ihrer Angſt ein leiſes „Kek“ oder „Krek“, welches ſich bei wachſender Gefahr oft wiederholt und ſich, wenn dieſe geringer wird, in „Kreiik“ umwandelt; im Zorne ruft ſie die Silbe „Krek“ ſo oft und haſtig aus, daß man die einzelnen Laute kaum noch unterſcheiden kann. An Verſtand ſteht ſie anderen Verwandten in keiner Hinſicht nach. Kleine Fiſchchen, Waſſerfröſchchen und Froſchlarven, auch wohl Würmer, Engerlinge und andere Kerbthiere im weiteſten Umfange bilden ihre Nahrung. Die im Waſſer lebenden Thiere gewinnt ſie durch Stoßtauchen; die am Boden liegenden oder am Graſe hängenden nimmt ſie fliegend auf. Jhre Niſtplätze ſind niedrige Jnſeln und Uferbänke, an der Küſte oder im Flußbette, wo möglich ſolche, deren Grund kieſig, nicht aber ſandig iſt. Hier bildet ſie eine kleine Vertiefung in dem Kieſe oder benutzt eine bereits vorgefundene zum Neſte, ohne ſich die Mühe zu geben, daſſelbe mit Pflanzen- ſtoffen auszukleiden. Ende Mai’s findet man zwei bis drei große, ſchön eiförmige, glattſchalige, feinkörnige, glanzloſe, auf trübroſtgelblichem oder bleichgelbbraunem Grunde mit violettgrauen, röthlichen und tiefſchwarzbraunen, runden oder länglichen Flecken, Tüpfeln und Punkten gezeichnete Eier, welche während der Nacht vom Weibchen, bei Tage zeitweilig auch vom Männchen bebrütet, in den Mittagsſtunden aber der Sonnenwärme überlaſſen werden. Jnnerhalb ſechszehn bis ſiebzehn Tagen ſind die Jungen gezeitigt, entlaufen bald dem Neſte und verbergen ſich fortan bei Gefahr zwiſchen den größeren Steinen des Kiesbodens und anderen Unebenheiten, verrathen ſich auch nur dann, wenn die Alte weggeſchoſſen wurde, durch klägliches Piepen, wachſen heran, können nach Verlauf von zwei Wochen bereits flattern und in der dritten Woche ihres Lebens ihren Eltern ſchon fliegend folgen, obwohl ſie deren Fluggeſchicklichkeit erſt ſpäter erlernen. An unſeren Binnengewäſſern bildet die Flußſchwalbe ſelten große Anſiedelungen, während am Meeresgeſtade oft Hunderte von dieſer Art ſich zum Brüten vereinigen. Eine ſolche, am Strande der Jnſel Canaria gelegene Anſiedelung beſuchte Bolle. „Je weiter wir vorwärts ſchritten“, ſagt er, „deſto zahlreichere Pärchen erhoben ſich, und bald mußten wir uns in Acht nehmen, die Eier zu zertreten: in ſolcher Menge ſahen wir uns von ihnen umringt. Kaum hatten wir begonnen, ihre Eier in unſere Hüte und Körbe zu ſammeln, da erhob ſich, aufgeſchreckt und beunruhigt, die ganze ungeheuere Menge von Flußſeeſchwalben, eine Schar von Tauſenden, in die Lüfte; wir bewegten uns wie unter einer ſchneeweißen Wolke. Das Gekreiſch war betäubend, und der Aufruhr der Vögel nahm noch zu, als vom anderen Ende des Strandes her mehrere fremde Männer, welche ebenfalls Eier ſammelten, erſchienen. Aus dem beweglichen und lebenden Schirmdache über uns ſtachen bisweilen einige bis dicht auf unſeren Kopf herab, wahrſcheinlich diejenigen, deren Neſter uns zunächſt lagen; entfernten wir uns etwas, ſo konnten wir deutlich ſehen, wie Männchen und Weibchen zu ihren Eiern zurückkehrten und letzteres zum Brüten darauf Platz nahm, während der treue Gatte zu Geſellſchaft neben ihm ſitzen blieb. Wir verließen dieſen Ort nicht eher, als bis wir unſere Körbe bis zum Rande gefüllt hatten, was in weniger als einer Stunde geſchehen war. Die erwähnten Männer erzählten uns, daß für einzelne Weiler der Nachbarſchaft dieſe Brutanſiedelungen wochenlang eine ergiebige und eifrig benutzte Vorrathskammer abgeben, trotzdem aber die Zahl der Seeſchwalben ſeit Menſchengedenken ſich nicht vermindert habe. Dieſes Letztere war augenſcheinlich.“ Nicht ſelten geſchieht es, daß bei plötzlichem Steigen des Stromes oder am Meere bei heftigem Sturme Brutanſiedelungen und Tauſende von Neſtern überſchwemmt werden. Tritt ein ſolcher Unglücksfall frühzeitig im Jahre ein, ſo entſchließen ſich die Flußſchwalben zu einer zweiten Brut, während ſie ohne Nachkommenſchaft bleiben, wenn die Vernichtung ſpäter ſtattfand. Jedenfalls iſt das Waſſer ihr ſchlimmſter Feind; denn vonſeiten des Menſchen haben ſie glücklicherweiſe nicht viel zu leiden, und den Raubthieren entgehen ſie, wenn ſie einmal erwachſen ſind, gewöhnlich ohne

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 859. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/909>, abgerufen am 23.11.2024.