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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Eiderente.
Gefieders stimmt gewöhnlich mit der des umgebenden Bodens so vollständig überein, daß es dem
Ungeübten wirklich schwer wird, den Vogel zu unterscheiden und zu entdecken. Anfangs bin ich sehr
oft getäuscht und in Verwunderung gesetzt worden, wenn ich plötzlich einen gelinden Biß am Fuße
fühlte, den mir ein auf dem Neste sitzendes, von mir übersehenes Eidergansweibchen beigebracht hatte.
Auch auf solchen Jnseln, welche entfernt von Wohnungen liegen, lassen die Eidervögel den Menschen
sehr nah an sich herankommen, bevor sie auffliegen. Diejenigen, welche in der Nähe der Wohnungen
brüten, erlauben dem Beobachter, sie vom Neste aufzuheben, die Eier zu betrachten und sie wieder auf
diese zu setzen, ohne daß sie ans Wegfliegen denken. Jch habe mir das Vergnügen gemacht, mich
längere Zeit neben sie hinzusetzen, sie zu streicheln, meine Hand zwischen ihren Leib und die Eier zu
stecken und doch sehr viele nicht vom Neste aufgescheucht. Einzelne bissen, wie spielend nach meinem
Finger, andere gaben gar kein Zeichen des Mißbehagens von sich. Solche, welche ich vom Neste
gehoben und in einer gewissen Entfernung auf den Boden niedergesetzt hatte, watschelten, als ob
Nichts geschehen wäre, dem Neste zu, ordneten die Dunen und setzten sich in meiner Gegenwart zum
Brüten nieder. Die scheueren entflohen und bespritzten dann regelmäßig die Eier mit ihrem Kothe; sie
flogen aber niemals weit weg und kehrten auch stets bald wieder zurück, um weiter zu brüten.
Ungestört, verläßt die Mutter gewöhnlich in den Morgenstunden das Nest; vorher aber bedeckt sie das
Gelege höchst sorgfältig mit den Dunen, um jeden schädlichen Einfluß der Witterung abzuhalten.
Hierauf fliegt sie so eilig als möglich dem Meere zu, taucht emsig ungefähr eine halbe Stunde lang
nach Nahrung, füllt sich in dieser Zeit den Kropf bis zum Bersten mit Muscheln an und kehrt wieder
zum Neste zurück. Die Männchen sind immer scheuer, auch wenn sie im Anfange der Brutzeit mit
dem Weibchen aufs Land gehen und am Neste Wache halten. Nähert man sich ihnen, so gerathen sie
in heftige Bewegung, erheben und senken den Kopf, rufen dem Weibchen zu, stehen dann polternd auf
und fliegen in das Meer hinaus, vondortaus ängstlich den Störenfried beobachtend. Nach fünfund-
zwanzig- bis sechsundzwanzigtägiger Bebrütung entschlüpfen die Jungen, allerliebste Geschöpfe,
welche in ein reiches und ziemlich buntes Dunengewand gekleidet sind, vom ersten Tage ihres Lebens
an fertig schwimmen und tauchen, auch ziemlich gut laufen, jedenfalls besser als die Mutter. Diese
führt sie, sobald sie halbwegs trocken geworden sind, dem Meere zu und verläßt es mit ihnen nun-
mehr blos dann noch, wenn die Jungen müde geworden und sich bei heftigem Wogenschlage nicht auf
ihrem eigenen Rücken ausruhen können. Wenn die Brutstätte weit vom Meere liegt, währt die
Wanderung der Familie ziemlich lange Zeit, und der besorgte Besitzer pflegt dann gewöhnlich helfend
einzuschreiten, indem er die eben ausgeschlüpfte Brut in einen Korb packt und mit diesem der See
zuwandert, gefolgt von der hinter ihm drein watschelnden Alten, welche dem Menschen ruhig gewähren
läßt. Das Meer ist die sicherste Zufluchtsstätte für die kleinen Eidervögel, weil sie hier den Nach-
stellungen ihrer schlimmsten Feinde, der Edelfalken, Kolkraben und Raubmöven, am leichtesten entgehen
können. Sehr oft vereinigen sich mehrere Mütter mit ihren Kindern und gewähren dann dem
Beobachter ein höchst wechselvolles, unterhaltendes Schauspiel. Sieht sich die Mutter von einem Boote
verfolgt, so rudert sie anfangs aus allen Kräften, um dem Schützen zu entrinnen, läßt dabei das
Boot bis auf wenige Schritte an sich herankommen und entschließt sich nur im äußersten Nothfalle zum
Auffliegen; wird sie von den Kleinen abgeschnitten, so eilen diese dem Lande zu, klettern und holpern
auf die Küste hinauf, rennen behend hin und her und haben sich im Nu zwischen Steinen oder Boden-
erhöhungen so geschickt verborgen, daß sie das ungeübte Auge wohl täuschen können. Geht die Gefahr
glücklich vorüber, so sieht man sie nach einiger Zeit sich erheben, dem Meere zueilen und im vollsten
Bewußtsein des zu wählenden Weges in gerader Linie vom Lande sich entfernen, der besorgten Mutter
oder einem anderen alten Weibchen zuschwimmend. Wenn die Alte getödtet wird, solange die Jungen
noch der mütterlichen Hilfe nicht entbehren können, schließen sich diese einer anderen Kinderschar an,
und die gutmüthige Alte nimmt sie auch ohne Weiteres auf und führt und pflegt sie, als ob es die
eigenen Kinder wären. Der Trieb zu bemuttern ist überhaupt bei den Eidervögeln sehr ausgeprägt:
schon die neben einander brütenden Weibchen bestehlen sich gegenseitig um die Eier, welche sie unter

Eiderente.
Gefieders ſtimmt gewöhnlich mit der des umgebenden Bodens ſo vollſtändig überein, daß es dem
Ungeübten wirklich ſchwer wird, den Vogel zu unterſcheiden und zu entdecken. Anfangs bin ich ſehr
oft getäuſcht und in Verwunderung geſetzt worden, wenn ich plötzlich einen gelinden Biß am Fuße
fühlte, den mir ein auf dem Neſte ſitzendes, von mir überſehenes Eidergansweibchen beigebracht hatte.
Auch auf ſolchen Jnſeln, welche entfernt von Wohnungen liegen, laſſen die Eidervögel den Menſchen
ſehr nah an ſich herankommen, bevor ſie auffliegen. Diejenigen, welche in der Nähe der Wohnungen
brüten, erlauben dem Beobachter, ſie vom Neſte aufzuheben, die Eier zu betrachten und ſie wieder auf
dieſe zu ſetzen, ohne daß ſie ans Wegfliegen denken. Jch habe mir das Vergnügen gemacht, mich
längere Zeit neben ſie hinzuſetzen, ſie zu ſtreicheln, meine Hand zwiſchen ihren Leib und die Eier zu
ſtecken und doch ſehr viele nicht vom Neſte aufgeſcheucht. Einzelne biſſen, wie ſpielend nach meinem
Finger, andere gaben gar kein Zeichen des Mißbehagens von ſich. Solche, welche ich vom Neſte
gehoben und in einer gewiſſen Entfernung auf den Boden niedergeſetzt hatte, watſchelten, als ob
Nichts geſchehen wäre, dem Neſte zu, ordneten die Dunen und ſetzten ſich in meiner Gegenwart zum
Brüten nieder. Die ſcheueren entflohen und beſpritzten dann regelmäßig die Eier mit ihrem Kothe; ſie
flogen aber niemals weit weg und kehrten auch ſtets bald wieder zurück, um weiter zu brüten.
Ungeſtört, verläßt die Mutter gewöhnlich in den Morgenſtunden das Neſt; vorher aber bedeckt ſie das
Gelege höchſt ſorgfältig mit den Dunen, um jeden ſchädlichen Einfluß der Witterung abzuhalten.
Hierauf fliegt ſie ſo eilig als möglich dem Meere zu, taucht emſig ungefähr eine halbe Stunde lang
nach Nahrung, füllt ſich in dieſer Zeit den Kropf bis zum Berſten mit Muſcheln an und kehrt wieder
zum Neſte zurück. Die Männchen ſind immer ſcheuer, auch wenn ſie im Anfange der Brutzeit mit
dem Weibchen aufs Land gehen und am Neſte Wache halten. Nähert man ſich ihnen, ſo gerathen ſie
in heftige Bewegung, erheben und ſenken den Kopf, rufen dem Weibchen zu, ſtehen dann polternd auf
und fliegen in das Meer hinaus, vondortaus ängſtlich den Störenfried beobachtend. Nach fünfund-
zwanzig- bis ſechsundzwanzigtägiger Bebrütung entſchlüpfen die Jungen, allerliebſte Geſchöpfe,
welche in ein reiches und ziemlich buntes Dunengewand gekleidet ſind, vom erſten Tage ihres Lebens
an fertig ſchwimmen und tauchen, auch ziemlich gut laufen, jedenfalls beſſer als die Mutter. Dieſe
führt ſie, ſobald ſie halbwegs trocken geworden ſind, dem Meere zu und verläßt es mit ihnen nun-
mehr blos dann noch, wenn die Jungen müde geworden und ſich bei heftigem Wogenſchlage nicht auf
ihrem eigenen Rücken ausruhen können. Wenn die Brutſtätte weit vom Meere liegt, währt die
Wanderung der Familie ziemlich lange Zeit, und der beſorgte Beſitzer pflegt dann gewöhnlich helfend
einzuſchreiten, indem er die eben ausgeſchlüpfte Brut in einen Korb packt und mit dieſem der See
zuwandert, gefolgt von der hinter ihm drein watſchelnden Alten, welche dem Menſchen ruhig gewähren
läßt. Das Meer iſt die ſicherſte Zufluchtsſtätte für die kleinen Eidervögel, weil ſie hier den Nach-
ſtellungen ihrer ſchlimmſten Feinde, der Edelfalken, Kolkraben und Raubmöven, am leichteſten entgehen
können. Sehr oft vereinigen ſich mehrere Mütter mit ihren Kindern und gewähren dann dem
Beobachter ein höchſt wechſelvolles, unterhaltendes Schauſpiel. Sieht ſich die Mutter von einem Boote
verfolgt, ſo rudert ſie anfangs aus allen Kräften, um dem Schützen zu entrinnen, läßt dabei das
Boot bis auf wenige Schritte an ſich herankommen und entſchließt ſich nur im äußerſten Nothfalle zum
Auffliegen; wird ſie von den Kleinen abgeſchnitten, ſo eilen dieſe dem Lande zu, klettern und holpern
auf die Küſte hinauf, rennen behend hin und her und haben ſich im Nu zwiſchen Steinen oder Boden-
erhöhungen ſo geſchickt verborgen, daß ſie das ungeübte Auge wohl täuſchen können. Geht die Gefahr
glücklich vorüber, ſo ſieht man ſie nach einiger Zeit ſich erheben, dem Meere zueilen und im vollſten
Bewußtſein des zu wählenden Weges in gerader Linie vom Lande ſich entfernen, der beſorgten Mutter
oder einem anderen alten Weibchen zuſchwimmend. Wenn die Alte getödtet wird, ſolange die Jungen
noch der mütterlichen Hilfe nicht entbehren können, ſchließen ſich dieſe einer anderen Kinderſchar an,
und die gutmüthige Alte nimmt ſie auch ohne Weiteres auf und führt und pflegt ſie, als ob es die
eigenen Kinder wären. Der Trieb zu bemuttern iſt überhaupt bei den Eidervögeln ſehr ausgeprägt:
ſchon die neben einander brütenden Weibchen beſtehlen ſich gegenſeitig um die Eier, welche ſie unter

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[839/0889] Eiderente. Gefieders ſtimmt gewöhnlich mit der des umgebenden Bodens ſo vollſtändig überein, daß es dem Ungeübten wirklich ſchwer wird, den Vogel zu unterſcheiden und zu entdecken. Anfangs bin ich ſehr oft getäuſcht und in Verwunderung geſetzt worden, wenn ich plötzlich einen gelinden Biß am Fuße fühlte, den mir ein auf dem Neſte ſitzendes, von mir überſehenes Eidergansweibchen beigebracht hatte. Auch auf ſolchen Jnſeln, welche entfernt von Wohnungen liegen, laſſen die Eidervögel den Menſchen ſehr nah an ſich herankommen, bevor ſie auffliegen. Diejenigen, welche in der Nähe der Wohnungen brüten, erlauben dem Beobachter, ſie vom Neſte aufzuheben, die Eier zu betrachten und ſie wieder auf dieſe zu ſetzen, ohne daß ſie ans Wegfliegen denken. Jch habe mir das Vergnügen gemacht, mich längere Zeit neben ſie hinzuſetzen, ſie zu ſtreicheln, meine Hand zwiſchen ihren Leib und die Eier zu ſtecken und doch ſehr viele nicht vom Neſte aufgeſcheucht. Einzelne biſſen, wie ſpielend nach meinem Finger, andere gaben gar kein Zeichen des Mißbehagens von ſich. Solche, welche ich vom Neſte gehoben und in einer gewiſſen Entfernung auf den Boden niedergeſetzt hatte, watſchelten, als ob Nichts geſchehen wäre, dem Neſte zu, ordneten die Dunen und ſetzten ſich in meiner Gegenwart zum Brüten nieder. Die ſcheueren entflohen und beſpritzten dann regelmäßig die Eier mit ihrem Kothe; ſie flogen aber niemals weit weg und kehrten auch ſtets bald wieder zurück, um weiter zu brüten. Ungeſtört, verläßt die Mutter gewöhnlich in den Morgenſtunden das Neſt; vorher aber bedeckt ſie das Gelege höchſt ſorgfältig mit den Dunen, um jeden ſchädlichen Einfluß der Witterung abzuhalten. Hierauf fliegt ſie ſo eilig als möglich dem Meere zu, taucht emſig ungefähr eine halbe Stunde lang nach Nahrung, füllt ſich in dieſer Zeit den Kropf bis zum Berſten mit Muſcheln an und kehrt wieder zum Neſte zurück. Die Männchen ſind immer ſcheuer, auch wenn ſie im Anfange der Brutzeit mit dem Weibchen aufs Land gehen und am Neſte Wache halten. Nähert man ſich ihnen, ſo gerathen ſie in heftige Bewegung, erheben und ſenken den Kopf, rufen dem Weibchen zu, ſtehen dann polternd auf und fliegen in das Meer hinaus, vondortaus ängſtlich den Störenfried beobachtend. Nach fünfund- zwanzig- bis ſechsundzwanzigtägiger Bebrütung entſchlüpfen die Jungen, allerliebſte Geſchöpfe, welche in ein reiches und ziemlich buntes Dunengewand gekleidet ſind, vom erſten Tage ihres Lebens an fertig ſchwimmen und tauchen, auch ziemlich gut laufen, jedenfalls beſſer als die Mutter. Dieſe führt ſie, ſobald ſie halbwegs trocken geworden ſind, dem Meere zu und verläßt es mit ihnen nun- mehr blos dann noch, wenn die Jungen müde geworden und ſich bei heftigem Wogenſchlage nicht auf ihrem eigenen Rücken ausruhen können. Wenn die Brutſtätte weit vom Meere liegt, währt die Wanderung der Familie ziemlich lange Zeit, und der beſorgte Beſitzer pflegt dann gewöhnlich helfend einzuſchreiten, indem er die eben ausgeſchlüpfte Brut in einen Korb packt und mit dieſem der See zuwandert, gefolgt von der hinter ihm drein watſchelnden Alten, welche dem Menſchen ruhig gewähren läßt. Das Meer iſt die ſicherſte Zufluchtsſtätte für die kleinen Eidervögel, weil ſie hier den Nach- ſtellungen ihrer ſchlimmſten Feinde, der Edelfalken, Kolkraben und Raubmöven, am leichteſten entgehen können. Sehr oft vereinigen ſich mehrere Mütter mit ihren Kindern und gewähren dann dem Beobachter ein höchſt wechſelvolles, unterhaltendes Schauſpiel. Sieht ſich die Mutter von einem Boote verfolgt, ſo rudert ſie anfangs aus allen Kräften, um dem Schützen zu entrinnen, läßt dabei das Boot bis auf wenige Schritte an ſich herankommen und entſchließt ſich nur im äußerſten Nothfalle zum Auffliegen; wird ſie von den Kleinen abgeſchnitten, ſo eilen dieſe dem Lande zu, klettern und holpern auf die Küſte hinauf, rennen behend hin und her und haben ſich im Nu zwiſchen Steinen oder Boden- erhöhungen ſo geſchickt verborgen, daß ſie das ungeübte Auge wohl täuſchen können. Geht die Gefahr glücklich vorüber, ſo ſieht man ſie nach einiger Zeit ſich erheben, dem Meere zueilen und im vollſten Bewußtſein des zu wählenden Weges in gerader Linie vom Lande ſich entfernen, der beſorgten Mutter oder einem anderen alten Weibchen zuſchwimmend. Wenn die Alte getödtet wird, ſolange die Jungen noch der mütterlichen Hilfe nicht entbehren können, ſchließen ſich dieſe einer anderen Kinderſchar an, und die gutmüthige Alte nimmt ſie auch ohne Weiteres auf und führt und pflegt ſie, als ob es die eigenen Kinder wären. Der Trieb zu bemuttern iſt überhaupt bei den Eidervögeln ſehr ausgeprägt: ſchon die neben einander brütenden Weibchen beſtehlen ſich gegenſeitig um die Eier, welche ſie unter

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 839. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/889>, abgerufen am 23.11.2024.